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BFH-Urteil vom 16.12.1987 (I R 68/87) BStBl. 1988 II S. 338

Die einem Arbeitnehmer gemachte Zusage, er werde einen bestimmten Lohn auch für den Fall erhalten, daß er auf einen anderen Arbeitsplatz umgesetzt wird, berechtigt nicht zur Bildung einer Rückstellung.

EStG § 5 Abs. 1; AktG § 152 Abs. 7; HGB § 249.

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) unterhält einen Verlags- und Druckereibetrieb. Nach einer Außenprüfung beanstandete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Bildung von Rückstellungen für Zukunftssicherung bei der Klägerin, und zwar zum 31. Dezember 1978 in Höhe von 1,2 Mio DM, zum 31. Dezember 1979 in Höhe von 1,8 Mio DM und zum 31. Dezember 1980 in Höhe von 2,2 Mio DM. (Zahlen geändert)

Der Rückstellungsbildung lag nach dem Betriebsprüfungsbericht, auf den sich das Finanzgericht (FG) bezogen hat, folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin beabsichtigte, den Betriebszweig "Maschinensatz" auf "Fotosatz" umzustellen. Als voraussichtliches Jahr der Umstellung hat die Klägerin zum 31. Dezember 1978 das Umstellungsjahr 1981, zum 31. Dezember 1979 das Umstellungsjahr 1982 und zum 31. Dezember 1980 das Umstellungsjahr 1983 angenommen.

Im Rahmen der beabsichtigten Umstellung sollten Maschinensetzer auf einen Arbeitsplatz umgesetzt werden, auf dem sie mit der Textgestaltung beschäftigt werden sollten. Nach dem am 31. Dezember 1982 gültigen Tarifvertrag erhielten Maschinensetzer monatlich ein um etwa 40 DM höheres Gehalt als die Textgestalter.

Die Klägerin zahlte jedoch den Maschinensetzern nach einer betrieblichen Vereinbarung monatlich etwa 300 DM (Zahl geändert) mehr als den Textgestaltern.

Den von der voraussichtlichen Umstellung wegen Entwicklung neuer Technologien betroffenen Maschinensetzern hat die Klägerin im Jahre 1978 mitgeteilt, daß wegen der Einführung der neuen Technik im Satzbereich kein Mitarbeiter entlassen werde und die hierfür Betroffenen keine Lohneinbußen erleiden würden.

Die Vereinbarung bedeutete, daß die mit der Textgestaltung beschäftigten Arbeitnehmer auch künftig den für Maschinensetzer vereinbarten höheren Lohn erhalten, und zwar bis zum Ausscheiden aus dem Betrieb.

Die Klägerin hat wegen dieses Sachverhalts Rückstellungen gebildet und dabei eine Fluktuation, eine Umsetzung auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz und eine Abzinsung berücksichtigt.

Das FA setzte die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuermeßbeträge für die Streitjahre fest, ohne die von der Klägerin gebildeten Rückstellungen zu berücksichtigen.

Die Klägerin legte gegen die Bescheide Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung, die vom FA abgelehnt wurde. Die Oberfinanzdirektion (OFD) wies die Beschwerde der Klägerin als unbegründet zurück.

Mit der Klage trägt die Klägerin vor, daß sie im Jahre 1978 begonnen habe, ihren Betrieb vom Bleisatzverfahren auf das Fotosatzverfahren umzustellen und daß die Entwicklung im Jahre 1985 abgeschlossen worden sei. Die Umstellung auf das neue Verfahren sei dergestalt vollzogen worden, daß nach einer mehrjährigen Informationsphase im Jahre 1981 konkrete Angebote eingeholt und Verhandlungen eingeleitet worden seien. Neben der herkömmlichen Produktion sei dann auch die Fotosatzproduktion aufgenommen worden. Die anfängliche Zweigleisigkeit des Verfahrens sei technisch begründet gewesen. Aufgrund dieser Sachlage habe es für sie bereits ab 1978 festgestanden, daß hochbezahlte Maschinensetzer zukünftig auf Arbeitsplätzen beschäftigt werden müßten, die auch mit geringer bezahlten Textgestaltern hätten besetzt werden können.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung das FA zu verpflichten, die Vollziehung der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide für die Streitjahre in Höhe der Steuer- bzw. Steuermeßbeträge auszusetzen, die sich durch die vom FA vorgenommene Auflösung der Rückstellungen in Höhe von 1,2 Mio DM (für 1978), 1,6 Mio DM (1979) und 2,6 Mio DM (1980) ergeben.

Das FG sah die Klage als begründet an.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung der Vorschriften in § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 i.V. m. § 5 Abs. 1, § 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), § 361 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz der Abgabenordnung (AO 1977).

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat die Ablehnungsverfügung des FA in der Gestalt der Beschwerdeentscheidung zu Unrecht aufgehoben und das FA zu Unrecht verpflichtet, die Vollziehung hinsichtlich der Körperschaftsteuerbescheide und der Bescheide über die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge teilweise auszusetzen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte i. S. des § 361 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 bestehen nicht. Bei summarischer Prüfung liegen keine gegen die Rechtmäßigkeit sprechenden Umstände vor, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechts- oder Tatfragen bewirken (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. November 1974 V B 52/73, BFHE 114, 169, BStBl II 1975, 239).

2. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel, daß die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuermeßbeträge der Streitjahre ohne Berücksichtigung der von der Klägerin geltend gemachten Rückstellungen festzusetzen sind.

Das Einkommen der Streitjahre, nach dem sich die Körperschaftsteuer bemißt (§ 7 Abs. 1 KStG 1977), ist gemäß § 8 Abs. 1 KStG 1977 nach den Vorschriften des EStG und des KStG zu ermitteln. Grundlage des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages ist gemäß § 14 Abs. 1 GewStG u.a. der Steuermeßbetrag, der sich nach dem Gewerbeertrag ergibt. Grundlage des Gewerbeertrags ist gemäß § 7 GewStG der nach den Vorschriften des KStG ermittelte Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen ist. Bei Gewerbetreibenden, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, ist für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (§ 5 Abs. 1 EStG). Zu diesen Grundsätzen, die auch für die Klägerin in der Rechtsform der GmbH gelten (§ 6 Abs. 1 i.V. m. § 38 des Handelsgesetzbuches - HGB - a. F.), gehört das in § 152 Abs. 7 Satz 3 des Aktiengesetzes (AktG) a. F. (= § 249 Abs. 3 Satz 1 HGB) ausgesprochene Verbot, andere als die in § 152 Abs. 7 Sätze 1 und 2 AktG a. F. (= § 249 Abs. 1 und 2 HGB) erwähnten Rückstellungen zu bilden (Urteil des BFH vom 20. März 1980 IV R 89/79, BFHE 130, 165, BStBl II 1980, 297). Danach kann die Klägerin die strittigen Rückstellungen in den Streitjahren nicht ansetzen. Die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (vgl. § 152 Abs. 7 Satz 1 AktG a. F. = § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB), die im Streitfall allein in Betracht kommen könnte, liegen nicht vor.

3. Bei den Arbeitsverträgen, die die Klägerin zur Grundlage der Rückstellungsbildung macht, handelt es sich um schwebende Geschäfte (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 25. Februar 1986 VIII R 377/83, BFHE 146, 146, BStBl II 1986, 465, m. w. N.).

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - BGH - (Urteil vom 16. Dezember 1985 II ZR 38/85, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht - WM - 1986, 709), die "Dauerrechtsverhältnisse, die ihrer Natur nach schweben", nicht zu den schwebenden Geschäften i. S. des § 740 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) rechnet, steht dem nicht entgegen; sie betrifft die Auslegung des § 740 BGB.

4. Ein Verlust droht, wenn der Wert der eigenen Verpflichtung den Wert des Anspruchs auf Gegenleistung übersteigt (Verpflichtungsüberhang; vgl. BFH-Urteile in BFHE 146, 146, BStBl II 1986, 465, und vom 25. Januar 1984 I R 7/80, BFHE 140, 449, BStBl II 1984, 344). Danach droht im Streitfall kein Verlust; denn die Zahlungen, zu denen die Klägerin gegenüber ihren Arbeitnehmern verpflichtet ist, entsprechen dem Wert der von diesen zugesagten Arbeitsleistungen. Dies gilt auch insoweit, als die Klägerin für den Fall der Umstellung auf das Fotosatzverfahren verpflichtet ist, 65 im Fotosatzverfahren beschäftigten Arbeitnehmern einen Lohn zu zahlen, der höher ist, als der Lohn, der nach dem maßgebenden Tarifvertrag für Textgestalter vorgesehen ist (vgl. unter 7.).

5. Der Senat muß nicht auf die Frage eingehen, zu welchem Zeitpunkt vom Drohen des Verlustes ausgegangen werden kann. Insbesondere muß im Streitfall nicht entschieden werden, ob der Rückstellung für drohende Verluste entgegensteht, daß an den umstrittenen Bilanzstichtagen die betreffenden Arbeitnehmer noch nicht umgesetzt waren; denn die Klägerin könnte die begehrte Rückstellung auch dann nicht bilden, wenn die betreffenden Arbeitnehmer bereits zum 31. Dezember 1978 umgesetzt gewesen wären (vgl. unten 7.).

6. Der Senat muß nicht abschließend überprüfen, ob die begehrten Rückstellungen bereits deshalb nicht gebildet werden dürfen, weil sie den sog. Beschaffungsbereich betreffen. Denn die Rückstellungen scheiden - wie sich aus Ziff. 7 ergibt - bereits deswegen aus, weil die von der Klägerin zugesagten Arbeitslöhne dem Wert der von den Arbeitnehmern versprochenen Arbeitsleistung entsprechen.

Zweifel an der Möglichkeit von Rückstellungen für schwebende Geschäfte im Beschaffungsbereich sind deshalb angebracht, weil die Rückstellungen auch in Betracht kommen, wenn auf der Absatzseite keine Verluste entstehen bzw. drohen. Die den Beschaffungsbereich betreffenden Rückstellungen würden damit in bezug auf die Absatzseite keinen Verlust vorwegnehmen, sondern einen entgangenen Gewinn, der zustande gekommen wäre, wenn die Aufwendungen auf der Beschaffungsseite noch geringer gewesen wären als sie tatsächlich anfielen. Eine Rückstellung für Gewinne, die zu entgehen drohen, ist nicht zulässig.

Die Bildung einer derartigen Rückstellung könnte dem jetzt in § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB geregelten Bewertungsgrundsatz des going-concern widersprechen, der bereits vor der Kodifzierung galt (vgl. Glade, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, § 252 HGB Rz. 13 ff.). Danach ist bei der Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen. Für den das Unternehmen fortführenden Erwerber wäre jedoch entscheidend, daß die vorhandenen Produktionsfaktoren einen Ertrag bringen.

Auch bei Drohen eines Verlustes auf dem Absatzmarkt ist es nicht möglich, eine Rückstellung für Beschaffungsgeschäfte allein deswegen anzuerkennen. Den einzelnen Kapitalteilen des Betriebes (Eigenkapital und Fremdkapital) und Produktionsfaktoren (Arbeit, Maschinen und Gebäude) lassen sich bestimmte Beträge häufig nicht zuordnen. Daher kann auch den einzelnen Kapitalanteilen und Produktionsfaktoren im allgemeinen kein negativer Erfolgsbeitrag zugerechnet werden (vgl. Urteil in BFHE 146, 146, BStBl II 1986, 465, unter 2. a). Mit anderen Worten, es kann in der Regel nicht entschieden werden, ob der Verlust aus einem schwebenden Absatzgeschäft auf der Beschaffungsseite durch ungünstige Fremdfinanzierung, aufwendigen Maschinenpark oder überzahlte Arbeitskräfte entsteht.

Die Rechtsprechung hat letztlich bereits aus diesen Gründen Rückstellungen für schwebende Arbeitsverträge (vgl. Urteil in BFHE 140, 449, BStBl II 1984, 344, m. w. N.) und für Darlehensverträge sowie für Miet- und Pachtverhältnisse durch den Darlehensnehmer, Mieter bzw. Pächter abgelehnt (vgl. BFH-Urteil vom 20. November 1969 IV R 3/69, BFHE 97, 418, BStBl II 1970, 209). Der Senat kann offenlassen, ob der von der Rechtsprechung gemachte Vorbehalt zutreffend ist (vgl. Urteil in BFHE 146, 146, BStBl II 1986, 465), wonach eine Rückstellung in Betracht kommt, wenn ein Betrieb nicht mehr mit Gewinn arbeitet. Dies erscheint zweifelhaft, weil die Rückstellung einen Aufwand vorwegnimmt, der gerade nicht den Zeitraum betrifft, für den feststeht, ob der Betrieb mit Gewinn oder Verlust arbeitet. Zudem kann auch bei einem insgesamt mit Verlust arbeitenden Betrieb nicht ausgeschlossen werden, daß einzelne Produktionsfaktoren noch zu Absatzgeschäften beitragen, die einen Ertrag erbringen.

Rückstellungen für schwebende Geschäfte auf der Beschaffungsseite werden aus den genannten Gründen im Schrifttum teilweise abgelehnt, soweit die beschafften Werte noch genutzt werden (vgl. Friedrich, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für schwebende Geschäfte, 1975, S. 83/86 f./88, und Eifler, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Rückstellungen, S. 127 f.).

Der Senat kann im Streitfall auch offenlassen, ob eine Rückstellung für schwebende Geschäfte auf der Beschaffungsseite dann in Betracht kommt, wenn das Geschäft Wirtschaftsgüter betrifft, die zu aktivieren sind. Nach der Rechtsprechung ist bei solchen Geschäften eine Rückstellung zulässig, wenn der Teilwert der angeschafften, aber noch nicht erhaltenen Gegenstände am Bilanzstichtag niedriger ist als die Kaufpreisschuld (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 4. November 1925 VI A 491/25, RFHE 17, 332; BFH-Urteile vom 26. Januar 1956 IV 566/54 U, BFHE 62, 305, BStBl III 1956, 113; vom 3. Juli 1956 I 118/55 U, BFHE 63, 133, BStBl III 1956, 248, und vom 17. Juli 1956 I 292/55 U, BFHE 63, 476, BStBl III 1956, 379). Insoweit werden die Auswirkungen einer Teilwertabschreibung vorweggenommen (so bereits Urteil in RFHE 17, 332), die bei sinkenden Wiederbeschaffungspreisen auf die erhaltenen Gegenstände auch dann zulässig ist, wenn diese bereits fest zu einem höheren Preis verkauft sind (BFH-Urteil vom 29. Juli 1965 IV 164/63 U, BFHE 83, 413, BStBl III 1965, 648). In bezug auf Arbeitsverhältnisse scheitert die Heranziehung der eine Rückstellung zulassenden Rechtsprechung bereits daran, daß der einzelne Arbeitsvertrag bzw. die Arbeitsleistung kein immaterielles Wirtschaftsgut ist, sondern zu den geschäftswertbildenden Faktoren gehört (BFH-Urteil vom 7. November 1985 IV R 7/83, BFHE 145, 194, BStBl II 1986, 176).

7. Die begehrte Rückstellung könnte auch dann nicht gebildet werden, wenn die betreffenden Arbeitnehmer bereits vor dem 31. Dezember 1978 auf die neuen Arbeitsplätze umgesetzt worden wären. Die Zahlungen, zu denen sich die Klägerin aufgrund der gemachten Zusagen diesen Arbeitnehmern gegenüber verpflichtet hat, entsprechen dem Wert der von diesen versprochenen Arbeitsleistung.

Dies gilt auch hinsichtlich des Teils der Lohnzahlungen in Höhe von 300 DM, der über dem Lohn lag, der nach dem Tarifvertrag für Textgestalter zu zahlen war.

Der Wert der geleisteten Arbeit entspricht grundsätzlich dem zugesagten Arbeitslohn. Dies gilt sowohl für den Fall, daß dieser einem Tarifvertrag entspricht, als auch für den Fall, daß er über dem Tariflohn liegt. Der Wert einer Arbeit wird trotz aller Bemühungen der Arbeitsbewerter um Objektivierung der Lohnfindung nicht gemessen, sondern gesetzt (vgl. Grochla/Wittmann, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 4. Aufl., S. 186, Stichwort "Arbeitsbewertung"). Da es objektive und einer gerichtlichen Nachprüfung zugängliche Methoden nicht gibt, um den Wert einer Arbeit zu ermitteln, muß davon ausgegangen werden, daß die Arbeitsleistung den Wert hat, den ihr die Tarifpartner bzw. die Partner des Arbeitsvertrages durch Festlegung des Arbeitsentgelts beilegen.

Als Grundlage für die Bewertung einer Arbeitsleistung könnten unterschiedliche Gesichtspunkte in Betracht kommen, die jedoch nicht ausreichen, den Wert einer Arbeitsleistung in einem Verfahren objektiv bestimmen zu können.

Eine Arbeitsleistung könnte zwar unter Umständen dann bewertet werden, wenn diese lediglich in dem Bewegen einer Sache über eine bestimmte Distanz bestünde. Aufbauend auf dem Maß der Arbeit im physikalischen Sinne als Produkt der Kraft und Verschiebung (Weg) in der Kräfterichtung (vgl. Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 11. Aufl., 1. Bd., Die Produktion, S. 44) könnte man als Wert der Arbeitsleistung die Kosten einer "Mensch-Maschine" zugrunde legen, die dasselbe Maß an Arbeit in derselben Zeit verbringt wie der einzelne Arbeitnehmer (so Hartung, Verpflichtungen im Personalbereich in Handels- und Steuerbilanz sowie in der Vermögensaufstellung, 1987, S. 91 f.). Eine derartige Bewertung scheidet für praktisch alle Arbeitsverhältnisse im modernen Wirtschaftsleben aus. Einmal reduziert sich auch im Produktionsbereich die Arbeitsleistung nicht auf Tätigkeiten, die als Produkt aus Kraft und Verschiebung in Kräfterichtung eingegrenzt werden können; zudem könnten die Kriterien im Verwaltungsbereich keine Anwendung finden.

Letztlich wird mit dem Arbeitslohn der Aufwand des Arbeitnehmers an körperlicher, geistiger und seelischer Energie abgegolten, die dieser aufbringt, wobei jedoch die einzelnen Arbeiten verschieden große Anforderungen an die Arbeitsverrichtung stellen. Wie unterschiedlich die Anforderungen sind, ergibt sich aus den Verfahren, die entwickelt wurden, um Arbeit zu bewerten (vgl. Böhrs, Leistungslohngestaltung mit Arbeitsbewertung, persönlicher Bewertung, Akkordlohn, Prämienlohn, 3. Aufl., 1980, S. 42 f., wo u.a. erwähnt sind: "Kompliziertheit", "Aufmerksamkeit", "Verantwortung für die Sicherheit anderer", "Fachkenntnisse", "Belastung durch Nachdenken"). Eine Beurteilung des Werts der Arbeitsleistung anhand dieser Anforderungskataloge entspricht nicht einem objektiven Maßstab. Dies gilt, selbst wenn man der Meinung sein sollte, daß gerichtlich überprüft werden könnte, ob eine bestimmte Arbeitsleistung einem vorgegebenen Anforderungsprofil entspricht. Neben dieser Feststellung bedürfte es nämlich noch einer Bewertung der einzelnen Anforderungsprofile, für die ebenfalls kein objektiver Maßstab zur Verfügung steht. Die Wertzuweisung zu den einzelnen Anforderungsprofilen ist auch nicht lediglich eine Frage der Gewichtung innerhalb des Gesamtwerts der Arbeitsleistung aller Arbeitnehmer eines Betriebs, wenn es darum geht festzustellen, ob der Wert der Arbeitsleistung unter dem bezahlten Lohn liegt; denn der Wert der Arbeitsleistung ist die zu suchende Größe.

Schließlich spricht gegen die Zugrundelegung derartiger Arbeitsbewertungssysteme der Umstand, daß die einzelnen Arbeitnehmer den Anforderungsprofilen in durchaus unterschiedlicher Weise gerecht werden. Insbesondere bei übertariflichen Leistungen ist davon auszugehen, daß diese als Entgelt dafür gezahlt werden, daß der einzelne Arbeitnehmer den Anforderungen mehr als gerecht wird.

Eine Bewertung des Werts der Arbeitsleistung aufgrund ihres Beitrags zum Erfolg eines Unternehmens ist deswegen nicht möglich, weil die Arbeitsleistung nicht in einer objektiv nachprüfbaren Weise von dem Beitrag anderer Produktionsfaktoren abgegrenzt werden kann.

Eine Bewertung des Werts der Arbeitsleistung durch die FG ist auch nicht auf der Basis der niedrigeren Vergütung für eine gleichwertige Arbeitskraft möglich (so aber Falkenroth, Der Betrieb - DB - 1953, 1.044).

Wenn mit einzelnen Arbeitnehmern eine Vergütung vereinbart und beibehalten wird, ist es dem FG nicht möglich zu überprüfen, ob der Teil der Vergütung, der über den Entgelten vergleichbarer Arbeitskräfte liegt, nicht als Entgelt für die Arbeitsleistung, sondern aus anderen Gründen bezahlt wird (etwa weil eine Änderungskündigung zur Herabsetzung des Arbeitslohns aussichtslos erscheint, oder weil der Arbeitgeber glaubt, durch eine Gehaltskürzung den Betriebsfrieden zu gefährden und damit die Arbeitsleistung zu mindern). Sinkt der Arbeitslohn vergleichbarer Kräfte ab (etwa infolge abnehmenden Facharbeitermangels oder durch Umsetzung eines Arbeitnehmers auf einen allgemein geringer entlohnten Arbeitsplatz), gibt der Arbeitgeber, indem er keine Änderung bei dem Entgelt durchsetzt, zu erkennen, daß der Wert der Arbeitsleistung der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer über dem Entgelt liegt, das für vergleichbare Arbeitnehmer bezahlt wird. Zudem muß zu dem Wert der Arbeitsleistung auch das Vertrauen gerechnet werden, das normalerweise bei einem Arbeitgeber in einen Arbeitnehmer besteht, der seit längerer Zeit in seinem Betrieb arbeitet. Im Streitfall muß damit davon ausgegangen werden, daß die von den als Maschinensetzer ausgebildeten Arbeitskräften der Klägerin geleistete Arbeit das vereinbarte Entgelt wert war.

Soweit im Streitfall das sich aus dem Tarifvertrag über die Einführung und Anwendung rechnergestützter Textsysteme ergebende Entgelt über dem Tariflohn liegt, der normalerweise für Textgestalter zu zahlen ist (nämlich in Höhe von 40 DM), können die Rückstellungen auch nicht mit dem Argument begründet werden, der zugrunde liegende Betrag beruhe nicht auf dem Wert einer entsprechenden Arbeitsleistung, sondern sei darauf zurückzuführen, daß die zuständigen Gewerkschaften den Arbeitgebern den Betrag "abgetrotzt" hätten (vgl. dazu Döllerer, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht - ZGR - 1985, 386/390). Einmal entzieht sich dies der gerichtlichen Nachprüfung, weil der Wert der Arbeit - wie ausgeführt - nicht objektiv ermittelt werden kann. Außerdem geht im Streitfall die auf der tariflichen Regelung beruhende Differenz zwischen dem Arbeitsentgelt eines Textgestalters und eines umgesetzten Maschinensetzers in dem durch die Vereinbarung zugesagten höheren Entgelt auf. Wenn die Klägerin den umzusetzenden Arbeitnehmern ein Entgelt zusagt, das den Betrag übersteigt, der sich aus der für sie geltenden tarifvertraglichen Regelung ergibt, erkennt sie das tarifvertragliche Arbeitsentgelt als dem Wert der Arbeitsleistung entsprechend an.

Eine Rückstellung kann auch nicht mit dem Hinweis begründet werden, daß der Arbeitslohn in Höhe der Differenz zwischen dem zugesagten und dem Arbeitslohn, der sich aus dem Tarifvertrag für Textgestalter ergibt, eine soziale Komponente enthalte, der keine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstehe. Die Berücksichtigung sozialer Komponenten beim Arbeitslohn (wie etwa des Familienstandes oder der Kinderzahl) schließt nicht aus, vereinbartes Arbeitsentgelt als den Wert der Arbeit entsprechend anzusehen. Der Arbeitgeber bewertet durch das Eingehen des Arbeitsverhältnisses die Arbeitsleistung mit dem Arbeitslohn einschließlich der darin enthaltenen sozialen Komponenten.

8. Bei Arbeitsverträgen hat die Rechtsprechung schon bisher einen Verlust aus schwebenden Geschäften abgelehnt (vgl. Urteile in BFHE 140, 449, BStBl II 1984, 344, m. w. N., unter 4.2, sowie in BFHE 146, 146, BStBl II 1986, 465).

Der Senat weicht in seiner Entscheidung nicht von dem Urteil in BFHE 140, 449, BStBl II 1984, 344 ab. Soweit in dem Urteil für die Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung insbesondere auf die Übereinstimmung der Vergütung mit dem Tarifvertrag abgestellt wurde, kann daraus nicht hergeleitet werden, daß übertarifliche Vergütungen zu einer Rückstellung berechtigen. Gerade bei übertariflichen Vergütungen bewertet der Arbeitgeber den Wert der Arbeitsleistung erkennbar individuell. Die Ausführungen in dem Urteil in BFHE 140, 449, BStBl II 1984, 344 sind vielmehr vom Standpunkt der übertariflichen Vergütung aus so zu verstehen, daß auch bei einer Übereinstimmung der Bedingungen eines Arbeitsvertrages mit einem Tarifvertrag von einer Ausgeglichenheit der Vergütungen und der Arbeitsleistung auszugehen ist.

Der Senat weicht mit seiner Entscheidung auch nicht von dem BFH-Urteil vom 5. Februar 1987 IV R 81/84 (BFHE 149, 55, BStBl II 1987, 845) ab, das rechtsverbindlich zugesagte Jubiläumszuwendungen betraf. Das Urteil hat Rückstellungen hierfür nicht aus dem von der Klägerin geltend gemachten Gesichtspunkt eines Verlustes aus schwebenden Vertrag anerkannt, sondern ging von einer ungewissen Verbindlichkeit aus. Maßgebend war dabei, daß künftige Leistungen in Form der Jubiläumszuwendungen im Hinblick auf die schon bewirkten Leistungen der Arbeitnehmer geschuldet wurden. Im Streitfall sind die Vergütungen, die Grundlage für die begehrte Rückstellung sind, nicht als Gegenleistung für schon bewirkte Leistungen der umzusetzenden Arbeitnehmer anzusehen.

9. Der Senat folgt mit seiner Entscheidung der Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 18. Februar 1983 IV B 2 - S 2.137 - 8/83, Betriebs-Berater - BB - 1983, 1.010; so auch Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 6. Aufl., S. 118) und nicht der im Schrifttum vertretenen gegenteiligen Auffassung, die allerdings teilweise lediglich die tarifvertraglichen Verdienstsicherungsklauseln betrifft (vgl. Bise, DB 1986, 2.617/2.622/2.623; Bordewin, BB 1982, 1.710; Hartung, a.a.O., S. 380 ff.; Herzig, Steuerberater-Jahrbuch - StbJb - 1985/86, 61/81 ff., 98 ff.; Hütz, Finanz-Rundschau 1983, 139/140; Meilicke, DB 1978, 2.481/2.484; Strobl, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft, 1984, 195/216; Sünner, "Die AG", 1984, 173/175; Uelner, StbJb 1976/77, 131/165, sowie die Stellungnahme des Instituts der Wirtschaftsprüfer, Fachnachrichten des Instituts der Wirtschaftsprüfer, 1983, 124).