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BFH-Urteil vom 17.9.1987 (VII R 50-51/86) BStBl. 1988 II S. 366

Das Hauptzollamt ist befugt, gegen eine unstreitige Hauptforderung aufzurechnen mit einer (auch rechtswegfremden) Gegenforderung, die auf einem angefochtenen und einstweilen nicht vollziehbaren Verwaltungsakt beruht. Diese Aufrechnung ist aber nur wirksam, wenn die Gegenforderung materiell-rechtlich besteht. Die Entscheidung darüber im entsprechenden Anfechtungsverfahren ist vorgreiflich für die Entscheidung über die Wirksamkeit der Aufrechnung.

FGO §§ 69, 74; VwGO § 80; BGB §§ 387 ff.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) führte 1978 und 1979 Sprühmagermilchpulver nach Italien aus. Für die Verarbeitung der Ware erhielt sie u. a. Beihilfen nach der Verordnung (EWG) Nr. 1624/76 (VO Nr. 1624/76) der Kommission vom 2. Juli 1976 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 180/9 vom 6. Juli 1976) vom Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft (BEF). Für die Ausfuhren der Ware gewährte der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA -) die von der Klägerin beantragten Währungsausgleichsbeträge (WAB). Nachdem bekanntgeworden war, daß das von der Klägerin bezogene und ausgeführte Magermilchpulver zum Teil aus verfälschten Mischungen bestand, forderte das BEF die Beihilfen mit Bescheiden vom 4. Juni 1980 in Höhe von 548.633,85 DM und vom 31. März 1981 in Höhe von 4.646.313,37 DM zurück. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit den Widersprüchen vom 9. Juni 1980 und vom 21. April 1981 sowie einer Anfechtungsklage gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid des BEF vom 22. Dezember 1980. Beide Verfahren sind noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.

Mit Bescheid vom 13. Juli 1982 forderte das HZA die WAB in Höhe von 188.975,16 DM zurück. Den Einspruch der Klägerin wies das HZA mit Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 1983 als unbegründet zurück. Über die Klage hat das Finanzgericht (FG) Hamburg noch nicht entschieden. Mit Beschluß vom 26. November 1982 setzte das FG die Vollziehung des angefochtenen Rückforderungsbescheids nach § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis einen Monat nach Zustellung der Einspruchsentscheidung aus.

Aufgrund mehrerer Ausfuhren von Getreide und Getreideprodukten sowie Mais und daraus hergestellten Produkten standen der Klägerin in der Folgezeit Ausfuhrerstattungen und WAB zu, die das HZA mit entsprechenden Bescheiden festsetzte, aber überwiegend nicht auszahlte, sondern mit den im Streit befindlichen Rückforderungsansprüchen aufrechnete. Mit Erklärung vom 18. Mai 1983 in der berichtigten Fassung vom 18. Oktober 1983 rechnete das HZA die mit Erstattungsbescheid vom 18. Mai 1983 gewährten Beträge von insgesamt 4.805.962,87 DM mit einer Restforderung des BEF aus dem Bescheid vom 4. Juni 1980 in Höhe von 87.202,35 DM und der Rückforderung des BEF aus dem Bescheid vom 31. März 1981 in Höhe von 4.646.313,37 DM auf. Mit Erklärung vom 8. Juli 1983 in der berichtigten Fassung vom 18. Oktober 1983 rechnete das HZA die mit Erstattungsbescheid vom 8. Juli 1983 gewährten Beträge von insgesamt 1.793.081,68 DM mit den vom BEF geltend gemachten Zinsansprüchen auf die Hauptforderungen bis zur Aufrechnungserklärung vom 18. Mai 1983 in Höhe von 1.729.504,07 DM auf. Die Zinsen hatte das BEF mit Zinsbescheiden vom 24. Juni 1983 nach § 9 Abs. 2 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen für Magermilch, Magermilchpulver, Kasein und Kaseinate (Beihilfen-Verordnung - Magermilch -) vom 31. Mai 1977 (BGBl I 1977, 792) erhoben. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit Erklärung vom 19. Mai 1983 rechnete das HZA die mit Erstattungsbescheid vom selben Tag gewährten Beträge von insgesamt 189.156,93 DM mit den von ihm geltend gemachten WAB- Rückforderungen in Höhe von 188.975,16 DM auf.

Die aus der WAB-Rückforderung bis zur Aufrechnung sich errechnenden Zinsen in Höhe von 56.428,55 DM machte das HZA mit Bescheid vom 22. Juni 1983 nach § 20 der Verordnung Ausfuhrerstattung vom 19. März 1980 - VO AusfErst EWG 1980 - (Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung - VSF - M 3560) und § 11 der Verordnung über die Gewährung von WAB bei der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse vom 9. Dezember 1980 (VSF M 0940) geltend und kündigte die Aufrechnung an. Gegen die Zinsforderung legte die Klägerin am 8. Juli 1983 Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellte sie nicht. Mit Aufrechnungserklärung vom 14. Juli 1983 rechnete das HZA die Zinsforderung gegen die von ihm zu zahlenden Erstattungsbeträge aus dem Bescheid vom selben Tag in Höhe von 92.400,24 DM auf.

Gegen die Aufrechnungserklärungen legte die Klägerin jeweils fristgerecht Einsprüche ein, die das HZA für unzulässig hält und über die es noch nicht entschieden hat.

Am 15. und 21. Juli 1983 erhob die Klägerin Leistungsklagen mit dem Antrag, das HZA zu verurteilen, ihr insgesamt 6.708.170,93 DM nebst 6 % Prozeßzinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung führte sie aus: Sie habe Anspruch auf Zahlung der fälligen Ausfuhrerstattungen und WAB. Die vom HZA erklärten Aufrechnungen seien unwirksam, weil die zur Aufrechnung gestellten Forderungen des BEF und des HZA sowie die aufgrund dieser Forderungen geltend gemachten Zinsansprüche nicht bestünden. Dies werde sich in den anhängigen Rechtsmittelverfahren herausstellen.

Das FG verurteilte das HZA, an die Klägerin 6.651.742,38 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15. Juli 1983 zu zahlen, und wies die Klage im übrigen ab. Zur Begründung führte es aus:

Die Klägerin habe Anspruch auf Zahlung der Erstattungsbeträge aus den Bescheiden vom 18. Mai, 19. Mai und 8. Juli 1983. Soweit die Gegenforderungen des HZA nicht vollziehbar gewesen seien, habe dieses nicht aufrechnen dürfen, so daß die Aufrechnungserklärungen kein Erlöschen der Hauptforderungen bewirkt hätten. Denn die Aufrechnung mit nichtvollziehbaren Gegenforderungen verletze den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und umgehe den durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Rechtsschutz der Klägerin. Soweit die Klägerin obsiege, stünden ihr Prozeßzinsen in Höhe von 4 % ab Rechtshängigkeit zu.

Für den Streitfall ergebe sich daraus, daß die Aufrechnungen vom 18. Mai und 8. Juli 1983 - jeweils in der Fassung vom 18. Oktober 1983 - sowie vom 19. Mai 1983 unwirksam seien. Im Zeitpunkt dieser Erklärungen seien die Rückforderungsbescheide des BEF vom 4. Juni 1980 und 31. März 1981 wegen der fortdauernden aufschiebenden Wirkung der eingelegten Rechtsmittel nach § 80 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht vollziehbar gewesen. Der Rückforderungsbescheid des HZA vom 13. Juli 1982 sei wegen des rechtskräftigen finanzgerichtlichen Beschlusses vom 26. November 1982 ebenfalls nicht vollziehbar gewesen. Die Ausnutzung der in der Folgezeit entstandenen Aufrechnungslagen durch das HZA stelle sich als unzulässige mißbräuchliche Rechtsausübung dar. Die Aufrechnungserklärungen seien daher unwirksam. Dasselbe gelte auch für die Aufrechnungserklärung des HZA vom 8. Juli 1983. Zwar seien in diesem Zeitpunkt die gegen die Zinsbescheide des BEF vom 24. Juni 1983 gerichteten Widersprüche noch nicht eingelegt gewesen. Die Ausübung der folglich formell bestehenden Aufrechnungslage sei jedoch rechtsmißbräuchlich gewesen.

Etwas anderes gelte lediglich im Hinblick auf die Aufrechnungserklärung vom 14. Juli 1983. Die Klägerin habe keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 22. Juni 1983 gestellt. Bedenken gegen die Aufrechnungsforderungen aus diesem Bescheid ergäben sich auch nicht daraus, daß es sich um Zinsforderungen auf eine noch nicht rechtskräftig festgestellte Hauptforderung gehandelt habe. Das FG Hamburg habe mit Urteil vom 13. September 1984 IV 29/83 H (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 271) entschieden, daß die Verwaltung im Bereich des Gemeinschaftsrechts Zinsbescheide vor dem Abschluß eines Klageverfahrens über die Rückforderung geltend machen könne. Die Erstattungsansprüche der Klägerin in Höhe von 56.428,55 DM seien also erloschen.

Soweit die Klägerin obsiege, stünden ihr in entsprechender Anwendung der §§ 288, 291 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Prozeßzinsen in Höhe von 4 % jährlich ab Rechtshängigkeit zu. Soweit die Klägerin darüber hinaus weitere 2 % beantrage, seien die Klagen nicht begründet. Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend: Die Auffassung des FG, daß das HZA mit der umstrittenen Zinsforderung von 56,428,55 DM habe aufrechnen können, werde nicht angegriffen. Dem FG sei aber bekannt gewesen, daß die Klägerin das Bestehen des Zinsanspruches bestritten gehabt habe und daß darüber bei ihm selbst ein entsprechendes Klageverfahren anhängig sei. Das FG hätte daher die Klage nicht abweisen dürfen, sondern hätte das Verfahren nach § 155 FGO i. V. m. § 148 der Zivilprozeßordnung (ZPO) aussetzen müssen. Der Zinssatz von 4 % sei nicht mehr angemessen. Im deutschen Finanzrecht forderten die Finanzbehörden 6 % (vgl. §§ 236, 238 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Das Prinzip der Waffengleichheit erfordere es, daß dem privaten Staatsbürger mindestens ein Zinssatz von 6 % zugebilligt werde.

Das HZA begründet seine Revision wie folgt: Die Vorentscheidung verletze § 69 FGO, § 80 VwGO, § 387 BGB und Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 4 GG. Art. 3 Abs. 1 GG verbiete nur eine ungleiche Behandlung ungleicher Sachverhalte. Es liege in der Natur der Sache, daß eine Aufrechnung nur demjenigen gegenüber wirksam erfolgen könne, demgegenüber auch eine Aufrechnungslage bestehe. Diese Ungleichbehandlung sei dem Rechtsinstitut der Aufrechnung immanent. Das Argument des FG, die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG stehe einer Aufrechnung mit einer nicht vollziehbaren Gegenforderung entgegen, greife nicht durch. Da die Wirksamkeit der Aufrechnung vom Bestehen der Gegenforderung abhänge, habe das Gericht darüber zu befinden bzw. das Verfahren nach § 74 FGO auszusetzen, wenn der Streit über die Gegenforderung bereits rechtshängig sei. Es stelle sich also die vom FG offengelassene Frage nach der Fälligkeit der Rückforderungsbescheide. Diese sei mit deren Erlaß eingetreten und durch die von der Klägerin eingelegten Rechtsbehelfe nicht wieder beseitigt worden. Die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe bzw. die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide habe mangels einer Gestaltungswirkung an der bereits eingetretenen Fälligkeit der Forderung nichts zu ändern vermocht.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revisionen der Beteiligten haben im wesentlichen Erfolg. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die Aufrechnungserklärungen des HZA sind im Gegensatz zur Auffassung des FG nicht insoweit unzulässig, als die Gegenforderungen nicht vollziehbar waren.

1. Zur Recht hat das FG die Leistungsklage der Klägerin für zulässig gehalten. Eine Anfechtung der von der Klägerin angegriffenen Aufrechnungserklärungen des HZA wäre nicht zulässig gewesen. Denn diese Aufrechnungserklärungen sind, wie das FG zutreffend entschieden hat, keine Verwaltungsakte, sondern die rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts (vgl. Senatsurteil vom 2. April 1987 VII R 148/83, BFHE 149, 482, BStBl II 1987, 536, mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur).

2. Das HZA schuldet der Klägerin Leistungen aus den von ihm erlassenen bestandskräftigen Bescheiden über die Gewährung von Ausfuhrerstattungen und WAB. Diese unstreitigen Forderungen sind Gegenstand der Leistungsklage der Klägerin. Die Klägerin ist berechtigt, die eingeklagten Beträge vom HZA zu fordern, wenn diese Forderungen nicht bereits erloschen sind. Das trifft zu, falls das HZA gegen sie wirksam mit seinen (angeblichen) Gegenforderungen aufgerechnet hat. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Vorinstanz, daß die Aufrechnungen des HZA mit Forderungen aus in ihrer Vollziehung ausgesetzten Bescheiden jedenfalls gegen Art. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen und rechtsmißbräuchlich sind. Die Aufrechnungen sind vielmehr wirksam und haben zum Erlöschen der Hauptforderungen der Klägerin geführt, falls die Gegenforderungen des HZA bestehen. Ob das der Fall ist, kann im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens noch nicht entschieden werden.

3. Die vom HZA zur Aufrechnung gestellten Forderungen beruhen auf Verwaltungsakten, die angefochten sind und deren Vollziehung zum Teil ausgesetzt ist. Die entsprechenden Verfahren sind noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Daraus ergeben sich jedoch keine rechtlichen Hindernisse für die Aufrechnungen des HZA.

a) Nach allgemeiner Meinung ist die Aufrechnung ein Rechtsinstitut auch des allgemeinen Verwaltungsrechts (vgl. Urteil des BVerwG vom 12. Februar 1987 3 C 22.86, Bayerische Verwaltungsblätter - BayVBl - 1987, 439, mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung). Für den Bereich des öffentlichen Rechts, der den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet (gemeinschaftsrechtliches Subventionsrecht; Abgabenrecht ist nicht unmittelbar anwendbar), fehlt es an besonderen öffentlich-rechtlichen Aufrechnungsvorschriften (vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 1979 VII R 18/77, BFHE 129, 450). Es sind daher die Vorschriften des BGB über die Aufrechnung entsprechend anzuwenden (vgl. auch BFHE 149, 482, BStBl II 1987, 536; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 27. Oktober 1982 3 C 6.82, BVerwGE 66, 218). Danach sind Aufrechnungserklärungen der Behörde und von Privatpersonen hinsichtlich ihrer Voraussetzungen, Rechtsformen und Rechtsfolgen gleichzubehandeln, soweit nichts anders bestimmt ist (BFHE 149, 482, BStBl II 1987, 536).

Etwas anderes ist hier nicht etwa (ähnlich wie in dem hier nicht anwendbaren § 226 Abs. 3 AO 1977 für die Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen) für den Fall bestimmt, daß die Forderungen, mit der die Behörde aufrechnet, vom Aufrechnungsgegner bestritten und noch nicht rechtskräftig festgestellt sind. Auch mit solchen Forderungen kann also die Behörde grundsätzlich aufrechnen (vgl. Beschluß des Senats vom 6. August 1985 VII B 3/85, BFHE 144, 207, BStBl II 1985, 672; BGH-Urteil vom 11. Januar 1955 I ZR 106/53, BGHZ 16, 124, 129, 130; Urteile des BVerwG in BayVBl 1987, 439, und vom 13. Oktober 1971 VI C 137.67, Die Öffentliche Verwaltung - DÖV - 1972, 573, 574; Pietzner, Grundfragen der Aufrechnung im öffentlichen Recht, Verwaltungsarchiv - VerwArch - 74 - 1983 -, 59 ff., mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Schrifttum). Das gleiche gilt für die Aufrechnungen mit Forderungen, über deren Bestand rechtswegfremde Gerichte zu entscheiden haben, wie das hier hinsichtlich der vom BEF geltend gemachten Gegenforderungen der Fall ist (vgl. BFHE 144, 207, BStBl II 1985, 672, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung; BVerwG-Urteil in BayVBl 1987, 439, 440; Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 11. Dezember 1968 10 RV 606/65, BSGE 29, 44, 46).

b) Die Verwaltungsakte, auf denen die Gegenforderungen des BEF beruhen, haben durch die Widersprüche bzw. die Anfechtungsklagen aufschiebende Wirkung erhalten (§ 80 Abs. 1 VwGO). Die Vollziehung des Rückforderungsbescheides des HZA für die erstatteten WAB hat das FG nach § 69 Abs. 3 FGO ausgesetzt. Dadurch ist die durch den Zugang der zugrunde liegenden Verwaltungsakte eingetretene Fälligkeit der Forderungen - die Voraussetzung für die Aufrechnung mit ihnen ist (vgl. § 387 BGB) - jedoch nicht beseitigt worden (vgl. BVerwGE 66, 218, 221).

Die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO führt ebenso wie die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO dazu, daß der Verwaltungsakt nicht mehr vollzogen werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH läßt die Aussetzung die Wirksamkeit und den Bestand des ausgesetzten Verwaltungsakts unberührt (vgl. Entscheidungen vom 29. November 1977 VII B 6/77, BFHE 124, 13, 15, BStBl II 1978, 156; vom 24. April 1979 VIII R 57/76, BFHE 128, 136, 138, BStBl II 1979, 678, und vom 6. Dezember 1979 IV B 32/79, BFHE 129, 300, 303, BStBl II 1980, 427; vgl. auch die Rechtsprechungsübersicht bei Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Bd. 3 Rdnr. 4037). Die Fälligkeit gehört aber zum materiellen Regelungsinhalt eines Verwaltungsakts; sie ist keine (untersagte) Vollziehung. Durch die Aussetzung wird sie daher nicht berührt oder gar hinausgeschoben (vgl. auch Söhn in seiner Anmerkung zu BVerwG 66, 218, in Anmerkungen zur Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK-Anm. -, Abgabenordnung, § 226, Rechtsspruch 4).

c) Weder die Anfechtung der Bescheide, auf denen die Gegenforderungen des HZA beruhen, noch deren Nichtvollziehbarkeit (nur der Zinsbescheid des HZA vom 22. Juni 1983 ist vollziehbar) lassen eine Einrede gegen die Gegenforderungen i. S. des § 390 BGB entstehen. Der Anfechtung allein kann eine solche Wirkung nicht beigemessen werden. Auch die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO und die aufschiebende Wirkung nach Widerspruch und Klage nach § 80 Abs. 1 VwGO verändern, wie ausgeführt, den Inhalt der Verwaltungsakte nicht. Sie haben lediglich zur Folge, daß der Verwaltungsakt in seinem unveränderten Bestand nicht vollzogen werden kann (vgl. BVerwG in DÖV 1972, 573, 574 und BVerwGE 66, 218, 221 ff.; Söhn in StRK-Anm., AO § 226, Rechtsspruch 4).

d) Müßte die Aufrechnungserklärung des HZA einer Vollziehung gleichgesetzt werden, so stünde ihrer Zulässigkeit die Aussetzung der Vollziehung bzw. die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage entgegen. Es bestehen aber zwischen der Aufrechnung und der Vollziehung erhebliche Unterschiede, auf die das BVerwG im Urteil in BVerwGE 66, 218, 221 ff. mit Recht hingewiesen hat. Die Aufrechnung durch die Behörde ist ein Mittel der Rechtsverteidigung gegenüber einem vom Gegner erhobenen Anspruch, das zugleich der Befriedigung des eigenen Anspruchs dient; sie ist im wesentlichen nicht hoheitliches Handeln (BFHE 149, 482, BStBl II 1987, 536) und wesentlich den schuldrechtlichen Gestaltungsrechten zuzuordnen, die auf dem Grundsatz der freien Verfügbarkeit des eigenen Rechtsbestandes beruht, also keine rechtssystematischen Beziehungen zu Maßnahmen des Vollstreckungsrechts aufweisen (BVerwG-Urteil in DÖV 1972, 573, 574). Die Vollziehung dagegen ist eine selbständige und grundsätzlich hoheitliche Maßnahme zur Durchsetzung einer getroffenen Anordnung im Wege des Zugriffs auf Rechtsgüter des Adressaten dieses Verwaltungsakts (BVerwGE 66, 218, 222; vgl. auch Pietzner, VerwArch 74, 59 ff., VerwArch 73 - 1982 -, 453, 457; Ehlers, Die Rechtsnatur der Aufrechnung im öffentlichen Recht, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - NVwZ - 1983, 446, 448).

Söhn (StRK-Anm., AO § 226, Rechtsspruch 4) hat diese Auffassung bestritten mit dem Hinweis, daß Vollziehung das Gebrauchmachen vom materiellen Regelungsinhalt des Verwaltungsakts ist; in diesem Sinne sei die Aufrechnung eine Vollziehung, als die Behörde durch ihre Aufrechnungserklärung die eigene Forderung im Wege der Selbsthilfe durchsetzt, dem Aufrechnenden also eine Befriedigung des behaupteten Anspruchs aufzwingt. Söhn übersieht aber, daß dieser Zwang nicht im hoheitlichen Bereich ausgeübt wird, also nicht Vollziehung i. S. des § 69 FGO, sondern Folge der Ausübung eines im wesentlichen nicht hoheitlichen Gestaltungsrechts ist, das auch die Preisgabe der eigenen Forderung zur Folge hat.

Überdies berücksichtigt die hier abgelehnte Auffassung nicht genügend, daß - wie noch auszuführen sein wird (unten Nr. 4) - die Aufrechnung ohnehin nur wirksam ist, wenn die Gegenforderung besteht, was im Falle der Anfechtung der dieser Forderung zugrunde liegenden Verwaltungsakte erst feststeht, wenn die Anfechtungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen sind. Damit wird den Interessen beider Beteiligten Rechnung getragen. Der Aufrechnungsgegner wird im Ergebnis vor ungerechtfertigten Aufrechnungen geschützt. Der aufrechnenden Behörde wird durch die Aussetzung die Aufrechnung nicht völlig unmöglich gemacht, was ungerechtfertigt wäre, da nicht ausgeschlossen ist, daß die Anfechtungen unbegründet sind, die Gegenforderungen also im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärungen tatsächlich bestanden haben.

Gegen einen vollen Ausschluß der Aufrechnungsbefugnis während der Aussetzung spricht auch noch folgende Überlegung. Die Aussetzung bzw. die aufschiebende Wirkung ist eine Maßnahme vorläufigen Rechtsschutzes in bezug auf die Verwaltungsakte, die der Gegenforderung zugrunde liegen. Es erscheint nicht sinnvoll, diesen Maßnahmen auch gewissermaßen die Wirkung vorläufigen Rechtsschutzes in einem Verfahren zuzuerkennen, in dem es um die Frage geht, ob die Behörde verpflichtet ist, die Hauptforderung unmittelbar (d. h. ohne Aufrechnung) zu erfüllen. Als vorläufiger Rechtsschutz in diesem Verfahren kommt allein der Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO in Betracht. Es bedarf keines Eingehens darauf, ob hier die Voraussetzungen dafür gegeben wären (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 1. April 1982 V B 37/81, BFHE 135, 413, BStBl II 1982, 515). Sind sie es aber nicht, so kann der Mangel des Vorliegens der Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung wegen Nichtauszahlung der Hauptforderungen nicht überspielt werden durch Ausdehnung des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Vollziehung von Verwaltungsakten.

4. Abgesehen von der hier nicht zweifelhaften Gleichartigkeit und Gegenseitigkeit von Forderung und Gegenforderung sowie der hier ebenfalls gegebenen Fälligkeit der Gegenforderung (oben Nr. 3 Buchst. b) setzt § 387 BGB selbstverständlich voraus, daß die Gegenforderung zu Recht besteht. Die Tatsache allein, daß die Verwaltungsakte, auf denen die Gegenforderungen des HZA beruhen, durch Rechtsbehelfe und Rechtsmittel angefochten worden sind, schließt nicht aus, daß diese Forderungen materiell rechtmäßig sind und Bestand haben werden. Feststehen wird das aber erst, wenn die entsprechenden Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden sind. Sind sie das, so steht auch fest, ob die Aufrechnungserklärungen des HZA wirksam sind (vgl. auch Martens, Die Aufrechnung im Steuerrecht, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1974, 155, 160; Pietzner, a. a. O., VerwArch 74 - 1983 -, 59, 66 ff.).

a) Die Verwaltungsakte, auf denen die Gegenforderungen des HZA beruhen, sind angefochten und sind zum großen Teil nicht vollziehbar. Dadurch sind die Verwaltungsakte jedoch, wie ausgeführt, in ihrer Wirksamkeit nicht beeinträchtigt worden. Grundsätzlich haben sie Tatbestandswirkung, d. h. sie sind, solange sie nicht aufgehoben sind, von allen Staatsorganen zu beachten (vgl. z. B. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., S. 220). In diesem Sinn enthalten sie also ein Forderungsrecht des HZA und eine Leistungspflicht der Klägerin. Diese Forderungen, die auf dem formellen Nichtaufgehobensein der angefochtenen Verwaltungsakte beruhen, sind jedoch nicht als zu Recht bestehende Gegenforderungen im Sinne der Vorschriften des Aufrechnungsrechtes anzusehen, die eine Aufrechnung ermöglichen.

Wie bereits ausgeführt, sind auf die Aufrechnungen im öffentlichen Recht die Vorschriften des BGB über die Aufrechnung entsprechend anzuwenden. Nach § 387 BGB muß die Gegenforderung, mit der aufgerechnet werden soll, nicht nur zu Recht bestehen, sondern sie muß auch eine "vollkommene Forderung" sein (vgl. Kaduk in Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl., § 387 Anm. 93). Nach Sinn und Zweck des § 387 BGB zählen dazu nicht solche Forderungen, die allein auf der Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten beruhen, ohne daß ihre materiell-rechtliche Richtigkeit feststeht. Das bedeutet zwar nicht, daß die Aufrechnung mit auf angefochtenen Verwaltungsakten beruhenden Forderungen von vornherein unrechtmäßig ist, da, wie bereits ausgeführt, die Aufrechnung mit bestrittenen Forderungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Es hat aber die Folge, daß erst die rechtskräftige Entscheidung über das materiell-rechtliche Forderndürfen der Behörde Klarheit darüber schafft, ob die Voraussetzungen für die Aufrechnungserklärungen der Behörde vorgelegen haben (vgl. Appel, Probleme der behördlichen Aufrechnung und vorläufiger Rechtsschutz, BayVBl 1983, 201, 202; Martens, StuW 1974, 155, 160; anderer Ansicht wohl Ehlers in NVwZ 1983, 446, 449).

Für die Richtigkeit der Auffassung, daß bei der Aufrechnung mit Forderungen aufgrund angefochtener Verwaltungsakte die Tatbestandswirkung der Verwaltungsakte nicht bereits als solche die (endgültige) Aufrechnungswirkung herbeiführt, sprechen auch die folgenden Überlegungen: Die Aufrechnung durch die Behörde vollzieht sich nicht im hoheitlichen Bereich, sondern ist die Ausübung eines rechtsgeschäftlichen Gestaltungsrechts, die von der rechtlichen Gleichstellung der Beteiligten ausgeht. Die Behörde, die kraft ihrer hoheitlichen Funktionen sich ihren Forderungstitel durch Erlaß eines Verwaltungsaktes selbst schaffen kann, kann daher nicht allein aufgrund dieses Titels und ohne Rücksicht auf den materiell-rechtlichen Bestand der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung sogleich die volle Aufrechnungswirkung herbeiführen. Ob die Aufrechnung Tilgungswirkung entfaltet, entscheidet letztlich der Erfolg oder Mißerfolg der Anfechtungsklage. Zwar heißt das nicht, daß die Aufrechnungserklärung "schwebend unwirksam" ist, wie das BVerwG im Urteil in DÖV 1972, 573 offenbar meint, wohl aber, daß erst ein etwaiger rechtskräftiger Mißerfolg des Klägers im Anfechtungsverfahren die Rechtsfolge des § 389 BGB, d. h. das Erlöschen der Hauptforderung, zur Geltung kommen läßt (Appel, BayVBl 1983, 201, 202; wohl auch Martens, StuW 1974, 155, 160; vgl. Urteil des Reichsgerichts - RG - vom 9. Dezember 1912 V 203/12, RGZ 80, 371, 375, in dem es heißt: "Vollends ungeeignet, die in § 389 BGB bezeichnete Wirkung ... hervorzubringen, ist die Aufrechnung mit einem lediglich auf der vorläufigen Vollstreckbarkeit einer behördlichen Verfügung beruhenden, einer bloßen "formalen Zahlungsverbindlichkeit" entsprechenden Anspruch").

Diese Auffassung wird im Ergebnis auch vom BVerwG geteilt. Nach seinem Urteil in BVerwGE 66, 218, 222 hängt die Wirksamkeit der Aufrechnung vom Bestehen der Gegenforderung der Behörde ab. Das BVerwG meint dabei unter Bestehen der Forderung offensichtlich ihre materiell-rechtliche Rechtmäßigkeit. Denn andernfalls hätte es in dem entschiedenen Fall, in dem die Gegenforderung ebenfalls auf einem angefochtenen Verwaltungsakt beruhte, wegen des aufgrund der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts formell bestehenden Forderungsrechts der Behörde zur Abweisung der Klage und nicht zur Zurückverweisung der Sache zum etwaigen Erlaß eines Vorbehaltsurteils gelangen können (vgl. auch Appel, BayerVBl 1983, 201, 202).

b) Die Entscheidung der Frage, ob die Aufrechnungserklärungen des HZA wirksam zum Erlöschen der im vorliegenden Verfahren eingeklagten Hauptforderungen geführt haben, hängt also davon ab, ob die Bescheide, die Grundlage der Gegenforderungen sind, rechtmäßig sind. Diese Frage kann jedoch im vorliegenden Verfahren abschließend nicht entschieden werden. Das Gericht, das wie hier über den Bestand der Hauptforderung zu entscheiden hat, kann, wie das BVerwG im Urteil in BayVBl 1987, 439, 440 ausgeführt hat, die Aufrechnung mit einer nicht rechtskräftig oder bestandskräftig festgestellten Gegenforderung, für deren Feststellung ein anderer Rechtsweg gegeben ist, zunächst nicht berücksichtigen, wenn diese Gegenforderung nicht unbestritten ist. Diese Einschränkung ist die rechtlich gebotene Konsequenz daraus, daß der Rechtskraft fähig sowohl die gerichtliche Entscheidung ist, die Forderung sei infolge der Aufrechnung mit der Gegenforderung erloschen, wie nach § 155 FGO i. V. m. § 322 Abs. 2 ZPO auch die Entscheidung, daß die Gegenforderung nicht bestanden hat. Den FG ist aber eine solche streitige Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Forderung, für die ein anderer Rechtsweg gegeben ist, verwehrt. Dieser Streit muß in dem anderen Rechtsweg ausgetragen werden. Das gilt in gleicher Weise auch für die vor dem FG anhängigen Anfechtungsklagen gegen die Bescheide des HZA. Auch insoweit kann der Streit darüber, ob diese Verwaltungsakte Bestand haben können, nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sein. Das gilt auch deswegen, weil das vorliegende Verfahren, das keine Anfechtungsklage zum Gegenstand hat, nicht zur Aufhebung der den Gegenforderungen zugrunde liegenden Verwaltungsakte führen kann.

Diese verfahrensrechtlich bedingte Verzögerung der Entscheidung über die Rechtswirksamkeit der Aufrechnungen des HZA führt nicht etwa dazu, daß inzwischen der Leistungsklage der Klägerin stattgegeben werden müßte. Denn diese Klage ist unbegründet, wenn die Gegenforderungen bestehen. Der Umstand, daß darüber gerichtlich erst später entschieden wird, ändert nichts daran, daß dieses Urteil zur Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verwaltungsakte ergehen wird.

Im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens empfiehlt es sich daher, das Verfahren auszusetzen - § 74 FGO - (vgl. BFHE 144, 207, BStBl II 1985, 672; BVerwG-Urteil in BayVBl 1987, 439; BSG-Urteil vom 26. Juni 1963 1 RA 21/60, BSGE 19, 207, 211; BGH-Urteil in BGHZ 16, 124, 128; Pietzner, VerwArch 73, 453 ff., VerwArch 74 - 1983 - 59, 71 ff.).

5. Eine Aussetzung des Verfahrens käme allerdings nicht in Betracht, wenn der Aufrechnung durch das HZA ein rechtliches Hindernis entgegenstünde, das diese unabhängig vom Bestehen der Gegenforderung unwirksam machte. Das ist jedoch im Gegensatz zur Auffassung des FG nicht der Fall.

a) Die entsprechend anwendbaren Aufrechnungsvorschriften des bürgerlichen Rechts in der Auslegung des Senats hindern, wie ausgeführt, die Behörde grundsätzlich nicht, die Aufrechnung mit Forderungen wirksam zu erklären, die auf in ihrer Vollziehung ausgesetzten Verwaltungsakten beruhen. Diese Vorschriften stehen offensichtlich im Einklang mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG und berühren das Recht der Klägerin auf Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Folgerichtig kann dann aber auch die Ausnutzung des von der Rechtsordnung gewährten Aufrechnungsrechtes nicht ohne weiteres gegen Art. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen. Solche Umstände liegen hier aber nicht vor.

b) Die Ausübung eines jeden von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Rechts kann unter besonderen Umständen rechtsmißbräuchlich und damit unzulässig sein (vgl. z. B. BFH- Urteil vom 21. Januar 1977 III R 107/73, BFHE 121, 279, BStBl II 1977, 393). Von einer solchen unzulässigen Rechtsausübung kann aber nur ausgegangen werden, wenn das HZA von seinem Recht zur Aufrechnung "in einer zweckfremden Weise und mit zweckfremdem Ziel Gebrauch gemacht" hat (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 1982 VII R 64/80, BFHE 138, 308, BStBl II 1983, 541, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Wie aber oben ausgeführt, steht die Erklärung der Aufrechnung mit ausgesetzten Forderungen im Einklang mit dem Recht. In vergleichbaren Fällen hat der Senat daher auch entschieden, daß die Aufrechnung durch das HZA keine unzulässige Rechtsausübung ist (vgl. BFHE 138, 308, BStBl II 1983, 541, sowie Senatsurteile vom 4. Oktober 1983 VII R 143/82, BFHE 139, 487, 490, BStBl II 1984, 178, und vom 26. Februar 1985 VII R 32/84, BFH/NV 1985, 4).

c) Das FG meint, das HZA verletze seine Pflicht, sich an den Grundrechtswerten zu orientieren, wenn es eine formell bestehende Aufrechnungslage zur Befriedigung seiner öffentlich-rechtlichen Forderungen ausnutzt, obwohl es seine Ansprüche wegen Aussetzung der Vollziehung bzw. wegen der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage nicht durchsetzen könne. Da das nach seiner Auffassung einer Umgehung des von der Verfassung gewollten Rechtsschutzes gleichkommt, gewährt das FG der Klägerin gewissermaßen vorläufigen Rechtsschutz, indem es die Aufrechnung (einstweilen) für unzulässig erklärt. Dieser Auffassung vermag der Senat aber schon deswegen nicht zu folgen, weil in bezug auf den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens vorläufiger Rechtsschutz grundsätzlich durch Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO zu gewähren ist (vgl. oben Nr. 3d). Danach aber kommt eine einstweilige Anordnung nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 114 FGO erfüllt sind. Für eine Außerachtlassung der Vorschriften der FGO über den Erlaß einstweiliger Anordnungen bieten auch Art. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG keine Handhabe.

d) Keinen Erfolg kann der Einwand der Klägerin haben, die Unzulässigkeit der Aufrechnung ergebe sich aus der Natur des Rechtsverhältnisses zwischen ihr und dem HZA. Der Senat hat bereits im Urteil in BFHE 138, 308, 311, BStBl II 1983, 541 darauf hingewiesen, daß nach dem Wesen des Instituts der Aufrechnung diese vom Schuldgrund grundsätzlich unabhängig ist. Hier liegt kein Ausnahmefall vor. Die gegenüber der Klägerin nach Auffassung des HZA und des BEF bestehenden Ansprüche auf Rückzahlung zu Unrecht empfangener Beihilfen und WAB nebst entsprechender Zinsen sind eine Forderung wie jede andere auch. Relevante Besonderheiten ergeben sich auch nicht aus dem System der Ausfuhrerstattungen und WAB. Zwar ist die Wahrung der Wettbewerbsgleichheit in diesem System von besonderer Bedeutung. Die rechtliche Möglichkeit der Aufrechnung durch das HZA in Fällen wie dem vorliegenden trifft aber alle Wettbewerber in gleicher Weise. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf das Urteil in BFHE 121, 279, BStBl II 1977, 393. Für diese Entscheidung waren die besonderen Umstände des Falles maßgebend (BFHE 138, 308, 312, BStBl II 1983, 541; BFH/NV 1985, 4, 5).

6. Die Revision des HZA hat danach Erfolg, da das FG zu Unrecht der Klage zum großen Teil stattgegeben hat, ohne darauf zu achten, daß dies nur dann möglich ist, wenn die Anfechtungsklagen der Klägerin endgültig Erfolg hatten. Auch die Revision der Klägerin hat insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Abweisung der Klage im Zusammenhang mit der Aufrechnungserklärung vom 14. Juli 1983 bezieht; denn allein der Umstand, daß der Klägerin keine Aussetzung der Vollziehung des Bescheids des HZA vom 22. Juni 1983 gewährt worden ist, setzte das FG noch nicht in den Stand, endgültig darüber zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Aufrechnung gegeben waren, d. h. ob die Gegenforderung des HZA materiell-rechtlich bestand.

Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Der Senat hält es für untunlich, den Rechtsstreit selbst weiter zu behandeln. Er hält es vielmehr für zweckmäßig, von der Möglichkeit der Zurückverweisung nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO Gebrauch zu machen. Da die Sache in vollem Umfange an das FG zurückverwiesen wird, braucht auf die Revision der Klägerin, soweit diese die Höhe des Zinsanspruches betrifft, nicht näher eingegangen zu werden; der Senat verweist aber insoweit auf sein Urteil vom 17. Februar 1987 VII R 21/84 (BFHE 149, 15, BStBl II 1987, 368).