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BFH-Beschluß vom 26.8.1987 (IV B 27/87) BStBl. 1987 II S. 786

Will das FG die gesetzliche Rechtsmittelsperre in Art. 1 Nr. 3 BFH-EntlG beseitigen und den Beschwerdeweg zum BFH eröffnen, muß es die Zulassung ausdrücklich und in eindeutiger Weise aussprechen.

BFH-EntlG Art. 1 Nr. 3.

Sachverhalt

Die Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Witwe und Alleinerbin des A, der wegen des gegen ihn ergangenen Gewinnfeststellungsbescheids für das Jahr 1982 vom 5. Juni 1985 Klage zum Finanzgericht (FG) erhoben hat, über die noch nicht entschieden worden ist. Den noch von A, der während des Klageverfahrens verstorben ist, gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheids vom 9. September 1985 hat das FG durch Beschluß vom 1. Dezember 1986 abgewiesen. Die Beschlußformel dieser Entscheidung lautet:

"Der Antrag wird abgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens."

Daran schließen sich die Gründe dieser Entscheidung an. Es folgt sodann folgender abschließender Abschnitt der Entscheidung:

"Rechtsmittelbelehrung:

a) Dieser Beschluß ist unanfechtbar (Art. 1 Nr. 3 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 - BGBl I Seite 1861 -).

b) Gegen diesen Beschluß ist nach § 128 Abs. 1 FGO die Beschwerde zulässig. Sie ist durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer einzulegen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich durch Beamte oder Angestellte, welche die Befähigung zum Richteramt besitzen, vertreten lassen.

Die Beschwerde muß bei dem Niedersächsischen Finanzgericht in Hannover schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen, gerechnet vom Ende des Tages an, an dem der Beschluß zugestellt wird, eingehen. Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der genannten zwei Wochen beim Bundesfinanzhof in München eingeht.

Auf §§ 128 bis 132 FGO wird verwiesen."

Die Klägerin hat gegen diesen Beschluß fristgerecht Beschwerde zum Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluß vom 22. Januar 1987). Der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) hält die Beschwerde für unbegründet, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht bestünden.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Gegen einen Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 und 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) steht den Beteiligten die Beschwerde nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 FGO entsprechend. Diese in Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlG) getroffene Regelung schränkt die früher nach § 128 Abs. 1 FGO gegen derartige Entscheidungen des FG gegebene Beschwerde ab dem Inkrafttreten des BFH-EntlG am 15. September 1975 ein. Danach ist die Beschwerde gegen eine vom FG im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO gefällte Entscheidung an die Zulassung in der finanzgerichtlichen Entscheidung gebunden. Der Hinweis auf § 115 Abs. 2 FGO besagt lediglich, daß die dort unter Nrn. 1 bis 3 aufgeführten Zulassungsvoraussetzungen für die vom FG zu treffende Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde maßgeblich sind (Beschlüsse des BFH vom 22. Januar 1976 V B 91/75, BFHE 117, 531, BStBl II 1976, 241, und vom 23. Januar 1976 VI B 144/75, BFHE 117, 440, BStBl II 1976, 120).

2. Der Ausspruch über die Zulassung eines Rechtsmittels zum Revisions- bzw. Beschwerdegericht hebt die gesetzliche Zulassungssperre auf, ist mithin für den Zugang zur höheren von konstitutiver Bedeutung (vgl. Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, Seite 6, Rdnrn. 16 ff.). Wegen dieser Bedeutung muß die Zulassung ausdrücklich erfolgen (BFH-Beschluß vom 28. Juli 1977 IV R 127/76, BFHE 123, 117, BStBl II 1977, 819), und zwar in dem Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 FGO (BFH-Beschluß vom 3. Mai 1984 VII B 84/83, BFHE 141, 116, BStBl II 1984, 562).

Da die Zulassungsentscheidung den sachlichen Inhalt der FG-Entscheidung nicht betrifft, ist sie in § 105 Abs. 2 FGO nicht vorgesehen. Es wird mangels einer näheren Regelung für zulässig erachtet, sie mit der Entscheidungsformel der nach § 69 Abs. 3 FGO ergehenden Entscheidung zu verbinden; sie kann aber auch aus den Gründen dieser Entscheidung hervorgehen (vgl. BFH-Urteil vom 5. November 1971 VI R 284/69, BFHE 103, 477, BStBl II 1972, 139).

Im Streitfall hat das FG weder in der Beschlußformel noch in den Entscheidungsgründen die Zulassung der Beschwerde im Sinne des Art. 1 Nr. 3 BFH-EntlG ausgesprochen.

3. Ob das FG auch in der Rechtsmittelbelehrung die Zulassung wirksam aussprechen kann, wird in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte nicht einheitlich beurteilt (vgl. zur BFH-Rechtsprechung BFH-Beschlüsse vom 12. April 1967 VI R 321/66, BFHE 88, 361, BStBl III 1967, 396; BFHE 103, 477, BStBl II 1972, 139, und BFHE 123, 117, BStBl II 1977, 819; vom 27. Februar 1985 VIII B 57/84, BFH/NV 1985, 96, und vom 3. Dezember 1985 VII B 65/85, BFH/NV 1985, 419). Der erkennende Senat braucht zu dieser Frage nicht Stellung zu nehmen.

a) Das FG hat im Abschnitt "Rechtsmittelbelehrung" die Klägerin zunächst nicht im Sinne des § 55 FGO belehrt, sondern in Übereinstimmung mit der Rechtslage und unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsvorschrift des Art. 1 Nr. 3 BFH-EntlG festgestellt, daß die von ihm getroffene Entscheidung unanfechtbar ist. Damit hat das FG die Klägerin darauf hingewiesen, welche prozessuale Rechtsfolge infolge der Nichtzulassung der Beschwerde eingetreten ist. Daß es aus Gründen der Rechtsklarheit unter Umständen angebrachter gewesen wäre, die Unanfechtbarkeit des ergangenen Beschlusses an anderer Stelle der Entscheidung auszuweisen, ändert an der rechtlichen Beurteilung nichts.

b) Die eigentliche Rechtsmittelbelehrung (Buchstabe b des Abschnitts) steht zu der vom FG zuvor wiedergegebenen Rechtslage im Widerspruch. Zur Prüfung der Frage, ob mit dieser Belehrung gleichwohl noch eine Zulassung ausgesprochen werden konnte bzw. dieses in einer verfahrensrechtlich einwandfreien Form erfolgte, ist der BFH berufen (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 115 Anm. 8 E; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rdnr. 75; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2. Februar 1966 VIII ZR 76, 77/64, BGHZ 44, 395). Die Statthaftigkeit der Revision bzw. Beschwerde infolge Wegfalls der Zulassungssperre ist wie die Sachurteilsvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen.

Nach Auffassung des erkennenden Senats kann der Rechtsmittelbelehrung nicht entnommen werden, daß das FG die Zulassung der Beschwerde habe aussprechen wollen. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist vom Gesetzeswortlaut auszugehen, demzufolge ein ausdrücklicher Ausspruch der Zulassung in der Entscheidung nach § 69 Abs. 3 FGO zu erfolgen hat. Dies könnte im Streitfall der Rechtsmittelbelehrung allenfalls mittelbar entnommen werden. Hiermit ist jedoch den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt; die Forderung nach einer ausdrücklichen Zulassung beinhaltet die Unzweideutigkeit der entsprechenden Äußerung des Gerichts. Betrachtet man im Streitfall die Rechtsmittelbelehrung nicht isoliert, sondern den Beschluß des FG in seiner Gesamtheit, ergibt sich, daß das FG die Beschwerde nicht zulassen wollte. Hieraus folgt, daß das FG eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat; eine solche kann aber ein unzulässiges Rechtsmittel nicht zu einem zulässigen machen.