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BFH-Urteil vom 13.11.1987 (III R 222/84) BStBl. 1988 II S. 428

Selbständig tätige Malermeister, die auf Baustellen mehr als 15 km von ihrer Betriebstätte entfernt tätig werden, können einen Verpflegungsmehraufwand nach den für Geschäftsreisen geltenden Verwaltungsregelungen ohne Einschränkungen abziehen, auch wenn die Rückkehr stets am gleichen Tag erfolgt.

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1984, 541)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Der Ehemann betreibt ein Maler- und Anstreichergeschäft und beschäftigt mehrere Arbeitnehmer. An seinem Wohnsitz in A hat er ein Büro und eine Werkstatt. In den Streitjahren war der Kläger auf verschiedenen Baustellen tätig, die jeweils mehr als 15 km von seiner Betriebstätte entfernt waren. Dafür machte er Mehraufwendungen für Verpflegung nach Geschäftsreisegrundsätzen geltend (Abschn. 119 Abs. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte die Aufwendungen nur zum Teil an.

Mit ihrer dagegen erhobenen Klage hatten die Kläger Erfolg.

Zur Begründung seiner Entscheidung, die in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 541 veröffentlicht ist, führte das Finanzgericht (FG) aus, der Kläger erfülle unstreitig die Voraussetzungen nach Abschn. 119 Abs. 2 Satz 1 EStR. Danach liege eine Geschäftsreise vor, wenn der Steuerpflichtige aus betrieblichen oder beruflichen Gründen in einer Entfernung von mindestens 15 km von seiner regelmäßigen Betriebstätte vorübergehend tätig werde. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien die in den EStR aufgeführten Pauschalbeträge - und damit auch die in Abschn. 119 Abs. 3 EStR für Verpflegungsmehraufwendungen bei Geschäftsreisen vorgesehenen Pauschsätze - ausnahmsweise nur dann nicht anwendbar, wenn sie im Einzelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führten. Dafür lägen im Streitfall keine Umstände vor. Zwar seien nach der Rechtsprechung des BFH die für Arbeitnehmer geltenden Pauschbeträge nach Abschn. 25 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) für Mehraufwendungen an Verpflegung anläßlich von Dienstreisen dann nicht anwendbar, wenn der Arbeitnehmer auf ständig wechselnden Einsatzstellen tätig sei. Auf selbständige Gewerbetreibende lasse sich diese Rechtsprechung aber nicht übertragen. Im Gegensatz zu seinen Arbeitnehmern verfüge der Kläger über eine regelmäßige Betriebstätte. Daraus, daß der Kläger auch in seiner Betriebstätte umfangreiche Tätigkeiten ausübe, ergebe sich außerdem der Unterschied zu dem - vom FA zur Begründung seiner Auffassung angeführten - Urteilsfall des BFH (Urteil vom 24. August 1973 VI R 189/71, BFHE 110, 344, BStBl II 1974, 11). Da die Tätigkeit des Arbeitnehmers mit der des selbständigen Gewerbetreibenden nicht vergleichbar sei, liege auch keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes i.S. von Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vor. Davon abgesehen müßte eine solche Ungleichbehandlung aber dadurch gelöst werden, daß auch den Arbeitnehmern die höheren Pauschsätze nach Abschn. 25 LStR zu gewähren wären.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 4 Abs. 4, 12 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Dazu trägt es vor, die ungekürzte Gewährung der Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen nach Geschäftsreisegrundsätzen führe zu einer unzutreffenden Besteuerung. Die Tätigkeit des Klägers habe sich nicht von der seiner Arbeitnehmer unterschieden. Im Urteil in BFHE 110, 344, BStBl II 1974, 11 habe der BFH einen auf auswärtigen Bau- und Montagestellen eingesetzten Arbeitnehmer, der im Betrieb seines Arbeitgebers eine regelmäßige Arbeitsstätte gehabt habe, trotz des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Dienstreise mit den Arbeitnehmern ohne regelmäßige Arbeitsstätte gleichgestellt. Für die nach den tatsächlichen Voraussetzungen mit der Dienstreise vergleichbare Geschäftsreise könne nichts anderes gelten. Im übrigen seien Betriebsausgaben und Werbungskosten nach einheitlichen Grundsätzen voneinander abzugrenzen.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat zu Recht Verpflegungsmehraufwendungen nach den für Geschäftsreisen geltenden Regeln ohne Einschränkungen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) anerkannt.

Aufwendungen für die Ernährung gehören grundsätzlich zu den gemäß § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung. Das Abzugsverbot greift lediglich dann nicht ein, wenn und soweit Verpflegungsmehraufwendungen in typischen Fällen ausschließlich oder weit überwiegend durch den Beruf oder den Betrieb des Steuerpflichtigen veranlaßt sind. Für Geschäftsreisen gilt eine solche Ausnahme.

Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Kläger Geschäftsreisen ausgeführt hat. Nach seinen tatsächlichen Feststellungen, die den Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) binden, hatte der Kläger in A seine Betriebstätte. Wie der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, dienen die in den EStR bzw. LStR der Finanzverwaltung vorgesehenen Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen der Vereinfachung und gleichmäßigen Durchführung des Besteuerungsverfahrens. Im Rahmen dieser Zielsetzung werden sie auch von den Steuergerichten als Tatsachengrundlage angewendet, solange die Beträge nicht wegen der Eigenart des Einzelfalles zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen. Ihre Nichtanwendung muß angesichts ihres Zwecks auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 1986 VI R 195/82, BFHE 147, 247, BStBl II 1986, 824, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Für einen solchen Ausnahmefall beruft sich das FA auf das Urteil in BFHE 110, 344, BStBl II 1974, 11. In dieser Entscheidung hat der BFH trotz der dafür vorliegenden Voraussetzungen die Pauschalbeträge für eine Dienstreise nach Abschn. 21 Abs. 4 LStR 1966 nicht gewährt, wenn der Arbeitnehmer lediglich auf wechselnden Bau- und Montagestellen in Nachbarorten des Orts seiner Arbeitsstätte eingesetzt war und die Rückkehr stets am gleichen Tag erfolgt ist.

Daraus lassen sich aber schon deshalb keine Folgerungen für den Streitfall ableiten, weil der BFH im Urteil vom 23. April 1982 VI R 30/80 (BFHE 135, 515, BStBl II 1982, 500) die Grundsätze dieser Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben hat. Hierfür war maßgeblich, daß die LStR nunmehr - anders als die im Urteilsfall in BFHE 110, 344, BStBl II 1974, 11 anzuwendenden Regelungen - zwischen eintägigen und mehrtägigen Dienstreisen unterscheiden. Auch die für Geschäftsreisen geltende Pauschbetragsregelung der EStR trifft für die Streitjahre diese Unterscheidung (vgl. Abschn. 119 Abs. 3 EStR 1975 und 1978).

Daraus, daß sich die Tätigkeit des Klägers nicht wesentlich von der seiner Arbeitnehmer unterscheidet, läßt sich - entgegen der Auffassung des FA - ebenfalls keine Beschränkung der Pauschale herleiten, wie dies nur unter dem Gesichtspunkt der offensichtlich unzutreffenden Besteuerung in Betracht kommen könnte. Für die Gewährung des Pauschbetrags kommt es allein auf die Verhältnisse in der Person des Klägers an (vgl. die Zusammenfassung der Grundsätze, die im Einzelfall die Annahme einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung rechtfertigen, BFH-Urteil vom 25. Oktober 1985 VI R 15/81, BFHE 145, 181, BStBl II 1986, 200). Dafür ist ohne Bedeutung, welche Pauschalen seinen Arbeitnehmern zustehen. Wenn bei ihnen - wie das FA meint - vergleichbare Verhältnisse vorliegen, müßte dies - umgekehrt - dazu führen, daß ihnen ebenfalls die dem Kläger zustehende Pauschale zu gewähren ist. Davon abgesehen kann vom Vorliegen gleichgelagerten Sachverhalte nicht die Rede sein. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, rechtfertigt sich die unterschiedliche steuerliche Beurteilung daraus, daß der selbständig Tätige - ebenso wie der Arbeitnehmer, der eine regelmäßige Arbeitsstätte innehat - auch im Betrieb Arbeiten durchzuführen hat. Aus diesem Grund hat es die Rechtsprechung des BFH andererseits stets abgelehnt, die für Dienstreisen geltenden - günstigen - Pauschalbeträge auch in den Fällen der auf auswärtigen Arbeitsstellen eingesetzten Arbeitnehmer ohne regelmäßige Arbeitsstätte im Betrieb anzuwenden (vgl. BFH-Urteil vom 5. November 1971 VI R 184/69, BFHE 103, 493, BStBl II 1972, 130). Hinsichtlich der Pauschalen für die Geschäftsreisen, die für den betrieblichen Bereich das Gegenstück zur Dienstreise des Arbeitnehmers bilden, könnte nichts anderes gelten. Daraus ergibt sich aber gleichzeitig, daß auch - umgekehrt - die vom FA vorgenommene Beschränkung nicht in Betracht kommen kann. Ebensowenig ist eine besondere Beurteilung dann gerechtfertigt, wenn sich - wie im Streitfall - Betriebsstätte und Wohnung am gleichen Ort befinden (BFH-Urteil vom 18. Oktober 1962 IV 319/60 U, BFHE 76, 102, BStBl III 1963, 38).