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BFH-Urteil vom 9.12.1987 (II R 212/82) BStBl. 1988 II S. 309

1. Die ablehnende Entscheidung der obersten Finanzbehörde des Landes, die auf das Auslandsvermögen des Antragstellers entfallende deutsche Vermögensteuer gemäß § 9 Abs. 4 VStG a.F. in einem Pauschbetrag festzusetzen, war kein innerbehördlicher Beteiligungsakt, sondern ein Verwaltungsakt, der wie ein Steuerbescheid (Grundlagenbescheid) zu behandeln war.

2. Eine Verpflichtungsklage, mit der die Verurteilung zum Erlaß des abgelehnten Verwaltungsakts begehrt wurde, war nicht gegen das FA, sondern gegen die oberste Finanzbehörde des Landes zu richten.

3. Das FG durfte auf die gegen das FA gerichtete Anfechtungsklage nicht auch die Ermessensentscheidung der obersten Finanzbehörde des Landes über die beantragte Vermögensteuerpauschalierung auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen.

VStG a.F. § 9 Abs. 4; VStG § 12 Abs. 3; AO 1977 § 118, § 155 Abs. 1, § 157, § 171 Abs. 10, § 172 Abs. 2, § 349 Abs. 3 Nr. 1; FGO § 40 Abs. 1 und 2, § 44 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 2, § 63 Abs. 1 Nr. 2, § 96 Abs. 1 Satz 2, § 126 Abs. 4; FVG § 2 Abs. 1 Nrn. 1 und 3, § 17 Abs. 2 Satz 1.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist Rechtsnachfolgerin der A-GmbH in Z (fortan Rechtsvorgängerin). Deren Vermögen ging 1972 durch Umwandlung auf sie über. Die Rechtsvorgängerin war seit 1964 zu mehr als einem Viertel am Kapital der schweizerischen S-AG in X beteiligt. Sie beantragte für die Jahre 1965 bis 1971, die auf diese Beteiligung entfallende deutsche Vermögensteuer gemäß dem damals geltenden § 9 Abs. 4 des Vermögensteuergesetzes (VStG) in einem Pauschbetrag festzusetzen und gemäß dem Erlaß des Finanzministeriums Baden-Württemberg (fortan FM Ba-Wü) vom 1. März 1962 (BStBl II 1962, 60, 64) das bezeichnete Auslandsvermögen nach einem Steuersatz von 0,5 v.H. zu besteuern.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte die Vermögensteuer für die Jahre 1965 und 1966 zunächst vorläufig fest "bis zur Entscheidung des Finanzministeriums Baden-Württemberg über" den Pauschalierungsantrag. Das FM Ba-Wü entschied durch Erlaß vom 21. Juli 1969 S 3531 B - 9/68, daß dem Pauschalierungsantrag für die Jahre 1964 bis 1966 nicht entsprochen werden könne. Diesen Erlaß hatte das FM Ba-Wü an die Oberfinanzdirektion (OFD) Karlsruhe gerichtet mit der Weisung, seine Entscheidung der Steuerpflichtigen im Vermögensteuerbescheid bekanntzugeben.

Anläßlich der aus anderen Gründen erfolgenden Änderung der Vermögensteuerbescheide für 1965 und 1966 gab das FA in einer Anlage zu den Bescheiden die ablehnende Entscheidung des FM Ba-Wü der Rechtsvorgängerin wie folgt bekannt:

"... Die vorliegende Berichtigung erfolgte ... aufgrund ... der Entscheidung des Finanzministeriums über Ihre Anträge auf Pauschalierung der Vermögensteuer (§ 9 Abs. 4 VStG) ... Wegen der erfolgten Ablehnung Ihrer Anträge auf Pauschalierung durch das Finanzministerium wird auf den gleichzeitig ergehenden Bescheid betr. 1.1.1962, 1.1.1963 u. 1.1.1964 Bezug genommen."

Dem in Bezug genommenen Bescheid war eine Anlage folgenden Inhalts beigefügt:

"Ihren Anträgen auf Pauschalierung der Vermögensteuer (§ 9 Abs. 4 VStG) wurde per 1.1.1962 und 1.1.1963 in vollem Umfange entsprochen. Für den Zeitpunkt 1.1.1964 wurde der Pauschalierung seitens des Finanzministeriums nicht zugestimmt. Hiernach ist die Pauschalierung der Vermögensteuer für Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften als eine Überbrückungsmaßnahme bis zu der Ausdehnung des vollen Schachtelprivilegs über die Grenze durch Doppelbesteuerungsabkommen zu verstehen. Da das Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz eine solche Vergünstigung bewußt nicht enthält und auch nicht beabsichtigt ist, sie einzuführen, sind die Beteiligungen an Kapitalgesellschaften in der Schweiz grundsätzlich von der Pauschalierung ausgeschlossen."

Auch den vorläufigen Vermögensteuerbescheiden für die Jahre 1967 bis 1971 legte das FA jene Entscheidung des FM Ba-Wü zugrunde. Aufgrund einer Betriebsprüfung wurden als endgültig bezeichnete Bescheide vom 23. Mai 1975 für die Jahre 1965 bis 1971 erlassen.

Mit ihren Einsprüchen machte die Klägerin geltend, die ablehnende Entscheidung des FM Ba-Wü zur beantragten Pauschalierung der Vermögensteuer sei ermessensfehlerhaft. Sie gehe am Sinn des § 9 Abs. 4 VStG vorbei.

Das FA wies die Einsprüche auf Weisung der OFD durch Entscheidung vom 13. Juli 1978 als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin begehrt, die Vermögensteuerbescheide 1965 bis 1971 und die Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 1978 aufzuheben, um dem Beklagten Gelegenheit zu geben, die Beteiligung an der S-AG mit dem ermäßigten Steuersatz von 0,5 v.H. anzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen unter Hinweis auf das Urteil des FG Düsseldorf vom 6. Mai 1976 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1976, 532, 533).

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 9 Abs. 4 VStG a.F. Sie beantragt, das Urteil des FG, die Vermögensteuerbescheide 1965 bis 1971 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist zurückzuweisen.

Zwar ergeben die Entscheidungsgründe eine Verletzung des bestehenden Rechts, weil das FG zu Unrecht in eine Überprüfung der Ablehnung der beantragten Pauschalierung eingetreten ist; die Entscheidung selbst stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Gemäß § 9 Abs. 4 VStG a.F. konnten "die obersten Finanzbehörden der Länder ... auf Antrag die auf Auslandsvermögen entfallende deutsche Vermögensteuer ... in einem Pauschbetrag festsetzen, wenn dies aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig" war. Die aufgrund dieser Ermächtigung getroffene Entscheidung des FM Ba-Wü über den Pauschalierungsantrag der Klägerin war ein Verwaltungsakt i.S. des § 118 der Abgabenordnung (AO 1977); sie war insbesondere "auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet", nämlich auf Rechtswirkung gegenüber der Antragstellerin. Dadurch unterschied sie sich von innerbehördlichen Beteiligungsakten, z.B. einer Weisung der vorgesetzten Behörde an die nachgeordnete Behörde über die beim Erlaß eines Verwaltungsakts hinsichtlich Rechtsanwendung und Ermessensausübung zu beachtenden Grundsätze. Eine solche innerdienstliche Weisung entfaltet Rechtswirkung nach außen regelmäßig erst in einem Verwaltungsakt der angewiesenen Behörde. Der die beantragte Pauschalierung der Vermögensteuer ablehnende Verwaltungsakt des FM Ba-Wü war ein Steuerbescheid (§ 155 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO 1977), und zwar ein Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO 1977, denn er war für die Vermögensteuerbescheide des FA bindend.

Daraus folgt:

1. Fühlte sich die Klägerin allein dadurch in ihren Rechten verletzt, daß das FM BA-Wü es abgelehnt hatte, die auf ihr Auslandsvermögen entfallende deutsche Vermögensteuer in einem Pauschbetrag festzusetzen, so konnte sie angemessenen Rechtsschutz nur erhalten, wenn sie Verpflichtungsklage (Vornahmeklage) erhob und einen ihrem Klageziel entsprechenden Antrag stellte (§ 40 Abs. 1 und 2, § 47 Abs. 1 Satz 2 FGO). Diese Klage wäre gegen das FM Ba-Wü zu richten gewesen (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 FGO); eines Vorverfahrens hätte es nicht bedurft (§ 44 Abs. 1 FGO i.V.m. § 349 Abs. 3 Nr. 1 AO 1977).

2. Mit ihrer Anfechtungsklage gegen das FA konnte die Klägerin nur erreichen, daß das FG die Rechtmäßigkeit der Vermögensteuerbescheide prüfte (§ 40 Abs. 1, § 100 Abs. 1 Satz 1, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Deren Rechtmäßigkeit hat es im Ergebnis zutreffend bejaht.

3. Nicht zustimmen kann der erkennende Senat der Rechtsauffassung, die der I. Senat am Ende seines Urteils vom 7. März 1979 I R 145/76 (BFHE 127, 517, 521, BStBl II 1979, 527) geäußert hat. Dort hat sich der I. Senat hinsichtlich der den obersten Finanzbehörden der Länder durch § 34c Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG - (jetzt § 34c Abs. 5 EStG) eingeräumten Befugnis zur Pauschalierung der auf ausländische Einkünfte entfallenden deutschen Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer wie folgt geäußert: "Bedenken dagegen, daß das FA über die Ablehnung der Pauschalierung der Steuer - möglicherweise auf Weisung seiner vorgesetzten Behörde - entschieden hat, ergeben sich nicht (vgl. BFH-Urteil vom 9. Januar 1973 VII R 77/70, BFHE 108, 282, BStBl II 1973, 325)." Diese Rechtsauffassung übersieht, daß der VII. Senat über einen Fall des früheren § 131 der Reichsabgabenordnung zu entscheiden hatte, der eine Delegation der Befugnisse auf nachgeordnete Behörden vorsah. Weder für § 34c Abs. 3 (5) EStG noch für den früheren § 9 Abs. 4 VStG kann deshalb aus der Entscheidung des VII. Senats etwas hergeleitet werden.

Einer Anrufung des Großen Senats bedarf es indes nicht. Denn selbst wenn der I. Senat bei seiner Entscheidung von der Rechtsauffassung ausgegangen wäre, die der erkennende Senat oben dargelegt hat, hätte er die Revision zurückweisen müssen, weil eine Pauschalierungsentscheidung der obersten Finanzbehörde des Landes nicht ergangen war.

4. Sollte die Klägerin noch erreichen, daß das FM BA-Wü die auf die Beteiligung der Klägerin an der S-AG entfallende deutsche Vermögensteuer in einem Pauschbetrag festsetzt, so wären die Vermögensteuerbescheide möglicherweise entsprechend zu ändern (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977).