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BFH-Urteil vom 6.11.1987 (III R 112/85) BStBl. 1988 II S. 422

Wohnt ein in Berufsausbildung befindliches Kind außerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen, so gehören die Aufwendungen für die Unterhaltung der Wohnung ebenso zu den Aufwendungen für die Berufsausbildung dieses Kindes (i. S. des § 33a Abs. 2 EStG) wie etwa Schulgelder, Studiengebühren, Aufwendungen für Bücher und anderes Lernmaterial sowie Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte.

EStG § 33a Abs. 2.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein türkischer Staatsangehöriger, war im Streitjahr 1982 in Berlin (West) als Arbeitnehmer beschäftigt. Seine beiden Söhne H (geboren im Dezember 1964) und I (geboren im August 1969) lebten in der Türkei und gingen dort zur Schule. Sie wohnten in einer für sie angemieteten Wohnung. Der Kläger unterstützte die Söhne mit Geldleistungen.

Im Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs 1982 begehrte er deshalb die Berücksichtigung von Ausbildungsfreibeträgen für die beiden Söhne. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte dies - auch im Einspruchsverfahren - ab.

Mit der Klage beantragte der Kläger schließlich nur noch die Gewährung von Freibeträgen in Höhe von insgesamt 2.534 DM. Er berücksichtigte dabei die Kürzungen gemäß § 33a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1981.

Das Finanzgericht (FG) gab diesem eingeschränkten Klageantrag statt. Es führte im wesentlichen aus: Die Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages setze Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Berufsausbildung des Kindes voraus. Doch sei ein Nachweis solcher Aufwendungen nicht notwendig, da die Lebenserfahrung der Mitglieder des erkennenden Senats keine andere Feststellung zulasse als die, daß der Besuch einer Schule selbst bei staatlich gewährleisteter Lernmittelfreiheit immer auch unterrichtsbezogene Aufwendungen mit sich bringe. Die Höhe der Freibeträge von zusammen 2.534 DM hielt das FG für zutreffend berechnet.

Das FA rügt mit der vom FG zugelassenen Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

Das FG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß dem Kläger im Streitjahr Aufwendungen für die Berufsausbildung seiner beiden auswärtig untergebrachten Söhne erwachsen sind.

1. Nach § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1b und Nr. 2 EStG 1981 erhält ein Steuerpflichtiger einen Ausbildungsfreibetrag dann, wenn - neben anderen, hier nicht streitigen Voraussetzungen - Aufwendungen für die Berufsausbildung des betreffenden Kindes erwachsen, diese Aufwendungen vom Steuerpflichtigen getragen werden und das Kind auswärtig untergebracht ist.

a) Die Söhne des Klägers wohnten nach den Feststellungen des FG in einer für sie angemieteten Wohnung in der Türkei, mithin außerhalb des Haushalts des Klägers. Der Senat ist an diese Feststellungen gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden. Die vom FA insoweit erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Sie ist schon nicht in der vorgeschriebenen Form erhoben worden (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Das FA hat insbesondere nicht dargelegt, weshalb es nicht von sich aus, schon im finanzgerichtlichen Verfahren eine entsprechende Aufklärung verlangt hat. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat insoweit gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) ab.

b) Durch die auswärtige Unterbringung der Söhne sind Aufwendungen (insbesondere für die Anmietung der Wohnung) entstanden. Diese Aufwendungen hat der Kläger jedenfalls teilweise getragen. Er hat nach den vom FG in seinem Urteil in Bezug genommenen Überweisungsbelegen im Streitjahr allein ausweislich der Postabschnitte 1.400 DM an den älteren Sohn H überwiesen.

c) Bei den genannten Unterbringungskosten handelt es sich schließlich auch um Ausbildungskosten i. S. des § 33a Abs. 2 EStG.

Anders als noch § 33a Abs. 2 EStG 1975 setzt die für das Streitjahr geltende Gesetzesfassung nicht mehr voraus, daß für die Inanspruchnahme eines Ausbildungsfreibetrages dem Steuerpflichtigen durch die auswärtige Unterbringung im Verhältnis zu einer solchen in seinem Haushalt Mehraufwendungen tatsächlich entstanden sein müssen. Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. Dezember 1976 VI R 7/76 (BFHE 121, 41, BStBl II 1977, 240) ist insoweit überholt (s. hierzu auch Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33a Anm. 71, sowie den Beschluß des BFH vom 21. September 1979 VI B 84/79, nicht veröffentlicht - NV -).

Doch folgt daraus nicht, daß - wovon offenbar das FA und das FG ausgegangen sind - die Kosten einer auswärtigen Unterbringung keine Berufsausbildungskosten (mehr) sein könnten. Die im Zusammenhang mit der Berufsausbildung eines Kindes stehenden Kosten sind vielfältiger Art. Zu ihnen gehören nicht nur die unmittelbar das Erlangen von fachlichen Fähigkeiten und Kenntnissen betreffenden Ausgaben, sondern grundsätzlich alle Aufwendungen, die durch die Ausbildung zu dem gewählten Beruf an einem bestimmten, frei gewählten Ort veranlaßt sind (BFH-Urteil vom 9. November 1984 VI R 40/83, BFHE 142, 450, BStBl II 1985, 135). Wohnt ein in Berufsausbildung befindliches Kind außerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen, gehören demnach die Aufwendungen für die Unterhaltung der Wohnung ebenso zu den Aufwendungen für die Berufsausbildung dieses Kindes (i. S. des § 33a Abs. 2 EStG 1981) wie etwa Schulgelder, Studiengebühren, Aufwendungen für Bücher und anderes Lernmaterial sowie Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte (s. hierzu auch Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 33a EStG Anm. 50 und 196, unter Hinweis auf Abschn. 103 Abs. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1984; ebenso Fitsch, a. a. O., § 33a Anm. 72). Von der Zugehörigkeit der Unterbringungskosten zu den Aufwendungen für die Berufsausbildung eines Kindes geht im übrigen auch der Gesetzgeber des EStG 1981 aus. Denn er hat den Ausbildungsfreibetrag für über 18 Jahre alte Kinder bei einer auswärtigen Unterbringung um 1.800 DM höher angesetzt, als bei einer Unterbringung im Haushalt des Steuerpflichtigen; für Kinder unter 18 Jahren wird ein Freibetrag überhaupt nur gewährt, wenn sie auswärtig untergebracht sind, mithin typischerweise auch Unterbringungskosten anfallen.

d) Daß die vom Kläger nachgewiesenen Zahlungen unter den nach § 33a Abs. 2 EStG in Betracht kommenden Freibeträgen lagen, ist nicht entscheidend. § 33a Abs. 2 EStG enthält eine typisierende Regelung. Der Ausbildungsfreibetrag wird, wenn Aufwendungen dieser Art überhaupt angefallen sind, unabhängig davon gewährt, wie hoch die tatsächlichen Aufwendungen des Steuerpflichtigen waren (s. zuletzt BFH-Urteil vom 7. März 1986 III R 177/80, BFHE 146, 386, BStBl II 1986, 554, Abschn. 3b bb der Entscheidungsgründe).

e) Bei dieser Rechts- und Sachlage kann offenbleiben, ob das FG hinsichtlich der Ausbildungskosten im engeren Sinn (für die Anschaffung von Schulbüchern und Schreibmaterial) wegen der "Lebenserfahrung der Mitglieder des erkennenden Senats" auf weitere Feststellungen verzichten durfte (s. hierzu jedoch das Urteil vom selben Tage III R 178/85, zur Veröffentlichung bestimmt).

2. Im übrigen ist das Urteil frei von Rechtsfehlern. Die erstmals für das Streitjahr 1982 geltende Kürzung der Freibeträge (zur Anpassung an die Verhältnisse im Ausland) gemäß § 33a Abs. 2 Satz 3 EStG i. d. F. des 2. Haushaltsstrukturgesetzes (2. HStruktG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1523, BStBl I 1982, 235) hatte der Kläger bereits von sich aus berücksichtigt.