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BFH-Urteil vom 9.12.1987 (II R 223/83) BStBl. 1988 II S. 298

Das Tatbestandsmerkmal der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 6 Satz 2 GrStG (wonach der Grundbesitz ausschließlich demjenigen zuzurechnen sein muß, der ihn für den begünstigten Zweck benutzt) ist nicht erfüllt, wenn eine Publikumskommanditgesellschaft den in ihrem Eigentum stehenden Grundbesitz in der Weise benutzt, daß ihre persönlich haftende Gesellschafterin (eine Kommanditgesellschaft) auf ihm eine Privatkrankenanstalt betreibt, selbst wenn an beiden Kommanditgesellschaften dieselben natürlichen Personen teils unmittelbar, teils mittelbar beteiligt sind.

GrStG § 4 Nr. 6 Satz 2, § 10 Abs. 1.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Publikumskommanditgesellschaft mit über 1.000 Kommanditisten, ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke, die für Zwecke einer Krankenanstalt benutzt werden. Betrieben wird die Krankenanstalt von der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin: einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Co. Betriebskommanditgesellschaft (fortan Betriebs-KG), und zwar seit Ende 1973. Die Krankenanstalt dient (unstreitig) in besonderem Maße der minderbemittelten Bevölkerung im Sinne des früheren § 10 der Gemeinnützigkeitsverordnung (GemV). Die Konzession nach § 30 der Gewerbeordnung (GewO) wurde am 27. November 1973 erteilt, und zwar der persönlich haftenden Gesellschafterin der Betriebs-KG: der A-GmbH. Bei der Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1974 war der Grundbesitz durch bestandskräftigen Bescheid der Klägerin zugerechnet worden. Die Beteiligten streiten, ob bei der Festsetzung des Grundsteuermeßbetrags auf den 1. Januar 1974 die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 6 des Grundsteuergesetzes (GrStG) in der damals geltenden Fassung anwendbar ist, die unter anderem voraussetzt, daß der Grundbesitz ausschließlich demjenigen zuzurechnen sein muß, der ihn benutzt.

Zur rechtlichen und wirtschaftlichen Verflechtung der Gesellschaften hat das Finanzgericht (FG) folgendes festgestellt:

a) Bei der Klägerin ist persönlich haftende Gesellschafterin die Betriebs-KG; Kommanditisten sind K, L, M sowie über 1.000 weitere Personen.

b) Bei der Betriebs-KG ist persönlich haftende Gesellschafterin die A-GmbH (Gesellschafter sind K, L und M); Kommanditisten sind K, L, M, die Klägerin und die A-GmbH.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte durch Bescheid vom 22. November 1976 den Grundsteuermeßbetrag auf den Hauptveranlagungszeitpunkt 1. Januar 1974 auf 38.832,15 DM fest, den Einspruch wies er zurück. Der Grundbesitz, der für Zwecke der Krankenanstalt benutzt werde, sei nicht gemäß § 4 Nr. 6 GrStG von der Grundsteuer befreit, weil zwischen der Klägerin (Eigentümerin des Grundbesitzes) und der Betriebs-KG (Benutzerin des Grundbesitzes) keine Personengleichheit bestehe, es sich vielmehr um "zwei verschiedene Personengesellschaften mit unterschiedlichen Gesellschaftern" handele.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin begehrt, den Grundsteuermeßbetrag um 38.370,15 DM auf 462 DM herabzusetzen. Entgegen der Ansicht des FA setze die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 6 GrStG keine unmittelbar gleiche Beteiligung voraus. Es genüge eine teils unmittelbare, teils mittelbare Personenidentität, wie sie im vorliegenden Falle gegeben sei: Sie, die Klägerin, sei über ihre Kommanditbeteiligung Mitunternehmerin der Krankenanstalt; somit werde die Krankenanstalt (über die bestehende Mitunternehmerschaft) von ihr, der Klägerin, betrieben.

Das FG hat die Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift für gegeben erachtet und durch Urteil vom 16. März 1983 den Grundsteuermeßbetrag auf 462 DM festgesetzt.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 4 Nr. 6 GrStG. Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

Das Urteil des FG muß aufgehoben werden, weil das FG die bundesrechtliche Vorschrift des § 4 Nr. 6 GrStG in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Reform des Grundsteuerrechts vom 7. August 1973 (BGBl I 1973, 965, BStBl I 1973, 586) unrichtig angewendet hat. Diese Vorschrift lautete:

"§ 4

Sonstige Steuerbefreiungen

Soweit sich nicht bereits eine Befreiung nach § 3 ergibt, sind von der Grundsteuer befreit

...

6. Grundbesitz, der für die Zwecke einer Krankenanstalt benutzt wird, wenn die Anstalt in dem Kalenderjahr, das dem Veranlagungszeitpunkt (§ 13 Abs. 1) vorangeht, die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 und 3 der Gemeinnützigkeitsverordnung vom 24. Dezember 1953 (Bundesgesetzblatt I S. 1592), geändert durch das Steueränderungsgesetz 1969 vom 18. August 1969 (Bundesgesetzblatt I S. 1211), erfüllt hat und außerdem die Konzession nach § 30 der Gewerbeordnung vorliegt. Der Grundbesitz muß ausschließlich demjenigen, der ihn benutzt, oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zuzurechnen sein."

Das FG hat angenommen, die vom Gesetz vorausgesetzte "volle Personengleichheit zwischen den Benutzern und denjenigen, denen der Grundbesitz zuzurechnen ist", schließe nicht aus, "auch einer Personengesellschaft, die Eigentümerin des Grundbesitzes ist, die Grundsteuerbefreiung zu gewähren, wenn ihre Gesellschafter zugleich unmittelbar oder mittelbar an der Personengesellschaft beteiligt sind, die den Grundbesitz für den steuerbegünstigten Zweck einer Krankenanstalt benutzt". Auch in einem solchen Falle sei "der Grundsatz der vollen Personengleichheit zwischen dem Betreiber der Krankenanstalt und dem Eigentümer des Grundbesitzes durch die gesellschaftsrechtliche Verknüpfung der an beiden Personengesellschaften unmittelbar oder mittelbar beteiligten Personen gewahrt". Diese Ansicht steht nicht in Einklang mit dem Gesetz.

Zuzurechnen war der Grundbesitz der Klägerin. Die dahingehende Feststellung des FA im Einheitswertbescheid war bindend für den Grundsteuermeßbescheid vom 22. November 1976 (§ 218 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung - AO -, jetzt § 182 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Demzufolge konnte der Grundbesitz nur dann gemäß § 4 Nr. 6 GrStG steuerfrei sein, wenn ausschließlich die Klägerin auch diejenige war, die ihn für die Zwecke der Krankenanstalt benutzte. Benutzt für die Zwecke der Krankenanstalt wurde der Grundbesitz aber nicht von der Klägerin, sondern von ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin, der Betriebs-KG. Zwischen dieser und der Klägerin bestand nicht die vom Gesetz vorausgesetzte Identität.

Die abweichende Auffassung des FG beruht auf der gedanklichen Vorstellung, die (relative) rechtliche Selbständigkeit der Klägerin und der Betriebs-KG dürfe beiseite geschoben werden und durchgegriffen werden auf deren Gesellschafter und - soweit es sich bei ihnen um eine GmbH handelt - auch auf deren Gesellschafter. Gerechtfertigt werde dies durch den Zweck der Befreiungsvorschrift: Die in § 4 Nr. 6 Satz 2 GrStG vorausgesetzte volle Personengleichheit bezwecke, daß den Personen, die als Eigentümer des Grundstücks unmittelbar Schuldner der Grundsteuer seien oder als Gesellschafter einer Personengesellschaft gesamtschuldnerisch für die Grundsteuer hafteten, die Grundsteuerbefreiung nur dann zugute kommen solle, wenn dieselben Personen den Grundbesitz für den Betrieb einer Krankenanstalt benutzten. Diesem Erfordernis werde auch durch das Betreiben einer Krankenanstalt in der Rechtsform einer Personengesellschaft, an der unmittelbar oder mittelbar dieselben Personen beteiligt sind, genügt. Einer unmittelbaren Beteiligung und anteilsmäßigen Übereinstimmung der jeweiligen Beteiligungen der einzelnen Gesellschafter bedürfe es hierzu nicht, weil durch die Beteiligung der Gesellschafter an beiden Personengesellschaften gewährleistet sei, daß die Grundsteuerbefreiung nicht Personen zugute kommt, die lediglich an einer oder an keiner der beiden Personengesellschaften beteiligt seien.

Das Gesetz erlaubt indes einen solchen Durchgriff nicht. Die Klägerin als Kommanditgesellschaft ist grundsteuerrechtlich getrennt zu sehen von ihren Gesellschaftern. Das folgt daraus, daß eine Kommanditgesellschaft unter ihrer Firma Eigentum an Grundstücken erwerben und im Grundbuch als Eigentümerin der Grundstücke eingetragen werden kann, sie insoweit also rechtsfähig und grundbuchfähig ist (§ 161 Abs. 2, § 124 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches - HGB -), und daß ihr die wirtschaftliche Einheit "Grundstück" bei der Feststellung des Einheitswerts zugerechnet werden kann, sie demzufolge Schuldnerin der Grundsteuer und damit grundsteuerfähig, d.h. Träger grundsteuerlicher Rechte und Pflichten sein kann (§ 2 Nr. 2, § 10 Abs. 1 GrStG).

Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift sowie die Gesetzesentwicklung sprechen nicht für, sondern gegen die rechtliche Zulässigkeit, durchzugreifen auf die hinter der Klägerin stehenden natürlichen Personen und auf diese Weise den Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift wesentlich zu erweitern:

Die Befreiung von Grundbesitz, den der Eigentümer für die Zwecke einer Krankenanstalt benutzt, wurde durch § 4 Nr. 8 GrStG vom 1. Dezember 1936 (RGBl I 1936, 986, RStBl 1936, 1154) eingeführt. Durch sie sollte der als unbillig empfundene Zustand beseitigt werden, daß "die Krankenanstalten der öffentlichen Hand und der gemeinnützigen Anstalten von der Steuer voll befreit, die der privaten Besitzer (z.B. Ärzte) jedoch voll pflichtig" waren, selbst wenn sie zu denselben Bedingungen arbeiteten wie jene. Künftig sollten die gemeinnützigen und privaten Krankenanstalten gleichbehandelt werden. Für die Ausgestaltung auch dieser Befreiungsvorschrift ist "der Gedanke maßgebend gewesen ..., die Befreiungen möglichst eng zu halten". Die Grundsteuer gehöre zu den Unkosten, mit denen jeder Grundstückseigentümer normalerweise ebenso rechnen müsse wie mit anderen Ausgaben, die sich aus dem Grundbesitz ergeben (z.B. Wassergeld, Müllabfuhrgebühr, Schornsteinfegergebühr usw.). Außerdem sei zu berücksichtigen, daß die Grundsteuer künftig eine reine Gemeindesteuer sei und die Gemeinden zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf den Ertrag dieser Steuer ganz besonders angewiesen seien (Gesetzesbegründung RStBl 1937, 717, 718).

Der gleiche Gedanke findet Ausdruck im Gesetz zur Reform des Grundsteuerrechts vom 7. August 1973 (BGBl I 1973, 965, BStBl I 1973, 586), durch dessen Artikel 1 der Schlußsatz der Befreiungsvorschrift (jetzt § 4 Nr. 6 GrStG) neu gefaßt wurde. Bisher lautete er: "Wird der Grundbesitz nicht von dem Eigentümer für die bezeichneten Zwecke benutzt, so tritt Befreiung nur ein, wenn der Eigentümer eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist." Nunmehr lautet er: "Der Grundbesitz muß ausschließlich demjenigen, der ihn benutzt, oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zuzurechnen sein." Mit dieser Fassungsänderung, insbesondere mit der Einfügung des Wortes "ausschließlich", wollte der Gesetzgeber erkennbar seinen Willen verdeutlichen, den Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift eng zu halten.

Das Urteil des FG beruht auf der bezeichneten Rechtsverletzung, denn es ist nicht auszuschließen, daß das FG ohne sie anders entschieden hätte.

Der erkennende Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Klage ist abzuweisen. Sie ist unbegründet, denn der angefochtene Grundsteuermeßbescheid ist rechtmäßig. Der bezeichnete Grundbesitz ist aus den dargelegten Gründen nicht gemäß § 4 Nr. 6 GrStG von der Grundsteuer befreit. Der von der Klägerin hervorgehobene Gesichtspunkt der sog. Mitunternehmerschaft spielt für die grundsteuerrechtliche Beurteilung, wer den Grundbesitz für die Zwecke einer Krankenanstalt benutzt, keine Rolle (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 4. Februar 1987 II R 216/84, BFHE 149, 262, 265, BStBl II 1987, 451).