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BFH-Beschluß vom 22.12.1987 (IV B 174/86) BStBl. 1988 II S. 234

Hat das FA im Hinblick auf die tatsächliche Ungewißheit, ob die vom Steuerpflichtigen ausgeübte Erfindertätigkeit steuerrechtlich unbeachtliche Liebhaberei ist, zunächst gemäß § 165 Abs. 1 AO 1977 unter Zugrundelegung des vom Steuerpflichtigen vertretenen Rechtsstandpunkts veranlagt, kann es bei der endgültigen Steuerfestsetzung auch die von der tatsächlichen Ungewißheit nicht betroffenen, aber zunächst hingenommenen rechtlichen Fehlbeurteilungen des Steuerpflichtigen zur Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben ändern.

AO 1977 § 165; EStG § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Der Antragsteller, Beschwerdegegner und Kläger (Kläger) ist Architekt. Hauptberuflich stand er im Streitjahr 1981 als Stadtplaner in einem städtischen Anstellungsverhältnis. Seit 1976 betätigt er sich daneben als freier Erfinder.

Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1981 erklärte er bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit einen Verlust von 13.604 DM aus freier Erfindertätigkeit. Der Einkommensteuererklärung war eine Einnahmeüberschußrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beigefügt. Unter den Betriebsausgaben war u.a. aufgeführt eine Position "Abschreibungen lt. Anlageverzeichnis" in Höhe von 10.808,38 DM, die sich auf ein Spezialbauwerk bezog. In dem Anlageverzeichnis, das aus 11 Positionen besteht, ist jeweils als Lieferant X angegeben, ferner sind die Anschaffungstage zwischen 1976 und 1980 mit Datum vermerkt, die Buchwerte zum 1. Januar 1981 waren in gleicher Höhe angesetzt und in dieser Höhe auch die Abschreibungen zum 31. Dezember 1981 vermerkt. In der Einnahmeüberschußrechnung heißt es erläuternd hierzu: "Bei Auswertung des Patents war am Jahresende nicht mehr mit einem Erfolg zu rechnen; die zunächst aktivierten Anschaffungskosten wurden 1981 ganz abgeschrieben (RFH v. 30.6.27, RStBl S. 227)." Dies ergebe sich aus § 5 Satz 2 der Verordnung über die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder (ErfVO).

Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1981 vom 21. Mai 1982 setzte der Antragsgegner, Beschwerdeführer und Beklagte (das Finanzamt - FA -) bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit den erklärten Verlust aus freier Erfindertätigkeit an. Der Bescheid enthält im Kopf den Vermerk "Vorläufig gem. § 165 Abs. 1 AO" und in der Begründung folgendes:

"Die Festsetzung ist nach § 165 Abs. 1 AO hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit vorläufig, damit sichergestellt werden kann, daß es sich nicht um Liebhaberei handelt."

Einen Vorbehaltsvermerk im Sinne des § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) enthält der Bescheid nicht.

Anläßlich der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 1984 teilte das FA in den Erläuterungen des Bescheids 1984 vom 14. März 1985 mit, daß die freie Erfindertätigkeit seit Jahren keine Einnahmen aufweise. Es müsse mangels gegenteiliger Erkenntnis davon ausgegangen werden, daß beim Kläger keine Gewinnerzielungsabsicht vorliege und somit die Erfindertätigkeit als Liebhaberei einzustufen sei. Demgemäß sei beabsichtigt, die diesbezüglich vorläufigen Veranlagungen der Jahre 1981 bis 1983 rückwirkend zu ändern.

Es erging dieser Ankündigung entsprechend der geänderte Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1981 vom 2. August 1985, der den geltend gemachten Verlust aus freier Erfindertätigkeit nicht mehr berücksichtigt. Der Bescheid enthält den Vermerk: "Der Bescheid ist nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO endgültig."

Aufgrund des Vorbringens des Klägers im Einspruchsverfahren kam das FA zu der Auffassung, daß zumindest für das Jahr 1981 die Erfindertätigkeit noch nicht als steuerlich unbeachtliche Liebhaberei anzusehen sei. Es weigerte sich jedoch, den Betrag von 10.808 DM als Betriebsausgaben anzuerkennen. Es handele sich bei diesem Betrag um Aufwendungen, die der Kläger auf ein eigenes Patent verwendet habe. Derartige Aufwendungen unterlägen dem Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. November 1979 IV R 145/77, BFHE 129, 260, BStBl II 1980, 146). Folglich könnten diese Aufwendungen nicht im Wege einer Absetzung für Abnutzung (AfA) geltend gemacht werden. Unrichtig sei der Einwand des Klägers, dieser zwar zutreffenden materiell-rechtlichen Beurteilung stehe verfahrensrechtlich entgegen, daß ihre spätere Berücksichtigung vom Vorläufigkeitsvermerk des § 165 Abs. 1 AO 1977 im Erstbescheid vom 21. Mai 1982 nicht gedeckt sei. Entgegen der Auffassung des Klägers sei mit diesem Bescheid insoweit keine Bestandskraft eingetreten, welche eine Änderung der bisherigen rechtlichen Beurteilung hindere. Im Einspruchsverfahren obliege es der Finanzbehörde, den angefochtenen Bescheid im vollen Umfang nachzuprüfen (§ 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977). Im Rahmen dieser Prüfung sei die Nichtabzugsfähigkeit geltend gemachter Betriebsausgaben aus Anlaß freier Erfindertätigkeit festgestellt worden.

Im übrigen sei der Vorläufigkeitsvermerk des § 165 Abs. 1 AO 1977 im Änderungsbescheid vom 2. August 1985 beseitigt worden. Das anschließende Einspruchsverfahren führe nunmehr zu einer Änderung des nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 endgültigen Bescheids vom 2. August 1985 zugunsten des Klägers gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977 (steuerliche Berücksichtigung der Erfindertätigkeit), der die Beseitigung eines Rechtsfehlers (Nichtberücksichtigung der AfA auf Patentaufwendungen) gegenüberstehe (§ 177 Abs. 2 AO 1977).

Entsprechend dieser Rechtsauffassung ging das FA in der Einspruchsentscheidung vom 8. April 1986 von einem Verlust aus selbständiger Arbeit von lediglich 2.795 DM aus und setzte die Einkommensteuer 1981 fest.

Der Kläger hat gegen diesen Bescheid Klage erhoben und beantragt, den Änderungsbescheid vom 2. August 1985 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. April 1986 aufzuheben und den ursprünglichen Bescheid vom 21. Mai 1982 für endgültig zu erklären. Das Finanzgericht (FG) hat über diese Klage noch nicht entschieden.

Nach erfolglosem Antrag gemäß § 361 Abs. 2 AO 1977 auf Aussetzung der Vollziehung der mit der Klage angefochtenen Einkommensteuerfestsetzung 1981 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. April 1986 hat der Kläger beim FG unter Weiterverfolgung seines Begehrens Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beantragt. Das FG hat diesem Antrag entsprochen und dazu ausgeführt: Die vorläufige Anerkennung eines Verlustes aus freier Erfindertätigkeit beruhe nur teilweise auf einer Ungewißheit über die tatsächlichen Voraussetzungen einer steuerrechtlich unbeachtlichen Einkunftsart (Liebhaberei). Die Anerkennung der Betriebsausgaben von 10.808 DM gehe auf eine rechtliche Fehlbeurteilung zurück, denn das FA hätte die unzutreffende Behandlung der aktivierten Patentaufwendungen als Betriebsausgaben nicht nur erkennen, sondern bereits im vorläufigen Bescheid vom 21. Mai 1982 zurückweisen müssen. Der geltend gemachte Verlust aus freier Erfindertätigkeit sei mit der Ungewißheit über die tatsächlichen Voraussetzungen einer Liebhaberei nicht derart verknüpft gewesen, daß eine vorläufige Anerkennung des Verlusts aus freier Erfindertätigkeit nur insgesamt in Betracht gekommen wäre. Der geltend gemachte Verlust hätte schon aus Rechtsgründen um die AfA auf aktivierte Patentaufwendungen gekürzt werden müssen.

Es bestünden demgemäß ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 3 FGO, ob das FA den Rechtsfehler der Berücksichtigung von AfA auf aktivierte Patentaufwendungen noch im endgültigen Bescheid vom 2. August 1985 hätte berücksichtigen können. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, daß das FA die Beseitigung dieses Rechtsfehlers nur durch einen weiteren Rechtsfehler erreicht habe. Es sei aber ernstlich zweifelhaft, daß das FA unter Berufung auf § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 eine Gesamtüberprüfung für rechtens halte, in deren Rahmen unter Berufung auf § 177 Abs. 2 AO 1977 Rechtsfehler zu Lasten des Steuerpflichtigen korrigiert werden könnten. Es bestehe vielmehr zwischen der beschränkten Änderungsmöglichkeit des § 165 Abs. 2 AO 1977 und der Möglichkeit einer Rechtsfehlerberichtigung nach § 177 Abs. 2 AO 1977 im Rahmen einer Gesamtüberprüfung nach § 367 Abs. 2 AO 1977 ein Konkurrenzverhältnis, bei welchem die Vorschrift des § 165 Abs. 2 AO 1977 den Vorrang habe. Das rechtfertige die getroffene Entscheidung.

Das FG hat der seiner Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung beigemessen und aus diesem Grunde gemäß Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) die Beschwerde zugelassen.

Mit der Beschwerde macht das FA geltend, es habe im Erstbescheid vom 21. Mai 1982 Grund und Umfang der Vorläufigkeit im Sinne des § 165 Abs. 1 AO 1977 hinreichend bestimmt. Der Grund der Vorläufigkeit sei mit der tatsächlichen Ungewißheit über das mögliche Vorliegen von Liebhaberei bezeichnet. Der Umfang der Vorläufigkeit sei einerseits durch die Angabe der Einkünfte aus selbständiger Arbeit, andererseits durch die Angabe des Grundes der Vorläufigkeit bestimmt worden; denn die Beurteilung der freien Erfindertätigkeit des Klägers habe nämlich die Aberkennung des gesamten geltend gemachten Verlustes zur Folge. Dies habe es auch im Erstbescheid vom 21. Mai 1982 deutlich zu erkennen gegeben. Der Kläger habe nach dem Inhalt des vorbezeichneten Bescheides mit dieser Rechtsfolge rechnen müssen; allein dies sei maßgeblich (vgl. Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Rdnr. 1015/9).

Der Kläger beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Er tritt den Ausführungen des FG bei.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerfestsetzung 1981 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. April 1986.

Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO soll einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids entsprochen werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts neben Umständen, die für seine Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Gründe zutage treten, die eine Unentschiedenheit oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder von entscheidungserheblichen Rechtsfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit BFH-Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182). Dies ist im Streitfall zu verneinen. Bei summarischer Prüfung sind keine gewichtigen Gründe erkennbar, die das FA hinderten, dem Kläger die Berücksichtigung des Betrages von 10.808 DM als Betriebsausgaben zu versagen.

1. Die vorläufige, unter dem ausdrücklichen Ausschluß materieller Bestandskraft erfolgende Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 AO 1977 hat zur gesetzlichen Voraussetzung, daß Ungewißheiten hinsichtlich derjenigen Tatsachen bestehen, von deren Vorliegen die Erfüllung des Steuertatbestandes abhängt (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1985 IV R 64/83, BFHE 143, 500, BStBl II 1985, 648). Wegen der mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung verbundenen Folgen (vgl. § 171 Abs. 8 AO 1977) sind Umfang und Grund der Vorläufigkeit im Steuerbescheid anzugeben (§ 165 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 in der bis 31. Dezember 1986 geltenden Fassung; nunmehr § 165 Abs. 1 Satz 3 AO 1977). Nur soweit die Finanzbehörde eine Steuer vorläufig festgesetzt hat, kann sie die Festsetzung aufheben oder ändern (§ 165 Abs. 2 Satz 1 AO 1977).

2. Die danach in erster Linie von der Finanzbehörde zu beachtenden Förmlichkeiten sind im Streitfall vom FA eingehalten worden. Es hat den Einkommensteuerbescheid 1981 vom 21. Mai 1982 (den Erstbescheid) im Kopf mit dem Vorläufigkeitsvermerk gekennzeichnet. Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind in der Begründung des Bescheides angegeben. Es geht um die einkommensteuerliche Behandlung der Erfindertätigkeit des Klägers. Da dieser im übrigen nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezog, war damit die Vorläufigkeit dem sachlichen Umfang nach mit der Einkunftsart aus selbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 EStG) hinreichend abgegrenzt. Der Grund der Vorläufigkeit ist mit dem Hinweis auf das mögliche Vorliegen von Liebhaberei hinreichend bezeichnet, was im Falle des Senatsurteils in BFHE 143, 500, BStBl II 1985, 648 nicht gegeben war. Beim Erfinder ist die Abgrenzung von steuerlich relevanter Tätigkeit gegen steuerlich irrelevante Liebhaberei vom Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht (im Sinne der Erzielung eines Totalgewinns) abhängig, was eine in die Zukunft gerichtete und langfristige Beurteilung erfordert (vgl. Senatsurteil vom 14. März 1985 IV R 8/84, BFHE 143, 355, BStBl II 1985, 424). Mit dem Hinweis auf die im Streitfall bestehenden tatsächlichen Ungewißheiten über das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen von Liebhaberei waren sowohl der Grund der Vorläufigkeit als auch ihr zeitlicher Umfang für den Kläger erkennbar hervorgehoben.

3. Da die Finanzbehörde im Umfang der wirksam erklärten Vorläufigkeit an die Steuerfestsetzung materiell nicht gebunden ist (§ 165 Abs. 2 Satz 1 AO 1977), wird im Streitfall vom Kläger und dem FG die Auffassung vertreten, der im Erstbescheid vom 21. Mai 1982 angebrachte und nach Umfang und Grund des Näheren bestimmte Vorläufigkeitsvermerk decke es nicht ab, die zunächst als Betriebsausgabe aus selbständiger Erfindertätigkeit (fälschlicherweise) anerkannte Teilwertabschreibung auf (unzutreffend) aktivierte Patentaufwendungen im endgültigen Bescheid abzuerkennen. Der vom FG vertretenen Auffassung, daß dem Kläger wegen formeller Bestandskraft der Betrag von 10.808 DM als Betriebsausgabe belassen werden müsse, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Erfindertätigkeit als Liebhaberei beurteilt wird oder nicht, kann der erkennende Senat nicht beitreten.

a) Bestehen in tatsächlicher Hinsicht Ungewißheiten über die Voraussetzungen des gesetzlichen Steuertatbestandes, hat die Finanzbehörde in mehrfacher Hinsicht einen Ermessensspielraum (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 165 AO 1977 Rdnr. 6). Sie kann sich - auf den Streitfall bezogen - dafür entscheiden, die in den tatsächlichen Voraussetzungen ungeklärte Erfindertätigkeit aus der Besteuerung gänzlich auszuklammern oder (gemäß der abgegebenen Steuererklärung) in die Steuerfestsetzung einzubeziehen. Ist - wie im Streitfall - für eine bestimmte Betätigung (hier als Erfinder) deren steuerliche Beurteilung vorrangig von einer Hauptfrage (nämlich dem Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht) abhängig, kann das FA die Nachprüfung aller nachrangigen Fragen zurückstellen, und zwar unabhängig davon, ob sich diese nachrangigen Fragen bei späterer Beurteilung als einfach oder schwierig herausstellen. Geht die Finanzbehörde zutreffend davon aus, daß die für den Steuerpflichtigen negative Beantwortung der (in tatsächlicher Hinsicht ungewissen) Hauptfrage, nämlich der Bejahung der Liebhaberei, Ermittlungs- und Prüfungshandlungen in bezug auf alle nachrangigen Fragen überflüssig machen würde und entschließt es sich deswegen, die nachrangigen Fragen zunächst nicht zu überprüfen, sondern in den Vorbehalt vorläufiger Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 AO 1977 einzubeziehen, bewegt es sich im Rahmen eines von § 165 Abs. 1 und 2 AO 1977 abgedeckten Ermessensspielraums.

b) Einerseits ist es sachgerecht, nachrangige Ermittlungen und Nachprüfungen zurückzustellen, solange offensteht, ob diesen nachrangigen Fragen bei der Steuerfestsetzung überhaupt eine Bedeutung zukommt. Andererseits ist es für den Steuerpflichtigen offensichtlich und auch nachvollziehbar, daß das FA in dieser Weise verfahren will. Keinesfalls wird bei dem Steuerpflichtigen dann, wenn mit der vorläufigen Steuerfestsetzung zunächst entsprechend seinen rechtlichen Vorstellungen verfahren wird, der Eindruck erzeugt, er könne in den nachrangigen Einzelfragen mit einem Fortbestand der in der vorläufigen Steuerfestsetzung vom FA hingenommenen rechtlichen Beurteilung auch dann rechnen, wenn sich das FA in der vorrangigen Hauptfrage nach Beseitigung der tatsächlichen Ungewißheiten anders entscheidet. Dementsprechend war auch dem Kläger gegenwärtig, daß das FA Betriebsausgaben aus Erfindertätigkeit endgültig nur dann anerkennen wollte, wenn es sich bei dieser Tätigkeit nicht um steuerrechtlich irrelevante Liebhaberei handelte.

c) Die sich unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage ergebende Auffassung des erkennenden Senats, daß die Ausdehnung der Vorläufigkeit auf die nachrangigen Einzelfragen eine Ermessensentscheidung ist, die sich im Rahmen des von § 165 Abs. 1 AO 1977 eingeräumten Entschließungsermessens der Finanzbehörde hält, wird von den in § 165 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO 1977 getroffenen Regelungen gestützt. Danach kann die Änderung oder Aufhebung der vorläufigen Steuerfestsetzung auf zwei inhaltlich verschiedene Rechtsgrundlagen gestützt werden. Nach Satz 2 des § 165 Abs. 2 AO 1977 muß das FA die vorläufige Steuerfestsetzung aufheben, ändern oder bestätigen, wenn die Ungewißheit beseitigt ist. Nach Satz 1 des § 165 Abs. 2 AO 1977 kann das FA eine vorläufige Steuerfestsetzung ändern oder aufheben; Voraussetzungen oder Einschränkungen hierfür sieht das Gesetz nicht vor. Jedenfalls ist die hier ermöglichte anderweitige Steuerfestsetzung nicht vom Wegfall der Ungewißheit abhängig, sondern ergeht im Regelfall unter Fortbestand der tatsächlichen Ungewißheit (vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 165 AO 1977 Anm. 6 Abs. 2). Gleichwohl ist die Änderungsmöglichkeit nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 nicht auf diese Fallage beschränkt. Die Finanzbehörde kann von dieser rechtlichen Änderungsbefugnis auch dann Gebrauch machen, wenn - wie im Streitfall - die allein die vorrangige Hauptfrage betreffende Ungewißheit weggefallen ist und die Voraussetzungen für eine endgültige Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 geschaffen sind. In diesem Falle ist die Finanzbehörde nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 befugt, alle zunächst hingenommenen rechtlichen Fehlbeurteilungen des Steuerpflichtigen, deren Nachprüfung zunächst zurückgestellt war, zu korrigieren, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese mit tatsächlichen Ungewißheiten behaftet waren oder nicht. Nicht beigetreten werden kann daher der von Tipke/Kruse (a.a.O., § 165 AO 1977 Rdnr. 11, Stand November 1986) vertretenen Auffassung, daß auf die in § 165 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 getroffene Regelung richtigerweise hätte verzichtet werden sollen, da er die "richtige Ermessensübung irritieren könne". Dem kann jedenfalls für die im Streitfall gegebene Konstellation nicht zugestimmt werden. Bezieht sich die tatsächliche Ungewißheit ausschließlich auf eine Vorrangfrage und stellt das FA im Hinblick hierauf die Prüfung aller nachrangigen und von der Beantwortung der Vorrangfrage rechtlich abhängigen Folgefragen in oben dargestellter Weise zurück, kann die Änderung bzw. Aufhebung des vorläufigen Steuerbescheids insoweit nicht auf Satz 2 des § 165 Abs. 2 AO 1977 gestützt werden, sondern allein auf Satz 1 vorbezeichneter Vorschrift. Dies führt - wie auch im Streitfall - zu einer kumulativen Anwendung der Sätze 1 und 2 des § 165 Abs. 2 AO 1977 bei Erlaß des endgültigen Bescheides.

Nicht zutreffend ist in diesem Zusammenhang die Auffassung des FG, das FA habe seinen Bescheid vom 2. August 1985 allein auf § 165 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 gestützt, was die Beseitigung von Rechtsfehlern im vorläufigen Bescheid vom 21. Mai 1982 ausschließe. Das FA hat im Bescheid vom 2. August 1985 lediglich angegeben, daß er "nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 endgültig" sei. Dies beinhaltet nicht die Angabe der Rechtsgrundlage, auf die der geänderte Bescheid vom 2. August 1985 gestützt worden ist, sondern die notwendige Äußerung zum Rechtsbestand dieses Bescheides. Sie enthält nämlich die für den Kläger bedeutsame Äußerung des FA, daß die bestehende tatsächliche Ungewißheit über die steuerrechtliche Relevanz der Erfindertätigkeit des Klägers weggefallen sei.

4. Nach alledem ergibt sich, daß das FA bei der endgültigen Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 1981 (im Bescheid vom 2. August 1985) aufgrund des im vorläufigen Erstbescheid vom 21. Mai 1982 angebrachten und in rechtlich zutreffender Weise begründeten Vorläufigkeitsvermerks im Sinne des § 165 Abs. 1 AO 1977 befugt war, im Zuge der (nachfolgend geänderten) Beurteilung der Erfindertätigkeit des Klägers als Liebhaberei die zunächst hingenommene Geltendmachung von Betriebsausgaben zu ändern, und zwar ungeachtet des Umstandes, daß dem Kläger diese Betriebsausgaben auch dann nicht zustehen, wenn - wie nachfolgend in der Einspruchsentscheidung vom 8. April 1986 geschehen - die Erfindertätigkeit des Klägers als steuerrechtlich relevante Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 EStG anerkannt worden ist. Da das FA wegen seiner Änderungsbefugnis aus § 165 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO 1977 und seines sich hierauf erstreckenden Vorläufigkeitsvermerks nicht gehindert war, im Bescheid vom 2. August 1985 eine andere Rechtsauffassung bezüglich des als Betriebsausgaben geltend gemachten Betrages von 10.808 DM zu vertreten, kommt es auf die weiteren Erwägungen des FA und des FG zu den Änderungsmöglichkeiten im Rahmen des auf den Änderungsbescheid vom 2. August 1985 folgenden Einspruchsverfahrens nicht an.