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BFH-Urteil vom 13.11.1987 (III R 213/84) BStBl. 1988 II S. 426

Selbständig tätige Taxifahrer können einen Verpflegungsmehraufwand nach den für Geschäftsreisen bzw. Geschäftsgängen geltenden Verwaltungsregelungen abziehen. Die für angestellte Berufskraftfahrer geltende Regelung (BMF-Schreiben vom 29. Juni 1979 IV B 6 - S 2353 - 47/49 II, BStBl I 1979, 374) ist nicht anwendbar (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 8. August 1986 VI R 117/83, BFHE 148, 237, BStBl II 1987, 184).

EStG § 4 Abs. 4.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Der Ehemann ist selbständiger Taxiunternehmer.

In seiner Einkommensteuererklärung 1980 machte der Kläger im Rahmen seiner gewerblichen Einkünfte Verpflegungsmehraufwendungen für 205 Tage zu je 8 DM und damit insgesamt 1.640 DM als Betriebsausgaben geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ die Beträge nicht zum Abzug zu.

Mit ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren dagegen erhobenen Klage bezogen sich die Kläger auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 29. Juni 1979 (BStBl I 1979, 374), wonach Berufskraftfahrern, die täglich mehr als sechs Stunden unterwegs sind, ein Betrag von 8 DM für Verpflegungsmehraufwendungen zuzubilligen ist. Es sei nicht gerechtfertigt, so machten sie geltend, selbständige Taxiunternehmer von dieser Regelung auszuschließen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Regelung in dem bezeichneten Schreiben des BMF und in dessen weiterem Schreiben vom 2. Januar 1980 (BStBl I 1980, 16) beziehe sich ausschließlich auf Berufskraftfahrer, die als Arbeitnehmer tätig seien. Für selbständige Gewerbetreibende seien die Regelungen somit nicht anwendbar. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe es in ständiger Rechtsprechung abgelehnt, die für Arbeitnehmer geltenden Regelungen über den Abzug der Kosten für Mehrverpflegung auf selbständige Gewerbetreibende auszudehnen.

Mit der vom BFH zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter. Insbesondere könne es für die Gewährung der Pauschale nach Art. 3 des Grundgesetzes (GG) nicht darauf ankommen, ob eine gleichartige Tätigkeit in selbständiger Tätigkeit oder als Arbeitnehmer ausgeübt werde.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und die als Betriebsausgaben geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen bei der Festsetzung der Einkommensteuer 1980 zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Zutreffend ist das FG allerdings davon ausgegangen, daß die genannten - inhaltlich in Abschn. 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 und Abs. 3 Satz 4 Nr. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1984 übernommenen - Verwaltungserlasse auf den Kläger als selbständigen Gewerbetreibenden nicht anwendbar sind. Sie betreffen ausschließlich Arbeitnehmer, die in einem Fahrzeug tätig sind, das ihre regelmäßige Arbeitsstätte darstellt. Da diese Arbeitnehmer keine feste (grundstücksbezogene) Arbeitsstätte haben, könnten die für sie geltenden Regelungen allenfalls dann auf den Kläger übertragbar sein, wenn er keine feste Betriebstätte hätte. Davon kann bei einem selbständigen Taxiunternehmer aber nicht ausgegangen werden.

2. Den Erfordernissen für den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) ist nach der Rechtsprechung des BFH auch bei einem selbständig Tätigen mit fester Betriebstätte dann genügt, wenn sich der Steuerpflichtige von dem Ort seiner Betriebstätte zu beruflichen Zwecken an einen anderen Ort begibt (Urteil vom 15. November 1956 IV 354/55 U, BFHE 64, 257, BStBl III 1957, 99).

Diesen Gesichtspunkt hat das FG in seiner Entscheidung nicht berücksichtigt. Auch für diesen Fall ist die Gewährung von Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen vorgesehen (vgl. Abschn. 119 Abs. 3 und 5 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -). Dabei wird zwischen Geschäftsreisen und Geschäftsgängen unterschieden. Dadurch wird - im Anschluß an die Rechtsprechung des BFH (vgl. dazu Urteil vom 29. November 1974 VI R 203/72, BFHE 114, 422, BStBl II 1975, 339, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen) - dem Umstand Rechnung getragen, daß der Steuerpflichtige bei Geschäftsgängen in der Umgebung seiner Betriebstätte meist preisgünstiger wird essen können als bei Geschäftsreisen in weiter entfernt liegende Gegenden, wo ihm preiswerte Essensmöglichkeiten im allgemeinen nicht so gut bekannt sein werden.

Im Streitfall kann für den Kläger der für Geschäftsgänge in Abschn. 119 Abs. 5 EStR vorgesehene Pauschalbetrag von 3 DM in Betracht kommen.

a) Der Höhe nach läßt sich dieser Betrag grundsätzlich nicht beanstanden. Wie der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, dienen die von der Verwaltung für Verpflegungsmehraufwendungen vorgesehenen Pauschalbeträge der Vereinfachung und gleichmäßigen Durchführung des Besteuerungsverfahrens. Im Rahmen dieser Zielsetzung werden sie grundsätzlich auch von den Steuergerichten als Tatsachengrundlage angewendet (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 1986 VI R 195/82, BFHE 147, 247, BStBl II 1986, 824, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). So hat die Rechtsprechung des BFH den für einen selbständigen Kraftdroschkenunternehmer in Abschn. 119 Abs. 5 EStR 1955 bestimmten Pauschalbetrag für Verpflegungsmehraufwendungen (damals 1,50 DM) als Betriebsausgaben anerkannt, wenn er - wie in der Regelung vorgesehen - beruflich länger als sechs Stunden und weiter als 5 km von seiner regelmäßigen Betriebstätte entfernt tätig war (Urteil vom 18. Oktober 1962 IV 319/60 U, BFHE 76, 102, BStBl III 1963, 38). Den für einen Dienstgang des nichtselbständig Tätigen in Abschn. 21 Abs. 5 Nr. 3 Buchst. c LStR 1972 in gleicher Höhe wie für den Geschäftsgang bestimmten Pauschalbetrag von 3 DM hat der BFH für das Jahr 1974 als eine Schätzung anerkannt, die den tatsächlichen Verhältnissen gerecht wird und sich im mittleren Rahmen bewegt (Urteil vom 14. August 1981 VI R 115/78, BFHE 134, 139, BStBl II 1982, 24). Für den - hier gegebenen - Geschäftsgang mit seinen vergleichbaren Voraussetzungen, der damit für den betrieblichen Bereich das Gegenstück zum Dienstgang des Arbeitnehmers bildet, kann nichts anderes gelten. Im Streitjahr 1980 haben sich die Verhältnisse gegenüber dem Kalenderjahr 1974 auch nicht derart geändert, daß der Pauschbetrag, für den - dem Wesen der Schätzung entsprechend - ein ermäßigter Sicherheitsgrad genügen muß, nach den tatsächlichen Verhältnissen nicht mehr hinzunehmen wäre.

Der Ansatz eines höheren Betrags läßt sich im Falle des Klägers auch nicht damit begründen, daß dem angestellten Taxifahrer - unabhängig von einer bestimmten Entfernungsgrenze - eine Pauschale in Höhe von 8 DM (bzw. 16 DM) gewährt wird (BFH-Urteil vom 8. August 1986 VI R 117/83, BFHE 148, 237, BStBl II 1987, 184). Wie dargelegt, gehen beide Regelungen von unterschiedlichen Voraussetzungen aus. Dieser sich daraus ergebenden Unterscheidung liegt - dem Vereinfachungszweck der Regelung entsprechend - eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 23. April 1982 VI R 30/80, BFHE 135, 515, BStBl II 1982, 500). Da die Regelungen für die Vielzahl der von ihnen erfaßten Sachverhalte überwiegend zu vertretbaren Ergebnissen führen, sind sie jeweils von der Rechtsprechung nicht beanstandet worden. Zum Wesen einer solchen typisierenden Regelung gehört es aber auch, daß sie im Einzelfall sowohl zu Vor- als auch Nachteilen führen kann. So stellt die Regelung für den Berufskraftfahrer diesen zwar vergleichsweise günstig, wenn er in geringerem Umfang als 15 km von seinem Betriebssitz entfernt tätig wird, und bewegt sich die Pauschale für diesen Bereich sogar im oberen Rahmen (BFHE 147, 247, BStBl II 1986, 824). Bei Überschreiten der Entfernungsgrenze stellt er sich dagegen gegenüber dem Fall der Dienstreise oder der Geschäftsreise vergleichsweise schlechter. Es wäre mit dem Wesen der Typisierung nicht vereinbar, allein die Vorteile beider Regelungen miteinander zu verbinden und dabei die ebenfalls im Wesen der Regelungen liegenden Nachteile zu übergehen. Ebensowenig wie es nach der Rechtsprechung des BFH möglich ist, die (günstigen) Pauschalbeträge für Dienstreisen bzw. Geschäftsreisen auch dem Arbeitnehmer ohne eine regelmäßige grundstücksbezogene Arbeitsstätte zu gewähren (vgl. Urteil vom 24. November 1978 VI R 171-172/76, BFHE 126, 454, BStBl II 1979, 148), ist es zulässig, die für diesen Arbeitnehmer geltenden Regelungen - umgekehrt - dann anzuwenden, wenn sie, wie im Streitfall, für den selbständigen Gewerbetreibenden zu einem günstigeren Ergebnis führen würden.

Ihm steht es - in den Grenzen des § 8 Abs. 6 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) - frei, höhere Mehraufwendungen im einzelnen nachzuweisen.

b) Im übrigen bestehen dafür, daß der danach der Höhe nach grundsätzlich nicht zu beanstandende Betrag im Falle des Klägers zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde und damit sogar als noch zu hoch bemessen angesehen werden müßte, keine Anhaltspunkte (vgl. dazu BFH-Urteil vom 25. Oktober 1985 VI R 15/81, BFHE 145, 181, BStBl II 1986, 200).

3. Die Sache ist nicht spruchreif.

Als Betriebstätte, wie sie nach der Regelung des Abschn. 119 Abs. 5 EStR (i.V.m. § 8 Abs. 6 EStDV) für den Geschäftsgang verlangt wird, kann auch die Wohnung des Klägers anzusehen sein (BFHE 76, 102, BStBl III 1963, 38, vgl. auch FG Berlin, Urteil vom 22. Oktober 1980 II 176-178/70, Entscheidungen der Finanzgerichte 1981, 226). Denkbar ist aber auch, daß sich die Betriebstätte des Klägers an einem anderen Ort befindet. Dafür kann insbesondere auch ein fester Standplatz in Betracht kommen, wenn der Kläger verpflichtet war, ihn nach jeder Fahrt aufzusuchen (BFHE 76, 102, BStBl III 1963, 38). Ob und inwieweit für den Kläger auch in einem solchen Fall die Voraussetzungen des Abschn. 119 Abs. 5 EStR erfüllt sind, ist offen. Das FG wird die insoweit noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachholen müssen.