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BFH-Urteil vom 11.12.1987 (III R 168/86) BStBl. 1988 II S. 232

Ein Erledigungsvorschlag des FA im Einspruchsverfahren stellt grundsätzlich keine (verbindliche) Zusage dar.

AO 1977 § 118.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein marokkanischer Arbeitnehmer, wohnte im Streitjahr mit seiner Ehefrau in der Bundesrepublik Deutschland. In seinem Antrag auf Lohnsteuer- Jahresausgleich 1977 machte er Unterhaltsaufwendungen von 9.000 DM für seine im Heimatland verbliebenen Angehörigen (Eltern und Kind) als außergewöhnliche Belastung geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) anerkannte davon im Einkommensteuerbescheid einen Betrag von 3.000 DM. Im Einspruchsverfahren teilte das FA dem Kläger mit Schreiben vom 14. September 1978 mit, es sei bereit, die Unterhaltszahlungen an die Eltern in Höhe von 6.000 DM anzuerkennen, Zahlungen an das Kind könnten aber nicht berücksichtigt werden. Gleichzeitig bat das FA um Stellungnahme und Einschränkung des Rechtsbehelfs bis 16. Oktober 1978. Am 12. Dezember 1978 richtete das FA ein weiteres Schreiben an den Kläger. Darin führte es aus, es könne an dem Vorschlag vom 14. September 1978 nicht festhalten; aufgrund der im Heimatland herrschenden Lebens- und Einkommensverhältnisse seien von den Unterhaltsleistungen an die Eltern nur 2.400 DM als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Eine Verböserung des Einkommensteuerbescheids könne der Kläger durch Rücknahme des Einspruchs vermeiden. Am 7. Februar 1980 teilte das FA dem Kläger mit, nach der sog. Ländergruppeneinteilung im Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 26. Oktober 1979 IV B 6 - S 2365 - 85/79 (BStBl I 1979, 622) seien Unterhaltsaufwendungen an Angehörige in Marokko mit höchstens 1.000 DM je Unterhaltsempfänger zu berücksichtigen. In der Einspruchsentscheidung hielt das FA zwar eine außergewöhnliche Belastung von nur 2.400 DM für gerechtfertigt, sah aber aus Billigkeitsgründen von einer Verböserung ab und beließ es bei der Anerkennung von 3.000 DM.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der der Kläger den Abzug von weiteren 3.000 DM als außergewöhnliche Belastung beantragt hatte, statt. Es führte in seiner in Deutsche Steuer- Zeitung (DStZ) 1987, 257 mitgeteilten Entscheidung aus, die Unterhaltsaufwendungen seien grundsätzlich nur in Höhe von 2.400 DM berücksichtigungsfähig. Die Anerkennung höherer Beträge im Lohnsteuerermäßigungsverfahren sei zwar für das Veranlagungsverfahren nicht bindend. Das FA habe aber eine verbindliche Zusage erteilt, 6.000 DM als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Das Schreiben vom 14. September 1978 sei keine verbindliche Zusage, sondern ein vorbereitendes Schreiben. Die Bitte um Stellungnahme in diesem Schreiben habe deutlich zu erkennen gegeben, daß die Willensbildung noch nicht abgeschlossen gewesen sei.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und Unterhaltsleistungen in Höhe von 2.400 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im wesentlichen begründet; es liegt weder eine verbindliche Zusage des FA vor, Unterhaltszahlungen von weiteren 3.000 DM als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen noch sind diese Beträge aus anderen Gründen abziehbar.

a) Der Senat stimmt der Vorentscheidung insoweit zu, als sie bei Unterhaltsaufwendungen an Empfänger im Ausland nur die nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates geminderten Höchstbeträge des § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als abziehbar ansieht und deren Ermittlung - auch für das Streitjahr 1977 - grundsätzlich die sog. Ländergruppeneinteilung des BMF (a.a.O., BStBl I 1979, 622) zugrunde legt (vgl. BFH-Urteile vom 30. Juli 1982 VI R 257/80, BFHE 136, 399, BStBl II 1982, 779, und vom 13. März 1987 III R 206/82, BFHE 149, 532, BStBl II 1987, 599). Der erkennende Senat folgt der Vorinstanz auch darin, als diese eine Bindung des FA an die im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren zugestandenen Beträge für das Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren ablehnt (vgl. § 39a Abs. 4 EStG).

b) Die Annahme einer (verbindlichen) Zusage scheitert im Streitfall daran, daß sich das FA durch den Vorschlag vom 14. September 1978 nicht binden wollte. Im Einspruchsverfahren ist das FA verpflichtet, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen (§ 367 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). In der Praxis ist es weithin üblich, daß das FA zu den Erfolgsaussichten des Einspruchs Stellung bezieht. Solche Äußerungen des FA dienen dem Fortgang des Verfahrens und stellen, wenn sie einen Erledigungsvorschlag beinhalten, die bestimmte Regelung eines bereits abgeschlossenen und nur zur rechtlichen Beurteilung anstehenden Sachverhalts zunächst lediglich unverbindlich in Aussicht. In der Regel wird der Steuerpflichtige - wie auch im Streitfall - gleichzeitig aufgefordert, sich zu den Rechtsansichten des FA binnen angemessener Frist zu äußern. Schreiben dieser Art entfalten grundsätzlich noch keine unmittelbare Rechtswirkung. Sie haben lediglich den Zweck, eine Änderung des angefochtenen Bescheids bzw. den Erlaß einer Einspruchsentscheidung vorzubereiten; sie sind unverbindlich. Ihnen kann daher nicht die Wirkung einer (verbindlichen) Zusage zukommen (BFH-Urteil vom 9. Mai 1985 V R 1/83, BFH/NV 1986, 65; vgl. auch BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520; BVerwG-Urteil vom 19. Januar 1967 VI C 73.64, BVerwGE 26, 31; zur Auslegung einer behördlichen Mitteilung an das Gericht vgl. BVerwG-Urteil vom 7. Februar 1986 4 C 28/84, NJW 1986, 2267: Bindungswillen nur bei besonderen Umständen; vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, vor § 204 AO 1977 Tz. 6; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, vor § 204 AO 1977 Anm. 6, 23; Pfeiffer, Der Betrieb - DB - 1987, 2380). Das Schreiben vom 14. September 1978 weicht nicht vom Regelfall ab. Besondere Umstände, die ausnahmsweise auf einen Bindungswillen des FA schließen lassen, liegen im Streitfall nicht vor.

Im übrigen können die Rechtsfolgen einer (verbindlichen) Zusage im Streitfall schon deshalb nicht eingreifen, weil zum Zeitpunkt des Schreibens (14. September 1978), aus dem der Kläger die Zusage herleiten will, der zugrunde liegende Sachverhalt bereits abgeschlossen war. Voraussetzung einer das FA nach Treu und Glauben verpflichtenden Zusage ist aber u.a., daß die Zusage für bestimmte Maßnahmen und Dispositionen des Steuerpflichtigen ursächlich gewesen ist; sie muß also insbesondere vor Verwirklichung des von der Zusage umfaßten Sachverhalts erteilt worden sein (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. Urteile vom 4. August 1961 VI 269/60 S, BFHE 73, 813, BStBl III 1961, 562 - grundlegend -; vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520; vom 11. Dezember 1986 V R 167/81, BFHE 148, 551, BStBl II 1987, 313, m.w.N.). Der entgegenstehenden Rechtsmeinung des FG, die aus dem dem § 38 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) zugrunde liegenden Rechtsgedanken eine Zusage auch für abgeschlossene Sachverhalte herleiten will, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Gesetzgeber hat für das Steuerrecht bewußt von einer Regelung der allgemeinen Zusage Abstand genommen. Damit wäre es aber nicht vereinbar, einzelne Rechtsgrundsätze des § 38 VwVfG im Steuerrecht anzuwenden.

Da im Streitfall in dem Schreiben vom 14. September 1978 keine Zusage zu sehen ist, können die Fragen nach der Rechtsnatur von Zusagen und deren Änderung offenbleiben.

Das FG-Urteil ist aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Da der Kläger keinen Anspruch darauf hat, daß das FA weitere Beträge als außergewöhnliche Belastung anerkennt, wird die Klage abgewiesen. Das FA hat im Lohnsteuer-Jahresausgleich und in der Einspruchsentscheidung bereits 3.000 DM berücksichtigt. Wegen des Verböserungsverbotes ist der Senat gehindert, entsprechend dem Antrag des FA die außergewöhnliche Belastung mit nur 2.400 DM anzusetzen.