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BFH-Urteil vom 8.12.1987 (IX R 255/87) BStBl. 1988 II S. 435

Auch der erfolglose Bewerber um ein Bundestagsmandat kann seine Wahlkampfkosten nicht als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften abziehen.

EStG § 22 Nr. 4 Satz 3; GG Art. 3.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) nahm als Direktkandidat seiner Partei für den ihm zugewiesenen Wahlbezirk an der Bundestagswahl 1980 teil. Durch den Wahlkampf entstanden ihm Aufwendungen für Fahrten mit dem eigenen PKW, Telefon und Personal in Höhe von 3.966,37 DM. Er wurde nicht in den Bundestag gewählt. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte er die Wahlkampfkosten als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte - auch in der Einspruchsentscheidung - den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten ab.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus, dem Abzug der Wahlkampfkosten als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften stehe § 22 Nr. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entgegen. Diese Vorschrift unterscheide nach ihrem Wortlaut nicht zwischen Wahlkampfkosten für eine erfolgreiche und solche für eine erfolglose Kandidatur zum Bundestag. Der Gesetzeszweck, die Chancengleichheit aller Wahlbewerber zu gewährleisten, sei gleichermaßen bei einer erfolgreichen wie einer erfolglosen Kandidatur zu beachten.

Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß Verletzung des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) durch § 22 Nr. 4 Satz 3 EStG, soweit die Vorschrift nicht zwischen erfolgreicher und erfolgloser Kandidatur zum Bundestag bzw. Landtag unterscheide. Insoweit liege eine Regelungslücke vor, die in Anknüpfung an § 11 des Abgeordnetengesetzes (AbgG) verfassungskonform geschlossen werden könne. Eine Chancengleichheit zwischen Wahlkreisbewerbern, die bereits ein Bundestagsmandat einnähmen und sonstigen Kandidaten sei im Hinblick auf die steuerfreien Aufwandspauschalen, die die Bundestags- bzw. Landtagsabgeordneten erhielten und die insbesondere die Wahlkreisarbeit und Aufwendungen künftiger Wahlkämpfe abdecken sollten, nicht gegeben. Im übrigen hätte sich das FG mit der Entscheidung des BFH vom 8. März 1974 VI R 198/71 (BFHE 112, 58, BStBl II 1974, 407) auseinandersetzen müssen, wonach Wahlkampfkosten in Zusammenhang mit kommunalen Vertretungsorganen als Werbungskosten zu berücksichtigen seien.

Der Kläger beantragt sinngemäß; die Vorentscheidung aufzuheben und bei der Einkommensteuerveranlagung für 1980 Wahlkampfkosten in Höhe von 3.967 DM als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Zu Recht hat das FG den Abzug der Wahlkampfkosten des Klägers als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften abgelehnt. Nach § 22 Nr. 4 Satz 3 EStG 1979 dürfen Wahlkampfkosten zur Erlangung eines Mandats im Bundestag, im Europäischen Parlament oder im Parlament eines Landes nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Nach dem möglichen Wortsinn der Vorschrift gilt dies unabhängig davon, ob die Kandidatur erfolgreich oder erfolglos war. Das Abzugsverbot für Wahlkampfkosten ist zwar im Anschluß an die Vorschriften über steuerpflichtige und steuerfreie Einnahmen der Abgeordneten geregelt. Das bedeutet jedoch nicht, daß es nur für diesen Personenkreis gilt. Für die Anwendung des Abzugsverbots des § 22 Nr. 4 Satz 3 EStG auch bei erfolgloser Kandidatur sprechen vielmehr die Regelungsabsicht und die Normvorstellungen des Gesetzgebers; denn der Gesetzgeber hat von der steuerlichen Berücksichtigung der Wahlkampfkosten u.a. deshalb abgesehen, weil sie wegen der je nach Einkommenshöhe unterschiedlichen steuerlichen Auswirkungen die Gefahr in sich birgt, den Grundsatz der Chancengleichheit aller Wahlbewerber zu beeinflussen (vgl. BTDrucks 7/5.531, 26, 27 und 7/5.903, 7). Eine Regelungslücke, wie der Kläger meint, liegt nicht vor.

Wie der Senat im Urteil vom heutigen Tag IX R 161/83 ausgeführt hat, verstößt es nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, daß Wahlkampfkosten zur Erlangung eines Mandats im Bundestag, im Europäischen Parlament oder im Parlament eines Landes im Gegensatz zu vorab entstandenen Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten bei den übrigen Einkunftsarten und im Gegensatz zu Wahlkampfkosten zur Erlangung eines kommunalen Spitzenamtes nicht einkommensmindernd geltend gemacht werden können. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen im Urteil IX R 161/83.

Entgegen der Auffassung des Klägers sieht der Senat den Gleichheitssatz auch nicht dadurch als verletzt an, daß erfolglose Bewerber und Abgeordnete, die sich wieder bewerben, hinsichtlich des Abzugsverbots für Wahlkampfkosten gleichbehandelt werden. Die Abgeordneten des Bundestags erhalten zur Abgeltung ihrer durch das Mandat veranlaßten Aufwendungen eine Amtsausstattung als Aufwandsentschädigung (§ 12 AbgG). Ihnen wird eine monatliche Kostenpauschale für die Unterhaltung eines Büros außerhalb des Sitzes des Bundestags, Büromaterial, Porto, Telefon außerhalb des Sitzes des Bundestags, Wahlkreisbetreuung, Mehraufwendungen am Sitz des Bundestags und bei Reisen mit Ausnahme von Auslands-Dienstreisen, Kosten für Fahrten in Ausübung des Mandats innerhalb der Bundesrepublik Deutschland gewährt. Der Senat verkennt nicht, daß Wahlkreisbetreuung und Wahlkampf möglicherweise nicht immer klar voneinander zu trennen sind. Die Kostenpauschale dient jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht der Erstattung von Wahlkampfkosten. Hiervon ist er bei der Bemessung der Pauschale auch ausgegangen (vgl. BTDrucks 7/5.531, 22, 48; 7/5.525, 8). Da mithin der Abgeordnete für seine Wahlkampfkosten keine steuerfreie Aufwandsentschädigung erhält und die Kosten nicht als Werbungskosten absetzen kann, erscheint es jedenfalls nicht unsachgerecht, den erfolglosen Wahlbewerber hinsichtlich des Abzugs von Werbungskosten ebenso zu behandeln.