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BFH-Urteil vom 17.9.1987 (III R 235/84) BStBl. 1988 II S. 249

1. Ein Antrag auf Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 Buchst. b EStG kann formfrei gestellt werden.

2. Die mit dem Einspruch gegen den Schätzungsbescheid verbundene Ankündigung, die Steuererklärung nachzureichen, genügt nicht den Anforderungen an einen Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 Buchst. b und Satz 2 EStG.

EStG § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 Buchst. b und Satz 2.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Ehefrau betreibt einen Gewerbebetrieb; der Ehemann bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Nachdem die Kläger für das Streitjahr 1980 trotz Aufforderung keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatten, schätzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Besteuerungsgrundlagen und setzte im Einkommensteuerbescheid 1980 neben Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 25.000 DM an. In dem hiergegen eingelegten Einspruch vom 12. November 1982 heißt es: "Zur Begründung des Einspruchs werden die Steuererklärungen für 1980 in Kürze nachgereicht." Die Steuererklärungen 1980 legten die Kläger schließlich im Juli 1983 vor und erklärten einen Bruttoarbeitslohn des Klägers in Höhe von 30.847 DM und einen Verlust aus Gewerbebetrieb der Klägerin in Höhe von 12.404 DM.

Das FA hob daraufhin den Einkommensteuerbescheid 1980 auf und erteilte den Klägern mit der Begründung, daß der Antrag für die Antragsveranlagung nicht fristgerecht gestellt worden sei, am 22. September 1983 eine sog. Nichtveranlagungsverfügung. Der von den Klägern hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Auf die Klage hin verpflichtete das Finanzgericht (FG) das FA, für die Kläger eine Einkommensteuerveranlagung vorzunehmen.

Die Ankündigung der Kläger in ihrem Einspruchsschreiben, zur Begründung des Einspruchs würden die Steuererklärungen für 1980 nachgereicht, sei als - rechtzeitig gestellter - Antrag auf Veranlagung anzusehen. Die Vorschrift des § 46 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verlange nicht die Abgabe der Steuererklärung innerhalb der Antragsfrist.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision macht das FA unter Hinweis auf Abschn. 217 Abs. 1 Satz 1 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) geltend, der Antrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG müsse in der Form der Steuererklärung abgegeben werden.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Entgegen der Auffassung des FG haben die Kläger den Antrag auf Durchführung der Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 Buchst. b und Satz 2 EStG nicht fristgerecht gestellt.

Zutreffend ist das FG allerdings davon ausgegangen, daß ein Antrag auf Veranlagung nach der genannten Vorschrift auch einer anderen Erklärung als der Steuererklärung im Wege der Auslegung entnommen werden kann. Voraussetzung ist lediglich, daß das Begehren auf Durchführung der Veranlagung zur Berücksichtigung von Verlusten mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Juli 1986 VIII R 12/85, BFHE 147, 343, BStBl II 1986, 900, und vom 3. Juni 1986 IX R 121/83, BFHE 148, 232, BStBl II 1987, 421).

Die von den Klägern mit ihrem Einspruch verbundene Ankündigung, die Steuererklärung nachzureichen, erfüllt diese Voraussetzung nicht.

Ebensowenig wie bei einem Antrag auf Verlängerung der Frist zur Abgabe der Steuererklärung, in dem ebenfalls eine solche (konkludente) Ankündigung gesehen werden kann (vgl. dazu BFHE 148, 232, BStBl II 1987, 421), war im hier gegebenen Fall der ausdrücklich erklärten Ankündigung für das FA zu erkennen, daß die Kläger mit der noch einzureichenden Steuererklärung im Sinne von § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 Buchst. b EStG einen Verlust aus einer anderen Einkunftsart als derjenigen aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt wissen wollten. Denn es war aus der Sicht des FA auch denkbar, daß eine Amtsveranlagung in Betracht kommt, etwa weil die Veranlagungsgrenzen nach § 46 Abs. 1 EStG überschritten sind oder beispielsweise eine Amtsveranlagung wegen Erzielung anderer Einkünfte im Sinne von § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG in Höhe von mehr als 800 DM oder aus anderweitigen Gründen durchzuführen ist. Anhaltspunkte dafür, daß das FA aufgrund der Sachbehandlung in den Vorjahren auch für das Streitjahr von den materiellen Voraussetzungen für eine Antragsveranlagung ausgehen mußte, bestehen im Streitfall nicht (vgl. zu einem solchen Fall BFH-Urteil vom 16. Dezember 1986 IX R 149/85, BFHE 148, 527, BStBl II 1987, 338).

Auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht (vgl. zu dieser Möglichkeit BFH-Urteil vom 8. Mai 1979 VIII R 78/77, BFHE 128, 210, BStBl II 1979, 676).

Zwar haben die Kläger im Klageverfahren auf die Krankheit des Ehemannes hingewiesen, die sie zeitlich außerordentlich stark in Anspruch nehme. Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Fristversäumnis aber nur dann zu entschuldigen, wenn der Steuerpflichtige aufgrund der Krankheit nicht in der Lage ist, zur Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten einen Vertreter zu bestellen (Beschluß vom 10. März 1971 I B 50/70, BFHE 101, 466, BStBl II 1971, 401). Im allgemeinen kann dies nur bei einer - kurz vor Ablauf der Frist - plötzlich und unvorhersehbar auftretenden Erkrankung in Betracht kommen.

Im Streitfall sind diese Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt.