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BFH-Urteil vom 10.6.1987 (I R 253/83) BStBl. 1988 II S. 27

1. Die Steuerfreiheit einer Unterstützungskasse setzt voraus, daß der Beirat, dem die beratende Mitwirkung durch die Zugehörigen bzw. Arbeitnehmervertreter des Trägerunternehmens übertragen ist, die Gesamtheit der Betriebszugehörigen repräsentiert (Bestätigung des BFH-Urteils vom 24. Juni 1981 I R 143/78, BFHE 133, 535, BStBl II 1981, 749).

2. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die Beiratsmitglieder letztlich von der Geschäftsleitung des Trägerunternehmens bestimmt werden.

3. Eine Bestimmung durch die Geschäftsleitung des Trägerunternehmens ist auch gegeben, wenn der Beirat zwar durch die Mitgliederversammlung der Unterstützungskasse aus dem Kreis der Betriebsangehörigen gewählt wird, über die Zusammensetzung der Mitgliederversammlung jedoch der von der Geschäftsleitung des Trägerunternehmens eingesetzte Vorstand entscheidet.

KStG § 4 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde am 31. Dezember 1965 als Unterstützungskasse der Firma S (Trägerunternehmen) errichtet und anschließend in das Vereinsregister eingetragen. Im Jahre 1977 wurde das Kassenvermögen des Klägers auf das Trägerunternehmen übertragen. Der Kläger ist im Vereinsregister bisher noch nicht gelöscht.

Nach § 2 der Satzung ist der Kläger eine soziale Einrichtung des Trägerunternehmens. Sein Zweck ist die freiwillige einmalige oder laufende Unterstützung von Betriebszugehörigen und ehemaligen Betriebsangehörigen bei Hilfsbedürftigkeit, Berufsunfähigkeit und im Alter.

Die Satzung des Klägers hat folgenden Wortlaut:

"§ 3 Mitgliedschaft

(1) Die Mitglieder des Vereins müssen der Firma angehören oder angehört haben oder für die Firma tätig sein.

(2) Über die Aufnahme von Mitgliedern entscheidet der Vorstand. Sie erfolgt auf Antrag durch schriftliche Mitteilung des Vorstandes.

(3) Im allgemeinen soll die Mitgliederzahl sieben betragen, jedoch zwölf nicht übersteigen. Zwei Mitglieder sollen Angehörige der Belegschaft sein.

§ 5 Organe

Organe des Vereins sind der Vorstand, der Beirat und die Mitgliederversammlung.

§ 6 Vorstand

(1) Der Vorstand besteht aus drei Personen, von denen wenigstens eine Person Mitglied der Belegschaft sein muß.

(2) Die Vorstandsmitglieder werden von der Geschäftsleitung der Firma auf die Dauer von drei Jahren bestellt. Die Bestellung des Mitgliedes der Belegschaft erfolgt im Einvernehmen mit dieser. Die Mitgliedschaft im Vorstand ist an die Zugehörigkeit zur Firma gebunden.

(3) ...

§ 7 Vorsitz, Vertretung, Beschlußfassung

(1) ...

(2) Die Entschließungen des Vorstandes werden durch Mehrheitsbeschluß gefaßt.

§ 8 Geschäftsführung

Der Vorstand führt die Geschäfte des Vereins. Er verwaltet sein Vermögen und beschließt über die zu gewährenden Überstützungen. Vor seinen Entscheidungen hat der Vorstand den Beirat zu hören.

§ 9 Beirat

(1) Dem Vorstand steht ein aus drei Mitgliedern bestehender Beirat zur Seite, der jeweils auf die Dauer von drei Jahren von der Mitgliederversammlung gewählt wird.

(2) Die Mitglieder des Beirates müssen nicht Vereinsmitglieder, jedoch Betriebsangehörige sein. Dem Beirat muß ein Mitglied der Geschäftsleitung der Firma angehören.

(3) Der Beirat ist beratend zu hören.

§ 11 Beschlüsse der Mitgliederversammlung

(1) Zu Beschlüssen der Mitgliederversammlung ist einfache Mehrheit der erschienenen Mitglieder erforderlich, sofern die Satzung nichts anderes bestimmt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.

(2) ...

(3) ...

§ 14 Leistungen

(1) Der Verein kann Altersrenten, Invalidenrenten, Witwenrenten und Waisenrenten gewähren.

(2) Der Verein kann auch einmalige Unterstützungen in Fällen der Not gewähren.

(3) - (4) ...

(5) Der Vorstand stellt die Richtlinien auf, nach denen die Leistungen des Vereins gewährt werden (Leistungsplan). Der Leistungsplan bedarf der Zustimmung der Firma."

Das Trägerunternehmen führte dem Kläger in den Jahren 1965 bis 1976 2 v.H. der Lohn- und Gehaltssumme dergestalt zu, daß es in entsprechender Höhe eine Verbindlichkeit auswies. Die sich daraus ergebende Forderung des Klägers wurde mit 5 v.H. jährlich verzinst. In den Jahren 1967 und 1968 zahlte der Kläger je 200 DM an Belegschaftsmitglieder.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erließ für die Streitjahre 1973 bis 1976 am 2. Dezember 1981 Körperschaftsteuerbescheide, weil der Kläger mangels Erbringung von Leistungen keine soziale Einrichtung darstelle. Als Einkünfte erfaßte das FA die Zinseinnahmen des Klägers in Höhe von

1973:

3.025 DM,

 

1974:

3.585 DM,

 

1975:

4.219 DM

und

1976:

4.891 DM,

 

wobei es für die Jahre 1975 bis 1976 den Werbungskosten- und Sparerfreibetrag von zusammen jeweils 400 DM in Abzug brachte.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage sah das Finanzgericht (FG) als begründet an.

Mit der Revision rügt das FA unzutreffende Anwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 7 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und mangelnde Sachaufklärung.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG wird aufgehoben. Auf die Klage wird die Körperschaftsteuer für das Streitjahr 1973 auf 1.406 DM und für das Streitjahr 1974 auf 1.680 DM festgesetzt; im übrigen wird die Klage abgewiesen.

1. Das FA hat den Kläger zu Recht zur Körperschaftsteuer herangezogen. Der Kläger war in den Streitjahren nicht von der Körperschaftsteuer freigestellt.

Als Unterstützungskasse konnte der Kläger nur dann steuerfrei sein, wenn sichergestellt ist, daß sein Betrieb nach dem Geschäftsplan und nach Art und Höhe der Leistungen eine soziale Einrichtung ist (§ 4 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b KStG in der für die Streitjahre gültigen Fassung). Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht.

2. Nach § 11 Nr. 3 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung (KStDV) in der für die Streitjahre 1973 und 1974 gültigen Fassung muß den Zugehörigen des Betriebs oder den Arbeitnehmervertretungen des Betriebs satzungsgemäß und tatsächlich das Recht zustehen, an der Verwaltung sämtlicher Beträge, die der Kasse zufließen, beratend mitzuwirken.

Die Bestimmung ist durch § 56 Abs. 1 Buchst. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVerfG) nicht überholt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Juni 1981 I R 143/78, BFHE 133, 535, BStBl II 1981, 749). Die beratende Mitwirkung der Zugehörigen kann einem Beirat übertragen werden (vgl. Urteil in BFHE 133, 535, BStBl II 1981, 749). In diesem Fall sind die Voraussetzungen des § 11 Nr. 3 KStDV in der für die Streitjahre 1973 und 1974 gültigen Fassung nur dann erfüllt, wenn die Beiratsmitglieder die Gesamtheit der Betriebszugehörigen repräsentieren, d.h. wenn sie von diesem unmittelbar oder mittelbar gewählt werden (Urteil in BFHE 133, 535, BStBl II 1981, 749). Dem wird der Kläger nicht gerecht. Die Beiratsmitglieder werden letztlich von der Geschäftsleitung des Trägerunternehmens bestimmt. Die drei Beiratsmitglieder, von denen eines gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 der Satzung der Geschäftsleitung des Trägerunternehmens angehören muß, werden zwar durch die Mitgliederversammlung aus dem Kreis der Betriebsangehörigen gewählt (§ 9 Abs. 2 Satz 1 der Satzung). Die Zusammensetzung der Mitgliederversammlung hängt jedoch insofern von der Entscheidung der Geschäftsleitung des Trägerunternehmens ab, als gemäß § 3 Abs. 2 der Satzung der Vorstand des Klägers über die Aufnahme von Mitgliedern entscheidet und die Zusammensetzung des Vorstands wiederum von der Entscheidung der Geschäftsleitung des Trägerunternehmens abhängt. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 der Satzung werden die drei Vorstandsmitglieder von der Geschäftsleitung bestellt. Dem entscheidenden Einfluß der Geschäftsleitung auf die Zusammensetzung des Vorstandes, der letztlich über den Kreis der Mitglieder und damit mittelbar über die Zusammensetzung des Beirats entscheidet, steht nicht entgegen, daß ein Vorstandsmitglied aus dem Kreis der Belegschaft stammen muß (§ 6 Abs. 1 der Satzung) und im Einvernehmen mit dieser bestellt wird (§ 6 Abs. 2 Satz 2 der Satzung). Einmal haben die durch die Geschäftsleitung bestimmten Mitglieder die Mehrheit im Vorstand (vgl. § 7 Abs. 2 der Satzung, wonach die Entschließung des Vorstandes durch Mehrheitsbeschluß gefaßt werde), zum anderen kann das aus der Belegschaft stammende Mitglied nicht gegen den Willen der Geschäftsleitung bestellt werden. Die Abhängigkeit des Vorstandes von der Geschäftsleitung ergibt sich außerdem aus § 6 Abs. 2 Satz 3 der Satzung, wonach die Mitgliedschaft im Vorstand an die "Zugehörigkeit zur Firma" gebunden ist. Wird nur ein Vorstandsmitglied aus dem Kreise der Belegschaft gestellt, folgt daraus, daß die anderen Mitglieder des Vorstandes der Geschäftsleitung des Trägerunternehmens angehören müssen; denn nur so können sie die Voraussetzung erfüllen, dem Trägerunternehmen zuzugehören, ohne Belegschaftsmitglieder zu sein. Gegen eine ausreichende Mitwirkung der Betriebsangehörigen spricht auch § 3 Abs. 3 der Satzung, wonach die Mitgliederzahl im allgemeinen sieben betragen soll, jedoch nicht zwölf übersteigen soll und zwei Mitglieder Angehörige der Belegschaft sein sollen. Der von dem Trägerunternehmen beherrschte Vorstand hat es damit in der Hand, zwölf Mitglieder zu bestellen, von denen zehn nicht der Belegschaft des Trägerunternehmens angehören und zwei Betriebsangehörige sind, jedoch vom Vorstand ausgewählt werden.

Für die Entscheidung kommt es nicht darauf an, ob die Zahl der Mitglieder des Klägers im Verhältnis zur Zahl der Betriebsangehörigen nicht verschwindend gering war (Urteil in BFHE 133, 535, BStBl II 1981, 749). Der Senat hat zwar in der erwähnten Entscheidung für diesen Fall die Möglichkeit angedeutet, daß eine Wahl der Beiratsmitglieder durch die Mitglieder der Unterstützungskasse selbst genüge, hat es jedoch als erheblich angesehen, daß die Entscheidung über die Mitgliedschaft bei der Unterstützungskasse vom Vorstand abhing. Jedenfalls kann aus dem Urteil nicht geschlossen werden, daß in den Fällen, in denen die Zahl der Mitglieder der Unterstützungskasse nicht um vieles kleiner ist als die Zahl der Betriebsangehörigen, es nicht auf die Befugnis des Vorstandes bzw. der Geschäftsleitung des Trägerunternehmens ankomme, über die Aufnahme als Mitglied zu bestimmen.

3. Die Ausführungen unter 2. gelten für die Streitjahre 1975 und 1976 entsprechend. Die Änderungen des § 11 KStDV für diese Streitjahre wirken sich auf die Entscheidung nicht aus. Nach der Satzung konnten weder Leistungsempfänger noch Arbeitnehmer des Betriebes an der Verwaltung sämtlicher Beträge, die dem Kläger zuflossen, beratend mitwirken.

4. Die Klage ist nur insoweit begründet, als das FA in den Streitjahren 1973 und 1974 die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen nicht um den Werbungskostenpauschbetrag von 150 DM kürzte (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V. m. § 9a Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - in der für die Streitjahre 1973 und 1974 gültigen Fassung).

Die Körperschaftsteuer für die Streitjahre 1973 und 1974 errechnet sich damit wie folgt:

                                                              1973              1974

                                                                DM                DM

  

Kapitalerträge                                         3.025             3.585

Werbungskostenpauschbetrag               ./. 150            ./. 150

Einkünfte                                               2.875             3.435

abgerundet (§ 18 KStG)                          2.870             3.430

Körperschaftsteuer                                 1.406             1.680

Die Körperschaftsteuer beträgt gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 3 KStG 49 v.H.