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BFH-Urteil vom 10.7.1987 (VI R 160/86) BStBl. 1987 II S. 827

Die Frist zur Abgabe des Antrags auf Lohnsteuer-Jahresausgleich wird auch durch die Abgabe des Antrags bei einem für die Durchführung des Jahresausgleichs örtlich unzuständigen FA gewahrt.

EStG 1981 § 42 Abs. 2, § 42c Abs. 2; AO 1977 § 127.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) reichte am 27. September 1982 durch seinen damaligen Bevollmächtigten beim Finanzamt Frankfurt/Main-Stiftstraße einen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Streitjahr 1981 ein. Seinen Wohnort hatte der Kläger mit "6000 Frankfurt 80" angegeben. Vom Finanzamt Frankfurt/Main-Stiftstraße gelangte der Antrag daraufhin am 13. Oktober 1982 an den Beklagten und Revisionskläger, das gemäß § 42c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs zuständige Finanzamt Frankfurt/Main-Höchst (FA). Dieses lehnte es ab, den Lohnsteuer-Jahresausgleich durchzuführen, weil die Abgabefrist nicht eingehalten worden sei.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt. Es ist der Meinung, daß der Kläger die Frist nicht versäumt, sondern sie mit der Abgabe des Antrags beim Finanzamt Frankfurt/Main-Stiftstraße gewahrt habe. Zur Begründung führte das FG in seinem Urteil hierzu im wesentlichen aus: § 42 Abs. 2 Satz 3 EStG bestimme (nur), daß der Antrag spätestens am 30. September des dem Ausgleichsjahr folgenden Kalenderjahres zu stellen sei; wo dieser Antrag gestellt werden müsse, sei dieser Vorschrift nicht zu entnehmen. § 42c Abs. 2 EStG regele (nur), welches Finanzamt "für die Durchführung" des Lohnsteuer-Jahresausgleichs örtlich zuständig sei. Es würde dem Wortlaut dieser Vorschriften und dem Sinn und Zweck von Regelungen über die örtliche Zuständigkeit zuwiderlaufen, wenn der Erstattungsanspruch allein deshalb verloren gehe, weil der Antrag fristgerecht bei einem zwar sachlich, nicht aber örtlich für die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs zuständigen Finanzamt gestellt werde.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 42 Abs. 2 i.V.m. § 42c Abs. 2 EStG. Ein Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich sei nur dann rechtzeitig gestellt, wenn dem Finanzamt innerhalb der Ausschlußfrist nicht nur die Personalangaben, sondern auch der Bruttoarbeitslohn und die einbehaltene Lohnsteuer mitgeteilt würden, denn das Finanzamt sei darauf angewiesen, die entscheidungserheblichen Tatsachen bereits bei Antragstellung zu erfahren. Hierbei komme es ausschließlich auf die Kenntnis des für die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs zuständigen Finanzamts an. Die Erstattung selbst könne nur von dem örtlich zuständigen Finanzamt vorgenommen werden, denn jedes Finanzamt sei eine für sich unabhängige, lediglich gegenüber übergeordneten Stellen weisungsgebundene Behörde. Hieraus folge, daß der Antrag nur dann fristgerecht gestellt sei, wenn der ordnungsgemäß ausgefüllte Vordruck dem für die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs zuständigen Finanzamt innerhalb der Antragsfrist zugehe.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat sich zur Revision des FA nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist nicht begründet.

Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Kläger mit der Abgabe seines Antrags auf Lohnsteuer-Jahresausgleich beim Finanzamt Frankfurt/Main-Stiftstraße die Antragsfrist des § 42 Abs. 2 Satz 3 EStG gewahrt hat.

Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 EStG wird der Lohnsteuer-Jahresausgleich auf Antrag des Arbeitnehmers vom Finanzamt durchgeführt. Nach § 42c Abs. 2 Satz 1 EStG ist für die "Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs" dasjenige Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer am Schluß des Ausgleichsjahres seinen Wohnsitz (....) hatte. Danach ging das FG zutreffend davon aus, daß sich aus dem Gesetz zwar ergibt, welches Finanzamt für das Verwaltungsverfahren der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs örtlich zuständig ist, daß der Gesetzgeber aber keine Regelung darüber getroffen hat, bei welchem örtlichen Finanzamt der entsprechende Antrag zu stellen ist. Zur Wahrung der Ausschlußfrist des § 42 Abs. 2 Satz 3 EStG genügt somit auch die rechtzeitige Abgabe des Antrags auf Lohnsteuer-Jahresausgleich bei einem Finanzamt, das für die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs örtlich nicht zuständig ist.

Zwar hat das FA zu Recht darauf hingewiesen, daß ein wirksamer Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich nur dann vorliegt und damit rechtzeitig gestellt sein kann, wenn der Arbeitnehmer dem Finanzamt nach amtlichem Vordruck (§ 42 Abs. 2 Satz 3 EStG) innerhalb der Ausschlußfrist nicht nur die erforderlichen Personalangaben macht, sondern auch zumindest Bruttoarbeitslohn und einbehaltene Lohnsteuer mitteilt (so bereits zu den früher geltenden Vorschriften der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich: Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. März 1974 VI R 108/71, BFHE 112, 345, BStBl II 1974, 590). Denn die Finanzverwaltung ist auf diese Mindestangaben für einen substantiierten Antrag angewiesen. Soweit das FA in Übereinstimmung mit dem FG Hamburg (Urteil vom 6. März 1978 I 202/77, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1978, 405) darüber hinaus aber folgert, daß es dabei nur auf die Kenntnis des für die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs zuständigen Finanzamts ankomme, vermag sich der erkennende Senat dem nicht anzuschließen.

Nach dem Sinn und Zweck des Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahrens als eines Massenverfahrens soll der Steuerpflichtige mit der Ausschlußfrist dazu angehalten werden, sich innerhalb überschaubarer Zeit über seine Verhältnisse zu erklären, um dem Fiskus frühzeitig eine Übersicht über die haushaltsmäßigen Belastungen zu ermöglichen. Diesem Ziel wird genügt, wenn der Finanzverwaltung rechtzeitig ein substantiierter Antrag vorliegt, ohne daß es auf die spezielle Kenntnis des später für die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs örtlich zuständigen Finanzamts ankommt, zumal es regelmäßig wegen der schnelleren Bearbeitung im Interesse des Steuerpflichtigen liegt, den Antrag beim für die Bearbeitung zuständigen Finanzamt abzugeben, und das Verwaltungsverfahren durch die notwendige Weiterleitung vergleichsweise weniger Fälle keine bedeutsame Störung erfährt.

Für diese Auffassung spricht auch, daß es sich bei der Zuständigkeitsvorschrift des § 42c Abs. 2 EStG um eine Ordnungsvorschrift handelt, die sich in erster Linie an die Behörden der Finanzverwaltung richtet. Hiervon geht offenbar auch die Finanzverwaltung selbst aus, wenn sie sich beispielsweise in Abschn. 109a der Lohnsteuer-Richtlinien ab 1984 für Angehörige der Bundeswehr aus Vereinfachungsgründen über die Regelung des § 42c Abs. 2 EStG hinwegsetzt.

Schließlich hat das FG zutreffend darauf hingewiesen, daß sich, würde man der gegenteiligen Ansicht des FA folgen, ein innerer Widerspruch zu der vom Gesetzgeber mit § 127 der Abgabenordnung (AO 1977) vorgenommenen Wertung ergäbe. Dies wird z.B. deutlich für den Fall, daß ein Steuerpflichtiger seinen Antrag innerhalb der Ausschlußfrist an das örtlich unzuständige Finanzamt richtet, welches den Lohnsteuer-Jahresausgleich in Verkennung der Zuständigkeitsvorschriften durchführt. Erhebt nun der Steuerpflichtige wegen einer für ihn ungünstigen Entscheidung Einspruch und stellt er gleichzeitig innerhalb der Ausschlußfrist einen weiteren Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich beim örtlich zuständigen Finanzamt, so müßte für den Fall der vom FA vertretenen Auffassung der mit dem Einspruch angefochtene Bescheid allein schon wegen der Unzuständigkeit als materiell fehlerhaft aufgehoben werden, während nach der vom Gesetzgeber mit § 127 AO 1977 vertretenen Intention der Einspruch als unbegründet zurückzuweisen wäre, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können.

Mit seiner Entscheidung weicht der erkennende Senat nicht vom BFH-Urteil vom 10. Juni 1975 VIII R 72/72 (BFHE 116, 252, BStBl II 1975, 762) ab, nach dem es für die Rechtzeitigkeit eines Investitionszulageantrags auf den Zugang beim zuständigen Finanzamt ankommt. Zum einen ist die Regelung des § 19 Abs. 4 des Berlinhilfegesetzes 1968 bereits nach dem Wortlaut nicht direkt mit den Regelungen zum Lohnsteuer-Jahresausgleich vergleichbar; zum anderen liegen diese Fälle auch deshalb anders, weil es sich bei der Investitionszulage um die Gewährung von Subventionen handelt, während es beim Lohnsteuer-Jahresausgleich um die Erstattung zuviel einbehaltener Lohnsteuer geht.