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BFH-Urteil vom 14.10.1987 (II R 11/85) BStBl. 1988 II S. 73

Das Hamburgische Gesetz zur Änderung des Hundesteuergesetzes vom 22. Dezember 1983 (GVBl HA 1983, 346) ist nicht verfassungswidrig.

HundStG § 6 i.d.F. des Hamburgischen Hund-StÄndG Art. 1 Nr. 2; GG Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 14 Abs. 1, 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1.

Sachverhalt

I.

Der in Hamburg lebende Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist seit 1978 Halter zweier Hunde (Doggen). Hierfür setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) durch Änderungsbescheid vom 12. Januar 1984 für die Hundehaltung des Klägers Hundesteuer nach dem Gesetz zur Änderung des Hundesteuergesetzes Hamburg vom 22. Dezember 1983 - Hundesteuergesetz (HundStG) - (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl HA - 1983, 346) ab 1. Januar 1984 auf jährlich 480 DM fest. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Der Kläger machte geltend, die Erhöhung der Hundesteuer um 100 v.H., und zwar von 120 DM auf 240 DM pro Hund, sei verfassungswidrig. Die Vorinstanz hat einen Grundrechtsverstoß verneint und die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung der Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Er beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) und (in sinngemäßer Ergänzung seines Antrags) den Hundesteuerbescheid vom 12. Januar 1984 samt Einspruchsentscheidung aufzuheben, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

II.

A. Die Revision ist zulässig.

Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 5 Abs. 1 Hamburgisches Gesetz zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung vom 17. Dezember 1965 (BStBl II 1966, 44) ist für die Hundesteuer als eine der Landesgesetzgebung unterliegende (vgl. Art. 105 Abs. 2 a GG: "Örtliche Aufwandsteuer") und durch die Landesfinanzbehörde verwaltete (vgl. Art. 108 Abs. 2 GG; § 2 Abs. 1, § 17 Abs. 2 des Finanzverwaltungsgesetzes - FVG -, BStBl I 1971, 390) Steuer der Finanzrechtsweg eröffnet.

Die Befugnis des Bundesfinanzhofs (BFH), das Urteil des FG auch auf die Verletzung von Landesrecht nachzuprüfen, ergibt sich aus § 1 Nr. 5 des Hamburgischen Abgabengesetzes vom 17. Februar 1976 (GVBl HA 1976, 45), geändert durch Gesetz vom 31. Januar 1977 (GVBl HA I 1977, 13, BStBl I 1977, 188, 189). Danach ist, soweit Steuern der Landesgesetzgebung unterliegen und von Landesfinanzbehörden verwaltet werden, die FGO entsprechend anzuwenden. Aus der uneingeschränkten Anwendbarkeit der FGO folgt, daß die Revision auch darauf gestützt werden kann, das Urteil des FG habe die dem Landesrecht zuzuordnenden Vorschriften des HundStG verletzt (vgl. BFH-Entscheidung vom 20. Oktober 1972 VI R 56/69, BFHE 107, 349, 350, BStBl II 1973, 170).

B. Die Revision ist jedoch nicht begründet.

Das FG hat rechtsfehlerfrei angenommen, daß das FA berechtigt war, den ursprünglichen Hundesteuerbescheid aufgrund der gesetzlichen Neuregelung abzuändern; es hat zu Recht offengelassen, ob sich die Änderungsmöglichkeit aus § 172 Abs. 1 Nr. 1 oder § 172 Abs. 1 Nr. 2 d der Abgabenordnung (AO 1977) ergibt.

Das geänderte Hamburgische HundStG ist darüber hinaus weder in formeller noch in materiell-verfassungsrechtlicher Hinsicht zu beanstanden.

1. Die Gesetzgebungszuständigkeit des Landes für die Hundesteuer, gegen die Bedenken weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, hat ihre Grundlage in Art. 105 Abs. 2 a GG.

2. Ein Verstoß der Regelungen des HundStG gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht feststellbar.

Der aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Grundsatz der Steuergerechtigkeit gewährleistet nicht nur die Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen im Rahmen der jeweiligen Steuer (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 22. März 1983 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343, 368), sondern auch die prinzipiell gleichmäßige Belastung mit Steuern zur Deckung des Finanzbedarfs (Tipke, Steuerrecht, 11. Aufl., 1987, 31 f.; ders. Steuergerechtigkeit, 1981, 107). Bei der Erschließung von Steuerquellen bleibt dem Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Nur die Einhaltung der äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit (Willkürverbot) kann von der Rechtsprechung nachgeprüft werden (vgl. BVerfG-Entscheidung vom 12. Oktober 1978 2 BvR 154/74, BVerfGE 49, 344, 360).

Eine Überschreitung dieser Grenzen kann in der Hundesteuerregelung in Hamburg nicht gesehen werden. Daß der hamburgische Gesetzgeber das Halten nur von Hunden und nicht auch von anderen (Haus-)Tieren besteuert, stellt keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz dar, da ein sachlich vernünftiger Grund für diese unterschiedliche Behandlung von Haustieren vorliegt. Das ist allgemein gefestigte Rechtsprechung, der der Senat beitritt (vgl. das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 9. Oktober 1959 VII C 97/58, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1960, 165; BVerwG-Beschluß vom 12. Januar 1978 7 B 73/77, Kommunale Steuer-Zeitschrift - KStZ - 1978, 151 = NJW 1978, 1870; Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 26. Februar 1976 Vf. 7 - VII 75, Bayerische Verwaltungsblätter - BayVBl - 1976, 269 ff.; Urteil des Oberverwaltungsgerichts - OVG - Münster vom 27. April 1977 II A 1394/75, KStZ 1977, 207 f.). Denn die Hundesteuer wird nicht nur wegen ihres finanziellen Ertrages, sondern in zulässiger Weise auch zu dem Zweck der Eindämmung der Hundehaltung erhoben. In diesem Zusammenhang wird auf die Beeinträchtigung der Allgemeinheit durch Hunde hingewiesen, insbesondere auf die Verschmutzung von Gehwegen, Kinderspielplätzen, Parkanlagen und anderen öffentlichen Einrichtungen durch Hundekot, die Behinderung und Gefährdung von Kindern, Fußgängern und Radfahrern, die nicht nur vereinzelt von Hunden angefallen und verletzt werden, und die Lärmbelästigung durch Gebell in Wohngebieten. Die große Zahl von Hunden und die Möglichkeit, daß sich die Hundehaltung immer weiter unkontrolliert ausbreitet, können - anders als die Haltung anderer Haustiere, die weniger verbreitet oder für die Allgemeinheit weniger belastend ist - eine Besteuerung zur Eindämmung der Hundehaltung erfordern (vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur der Freien und Hansestadt Hamburg - Haushaltsbegleitgesetz 1984 - zu Art. 4 - Änderung des HundStG - der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, 11. Wahlperiode, Drucks 11/946, S. 8 rechte Spalte).

Auch kann entgegen der Auffassung des Klägers im Streitfall nicht davon gesprochen werden, der Steuergesetzgeber habe seine Staatsfinanzen allein durch die Hundesteuer und damit auf Kosten einer Minderheit saniert. Hiergegen spricht nicht nur die absolute Höhe der veranlagten Steuer von 240 DM jährlich, sondern auch der Anteil der Hundesteuer am Gesamtsteueraufkommen von weniger als 0,05 v.H. (Hundesteueraufkommen 1983: 172,8 Mio DM; vgl. Bundesminister der Finanzen - BMF -, "Unsere Steuern von A bis Z", 8. Aufl., 1986, S. 84). Eine einseitige, völlig unausgewogene steuerliche Belastung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe liegt nicht vor.

Im übrigen bietet der Gleichheitssatz für die Rechtsprechung nur die Möglichkeit, ein Gesetz unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob der Gesetzgeber die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten, nicht aber, ob er im einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat. Ist die vom Gesetzgeber gewählte Regelung mit dem Gleichheitssatz noch vereinbar, so kommt es nicht darauf an, ob eine andere gerechter oder vernünftiger gewesen wäre oder dem Gleichheitssatz noch besser entsprochen hätte (vgl. z.B. BVerfG-Beschluß vom 11. Mai 1970 1 BvL 17/67, BVerfGE 28, 227, 242).

Auch kann darin kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz gesehen werden, daß in anderen mit Hamburg der Größe nach vergleichbaren Städten ein wesentlich niedrigerer Hundesteuersatz gilt. Denn den Gemeinden (vgl. Art. 28 Abs. 2 GG) und den Bundesländern (vgl. Art. 30 GG) ist verfassungsrechtlich das Recht der Selbstverwaltung bzw. die Ausübung der staatlichen Befugnis und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben garantiert. Sie haben das originäre Recht zur Erhebung eigener Abgaben nach Maßgabe der verfassungsmäßigen Ordnung und sind mithin an Regelungen anderer Gebietskörperschaften nicht gebunden. Sie können ihre Steuer nach den besonderen eigenen Bedürfnissen regeln.

3. Auch ein Verstoß gegen Art. 14 GG ist nicht gegeben. Grundsätzlich läßt die Auferlegung von Geldleistungspflichten die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG unberührt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen (Erdrosselungswirkung, vgl. BVerfG-Beschluß vom 22. März 1983 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343, 368, m.w.N.). Davon kann aber im Regelfall bei einer Jahressteuer von 240 DM nicht gesprochen werden.

Dies gilt auch für Personen mit geringem Einkommen und Sozialhilfeempfänger, zumal bei auftretenden Härten für diesen Personenkreis die Möglichkeit des teilweisen oder vollständigen Steuererlasses nach § 13 HundStG besteht (vgl. auch BVerfG-Urteil vom 22. Mai 1963 1 BvR 78/56, BVerfGE 16, 147, 177).

4. Das Hamburgische HundStG verstößt auch nicht gegen die sich aus Art. 20 GG ergebenden Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzipien.

a) Entgegen der Auffassung des Klägers kann es bei der Frage der Verletzung des Sozialstaatsprinzips nicht abstrakt nur auf den Prozentsatz der vorgenommenen Erhöhung einer bestimmten Steuerart ankommen. Zwar ergibt sich aus dem Sozialstaatsprinzip die Notwendigkeit, die steuerlichen Belastungen nach dem Grad der Leistungsfähigkeit zu unterscheiden. Das verbietet aber nicht, Steuern zu erhöhen, wenn diese Steuern im Rahmen eines Steuersystems erhoben werden, das der persönlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen in vielfältiger Weise Rechnung trägt (vgl. BVerfG-Beschluß vom 13. Mai 1969 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1, 7).

Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, daß das Hamburgische HundStG in § 13 eine, wenn auch grobe Differenzierung nach der Leistungsfähigkeit der Hundehalter vornimmt, und es sich zum anderen bei der Hundesteuer um eine Aufwandsteuer (Luxussteuer) handelt, die zumindest in ihrem Ursprung an die in der Einkommensverwendung für das Halten von Hunden zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Hundehalters anknüpft (BVerfG-Beschluß vom 6. Dezember 1983 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325, 346; das bereits genannte Urteil des OVG Münster vom 27. April 1977 II A 1394/75; Eigenthaler, Grundprobleme des Hundesteuerrechts, KStZ 1987, 61 ff.). Entscheidend ist aber, daß angesichts des verschwindend geringen Anteils der Hundesteuer am Gesamtsteueraufkommen und der vielfältigen Differenzierung nach der Leistungsfähigkeit bei anderen, unter der Sicht des Steueraufkommens ungleich bedeutenderen Steuerarten von einem dem Sozialstaatsprinzip widersprechenden Steuersystem nicht gesprochen werden kann.

b) Auch eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips ist in der Erhöhung der Hundesteuer nicht erkennbar. Der Rechtsstaatsgedanke umfaßt auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Mittels. Ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlich geschützten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit läge nur dann vor, wenn der Eingriff (hier die Erhöhung der Hundesteuer um 100 v.H. für die Haltung des ersten Hundes), am Regelungszweck gemessen, keinen besseren Erfolg verspräche als ein milderes Mittel (vgl. BVerfG-Beschluß vom 26. Mai 1981 2 BvR 215/81, BVerfGE 57, 250, 270). Das trifft hier nicht zu. Es kann nicht festgestellt werden, daß die mit der Erhöhung der Hundesteuer verfolgten ordnungspolitischen und fiskalischen Gründe mit anderen, milderen Mitteln besser verfolgt werden könnten.

Die hier streitige gesetzliche Regelung verstößt auch nicht gegen das aus Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG abzuleitende Rechtsstaatsprinzip in der Ausprägung des Rückwirkungsverbots. Denn der dort bestimmte Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs der gesetzlichen Regelung ist durch Art. 3 HundStÄndG auf einen Zeitpunkt festgelegt (1. Januar 1984), der nach dem Zeitpunkt liegt, zu dem es im GVBL HA verkündet worden ist (23. Dezember 1983). Mit dem HundStÄndG knüpft der Landesgesetzgeber an Gegebenheiten an, die in der Vergangenheit liegen, nämlich an das Halten eines Hundes und dessen Besteuerung. Diese tatbestandliche Rückanknüpfung ist verfassungsrechtlich zulässig (vgl. BVerfG-Beschluß vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 242, 243).

5. Letztlich ist auch ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG nicht feststellbar. Zwar berührt die Auferlegung bzw. Erhöhung einer Steuer die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen. Sie greift aber nicht in den durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Bereich ein, wenn dem Betroffenen ein angemessener Spielraum verbleibt (vgl. BVerfG-Beschluß vom 16. Mai 1961 2 BvF 1/60, BVerfGE 12, 341, 347). Angesichts der allgemeinen Einkommensentwicklung kann bei einer Jahreshundesteuer von 240 DM nicht davon ausgegangen werden, daß den Hundehaltern generell hierdurch ein angemessener finanzieller Spielraum genommen wird, zumal für finanzschwache Hundehalter in § 13 HundStG besondere Ermäßigungsmöglichkeiten vorgesehen sind. Aus demselben Grund kann schließlich auch nicht davon gesprochen werden, daß die Anhebung der Hundesteuer in Hamburg dem Sittengesetz widerspricht.

Da demnach das HundStG mit dem GG vereinbar ist, konnte die Revision keinen Erfolg haben.