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BFH-Urteil vom 6.11.1987 (III R 259/83) BStBl. 1988 II S. 138

Ein Ausbildungsfreibetrag wegen auswärtiger Unterbringung eines minderjährigen Kindes kann nur gewährt werden, wenn das Kind sowohl räumlich als auch hauswirtschaftlich aus dem Haushalt der Eltern ausgegliedert ist. Wird geltend gemacht, das Kind sei wochentags bei der nur 400 bis 500m entfernt wohnenden Großmutter untergebracht, so ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, daß jedenfalls eine räumliche Ausgliederung nicht stattgefunden hat.

EStG 1979 § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2; FGO § 96.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Ehefrau waren im Streitjahr 1980 ganztägig berufstätig; der Kläger als Reisender für eine Molkereigenossenschaft. Die beiden gemeinsamen, im Mai 1971 und im Juni 1973 geborenen Kinder sollen nach Angaben des Klägers wochentags bei der Großmutter im selben Ort gewohnt haben und von dort aus auch zur Schule gegangen sein. Die Wohnung der Großmutter lag etwa 400 bis 500m von jener des Klägers und seiner Ehefrau entfernt . Die mit der Unterbringung der Kinder verbundenen Aufwendungen der Eltern beschränkten sich darauf, daß der Kläger der Großmutter die Lebensmittel zur Verfügung stellte.

Der Kläger und seine Ehefrau begehrten in der Einkommensteuererklärung 1980 die Berücksichtigung von Ausbildungsfreibeträgen für die beiden Kinder gemäß § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1979 in Höhe von jeweils 1.800 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte dies - auch in der Einspruchsentscheidung - ab. Das FA war der Auffassung, es widerspreche der Lebenserfahrung, daß die Kinder angesichts der geringen Entfernung zwischen den beiden Wohnungen nicht wenigstens abends oder nachts in das Elternhaus zurückgekehrt seien.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit der vom VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) zugelassenen Revision rügt der Kläger die rechtsfehlerhafte Anwendung des § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG 1979.

Er beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Ausbildungsfreibeträge zu gewähren.

Das FG beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die beantragten Freibeträge zu gewähren.

Nach § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG 1979 wird für ein unter 18 Jahre altes Kind ein Ausbildungsfreibetrag nur gewährt, wenn das Kind auswärtig untergebracht ist. Die Kinder des Klägers und seiner Ehefrau erfüllten im Streitjahr diese Voraussetzung nicht.

1. Eine auswärtige Unterbringung i. S. des § 33a Abs. 2 EStG liegt nach der Rechtsprechung des VI. Senats des BFH vor, wenn das Kind außerhalb des Haushalts der Eltern wohnt (s. insbesondere Urteile vom 26. Mai 1971 VI R 203/68, BFHE 102, 385, BStBl II 1971, 627; vom 8. Februar 1974 VI R 322/69, BFHE 111, 413, BStBl II 1974, 299, und vom 5. November 1982 VI R 47/79, BFHE 137, 42, BStBl II 1983, 109). Nach dem Urteil in BFHE 102, 385, BStBl II 1971, 627 ist dies nur anzunehmen, wenn für das Kind außerhalb des Haushalts der Eltern eine Wohnung ständig bereitgehalten und das Kind auch außerhalb des elterlichen Haushalts verpflegt wird. Das Urteil in BFHE 137, 42, BStBl II 1983, 109 verlangt eine Unterbringung, die darauf angelegt ist, die räumliche Selbständigkeit des Kindes während seiner ganzen Ausbildung (etwa eines Studiums) oder eines bestimmten Ausbildungsabschnittes (etwa eines Studiensemesters oder -trimesters) zu gewährleisten. Der erkennende Senat schließt sich dieser Gesetzesauslegung an. Er faßt sie dahingehend zusammen, daß das betreffende Kind sowohl räumlich als auch hauswirtschaftlich aus dem Haushalt der Eltern ausgegliedert sein muß; es darf nicht mehr am häuslichen Leben der Eltern teilnehmen (s. hierzu auch Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Ausbildungsfreibetrag, Anm. C III 3; Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33a Anm. 74; Sunder-Plassmann in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 33a Anm. 54b, sowie Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., § 33a Anm. 4c).

2. Im Streitfall kann von einer derartigen Ausgliederung der Kinder aus dem Haushalt ihrer Eltern nicht ausgegangen werden.

Schon die geringe Entfernung zwischen der elterlichen Wohnung und der Wohnung der Großmutter - etwa 400 bis 500m - spricht nach Auffassung des erkennenden Senats gegen eine räumliche Ausgliederung. Denn nach der Lebenserfahrung ist zu vermuten, daß die Kinder - angesichts der geringen Entfernung und der Betreuung durch einen nächsten Angehörigen - beide Wohnungen, wenn auch möglicherweise in unterschiedlichem Umfang, nutzten.

Der Senat hält eine Zurückverweisung der Sache an das FG, um dem Kläger die Möglichkeit der Widerlegung dieser Vermutung zu geben (s. hierzu näher List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 96 FGO Anm. 6 f., mit zahlreichen Hinweisen), nicht für erforderlich. Denn im Streitfall fehlt es jedenfalls an der hauswirtschaftlichen Ausgliederung der beiden Kinder aus dem elterlichen Haushalt. Die Kinder haben nach dem Vortrag des Klägers wochentags zwar nicht mehr die (zubereiteten) Mahlzeiten im elterlichen Haushalt eingenommen. Doch haben der Kläger und seine Ehefrau nach den Feststellungen des FG die für die Verpflegung der Kinder erforderlichen Nahrungsmittel selbst angeschafft und der Großmutter zur Verfügung gestellt. Dadurch waren die Kinder hinsichtlich eines wesentlichen Teilbereichs nach wie vor in den elterlichen Haushalt eingegliedert. Die Eltern kauften ein und beschafften vor allem die Lebensmittel, wie wenn die Kinder noch in ihrem Haushalt wohnten.

3. Das angefochtene Urteil erweist sich somit im Ergebnis als zutreffend. Es kann daher offenbleiben, ob die Entscheidung auch auf die vom FG genannten Gründe gestützt werden könnte (s. § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).