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BFH-Urteil vom 8.12.1987 (IX R 161/83) BStBl. 1988 II S. 433

1. Sonderbeiträge eines Abgeordneten an seine politische Partei sind nicht als Werbungskosten von den gemäß § 22 Nr. 4 Satz 1 EStG steuerpflichtigen Bezügen des Abgeordneten abziehbar.

2. Das Abzugsverbot für Wahlkampfkosten in § 22 Nr. 4 Satz 3 EStG verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz.

EStG § 22 Nr. 4; GG Art. 3.

Vorinstanz: FG Berlin (EFG 1984, 285)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 1979 und 1980 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war seit dem 1. April 1979 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Er erhielt in den Streitjahren -steuerpflichtige- Entschädigungen gemäß § 6 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin (Landesabgeordnetengesetz -LAbgG-) vom 21. Juli 1978 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin -GVBl Bln- S. 1497) von 33.750 DM (1979) und 45.000 DM (1980) und steuerfreie Kostenpauschalen gemäß § 7 Abs. 2 LAbgG von 8.100 DM (1979) und 10.400 DM (1980).

Von seinen Abgeordnetenbezügen trat der Kläger monatlich 400 DM als Sonderbeitrag an seine Partei ab, den die Parlamentsverwaltung unmittelbar abführte. Der Kläger begehrte -zum Teil im Einspruchsverfahren-, die an seine Partei abgeführten Beträge von 3.200 DM (1979) und 4.800 DM (1980) als nicht zugeflossen zu behandeln, außerdem im Jahre 1979 von ihm aufgewendete Wahlkampfkosten von 8.795 DM als Werbungskosten bei seinen sonstigen Einkünften abzuziehen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -FA-) berücksichtigte die Sonderbeiträge an die Partei im Rahmen der Höchstbeträge gemäß § 10b Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und gab dem Begehren im übrigen nicht statt. Die Einsprüche und die Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führt in seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 285 veröffentlichten Urteil zu den im Revisionsverfahren noch streitigen Fragen im wesentlichen aus, die Entschädigungen seien dem Kläger auch in Höhe der Sonderbeiträge an die Partei zugeflossen. Er habe die wirtschaftliche Verfügungsmacht darüber erlangt; denn er habe mit der Abtretung tatsächlich über diese Beträge verfügt. Welche Umstände zur Abtretung geführt hätten, sei insoweit unerheblich. Ein Abzug der Sonderbeiträge an die Partei als Werbungskosten komme gemäß § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG nicht in Betracht, da es sich dabei um "durch das Mandat veranlaßte Aufwendungen" handle. Ebensowenig seien die vom Kläger persönlich getragenen Wahlkampfkosten als Werbungskosten abziehbar. § 22 Nr. 4 Satz 3 EStG, der den Abzug ausdrücklich ausschließe, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG und Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Sie tragen im wesentlichen vor, über die an die Partei abgeführten Beträge habe der Kläger wirtschaftlich nicht verfügen können. Wie sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ergebe, habe er sich der Abtretung eines Teilbetrags seiner Abgeordnetenbezüge an die Partei nicht widersetzen können. Bejahe man einen Zufluß bei ihm, so seien die Sonderbeiträge an die Partei als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften abziehbar; denn dabei handle es sich um Aufwendungen eigener Art, die ganz offensichtlich bei der in Orientierung am tatsächlichen Aufwand bemessenen Kostenpauschale nicht berücksichtigt worden seien. Würde man § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG dahingehend auslegen, daß auch Sonderbeiträge an die Partei unter das Abzugsverbot fallen würden, so wäre die Regelung wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG verfassungswidrig. Dem stehe das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. März 1983 VIII R 97/82 (BFHE 138, 430, BStBl II 1983, 601) nicht entgegen, da es darin um Aufwendungen zwecks persönlicher Werbung gegangen sei. Zur Frage der Wahlkampfkosten habe sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht ausdrücklich geäußert. Dem Urteil vom 5. November 1975 2 BvR 193/74 (BVerfGE 40, 296) lasse sich jedoch entnehmen, daß es Wahlkampfkosten als abziehbar habe behandelt wissen wollen. Das BVerfG habe nachdrücklich darauf hingewiesen, daß die Abgeordneten wegen des Gleichheitsgrundsatzes steuerlich nicht besser gestellt werden dürften. Darauf hinzuweisen, daß sie steuerlich nicht schlechter gestellt werden dürften, habe das BVerfG keinen Anlaß gehabt. Durch § 22 Nr. 4 Satz 3 EStG habe der Gesetzgeber die Einkommen der Abgeordneten jedoch nicht nach Grundsätzen, die für alle gleich seien, der Besteuerung unterworfen. Er habe sie vielmehr ungünstiger gestellt. Deshalb sei die Regelung wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG verfassungswidrig.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und abweichend vom Einkommensteuerbescheid für 1979 vom 18. März 1982 sonstige Einkünfte in Höhe von 21.755 DM und vom Einkommensteuerbescheid für 1980 vom 16. Dezember 1982 sonstige Einkünfte in Höhe von 40.200 DM der Besteuerung zugrunde zu legen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist unbegründet.

1. Zu Recht hat es das FG abgelehnt, die die Höchstbeträge gemäß § 10b Abs. 2 EStG 1979 und 1981 übersteigenden Sonderbeiträge des Klägers an seine Partei einkommensmindernd zu berücksichtigen. Die Entschädigungen gemäß § 6 Abs. 1 LAbgG unterliegen als Einnahmen gemäß § 22 Nr. 4 Satz 1 EStG in den Streitjahren in voller Höhe der Einkommensteuer. Die von der Zahlstelle des Abgeordnetenhauses unmittelbar an die Partei überwiesenen Sonderbeiträge sind dem Kläger zugeflossen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG; vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs -RFH- vom 22. September 1938 IV 123/38, RStBl 1938, 1093). Zufluß bedeutet Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1985 VIII R 15/83, BFHE 145, 538, BStBl II 1986, 342). Diese hatte der Kläger auch über den an seine Partei abgetretenen Teil seiner Abgeordnetenbezüge erlangt. Denn die Abtretung setzt die Verfügungsbefugnis des Klägers voraus. Ob er zur Abtretung verpflichtet war, ist unbeachtlich. Wirtschaftlich betrachtet stellt sich die direkte Zahlung an die Partei aufgrund der Abtretung so dar, als habe der Kläger einen Teil seiner Bezüge zur Zahlung der Sonderbeiträge verwendet.

Der Kläger kann die Sonderbeiträge an seine Partei nicht als Werbungskosten bei seinen sonstigen Einkünften abziehen. Der Senat läßt offen, ob im Hinblick auf die Regelung in § 10b Abs. 2 EStG Beiträge und Spenden an politische Parteien Werbungskosten sein können. Selbst wenn man das bejahen würde, verbietet § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG den Abzug der durch das Mandat veranlaßten Aufwendungen als Werbungskosten; denn zur Abgeltung des durch das Mandat veranlaßten Aufwands wird eine -steuerfreie (vgl. § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG) - Aufwandsentschädigung gezahlt. Der Kläger erhält gemäß § 7 Abs. 2 LAbgG eine monatliche Kostenpauschale "für Schreibarbeiten, Porto, Telefon und Fahrkosten". Wie der BFH mit Urteil in BFHE 138, 430, BStBl II 1983, 601 entschieden hat, reicht die Gewährung einer Kostenpauschale, wie sie in § 7 Abs. 2 LAbgG vorgesehen ist, bereits aus, um den Abzug jeglicher durch das Mandat veranlaßter Aufwendungen auszuschließen. Es kommt nicht darauf an, ob die Kostenpauschale die Aufwendungen der Art und Höhe nach decken soll oder deckt. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des genannten Urteils.

Daß die Regelung in § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG insbesondere auch Leistungen an die Partei vom Abzug als Werbungskosten ausschließen sollte, ist den Gesetzesmaterialien zu entnehmen. In der Begründung zu dem auf dem sog. Diätenurteil des BVerfG in BVerfGE 40, 296, 316 beruhenden Entwurf des Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestags (Abgeordnetengesetz - AbgG -) ist dazu ausgeführt: "Dieses Abzugsverbot hat zur Folge, daß Partei- und Fraktionsbeiträge nicht als Werbungskosten abziehbar sind. Diese Lösung ist jedoch unabhängig von der Gestaltung des Werbungskostenabzugs, denn sie ergibt sich zwingend aus den Feststellungen des Urteils, wonach die Abgeordnetenbezüge nach Grundsätzen zu besteuern sind, die für alle gleich sind. Für die Partei- und Fraktionsbeiträge bedeutet dies, daß sie nur als Sonderausgaben im Rahmen der Höchstbeträge des § 10b Abs. 2 EStG geltend gemacht werden können" (BTDrucks 7/5531, 26; vgl. auch Zweites Gutachten zur Neuregelung der Diäten der Mitglieder des Bundestags des Beirats für Entschädigungsfragen beim Präsidium des Deutschen Bundestags, BTDrucks 7/5531, 32, 48).

Der Senat vermag nicht zu erkennen, inwiefern der Kläger durch § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG in einer den Gleichheitssatz verletzenden Weise dadurch benachteiligt sein soll, daß er seine Sonderbeiträge an die Partei nicht als Werbungskosten abziehen kann. Der Kläger hat nicht einmal dargetan, daß die steuerfreie Kostenpauschale seine Beiträge an die Partei, soweit diese den Höchstbetrag des § 10b Abs. 2 EStG 1979 und 1981 überstiegen haben, tatsächlich nicht gedeckt hat (vgl. v. Arnim in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 48 GG RdNr. 216). Im übrigen können Beiträge und Spenden an politische Parteien nur bis zu einem Höchstbetrag das Einkommen eines Steuerpflichtigen mindern. Nach der Rechtsprechung des BVerfG gebieten der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien (Art. 21 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG) und der Grundsatz der gleichen Teilhabe der Bürger an der politischen Willensbildung diese Abzugsbeschränkung (vgl. Urteile vom 24. Juni 1958 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51, 64 f.; vom 3. Dezember 1968 2 BvE 1, 3, 5/67, BVerfGE 24, 300, 357 f.; vom 24. Juli 1979 2 BvF 1/78, BVerfGE 52, 63, 88; vom 14. Juli 1986 2 BvE 2/84, 2 BvR 442/84, BStBl II 1986, 684, 693).

2. Zutreffend hat das FG den Abzug der vom Kläger getragenen Wahlkampfkosten als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften versagt und die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Nr. 4 Satz 3 EStG bejaht. Nach dieser Vorschrift dürfen Wahlkampfkosten zur Erlangung eines Mandats im Bundestag, im Europäischen Parlament oder im Parlament eines Landes nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Das Abgeordnetenhaus von Berlin ist ein Landesparlament im Sinne dieser Vorschrift. Schon nach dem Wortlaut des § 22 Nr. 4 Satz 3 EStG ist der Abzug von Wahlkampfkosten für die Erlangung eines Mandates in eines der dort genannten Parlamente als Werbungskosten ausgeschlossen. Diese am Wortlaut orientierte Auslegung entspricht auch dem Regelungszweck dieser Vorschrift, wie durch die Gesetzesmaterialien belegt wird. In der amtlichen Begründung zum Entwurf des AbgG ist dazu ausgeführt, daß von einer steuerlichen Berücksichtigung der Wahlkampfkosten abgesehen werde, weil nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluß vom 9. März 1976 2 BvR 89/74, BVerfGE 41, 399) auch ein nicht parteigebundener Bewerber um ein Bundestags- oder Landtagsmandat einen Anspruch auf Wahlkampfkostenerstattung aus der Staatskasse habe. Außerdem berge die steuerliche Berücksichtigung wegen der je nach Einkommenshöhe unterschiedlichen steuerlichen Auswirkungen die Gefahr in sich, den Grundsatz der Chancengleichheit aller Wahlbewerber zu beeinflussen (BTDrucks 7/5531, 26, 27; vgl. auch Bericht des Zweiten Sonderausschusses BTDrucks 7/5903, 7).

Der Ausschluß des Abzugs von Wahlkampfkosten als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz bedeutet einmal, daß bei der Auswahl der Tatbestände, für die eine gesetzliche Regelung getroffen wird, sachgemäß, d.h. nach Gesichtspunkten, die sich aus der Art der zu regelnden Lebensverhältnisse ergeben, in diesem Sinne also nicht willkürlich verfahren wird und zum anderen, daß die vom Gesetz erfaßten Tatbestände in sich gleichmäßig geregelt werden; Differenzierungen sind dabei nicht ausgeschlossen, wenn sie in tatsächlichen Verschiedenheiten der Lebensverhältnisse ihren Grund haben, deren Berücksichtigung für eine am Gerechtigkeitsdenken orientierte Betrachtungsweise notwendig oder doch gerechtfertigt erscheint. Dem Gesetzgeber bleibt dabei im einzelnen ein weiter Ermessensbereich (BVerfG-Beschluß vom 21. Juli 1955 1 BvL 33/51, BVerfGE 4, 219, 243, 244).

Die Regelung in § 22 Nr. 4 Satz 3 EStG ist schon deshalb nicht willkürlich, weil sich die Wahlkampfkosten von vorabentstandenen Werbungskosten und Betriebsausgaben bei den übrigen steuerpflichtigen Einkünften wesentlich unterscheiden. Seit der Vollalimentation der Abgeordneten aufgrund des sog. Diätenurteils des BVerfG (BVerfGE 40, 296) ist zwar nicht auszuschließen, daß der einzelne Wahlbewerber die Aufwendungen für den Wahlkampf auch erbringt, um die einem Mandatsträger zustehenden Einnahmen zu erlangen. Die Aufwendungen dienen jedoch stets zugleich der dem Bereich der Lebensführung zuzurechnenden Verfolgung und Durchsetzung politischer Ziele. Außerdem erhalten Parteien und Einzelbewerber unter bestimmten Voraussetzungen die Wahlkampfkosten erstattet (vgl. für den vorliegenden Fall das Gesetz über die Erstattung der Wahlkampfkosten für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus vom 24. Oktober 1978, GVBl Bln 1978, 2107), so daß für parteigebundene Wahlbewerber der Ersatz ihrer Aufwendungen für den Wahlkampf durch die Partei in Betracht kommt. Schließlich würde die Abziehbarkeit von Wahlkampfkosten als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften die Ungleichheit zwischen einkommensstarken und einkommensschwachen Bewerbern noch verschärfen und damit dem aus Art. 38 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Chancengleichheit aller Wahlbewerber zuwiderlaufen (BVerfGE 41, 399, 424).

Eine Verletzung des Gleichheitssatzes kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß nach der Rechtsprechung des BFH Wahlkampfkosten von Bewerbern für ein kommunales Spitzenamt, das mit steuerpflichtigen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit verbunden ist, als Werbungskosten abziehbar sind (Urteil vom 8. März 1974 VI R 198/71, BFHE 112, 58, BStBl II 1974, 407). Die Tätigkeit eines kommunalen Spitzenbeamten als des Leiters einer Gemeindeverwaltung ist mit derjenigen eines Abgeordneten der in § 22 Nr. 4 Satz 3 EStG genannten Parlamente nicht vergleichbar. Abgeordnete der Gemeindeparlamente, die im übrigen wegen der unterschiedlichen Aufgabenstellung ebenfalls nicht vergleichbar sind, erhalten für ihre ehrenamtliche Tätigkeit nur steuerfreie Aufwandsentschädigungen.