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BFH-Urteil vom 11.11.1987 (I R 7/84) BStBl. 1988 II S. 424

1. Dient der Erwerb eines Grundstücks in der Zwangsversteigerung der Rettung einer betrieblichen Forderung, so gelangt das Grundstück auch dann im Erwerbszeitpunkt in das Betriebsvermögen, wenn es nicht zum Einsatz im Betrieb bestimmt ist.

2. Zur Höhe der Anschaffungskosten beim Erwerb eines Grundstücks im Zwangsversteigerungsverfahren.

EStG §§ 4 Abs. 1 und Abs. 4, 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4.

Vorinstanz: FG Schleswig-Holstein

 

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber eines Einzelhandelsgeschäfts mit Möbeln. Er ermittelt seinen Gewinn durch Bestandsvergleich. Der Kläger hatte im Streitjahr (1975) aus der Lieferung von Möbeln eine betriebliche Forderung von 22.337,97 DM, die durch eine Grundschuld auf dem Grundstück des Schuldners gesichert war. Im Grundbuch waren vorrangige Belastungen in Höhe von 117.100 DM eingetragen.

Im Streitjahr kam es zur Zwangsversteigerung dieses Grundstücks, dessen Verkehrswert im Januar 1974 nach einem von dem Vollstreckungsgericht eingeholten Gutachten 165.000 DM betrug und in dieser Höhe gemäß § 74a Abs. 5 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) festgesetzt wurde. Der Kläger erwarb das Grundstück nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zu einem Preis von 129.000 DM. Der Zuschlag wurde durch Beschluß des Vollstreckungsgerichts vom 17. Februar 1975 erteilt. Die Kosten des Eigentumserwerbs beliefen sich auf 573 DM.

Der Kläger behandelte den Erwerb des Grundstücks als privaten Vorgang. Er veräußerte das zunächst vermietete Grundstück am 30. September 1978 zu einem Kaufpreis von 285.000 DM.

Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß der Erwerb des Grundstücks dem betrieblichen Bereich zuzurechnen sei. Das Grundstück sei deshalb zunächst Betriebsvermögen geworden und im Hinblick auf den fehlenden Ausweis in der Buchführung unmittelbar darauf entnommen worden. Das FA ermittelte einen Entnahmegewinn von 35.427 DM (Verkehrswert gemäß Beschluß des Vollstreckungsgerichts abzüglich 129.000 DM nebst Erwerbskosten) und erließ einen entsprechenden Änderungsbescheid für das Streitjahr.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung der § 4 Abs. 1, § 5 und § 6 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Änderung des Einkommensteuerbescheides 1975 vom 23. April 1982 die Steuer entsprechend einer Verminderung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 35.427 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß das vom Kläger im Wege der Zwangsversteigerung erworbene Grundstück im Zeitpunkt der Erteilung des Zuschlags notwendiges Betriebsvermögen geworden ist.

a) Die Begriffsbestimmung des Betriebsvermögens beruht auf dem aus § 4 Abs. 4 EStG abgeleiteten Veranlassungsprinzip (vgl. hierzu Nieland in Littman/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., §§ 4, 5 Anm. 120; Wassermeyer, Die Abgrenzung des Betriebsvermögens vom Privatvermögen, Jahrbuch der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft 1980, 315, 321). Zum Betriebsvermögen rechnen hiernach alle Wirtschaftsgüter, die betrieblich veranlaßt angeschafft, hergestellt oder eingelegt werden. Eine betriebliche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver wirtschaftlicher oder tatsächlicher Zusammenhang mit dem Betrieb besteht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. März 1979 IV R 103/75, BFHE 127, 530, BStBl II 1979, 512). Dieser Zusammenhang mit dem Betrieb wird nicht nur durch die Widmung eines angeschafften Gegenstandes zu betrieblichen Zwecken begründet; er wird auch unabhängig von der tatsächlichen oder beabsichtigten Nutzung des Gegenstandes dadurch hergestellt, daß der Anschaffungsvorgang als solcher betrieblich veranlaßt ist. In diesem Fall ist der Zugang des angeschafften Gegenstandes zum Betriebsvermögen notwendige Folge des betrieblich veranlaßten Erwerbs.

Ein vergleichbarer Zusammenhang besteht bei allen Vermögenszuflüssen, die auf einem betrieblichen Vorgang beruhen. So gelangt ein Vermögensgegenstand, den ein Unternehmer als Entgelt für eine betriebliche Leistung statt Geld erhält, auch dann in sein Betriebsvermögen, wenn eine betriebliche Verwendung weder vorgesehen noch möglich ist. Betriebsvermögen werden im Zeitpunkt des Zugangs auch betrieblich veranlaßte Sachgeschenke, die ihrer Art nach nicht im Betrieb verwendet werden können (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1973 I R 136/72, BFHE 111, 108, BStBl II 1974, 210).

Zum Betriebsvermögen rechnen somit alle Gegenstände, die dem Unternehmer im Rahmen seiner betrieblichen Tätigkeit, deren Ziel gerade die Mehrung des Betriebsvermögens ist, zugehen.

b) Der Erwerb eines Grundstücks zur Rettung des durch ein Grundpfandrecht gesicherten Wertes einer betrieblichen Forderung vollzieht sich im betrieblichen Bereich. Denn der Erwerb in der Zwangsversteigerung stellt eine Form der Realisierung der Forderung und insoweit eine typische betriebliche Tätigkeit dar. Allerdings kann der betriebliche Zusammenhang durch private Zielvorstellungen überlagert werden, falls das ersteigerte Grundstück außerbetrieblichen Zwecken zugeführt wird. Ist der Unternehmer jedoch gezwungen, sich für sein Grundpfandrecht in dem Grundstück selbst einen Ersatz zu verschaffen, so liegt das auslösende Moment für den Erwerbsvorgang in der betrieblichen Sphäre. Eine derartige Zwangslage ist anzunehmen, falls das Grundpfandrecht weder in das geringste Gebot des § 44 ZVG noch in das für das Widerspruchsrecht maßgebende Mindestgebot des § 74a ZVG fällt und von keinem anderen Bieter voll ausgeboten wird.

Ist der Erwerbsvorgang selbst betrieblich veranlaßt, so kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Unternehmer bereits die betriebliche Forderung und das Sicherungsrecht entnommen und zur Erlangung eines privaten Wirtschaftsguts verwendet hat (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 23. Juni 1981 VIII R 41/79, BFHE 134, 104, BStBl II 1982, 18 für den Fall der tauschweisen Hingabe eines betrieblichen Wirtschaftsguts zur Erlangung eines Wirtschaftsguts des notwendigen Privatvermögens). Denn der betriebliche Zusammenhang wird erst durch die dem Erwerbsvorgang nachfolgende private Verwendung gelöst.

c) Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für einen betrieblich veranlaßten Rettungserwerb vor. Die Grundschuld des Klägers fiel bei Zugrundelegung der eingetragenen dinglichen Belastungen in Höhe von 117.000 DM (vgl. hierzu aber nachfolgend unter 4.), die dem Recht des Klägers vorgingen, nicht in das Mindestgebot von 115.500 DM. Das Grundpfandrecht ist auch von anderen Beteiligten im Zwangsversteigerungstermin nicht voll ausgeboten worden. Zwar hat das FG insoweit keine näheren Feststellungen getroffen. Dies ergibt sich jedoch bereits aus der Höhe des vom FG angenommenen Erwerbspreises, so daß davon ausgegangen werden kann, daß der Kläger ohne Abgabe eines eigenen Gebots sich zumindest der Gefahr eines teilweisen Verlustes seines Sicherungsrechts ausgesetzt hätte.

2. Das FG hat ferner zu Recht angenommen, daß das Grundstück unmittelbar nach Erteilung des Zuschlags dem Betriebsvermögen wieder entnommen worden ist.

Der Kläger hat das ersteigerte Grundstück für außerbetriebliche Zwecke genutzt. Eine außerbetriebliche Nutzung ist auch eine solche durch Vermietung, wenn die Mieteinnahmen Privateinnahmen aus Vermietung und Verpachtung sind (vgl. BFH-Urteil vom 31. Januar 1985 IV R 130/82, BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395). Das Grundstück hat hierdurch seine Eigenschaft als Betriebsvermögen verloren.

Eine Entnahme erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des BFH regelmäßig eine Entnahmehandlung, die von einem Entnahmewillen getragen wird. Dazu reicht ein schlüssiges Verhalten des Steuerpflichtigen aus, durch das die Verknüpfung des Wirtschaftsguts mit dem Betriebsvermögen erkennbar gelöst wird. Die an die Entnahme geknüpften einkommensteuerrechtlichen Rechtsfolgen treten ein, ohne daß es darauf ankommt, ob der Wille und das Bewußtsein des Steuerpflichtigen auch alle diese Rechtsfolgen, insbesondere die Rechtsfolge der Gewinnverwirklichung, mitumfaßt (vgl. Urteil in BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395, mit Rechtsprechungsnachweisen).

3. Durch die Entnahme ergab sich gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 i.V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG eine Gewinnerhöhung in Höhe der Differenz zwischen dem Teilwert des Grundstücks und dessen Anschaffungskosten. Die Erfassung dieses Entnahmegewinns steht im Einklang mit der einkommensteuerrechtlichen Zielsetzung, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nach der Entwicklung des betrieblichen Zwecken gewidmeten und sich aus der betrieblichen Betätigung ergebenden Vermögens festzustellen (Nieland in Littmann/Bitz/Meincke, a.a.O., §§ 4, 5 Anm. 90).

Mit der dem Betriebsvermögen zuzuordnenden Forderung war die Chance verbunden, im Versteigerungstermin das Grundstück, bezüglich dessen die Zwangsversteigerung betrieben wurde, zu einem Meistgebot zu erwerben, das nur mit Rücksicht auf die Höhe der dinglich gesicherten Forderung, aus der die Zwangsversteigerung betrieben wurde, unter dem Verkehrswert des Grundstücks lag. Ohne das Vorhandensein einer entsprechenden Forderung hätte der Kläger im Zweifel den Verkehrswert des Grundstücks stärker ausbieten müssen, um dasselbe zu erwerben. Diese Gewinnchance, die sich dem Kläger aufgrund der Zwangsversteigerung aus einer betrieblichen Forderung bot, ist noch im betrieblichen Bereich realisiert worden.

4. Die Vorentscheidung muß jedoch aufgehoben werden, weil den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht entnommen werden kann, ob der angesetzte Entnahmegewinn zutreffend ermittelt worden ist.

a) Allerdings führen die Einwendungen der Revision nicht zum Erfolg, soweit sie sich gegen die Höhe des Teilwerts richten. Das FG hat im einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen es das für das Zwangsversteigerungsverfahren eingeholte Wertgutachten als zutreffende Berechnungsgrundlage des Teilwerts zum Entnahmezeitpunkt angesehen hat. Die Tatsachenwürdigung durch das FG ist verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflußt; sie ist für das Revisionsgericht bindend, auch wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist (§ 118 Abs. 2 FGO).

b) Unklar ist jedoch, ob das FG die Anschaffungskosten fehlerfrei ermittelt hat.

Zu den Anschaffungskosten beim Erwerb eines Grundstücks im Zwangsversteigerungsverfahren gehört nicht nur das Gebot nebst den dazugehörigen Kosten, zu denen dem die Zwangsversteigerung betreibenden Grundpfandgläubiger das Grundstück zugeschlagen wird, sondern auch die gemäß § 91 ZVG erloschenen nachrangigen eigenen Grundpfandrechte des Gläubigers, soweit sie nicht ausgeboten sind, wenn ihr Wert durch den Verkehrswert des ersteigerten Grundstücks gedeckt ist (vgl. BFH-Urteile vom 25. Juli 1972 VIII R 69/68, BFHE 106, 535, BStBl II 1972, 881, und vom 26. April 1979 IV R 199/74, BFHE 128, 358, BStBl II 1979, 667).

Das FG hat lediglich festgestellt, daß Kläger das Grundstück mit vorrangigen Belastungen in Höhe von 117.100 DM zu einem Preis von 129.000 DM erworben hat und in dieser Höhe Anschaffungskosten angenommen. Selbst wenn man unterstellt, daß es sich bei diesem "Preis" um das vom Kläger im Versteigerungstermin abgegebene Meistgebot handelt, könnte hieraus nicht auf die Höhe der Anschaffungskosten geschlossen werden. Denn das Meistgebot würde nur dann mit den Anschaffungskosten übereinstimmen, falls der Kläger seine eigene Forderung voll ausgeboten hätte, wovon im Hinblick auf die dem Recht des Klägers vorgehenden eingetragenen Grundpfandrechte in Höhe von 117.100 DM nicht ausgegangen werden kann.

Der Umstand, daß die von der Vorinstanz ausgesprochene Rechtsfolge nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt ist, bedeutet eine fehlerhafte Anwendung sachlichen Rechts, die auch ohne Verfahrensrüge zur Aufhebung der Vorentscheidung führt (vgl. BFH-Urteil vom 17. April 1975 II R 144/74, BFHE 116, 1, BStBl II 1975, 671).

Die Sache ist nicht spruchreif. Aus den Feststellungen des FG kann nicht entnommen werden, in welcher Höhe der Kläger mit seiner Forderung ausgefallen ist. Denn die dem Anspruch des Klägers vorgehenden Rechte gemäß § 10 ZVG bestehen nicht nur aus den im Grundbuch eingetragenen Rechten. Die Sache ist deshalb an das FG zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen nachholt.