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BFH-Urteil vom 27.1.1988 (II R 234/85) BStBl. 1988 II S. 415

Rückstellungen einer Genossenschaft für die Aufstellung, Prüfung und Veröffentlichung des Jahresabschlusses, die Aufstellung des Geschäftsberichts und die Erstellung der Steuererklärungen für das abgelaufene Geschäftsjahr sind bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nicht als Schuld abzuziehen (Anschluß an BFHE 139, 422, BStBl II 1984, 51).

BewG § 103 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Kreditgenossenschaft, legte gegen den unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid über die Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1980 Einspruch ein und machte den Abzug einer Reihe von Kosten geltend, die mit dem Jahresabschluß auf den 31. Dezember 1979 zusammenhingen und im Jahre 1980 angefallen waren.

Nach Zurückweisung ihres Einspruchs hat die Klägerin Klage erhoben und - nach einer geringfügigen Einschränkung ihres Klageantrages - den Abzug von 55.500 DM als Schulden geltend gemacht. Dieser Betrag betraf die Aufstellung, Prüfung und Veröffentlichung des Jahresabschlusses, die Aufstellung des Geschäftsberichts und die Erstellung der Steuererklärungen für die Betriebssteuern. Etwa die Hälfte dieser Summe entfiel auf Gehälter an Angestellte der Klägerin.

Ihre Klage hat die Klägerin damit begründet, daß die Kosten in Erfüllung öffentlich-rechtlicher Vorschriften angefallen seien. Die öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen seien bereits zum 31. Dezember 1979 entstanden. Deshalb seien die entsprechenden Kosten, die 1980 angefallen seien, als Schulden abzuziehen.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und die Revision zugelassen. Das Finanzamt (FA) hat Revision eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Die von der Klägerin geltend gemachten Kosten, die nach dem 31. Dezember 1979 angefallen sind, sind am hier maßgebenden Abschlußtag keine Betriebsschulden i.S. des § 103 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG). Dies entspricht der Rechtsprechung des III. Senats (vgl. zuletzt das Urteil vom 25. November 1983 III R 25/82, BFHE 139, 422, BStBl II 1984, 51), der sich der erkennende Senat angeschlossen hat (vgl. das Senatsurteil vom 30. April 1986 II R 201/83, BFHE 146, 564, BStBl II 1986, 664). Es besteht keine Veranlassung, hinsichtlich der entsprechenden Kosten einer Genossenschaft eine andere Auffassung zu vertreten.

Eine gemäß § 103 Abs. 1 BewG abzugsfähige Schuld gegenüber den Arbeitnehmern der Klägerin, gegenüber dem genossenschaftlichen Prüfungsverband oder gegenüber dem Veröffentlichungsblatt lag am 31. Dezember 1979 noch nicht vor. Auch aus den Grundsätzen über die Behandlung schwebender Geschäfte läßt sich nichts anderes herleiten. Eine in einem solchen Falle für den Schuldenabzug ausreichende Störung des Gleichgewichts der beiderseits noch nicht erfüllten Verpflichtungen (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Mai 1974 III R 50/73, BFHE 112, 411, BStBl II 1974, 508) lag nicht vor. Eine Störung des Gleichgewichts ist nicht bereits darin zu sehen, daß eine der beiden Leistungen nicht zur Entstehung eines Wirtschaftsgutes oder zur Erhöhung des Wertes eines bereits bestehenden Wirtschaftsgutes führt (vgl. das BFH-Urteil vom 20. März 1980 IV R 89/79, BFHE 130, 165, BStBl II 1980, 297).

Auch der Gesichtspunkt, daß die Klägerin gesetzlich verpflichtet war, Jahresabschlüsse aufzustellen, sie prüfen zu lassen und sie zu veröffentlichen, Geschäftsberichte und Steuererklärungen zu erstellen (vgl. u.a. § 33 des Genossenschaftsgesetzes - GenG - und § 27 des Gesetzes über das Kreditwesen - KWG - sowie § 53 GenG), führt nicht zu einem Abzug einer entsprechenden Schuld. Der III. Senat hat bereits darauf hingewiesen (vgl. BFHE 139, 422, BStBl II 1984, 51), daß ein Schuldenabzug aus dem Gesichtspunkt einer gesetzlichen Verpflichtung nur in engen Grenzen in Betracht kommt. Es bedarf in derartigen Fällen einer hinreichenden Konkretisierung dieser gesetzlichen Verpflichtung. Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß eine derartige Konkretisierung jedenfalls so lange noch nicht vorliegt, als die gesetzlichen Fristen zur Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen noch laufen. Unter diesen Umständen kommt es nicht auf den Vortrag der Klägerin an, daß die jeweiligen Abschlußarbeiten konkret bereits vor dem Ablauf des jeweiligen Wirtschaftsjahres beginnen und daß sich die genossenschaftliche Prüfung auch (ggf. in erster Linie) auf das abgelaufene Geschäftsjahr bezieht. Ohne Bedeutung ist deshalb auch die Verfahrensrüge, das FG hätte bei ausreichender Sachaufklärung festgestellt, daß der Prüfungsverband bereits im November 1979 mit einer Vorprüfung begonnen habe, deren Kosten sich allerdings bei der Feststellung des Einheitswertes (sei es infolge vorheriger Zahlung, sei es durch Schuldansatz) voll ausgewirkt hätten.

Zwischen den 1980 durchgeführten Arbeiten und dem abgelaufenen Geschäftsjahr bestehen nach allem allenfalls wirtschaftliche Zusammenhänge. Derartige wirtschaftliche Zusammenhänge aber reichen für die Anerkennung einer Schuld i.S. des § 103 Abs. 1 BewG nicht aus.

Die von der Auffassung des erkennenden Senats abweichende Meinung der Ertragsteuersenate (vgl. die Urteile in BFHE 130, 165, BStBl II 1980, 297; vom 23. Juli 1980 I R 28/77, BFHE 131, 463, BStBl II 1981, 62, und vom 24. November 1983 IV R 22/81, BFHE 139, 544, BStBl II 1984, 301) beruhen auf der für das Bewertungsrecht nicht maßgebenden wirtschaftlichen Verursachung der Abschluß- und Prüfungskosten im abgelaufenen Wirtschaftsjahr.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Senat auch nicht der Meinung, daß er mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des III. Senats zur Frage der Behandlung der Rekultivierungsverpflichtungen, der Abbruchverpflichtungen und der Wiederaufbauverpflichtungen (vgl. die Urteile vom 31. Januar 1964 III 178/61, BFHE 78, 458, BStBl III 1964, 178; vom 26. Oktober 1970 III R 150/67, BFHE 100, 465, BStBl II 1971, 82, und vom 11. Mai 1983 III R 112-113/79, BFHE 139, 88, BStBl II 1983, 657) abweicht. Denn die dort behandelten Fälle sind mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Dort befanden sich Leistung und Gegenleistung anders als im vorliegenden Fall nicht mehr im Gleichgewicht.