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BFH-Urteil vom 27.5.1987 (X R 2/81) BStBl. 1987 II S. 739

Tritt ein Unternehmer eine Forderung aus einem Umsatzgeschäft gegen ein unter dem Nennwert der Forderung liegendes Entgelt ab (Factoringgeschäft), wird hierdurch die Bemessungsgrundlage für die an den Schuldner ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung nicht gemindert.

UStG 1967 § 10 Abs. 1 Satz 2.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist infolge Umwandlung nach §§ 366 ff. des Aktiengesetzes (AktG) Rechtsnachfolgerin der A-KG.

Die B Kreditbank (BKB) erwarb in den Streitjahren von der A-KG fortlaufend deren Forderungen aus Warenlieferungen. Der Kaufpreis hierfür betrug bei Forderungen aus Barverkäufen 99,5 v.H. und bei Forderungen aus Teilzahlungsverkäufen 98,2 v.H. Hierdurch entstanden Erlöseinbußen in Höhe von ...

Die Klägerin ist der Ansicht, Bemessungsgrundlage für ihre Lieferungen sei nicht der mit den Bestellern vereinbarte Warenverkaufspreis, sondern das von der BKB an die A-KG entrichtete Entgelt für die Abtretung der Forderungen; nur in dieser Höhe habe sie letztendlich ein Entgelt vereinnahmt. Mit Urteil vom 10. August 1972 V R 64/68 (BFHE 107, 243, BStBl II 1973, 37) habe der Bundesfinanzhof (BFH) zum Umsatzsteuergesetz (UStG) 1951 einen vergleichbaren Fall aufgrund der von ihr beanspruchten Auslegung entschieden. Ferner habe der BFH verschiedentlich ausgeführt, daß sich der Begriff des Entgelts im UStG 1967 gegenüber dem alten Recht nicht verändert habe (Bezugnahme auf BFH-Urteile vom 17. Februar 1972 V R 118/71, BFHE 105, 79, BStBl II 1972, 405; vom 13. Dezember 1973 V R 57/72, BFHE 111, 191, BStBl II 1974, 191). Auch aus den Materialien zu § 10 UStG 1967 (BTDrucks IV/2817) ergebe sich eindeutig die Absicht des Gesetzgebers, daß auch bei der Sollbesteuerung die Umsatzsteuer "letztlich nur nach der Gegenleistung zu bemessen (sei), die der Unternehmer tatsächlich erhalten (habe)". Ihre Rechtsauffassung, daß nur die tatsächlich erhaltenen Abtretungsvaluta Bemessungsgrundlage seien, werde durch die Existenz des § 17 UStG 1967 nicht widerlegt.

Das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in Umsatzsteuer-Rundschau (UR) 1982, 120 veröffentlicht ist, hat die gegen den Änderungsbescheid und die Endgültigkeitserklärung vom 1. März 1976 mit Zustimmung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) erhobene Sprungklage abgewiesen.

Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 10 UStG 1967. Sie verfolgt ihr bisheriges Begehren weiter. Ergänzend trägt sie vor, das angefochtene Urteil widerspreche dem bereits vom Reichsfinanzhof (RFH) aufgestellten und vom Urteil in BFHE 107, 243, BStBl II 1973, 37 fortgeschriebenen Grundsatz, daß bei der Forderungsabtretung gegen ein Entgelt unter dem Nennwert die Zahlung der Abtretungsvaluta der Zahlung des Leistungsentgelts gleichstehe. Die entgeltliche Forderungsabtretung als solche stelle einen selbständigen Leistungsaustausch dar; hieraus folge, daß die Abtretungsvaluta die umsatzsteuerrechtlich maßgebende Bemessungsgrundlage sei. Das angefochtene Urteil habe übersehen, daß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967 im Zusammenhang mit den Sätzen 3 und 4 dieser Vorschrift ausgelegt werden müsse. Der Begriff des Entgelts in § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967 sei gegenüber § 10 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz i. d. F. vom 1. September 1951 (UStDB 1951) unverändert geblieben. Eine Korrespondenz zwischen in Rechnung gestellter Umsatzsteuer und abgezogener Vorsteuer werde vom Gesetz zwar angestrebt, sei aber nirgends zwingend vorgeschrieben. Das Gesetz sehe für den Fall der Änderung einer Bemessungsgrundlage nicht einmal eine Mitteilungspflicht vor. § 17 UStG 1967 sei für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage ohne Bedeutung.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die angefochtenen Bescheide dahin abzuändern, daß die Steuer für 1968 auf ... DM, für 1969 auf ... DM und für 1970 auf ... DM herabgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967 ist "Entgelt ... alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung vereinbarungsgemäß aufzuwenden hat, um die Lieferung oder die sonstige Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (Solleinnahme)". Das FG hat zu Recht entschieden, daß im hier vorliegenden Falle der Abtretung einer Forderung gegen ein Entgelt unter dem Nennwert nach Wortlaut, Zweck und systematischer Stellung dieser Vorschrift - vorbehaltlich einer Anwendung des § 17 Abs. 1 und 2 UStG 1967 - Bemessungsgrundlage nicht die Abtretungsvaluta, sondern die mit den Bestellern vereinbarten Entgelte für Lieferungen sind.

1. Bemessungsgrundlage für die Umsätze der A-KG ist das mit den Bestellern vereinbarte Entgelt.

Diese vom FG vertretene Auffassung entspricht der Rechtsansicht der Finanzverwaltung (Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 9. Juni 1972 S 7.200 - 4 - VC 4, Steuererlasse in Karteiform - StEK -, Umsatzsteuergesetz 1967, § 10 Nr. 176; Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 27. Dezember 1973 IV A 2 - S 7.200 - 60/73, IV A 1 - S 7.280 - 21/73, BStBl I 1974, 12, m. w. N.; Abschn. 149 Abs. 4 Satz 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR - 1985; vgl. auch Erlaß des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 14. Juni 1978 36-S 7.200 - 39/32 - 16.680, StEK, Umsatzsteuergesetz 1967, § 10 Nr. 364, betreffend Forfaitierung von Forderungen aus Warenlieferungen) und der in der Literatur vertretenen herrschenden Meinung (Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz [Mehrwertsteuer], Kommentar, 6. Aufl., § 10 Rdnr. 462 a. E.; Schuhmann in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz [Mehrwertsteuer], Kommentar, 4. Aufl., § 10 Rdnr. 49 ff., 57 ff. zum sog. echten Factoring; Ringleb in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, 3. Aufl., Stand: November 1986, § 10 Rdnr. 66; Wagner in Sölch/Ringleb/List, a.a.O., § 13 Rdnr. 30; Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., 1985, § 10 Anm. 17; Wendt in Schüle/Teske/Wendt, Kommentar zur Umsatzsteuer - Mehrwertsteuersystem -, Stand August 1986, § 10 Rdnr. 51 zur Forfaitierung; Weiß, UR 1982, 29 f.; derselbe, UR 1986, 83, 91; Püschel, UR 1972, 217; Furkel, Betriebs-Berater - BB - 1972, 749; Reiter, BB 1982, 1.718, 1.722, betreffend echtes Factoring; Schuhmann, UR 1983, 205, 207; H. List, Factoring und Umsatzsteuer in: Jahrbuch für Betriebswirte 1985, 271 ff., 276). Diese Auffassung beruht auf einer zutreffenden Auslegung des umsatzsteuerrechtlichen Entgeltsbegriffs.

2. Aus den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils ist nicht eindeutig ersichtlich, ob die BKB das Ausfallwagnis hinsichtlich der abgetretenen Forderungen übernommen hat und deswegen das Rechtsverhältnis zwischen ihr und der A-KG als sog. echtes Factoring einzuordnen ist. Auf diese Tatfrage kommt es indes hier nicht an. Die Unterscheidung zwischen echtem und unechtem Factoring ist für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Umsätze des Factors (hier: der BKB) gegenüber dem Anschlußkunden (hier: der A-KG) von Bedeutung. Während das echte Factoring alle Merkmale des Umsatzes von Geldforderungen (§ 4 Nr. 8 UStG 1951/1967) durch den Anschlußkunden an den Factor erfüllt, bleibt beim unechten Factoring der Anschlußkunde wirtschaftlich Inhaber der Forderung; diesem gegenüber erbringt der Factor ein Bündel selbständiger Hauptleistungen (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1981 V R 75/76, BFHE 134, 470, 477 f., BStBl II 1982, 200). Aus der hier maßgeblichen Sicht des Anschlußkunden ist dem echten und dem unechten Factoring gemein, daß der Anschlußkunde als Valuta höchstens den um die Factoring-Gebühren geminderten Nennbetrag der Forderung (zuzüglich Mehrwertsteuer) erhält.

3. Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967 bestimmt sich die umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage ausschließlich nach der vom Leistungsempfänger erbrachten Gegenleistung, also dessen tatsächlichem Aufwand (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 1983 V R 91/80, BFHE 139, 319, 321, BStBl II 1984, 120). Tatsächlicher Aufwand ist im Streitfall der Aufwand, den der Leistungsempfänger zu zahlen hat. Leistungsempfänger ist der Kunde, nicht die Bank. Die von der Klägerin vertretene Auslegung mochte § 5 Abs. 1 Satz 1 UStG 1951 entsprechen, dem zufolge der Umsatz "nach dem vereinnahmten Entgelt bemessen" wurde (siehe aber bereits § 10 Satz 1 UStDB 1951). Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf einen in der Rechtsprechung formulierten Grundsatz, "daß Umsätze nur mit derjenigen Bemessungsgrundlage besteuert werden sollen, die sich aufgrund der letztendlich vereinnahmten Gegenleistung ergibt" (z.B. BFH-Beschluß vom 10. März 1983 V B 46/80, BFHE 138, 107, 110, BStBl II 1983, 389, m. w. N.). Diese Aussage enthält lediglich eine verallgemeinernde Umschreibung der materiell-rechtlichen Regelungsinhalte der §§ 10 Abs. 1, 17 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967. Sie besagt nichts zu der hier entscheidungserheblichen Rechtsfrage, welcher Betrag als aufgewendet und - hiermit korrespondierend im besonderen Falle der Forderungsabtretung - als vereinnahmt anzusehen ist.

4. Zu Recht hat das FG ausgeführt, daß Sinn und systematische Stellung des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967 zu einer vom Wortlaut der Vorschrift abweichenden Rechtsanwendung keinen Anlaß geben.

a) In die Auslegung nach dem Sinnzusammenhang ist § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 einzubeziehen. Nach dieser Vorschrift liegt ein Leistungsaustausch vor, wenn sich die Leistung auf den Erhalt einer Gegenleistung richtet und damit die gewollte, erwartete oder erwartbare Gegenleistung auslöst, so daß schließlich die wechselseitig erbrachten Leistungen miteinander innerlich verbunden sind (BFH-Urteil vom 7. Mai 1981 V R 47/76, BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495). Keine Voraussetzung des Leistungsaustauschs ist es, daß das Entgelt als Gegenleistung vom Empfänger selbst erbracht wird, wenn nur eine innere Verknüpfung zwischen der steuerbaren Leistung und der Entgeltszahlung seitens eines Dritten besteht (BFH-Urteil vom 26. Juni 1986 V R 93/77, BFHE 147, 79, BStBl II 1986, 723, zur Auslegung des § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG 1967). Der Tatbestand der "Leistung gegen Entgelt" setzt eine Wechselbeziehung und gegenseitige Abhängigkeit der von den am Austauschverhältnis beteiligten Personen einander gewährten Leistungen voraus.

Die Umsätze i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 werden nach dem Entgelt bemessen. Als Aufwendungen i. S. des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967 kommen auch Zahlungen an Dritte in Betracht, sofern sie für Rechnung des leistenden Unternehmers entrichtet werden und im Zusammenhang mit der Leistung stehen. Dagegen erhöhen Zahlungen des Leistungsempfängers auf eigene Schuld gegenüber Dritten das Entgelt nicht (BFH-Urteile vom 22. Februar 1968 V 84/64, BFHE 92, 56, BStBl II 1968, 463; vom 10. Juli 1980 V R 23/77, BFHE 130, 571, BStBl II 1980, 620). Auch in dieser Hinsicht bedarf es einer "inneren Verknüpfung des Entgelts mit der Leistung".

Diese Verknüpfung ist die Rechtfertigung dafür, daß die Umsatzsteuer "nach dem Entgelt bemessen" wird. Zwar ist für das Umsatzsteuerrecht unerheblich, ob mit einem Austauschverhältnis eine Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung tatsächlich erreicht wird (BFH-Urteile vom 3. Dezember 1953 V 119/53 U, BFHE 58, 404, 405, BStBl III 1954, 65; vom 6. Juni 1984 V R 33/83, BFHE 141, 355, 359, BStBl II 1984, 686). Das Umsatzsteuerrecht geht jedoch - insoweit abhebend auf den idealtypischen Fall eines gelungenen Interessenausgleichs - davon aus, daß die wirtschaftliche und damit steuerrechtliche Wertigkeit der Leistung gegen Entgelt aufgrund subjektiver Einschätzung der am Umsatz Beteiligten bestimmt wird (vgl. Weiß, UR 1986, 83, 84, 86 f.). Der von den Beteiligten gefundene Wert bleibt unbeeinflußt von der aufgrund anderer Bewertungskriterien zu beantwortenden Frage, welchen Preis ein Zessionar (Abtretungsempfänger) für die Forderung zu zahlen bereit ist. Die Differenz zwischen Nennwert der Forderung und Valutabetrag drückt das von den an der Zession Beteiligten subjektiv eingeschätzte Risiko eines Ausfalls der Forderung aus und gibt den Aufwand für den Einzug der Forderung ab. Diese Wertbemessung hat keinen rechtlichen Bezug zur Wertbestimmung des ursprünglichen Umsatzes.

Daß die Wertigkeit des Umsatzes durch die Forderungsabtretung unberührt bleibt, ergibt sich auch aus der Erwägung, daß der Zedent (Abtretende) über die Forderung mit ihrem vollen Nennwert (zuzüglich Mehrwertsteuer) verfügt und dem Zessionar (Factor) dieser Bruttobetrag zur Realisierung zugewiesen wird (so zutreffend Weiß, Urteilsanmerkung in UR 1982, 29, 30).

b) Diese Auslegung entspricht auch dem System des Rechts der Mehrwertsteuer. Als Vorsteuer abziehbar (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967) ist - unter weiteren Voraussetzungen - die "gesondert in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen und sonstigen Leistungen" (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967). Dieser Vorsteuerbetrag entspricht dem Steuerbetrag, der in der Rechnung als auf das Entgelt (§ 10 UStG 1967) entfallend gesondert ausgewiesen wird (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 und 6 UStG 1967). Wollte man in Fällen der hier streitigen Art eine die Bemessungsgrundlage berührende Entgeltsminderung annehmen, wäre das vom Gesetzgeber angestrebte betragsmäßige Gleichgewicht von Vorsteuerabzug und Umsatzsteuerschuld (vgl. BFH-Urteil vom 15. September 1983 V R 125/78, BFHE 139, 312, 314, BStBl II 1984, 71, 72) gestört. Demgegenüber fallen die praktischen Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, daß dem Leistenden für eine etwa gebotene Anwendung des § 17 UStG 1967 die Änderung der Bemessungsgrundlage nicht ohne weiteres bekannt ist, nicht ins Gewicht.