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BFH-Urteil vom 1.12.1987 (IX R 134/83) BStBl. 1988 II S. 431

1. Prozeßkosten teilen als Folgekosten die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren.

2. Aufwendungen für die Beseitigung von Baumängeln, die bereits bei der Herstellung des Gebäudes aufgetreten sind, aber erst nach dessen Fertigstellung behoben werden, sind ebenfalls Herstellungskosten des Gebäudes (Ergänzung zu BFH-Urteil vom 24. März 1987 IX R 17/84, BFHE 149, 548, BStBl II 1987, 694).

EStG 1979 § 9 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 7, § 7 Abs. 4 Satz 1.

Vorinstanz: FG Schleswig-Holstein (EFG 1984, 113)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Arbeitnehmer. Er erzielte im Streitjahr 1979 u.a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einem von ihm errichteten - und am 1. August 1977 bezogenen - Zweifamilienhaus.

Im Oktober 1977 erteilte der mit dem Bau beauftragte Bauunternehmer (B) dem Kläger die Schlußrechnung und verlangte die Zahlung der restlichen Vergütung in Höhe von 5.904,30 DM. Der Kläger lehnte dies unter Hinweis auf zahlreiche bereits zuvor gerügte Baumängel ab. B erhob daraufhin vor dem vereinbarten Schiedsgericht Klage. In dem Schiedsgerichtsverfahren machte der Kläger Gegenansprüche in Höhe von insgesamt 32.616,88 DM geltend. Mit diesen rechnete er gegen den Zahlungsanspruch des B auf und begehrte seinerseits widerklagend die Zahlung eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung bzw. - soweit diese unzumutbar oder unmöglich war - Schadensersatz in Höhe von insgesamt 26.712,30 DM.

Das Schiedsgericht wies die Klage des B ab und verurteilte diesen - unter Abweisung der Widerklage im übrigen - zur Zahlung eines Betrages von 19.593,91 DM. Von den Kosten des Rechtsstreites hatten B 5/6 und der Kläger 1/6 zu tragen.

Über das Vermögen des B wurde alsbald nach Ergehen des Schiedsspruchs der Konkurs eröffnet. Der Kläger fiel mit seiner Forderung von 19.593,91 DM in voller Höhe aus. Auch Prozeßkosten sind ihm nicht erstattet worden. Im Jahre 1982 begann der Kläger, die Baumängel auf eigene Kosten zu beheben.

In seiner Einkommensteuererklärung 1979 machte er die gezahlten Prozeßkosten in Höhe von 9.548 DM als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) rechnete sie jedoch den Herstellungskosten des Gebäudes zu und berücksichtigte nur gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V. m. § 7 Abs. 4 EStG Absetzungen für Abnutzung (AfA) von 190 DM.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage in seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 113 veröffentlichten Urteil statt.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung der §§ 9 und 7 EStG.

Die Prozeßkosten seien den Herstellungskosten zuzuordnen. Bei den Aufwendungen für die Mängelbeseitigung handele es sich nicht um Erhaltungsaufwand. Auch die nach Fertigstellung des Zweifamilienhauses getätigten Maßnahmen seien noch zum ursprünglichen Herstellungsvorgang gehörig und damit ihm zuzurechnen.

Das FA beantragt, zum Teil sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt er auf die Ausführungen des FG Bezug.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG hat zu Unrecht die Prozeßkosten als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anerkannt. Für die Entscheidung dieser Frage kommt es darauf an, wie die Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren, einkommensteuerrechtlich zu qualifizieren sind. Denn die Prozeßkosten teilen als Folgekosten das rechtliche Schicksal der Aufwendungen, um die gestritten wurde (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. Dezember 1983 VIII R 102/79, BFHE 140, 219, BStBl II 1984, 314; vom 24. März 1987 IX R 31/84, BFHE 149, 552, BStBl II 1987, 695, sowie vom 31. März 1987 IX R 53/83, BFH/NV 1987, 645; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., § 21 Anm. 15, Stichwort "Prozeßkosten"; Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 21 Anm. 264, Stichwort "Prozeßkosten").

2. Der von B eingeklagte Betrag betraf - was keiner weiteren Begründung bedarf - Herstellungskosten; aber auch die übrigen im Schiedsgerichtsverfahren streitigen Aufwendungen sind den Herstellungskosten des Gebäudes zuzurechnen.

a) Herstellungskosten sind alle Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Wirtschaftsgutes entstehen. Danach gehören zu den Herstellungskosten sowohl die Kosten, die unmittelbar der Herstellung dienen als auch Aufwendungen, die zwangsläufig im Zusammenhang mit der Herstellung anfallen oder mit ihr in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Der Begriff der Herstellungskosten wird nach ständiger Rechtsprechung des BFH final bestimmt. Maßgebend für die Zuordnung ist die Zweckrichtung der Aufwendungen auf die Herstellung eines Wirtschaftsgutes. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie in den Wert des Wirtschaftsgutes eingegangen sind. Deshalb sind auch vergebliche Aufwendungen Herstellungskosten, wenn sie zum Zwecke der Herstellung des Wirtschaftsgutes getätigt werden (BFH-Urteil in BFHE 149, 552, BStBl II 1987, 695, m.w.N.).

b) Die Herstellung endet regelmäßig, wenn das Wirtschaftsgut fertiggestellt ist (§ 9a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV -), d.h. wenn es einen Zustand erreicht hat, der seine bestimmungsgemäße Nutzung ermöglicht (BFH-Urteil vom 24. März 1987 IX R 17/84, BFHE 149, 548, BStBl II 1987, 694, m.w.N.).

c) Auch nach diesem Zeitpunkt anfallende Aufwendungen können jedoch den Herstellungskosten zuzuordnen sein, wenn sie noch in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Herstellungsvorgang stehen (BFH-Urteil vom 8. März 1984 IX R 45/80, BFHE 141, 237, BStBl II 1984, 702; Meincke in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 6 EStG, Rdnr. 119 f.; Pankow/Schmidt-Wendt in Beck'scher Bilanzkommentar, § 255 HGB, Rdnr. 547; Mathiak, Anschaffungs- und Herstellungskosten, in Raupach, Werte und Wertermittlung im Steuerrecht, München 1984, S. 130, 131).

d) Zu Unrecht hat die Vorinstanz im Streitfall das Vorliegen von Erhaltungsaufwand bejaht. Aus den mit zulässigen Revisionsrügen nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (ß 118 Abs. 2 FGO) ist zu entnehmen, daß die vom Kläger mit seiner Widerklage geltend gemachten Baumängel bereits im Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes vorhanden waren, also nicht nachträglich aufgetreten sind.

Die Bemühungen des Klägers um deren Beseitigung fallen daher noch in den Bereich der Herstellung des Gebäudes. Dies folgt aus seinem Verlangen, von B so gestellt zu werden, als wenn dieser die zur vertragsmäßigen Erfüllung (Herstellung) notwendigen Leistungen mängelfrei erbracht hätte. Hierbei ist unerheblich, daß der Kläger mit seiner Widerklage lediglich einen Kostenvorschuß forderte und die Baumängel selbst beseitigen lassen wollte. Entscheidend ist, daß diese Aufwendungen der Durchführung von Herstellungsmaßnahmen dienten. Ein dafür erhaltener Kostenvorschuß ist deshalb ebenfalls dem Herstellungskostenbereich zuzuordnen.

e) Ohne Bedeutung für die Beurteilung der Prozeßkosten ist es, daß der Kläger wegen des Konkurses von B den Kostenvorschuß für die Mängelbeseitigung nicht erlangte, sondern selbst zusätzliche Aufwendungen tätigen mußte. Denn auch vergebliche Aufwendungen sind Herstellungskosten, wenn sie der Errichtung des Gebäudes dienen sollten. Wegen dieser Zweckbestimmung ist es ferner unerheblich, daß der Kläger die zur Mängelbeseitigung notwendigen Aufwendungen erst nach der Fertigstellung des Gebäudes von B gefordert und - als dies nicht zu erlangen war - begonnen hat, die Mängel auf eigene Kosten zu beheben. Aufwand, der zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehört, wird nicht allein dadurch zu Erhaltungsaufwand, daß er erst zu einem Zeitpunkt anfällt, der nach dem Beginn der bestimmungsgemäßen Nutzung liegt (vgl. Urteil des Senats in BFHE 141, 237, BStBl II 1984, 702 zu nachträglichen Herstellungskosten).

Der Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht vom Urteil des III. Senats des BFH vom 19. Juli 1985 III R 170/80 (BFH/NV 1986, 24) ab, weil in dem dort entschiedenen Fall die zu Instandsetzungsarbeiten führenden Schäden erst nach der steuerlichen Fertigstellung des Gebäudes entstanden sind.

3. Im Streitfall ist es unerheblich, daß der Kläger mit der Widerklage hilfsweise für den Fall Schadensersatz begehrte, daß die Mängelbeseitigung unzumutbar bzw. unmöglich war. Denn das Ziel des Prozesses wurde dadurch nicht verändert. Ziel des Hauptantrags blieb nach wie vor die Leistung eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung. Die damit im Zusammenhang stehenden Prozeßkosten (vgl. zur Kostenentscheidung bei Klage und Widerklage Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 46. Aufl., Anhang § 253, Anm. 4) sind deshalb ebenfalls den Herstellungskosten zuzuordnen.

4. Das FA hat bereits im angefochtenen Steuerbescheid bei der Bemessung der Abschreibungsgrundlage die Prozeßkosten berücksichtigt und AfA in der zutreffenden Höhe gewährt. Die Klage ist mithin als unbegründet abzuweisen.