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BFH-Urteil vom 7.10.1987 (X R 60/82) BStBl. 1988 II S. 34

Wird für den Lieferanten einer Ware im Abrechnungspapier eine Scheinfirma oder ein Scheinname verwandt, so steht dies dem Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 nicht entgegen, wenn die sonstigen Angaben im Abrechnungspapier eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des Lieferanten erlauben.

UStG 1967 § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1; 1. UStDV § 2 Abs. 1 und 2.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1983, 313)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt Supermärkte für non-food-Waren. Sie bezog auch sog. braune Ware, für die eine Vertriebsbindung für den EG-Bereich besteht. Diese erwarb sie nicht unmittelbar bei den lizensierten Inlandsunternehmen. Sie reimportierte vielmehr Waren, die zuvor in den Nicht-EG-Raum, z.B. in die Schweiz, exportiert worden waren.

Der Einkäufer der Klägerin für braune Ware nahm im August 1976 Verhandlungen mit einem Herrn A, wohnhaft in F (Baden-Württemberg) über den Erwerb von Elektrogeräten auf. A hatte sich unter Aushändigung einer entsprechenden Visitenkarte als Angestellter (Vertreter) der H-AG, Basel, eingeführt. Später trat A zusammen mit einem Herrn M, wohnhaft in B/Schweiz, als Partner auf.

Die Klägerin bestellte am 30. September 1976 bei A und M Elektrogeräte. A und M teilten der Klägerin am 3. Oktober 1976 mit, daß sie sich von der H-AG getrennt hätten, aber alle unter dieser Firma erteilten Lieferzusagen aufrechterhalten würden. Mit Schreiben vom 4. Oktober 1976 bestätigten sie den Auftrag vom 30. September 1976 und kündigten Lieferung in drei Partien an; gezahlt werden sollte jeweils fünf Tage nach Eingang der Ware "auf ein noch von uns zu benennendes Konto bei einer Deutschen Bank".

Diese und weitere bestellte Elektrogeräte - einmal auch Motorenöl - wurden 1976 und 1977 geliefert. Die Klägerin erhielt Rechnungen mit Steuerausweis. Die sechs 1976 erteilten Rechnungen über die Lieferungen von Elektrogeräten geben als Rechnungsaussteller die "P-AG" unter der Ortsbezeichnung der Wohnung des A an. Die gleichen Lieferantenangaben enthält eine Rechnung vom 27. Januar 1977 über Motorenöl. Eine Rechnung vom 18. Februar 1977 über die Lieferung von Elektrogeräten enthält nur die Bezeichnung "P" unter der Anschrift des A. In einer Rechnung vom 3. Juni 1977 sind als Aussteller die "Am S.A. Panama" und als Anschriften die Wohnungen des A und des M angegeben. Weitere Rechnungen in 1977 weisen A als Aussteller aus.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat nach einer Steuerfahndungsprüfung die Auffassung, daß die Klägerin den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen, die die "P" und "Am" als Aussteller anführten, nicht beanspruchen könne; denn diese Firmen seien nicht existent. Es ergingen Änderungsbescheide gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977), in denen der bereits gewährte Vorsteuerabzug rückgängig gemacht wurde. Der Vorsteuerabzug aus den von A erteilten Rechnungen wurde nicht beanstandet.

Die Sprungklage hatte keinen Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 313, Umsatzsteuer-Rundschau (UR) 1983, 15 veröffentlicht. Das FG ging davon aus, daß Lieferanten A oder M oder beide in GbR gewesen seien. Der Abziehbarkeit der ausgewiesenen Steuern als Vorsteuern stehe entgegen, daß als Rechnungsaussteller nicht der "wirkliche Name" der Lieferanten, sondern ein von diesen benutzter Deckname (Scheinfirma) angegeben sei.

Die Klägerin rügt mit der Revision die Verletzung der §§ 2, 14, 15 des Umsatzsteuergesetzes (UStG): § 15 UStG 1980, der den Vorsteuerabzug von Rechnungen i. S. des § 14 UStG abhängig mache, habe im Streitzeitraum noch nicht gegolten. Die Rechnungen mit den Firmenaufdrucken "P-AG" und "Am" hätten deutlich erkennen lassen, wer die eigentlichen Lieferanten gewesen seien, nämlich in allen Fällen "einheitlich A und M". Dieser Befund sei durch andere Schriftstücke i. S. des § 2 Abs. 1 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) - 1. UStDV - (z.B. Bestätigungsschreiben) belegt worden. Die zusätzliche Angabe eines Scheinnamens hindere nicht die Identifizierung des Lieferanten. - Das FA hat während des Revisionsverfahrens die angegriffenen Bescheide geändert. Die Klägerin hat die Änderungsbescheide gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Vorsteuerabzug in Höhe von ... DM zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 in der bis 1979 geltenden Fassung war der Vorsteuerabzug u.a. davon abhängig, daß dem Unternehmer die Steuer für Leistungsbezüge "gesondert in Rechnung gestellt" worden war. Diese Voraussetzung ist mit Wirkung vom 1. Januar 1980 näher dahin bestimmt worden, daß die Steuern "in Rechnungen i.S. des § 14" gesondert ausgewiesen sein müssen (Art. 8 Nr. 2, Art. 14 Abs. 2 des Steueränderungsgesetzes vom 18. August 1980, BGBl I 1980, 1.537, BStBl I 1980, 581). Für die Neufassung ist streitig geworden, ob auf die ausführlichen Rechnungsvoraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 UStG oder lediglich auf den allgemeinen Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 4 UStG Bezug genommen wird. Der V. Senat hat diese Frage in den Beschlüssen vom 21. Februar 1985 V B 27/84 (BFHE 143, 171, UR 1985, 134) und vom 4. Juli 1985 V B 15/85 (BFH/NV 1986, 182) offengelassen. Auch der erkennende Senat braucht hierzu nicht Stellung zu nehmen. Für die Streitjahre 1976/77 fehlt eine ausdrückliche Bezugnahme auf § 14 UStG. Die Frage, welche Anforderungen an eine gesonderte Inrechnungstellung i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zu stellen sind, ist daher allein durch Auslegung dieser Vorschrift zu beantworten (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Mai 1979 V R 112/74, BFHE 128, 115, 120, BStBl II 1979, 657).

Im Streitfall ist lediglich zu beurteilen, in welcher Weise der liefernde "andere Unternehmer" gekennzeichnet sein muß (zur Kennzeichnung des Lieferungsgegenstands vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1986 V R 138/78, BFHE 146, 489, BStBl II 1986, 581). Entgegen der Auffassung des FG muß nicht der wirkliche Name des Rechnungsausstellers (Lieferanten) im Abrechnungspapier genannt werden. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UStG, den das FG anführt, ist, wie dargelegt, nicht einschlägig. Auch muß unter dem Namen im Sinne dieser Vorschrift nicht der wirkliche Name verstanden werden. Nach § 2 Abs. 2 der 1. UStDV ist vielmehr jede Bezeichnung ausreichend, die eine eindeutige Feststellung des Namens und der Anschrift des Unternehmers ermöglicht (s. auch § 31 Abs. 2 Satz 1 UStDV 1980). Der Verordnungsgeber hat die Interessenlage zutreffend umschrieben. An das Abrechnungspapier des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG a. F. sind keine höheren Anforderungen zu stellen als der Verordnungsgeber nunmehr in § 31 Abs. 2 Satz 1 UStDV 1980 bestimmt hat (ebenso Weiß, UR 1985, 25, 27).

Das Abrechnungspapier - sei es wie im Streitfall noch anhand der materiellen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zu bestimmen, sei es eine Rechnung i. S. des § 14 UStG - hat allerdings, wie das FG zu Recht betont, auch die Funktion, die Erfüllung des Steueranspruchs durch den Lieferanten zu sichern. Der den Vorsteuerabzug gewährende Fiskus muß die Möglichkeit haben, den "anderen Unternehmer" festzustellen und zu prüfen, ob dieser seiner Steuererklärungspflicht nachgekommen ist. Diesem Zweck wird aber auch ein Abrechnungspapier gerecht, aus dem der Lieferant eindeutig und leicht nachprüfbar festzustellen ist. Hieraus folgt, daß das Abrechnungspapier nicht immer den wirklichen Namen des Lieferanten enthalten muß. Es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber des UStG 1967 den üblichen Geschäftsverkehr, der anstelle des wirklichen Namens die Verwendung einer Firma oder anderer Geschäftsbezeichnungen zuläßt, beeinträchtigen wollte.

Nach diesen Grundsätzen ist auch die Verwendung eines Scheinnamens (einer Scheinfirma) in dem Abrechnungspapier zu beurteilen. Auch ein erdachter Name oder eine erdachte Firma kann eine Person hinreichend kennzeichnen, wie die Verwendung eines Künstlernamens zeigt. Der Auffassung des erkennenden Senats steht das BFH-Urteil vom 19. Oktober 1978 V R 39/75 (BFHE 127, 71, BStBl II 1979, 345) nicht entgegen. Dort wurde der Vorsteuerabzug aus Rechnungen versagt, die als Lieferanten eine Scheinfirma anführten; darüber hinaus hatte der Steuerpflichtige - anders als im Streitfall - die wirklichen Lieferanten trotz Aufforderung nicht benannt. Der Senat hat mit dem V. Senat keine Bedenken, im Falle der Nichtbenennung des wirklichen Lieferanten (§ 205a der Reichsabgabenordnung - AO -, § 160 AO 1977) den Vorsteuerabzug ebenfalls zu versagen.

Die Vorentscheidung, die von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, ist aufzuheben. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die vorgelegten Abrechnungsunterlagen nochmals tatrichterlich unter dem rechtlichen Gesichtspunkt würdigen, ob sie eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der tatsächlichen Lieferanten A und M ermöglichen. Das FG hatte davon abgesehen, den Einkäufer der Klägerin als Zeugen zu hören. Es dürfte dabei von der grundsätzlich richtigen Auffassung ausgegangen sein, daß sich die Hinweise auf den Lieferanten aus dem Abrechnungspapier selbst ergeben müssen. Möglicherweise könnte Anlaß bestehen, den Einkäufer als Zeugen zu hören, weil dieser Auskunft darüber geben kann, wie die in den Rechnungsunterlagen und in den sonstigen Unterlagen (§ 2 Abs. 1 der 1. UStDV) enthaltenen Hinweise aufzufassen sind.