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BFH-Urteil vom 26.8.1987 (I R 28/84) BStBl. 1988 II S. 76

Das Einkommen einer Aktiengesellschaft kann dem Organträger im Rahmen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft nur zugerechnet werden, wenn der Gewinnabführungsvertrag vor Ablauf des Wirtschaftsjahres, für das er erstmals angewendet werden soll, in das Handelsregister eingetragen worden ist.

KStG 1975 § 7a Abs. 1 Nr. 4 (KStG 1977 § 14 Nr. 4); AktG §§ 291 Abs. 1, 294 Abs. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1984, 366)

 

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Aktiengesellschaft (AG), die das Leasing mit Investitionsgütern betreibt und Vermittlungstätigkeiten jeder Art durchführt. Sie ermittelt ihren Gewinn nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr (1. April bis 31. März).

Am 27. März 1975 erwarb die P-KG sämtliche Aktien der Klägerin und schloß mit dieser gleichzeitig einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Nach § 6 der Vereinbarung sollte der Vertrag mit Eintragung in das Handelsregister wirksam werden. Er sollte jedoch ab 1. April 1975 Geltung haben, auch wenn die Eintragung erst im Laufe des Jahres 1975 erfolgen sollte. Der Vertrag wurde in einer ebenfalls am 27. März 1975 durchgeführten außerordentlichen Hauptversammlung der Klägerin genehmigt.

Der beurkundende Notar reichte am 29. September 1975 die Anmeldung zur Eintragung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages in das Handelsregister ein. Die geänderte Satzung mit dem Bestätigungsvermerk nach § 181 des Aktiengesetzes (AktG) wurde dem Registergericht erst nach Anforderung am 24. August 1976 übersandt. Dieses führte, nachdem gleichzeitig ein Kostenvorschuß entrichtet worden war, die Eintragung am 26. August 1976 aus.

Die Klägerin stellte den Gewinn aus dem Wirtschaftsjahr 1975/76 am 15. April 1976 fest und führte ihn an die P-KG ab.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -FA-) erkannte das Organschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und der P-KG wegen Fehlens eines wirksamen Gewinnabführungsvertrages für das Streitjahr (1976) nicht an und behandelte die Gewinnabführung als verdeckte Gewinnausschüttung.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 366 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die unrichtige Anwendung des § 7a des Körperschaftsteuergesetzes in der vor dem 1. Januar 1977 geltenden Fassung (KStG a. F.) sowie die Verletzung allgemeiner Auslegungsgrundsätze.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Körperschaftsteuer für 1976 auf 0 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Die Voraussetzungen eines körperschaftsteuerrechtlich zu beachtenden Organschaftsverhältnisses zwischen der Klägerin und der P-KG lagen im Streitjahr nicht vor.

1. § 7a Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 KStG a. F. verlangt für die Anerkennung der Organschaft, daß der Gewinnabführungsvertrag spätestens am Ende des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft wirksam wird, dessen Ergebnis in das dem Organträger zugerechnete Einkommen eingeht. Dies setzt voraus, daß er in diesem Zeitpunkt im Handelsregister eingetragen ist.

a) Die Klägerin hat mit der P-KG einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 AktG abgeschlossen. Der Vertrag wird nach § 294 Abs. 2 AktG erst wirksam, wenn sein Bestehen in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingetragen worden ist. Der Eintragung kommt damit konstitutive Bedeutung zu (vgl. Biedenkopf/Koppensteiner in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 294 Anm. 15).

Entgegen der von der Klägerin unter Berufung auf Bacher/Braun (Zeitpunkt der steuerlichen Wirksamkeit eines Gewinnabführungsvertrages, Betriebs-Berater -BB- 1978, 1177) vertretenen Auffassung ist § 294 Abs. 2 AktG nicht in einem konditionalen, sondern in einem temporalen Sinne zu verstehen. Die Vorschrift des § 184 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), die für zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte, bei denen die Genehmigung Wirksamkeitsvoraussetzung ist, die zum Zeitpunkt der Genehmigung eintretenden Rechtswirkungen auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurückbezieht, kann schon wegen der Publizitätswirkung der Handelsregistereintragung nicht herangezogen werden. Allerdings soll es nach der gesellschaftsrechtlichen Kommentarliteratur nicht ausgeschlossen sein, daß sich der Gewinnabführungsvertrag unabhängig vom Zeitpunkt seines Wirksamwerdens selbst rückwirkende Kraft beilegt (vgl. von Godin/Wilhelmi, Aktiengesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 294 Anm. 6). Über die zeitlichen Grenzen der vertraglichen Rückbeziehung bestehen hierbei unterschiedliche Auffassungen. So wird teilweise eine Rückbeziehung auf den Beginn des letzten Geschäftsjahres, dessen Jahresabschluß noch nicht festgestellt ist, für zulässig erachtet (Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Aktiengesetz, Kommentar, § 294 Anm. 30), während nach anderer Auffassung eine Rückbeziehung auf ein bereits abgelaufenes Geschäftsjahr nicht möglich sein soll (so Würdinger in Großkommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., § 294 Anm. 5).

b) Für die Auslegung des § 7a Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 KStG a. F. kommt es auf die zivilrechtliche Beurteilung der Zulässigkeit vertraglicher Rückbeziehungen nicht an. Der Wortsinn der Vorschrift, der durch die Entstehungsgeschichte gestützt wird, läßt es nicht zu, die Rechtswirkungen der Handelsregistereintragung auf ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr zurückzubeziehen.

aa) Bereits nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kann nicht zweifelhaft sein, daß sämtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen eines für die steuerliche Anerkennung der Organschaft vorgeschriebenen Gewinnabführungsvertrages spätestens am Ende des Wirtschaftsjahres vorliegen müssen, für das ein Organschaftsverhältnis vereinbart worden ist. Ein Vertrag, der erst nach diesem Zeitpunkt in das Handelsregister eingetragen wird, könnte aufgrund entsprechender Vereinbarung nicht am, sondern allenfalls zum früheren Stichtag wirksam werden. Auch die einhellige Auffassung im Schrifttum sieht den Tag der Eintragung in das Handelsregister als den maßgeblichen Zeitpunkt für das Wirksamwerden im Sinne des § 7a Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 KStG a. F. (§ 14 Nr. 4 KStG 1977) an (vgl. Jurkat, Die Organschaft im Körperschaftsteuerrecht, S.272; Schmidt/Steppert, Die Organschaft, 3. Aufl., S.52; Gail/Goutier/Grützner, Körperschaftsteuer 1977, Kommentar, § 14 Rdnr. 100; Frotscher/Maas, Körperschaftsteuer 1977, Kommentar, § 14 Rdnr. 117; Lademann/Gassner, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz 1977, § 14 Anm. 74; Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer 1977, § 14 Anm. 42; insoweit zustimmend auch Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 7a KStG a. F. Anm. 58, § 14 KStG 1977 Anm. 221; Felix/Streck, Körperschaftsteuergesetz 1977, 2. Aufl., § 14 Anm. 68; a. A. wohl nur Bacher/Braun, a.a. O.).

bb) Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift stützt das Ergebnis der Wortinterpretation.

Der Gesetzgeber hat mit der Einfügung des § 7a KStG a. F. durch das Gesetz zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 15. August 1969 (BGBl I, 1182) erstmals eine gesetzliche Regelung für die körperschaftsteuerliche Organschaft getroffen. Das Ziel der gesetzlichen Regelung beschränkte sich im wesentlichen darauf, die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu kodifizieren (vgl. amtliche Begründung zum Änderungsgesetz vom 15. August 1969, BTDrucks V/3017 S. 6).

Bereits der Reichsfinanzhof (RFH) hatte für die Anerkennung eines Organschaftsverhältnisses verlangt, daß der Ergebnisabführungsvertrag spätestens am letzten Tag des Wirtschaftsjahres abgeschlossen werden muß, für das er gelten soll (vgl. Urteil vom 29. November 1938 I 85/38, RStBl 1939, 357). Anders als nach dem AktG 1965 war die Wirksamkeit eines nach § 256 des AktG vom 30. Januar 1937 abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrags nicht von der Handelsregistereintragung abhängig, so daß der Vertrag grundsätzlich zum Abschlußzeitpunkt wirksam wurde. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Auffassung des RFH bekräftigt und die Rückbeziehung eines Ergebnisabführungsvertrages auf ein bereits abgeschlossenes Wirtschaftsjahr ausdrücklich ausgeschlossen (Urteil vom 16. März 1965 I 9/63 U, BFHE 82, 383, BStBl III 1965, 386, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

In § 7a Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 KStG a. F. hat der Gesetzgeber diese Forderung der Rechtsprechung nach dem Zustandekommen eines rechtswirksamen Vertrages während des laufenden Wirtschaftsjahres gesetzlich verankert.

c) § 7a Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 KStG a. F. schließt die Rückwirkung eines Gewinnabführungsvertrages auf bereits abgelaufene Wirtschaftsjahre ausdrücklich aus. Die von der Rechtsprechung zugelassenen Ausnahmen vom steuerlichen Rückwirkungsverbot sind daher im Rahmen dieser Vorschrift ohne Bedeutung. Dies gilt auch für die eingeschränkten Anforderungen, die der BFH im Urteil vom 6. April 1976 VIII R 72/70 (BFHE 118, 230, BStBl II 1976, 341) für die steuerliche Anerkennung eines noch nicht wirksamen Kapitalherabsetzungsbeschlusses aufgestellt hat.

d) Der Streitfall bietet keine Veranlassung, auf die in der Literatur erörterte Frage einzugehen, ob und inwieweit entgegen dem Wortlaut des § 7a Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 KStG a. F. die Voraussetzungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft bejaht werden können, falls es trotz rechtzeitiger Anmeldung aus von dem Steuerpflichtigen nicht zu vertretenden Umständen zu einer Verzögerung bei der Eintragung in das Handelsregister kommt (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, a.a. O.; Felix/Streck, a.a. O.; Lademann/Gassner, a.a. O.). Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG waren der Anmeldung vom 29. September 1975 nicht alle zur Eintragung erforderlichen Unterlagen beigefügt. Die Eintragung selbst wurde innerhalb von zwei Tagen nach Einreichung der fehlenden Unterlagen vorgenommen.

2. Das FG hat die Gewinnabführung aufgrund des nicht anerkannten Ergebnisabführungsvertrages zu Recht als verdeckte Gewinnausschüttung angesehen. Diese Auffassung steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteile vom 30. November 1966 I 310/62, BFHE 87, 394, BStBl III 1967, 152; vom 30. Januar 1974 I R 104/72, BFHE 111, 410, BStBl II 1974, 323, und vom 17. Dezember 1980 I R 220/78, BFHE 132, 285, BStBl II 1981, 383). Der Senat hat sich im Urteil in BFHE 111, 410, BStBl II 1974, 323 mit dem vom Schrifttum gegen diese Rechtsprechung geäußerten Bedenken, auf die die Klägerin in ihrer Revision Bezug nimmt, auseinandergesetzt. Er sieht zu einer nochmaligen Überprüfung seiner Rechtsauffassung im übrigen auch deshalb keinen Anlaß, weil die Auslegung des § 19 Abs. 3 KStG a. F. ausgelaufenes Recht betrifft.