| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 16.07.1987 (V R 2/81) BStBl. 1988 II S. 190

Wird ein gegen den Konkursverwalter gerichteter Steuerbescheid, mit dem Steuerforderungen als Masseansprüche geltend gemacht werden, auf den Zeitraum nach der Konkurseröffnung beschränkt, so handelt es sich nicht um eine (unzulässige) Besteuerung für einen im Gesetz nicht vorgesehenen abgekürzten Besteuerungszeitraum, sondern um die (zulässige) Kenntlichmachung, daß sich der Steuerbescheid auf Masseansprüche beschränkt.

UStG 1973 § 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und 4; AO 1977 § 251 Abs. 2; KO § 3 Abs. 1, §§ 6, 17 Abs. 1, § 57.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der N-Kommanditgesellschaft (KG); das Konkursverfahren ist am 18. Februar 1977 eröffnet worden.

Vor Konkurseröffnung hatten Lieferanten der KG Waren unter Eigentumsvorbehalt auf Kredit geliefert. Die KG hatte die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen als Vorsteuer bei der Ermittlung ihrer jeweiligen Umsatzsteuerschuld abgesetzt. Bei Konkurseröffnung waren die Lieferantenverbindlichkeiten noch nicht beglichen. Der Konkursverwalter lehnte die Erfüllung der Kaufverträge ab.

Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) beurteilte die sich hieraus nach § 17 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1973 (UStG) ergebenden Ansprüche auf Berichtigung der von der KG abgezogenen Vorsteuern als Ansprüche aus Masseschulden gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 1 der Konkursordnung (KO) und machte sie durch Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide gegen den Kläger in folgender Höhe geltend:

Monat:

Rückforderungsbetrag:

 

März

65.526,47 DM

April

12.460,45 DM

Mai

1.382,72 DM

Juni

1.316,46 DM

Ebenfalls vor Konkurseröffnung hatte die KG ihren Maschinenpark an eine Bank zur Sicherheit übereignet. Nach Konkurseröffnung veräußerte die Bank die Maschinen an einen Dritten; der Kaufpreis betrug X DM zuzüglich 11 v.H. Umsatzsteuer. Die auf den Betrag von X- DM entfallende Umsatzsteuer von Y DM beurteilte das FA als Masseschuld gemäß § 58 Nr. 2 KO und erhöhte die Umsatzsteuervorauszahlung für Mai 1977 entsprechend.

Nach erfolglosen Einsprüchen gegen die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide gab das Finanzgericht (FG) der Klage teilweise statt. Den Rückforderungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Satz 1 UStG 1973 beurteilte das FG nicht als einen durch Steuerbescheid geltend zu machenden Masseanspruch, sondern als eine zur Konkurstabelle anzumeldende Konkursforderung. Die Verwertung des Sicherungsgutes im Monat Mai sah das FG als umsatzsteuerpflichtigen Vorgang zu Lasten der Konkursmasse an, die darauf entfallende Umsatzsteuer gehöre zu den Massekosten gemäß § 58 Nr. 2 KO.

Gegen das Urteil legten Kläger und FA Revision ein.

Der Kläger wandte sich gegen die Auffassung des FG, die Verwertung des Sicherungseigentums führe zu einer gegen die Masse geltend zu machenden Umsatzsteuerforderung des FA.

Das FA rügt als fehlerhaft, daß das FG den Vorsteuerrückforderungsanspruch nicht als Masseforderung, sondern als Konkursforderung eingeordnet hatte.

Während des Revisionsverfahrens erließ das FA am 2. April 1981 einen den Zeitraum 19. Februar bis 31. Dezember 1977 umfassenden Umsatzsteuerbescheid gegen den Kläger, in dem weiterhin der Vorsteuerrückforderungsanspruch und der Anspruch auf Umsatzsteuer infolge der Verwertung des Sicherungsgutes als Masseansprüche geltend gemacht wurden. Über den hiergegen eingelegten Einspruch ist noch nicht entschieden.

Der Kläger beantragt nunmehr, festzustellen, daß die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide des FA für die Monate März, April und Juni 1977 vom 27. September 1977 rechtswidrig waren und daß der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Mai 1977 vom 27. September 1977 insoweit rechtswidrig war, soweit in diesem Bescheid die Umsatzsteuer für den Vorauszahlungszeitraum Mai 1977 über einen Betrag von 4.957,36 DM hinaus festgesetzt worden ist.

Das FA widersetzt sich diesem Antrag, soweit durch den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Mai 1977 Umsatzsteuer aus der Veräußerung des Sicherungsgutes festgesetzt worden ist. An seiner Rechtsauffassung, auch bei dem Vorsteuerrückforderungsanspruch handle es sich um einen Masseanspruch, hält das FA im Hinblick auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. November 1986 V R 59/79 (BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226) nicht mehr fest.

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag des Klägers, die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide festzustellen (§ 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), ist zulässig. Die angefochtenen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide März bis Juni 1977 vom 27. September 1977 haben sich erledigt (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO), weil der diese Zeiträume umfassende Umsatzsteuerbescheid vom 2. April 1981 wirksam geworden ist (BFH-Urteil vom 29. November 1984 V R 146/83, BFHE 143, 101, BStBl II 1985, 370); der Kläger konnte gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zum Feststellungsbegehren übergehen (BFH-Urteil vom 23. März 1976 VII R 106/73, BFHE 118, 503, BStBl II 1976, 459).

Der Wirksamkeit des Umsatzsteuerbescheides vom 2. April 1981 steht nicht entgegen, daß die Steuerfestsetzung auf die Zeit vom 19. Februar bis 31. Dezember 1977 beschränkt ist. Grundsätzlich ist Besteuerungszeitraum das Kalenderjahr, denn bei der Berechnung der Steuer ist von der Summe der Umsätze auszugehen, die der Unternehmer in einem Kalenderjahr ausgeführt hat (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG 1973). Hiervon sehen § 16 Abs. 3 und Abs. 4 UStG 1973 Ausnahmen vor, die im Streitfall nicht gegeben sind; insbesondere hat die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin keine Abkürzung des Besteuerungszeitraums zur Folge, denn die Konkurseröffnung hat auf die Unternehmereigenschaft des Gemeinschuldners keinen Einfluß (BFH-Urteil vom 16. Juli 1987 V R 80/82, BFHE 150, 211). Die Beschränkung des Steuerbescheides vom 2. April 1981 auf einen Teil des Kalenderjahres 1977 ist jedoch unschädlich, weil mit ihr nicht ein im Gesetz nicht vorgesehener abgekürzter Besteuerungszeitraum bezeichnet wird. Vielmehr handelt es sich um eine - zulässige - Abgrenzung der Steuerforderungen danach, wie sie infolge der Konkurseröffnung innerhalb eines Besteuerungszeitraums nach unterschiedlichen Verfahren zu verfolgen sind. Während Steuerforderungen, die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits begründet waren, als Konkursforderungen zur Konkurstabelle anzumelden sind, sind später begründete Steuerforderungen, soweit es sich dabei um Masseansprüche handelt, durch an den Konkursverwalter gerichteten Steuerbescheid geltend zu machen (BFH-Urteil vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226). Im Streitfall hat das FA durch die Angabe des nach Konkurseröffnung liegenden Zeitraums kenntlich gemacht, daß sich der Steuerbescheid lediglich auf solche Steuerforderungen bezieht, die nach Konkurseröffnung begründet worden sind.

Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, denn der Entscheidung über die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide kommt im Hinblick auf das noch nicht abgeschlossene Rechtsbehelfsverfahren über den Umsatzsteuerbescheid vom 2. April 1981 eine im Rahmen des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zu beachtende Bedeutung zu (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1986 V R 127/80, BFHE 148, 226, BStBl II 1987, 222). Hieran ändert nichts, daß das FA erklärt hat, hinsichtlich des Vorsteuerrückforderungsanspruches halte es an seiner Rechtsauffassung nicht mehr fest, denn der Umsatzsteuerbescheid vom 2. April 1981, mit der den Kläger belastenden Geltendmachung des Vorsteuerrückforderungsanspruchs als Masseanspruch, besteht fort; das Rechtsbehelfsverfahren hierüber ist noch nicht abgeschlossen.