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BFH-Urteil vom 5.2.1988 (III R 244/83) BStBl. 1988 II S. 436

Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des erhöhten Pauschbetrags gemäß § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG wegen ständiger Hilflosigkeit können bei Körperbehinderten, die in ihrer Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 v.H. gemindert sind, nur durch einen Ausweis nach § 3 Abs. 5 SchwbG (nunmehr § 4 Abs. 5 SchwbG n. F.) nachgewiesen werden.

EStG § 33b Abs. 3; EStDV § 65; SchwbG § 3 (SchwbG n.F. § 4).

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

I.

Der im Jahre 1949 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Körperbehinderter und lebt in der Pflegeanstalt in X. Nach einem amtsärztlichen Gutachten des Gesundheitsamtes der Stadt Y vom 18. Dezember 1970 leidet er an Debilität als Folge eines frühkindlichen Gehirnschadens. Aufgrund dieses Befundes bescheinigte der Amtsarzt, daß die dauernde Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers seit seiner Geburt 100 v.H. betragen habe und er ständig so hilflos sei, daß er ständiger Wartung und Pflege bedürfe. Nach einer Bescheinigung der Pflegeanstalt vom 7. November 1977 erforderte die geistige Behinderung des Klägers, der ständig pflegebedürftig sei, weiterhin die Unterbringung in einer Einrichtung für geistig Behinderte.

Am 4. Oktober 1979 erteilte das Versorgungsamt Z dem Kläger einen Schwerbehindertenausweis, in dem der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit für die Streitjahre (1978 und 1979) mit 80 v.H. festgestellt wurde. Die Eintragung des Merkzeichens "H" für dauernde Hilflosigkeit lehnte es ab.

Mit seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre beantragte der Kläger die Gewährung des erhöhten Pauschbetrages von 7.200 DM wegen dauernder Hilflosigkeit gemäß § 33b Abs. 3 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gewährte lediglich den Pauschbetrag nach § 33b Abs. 3 Satz 2 EStG in Höhe von 2.070 DM.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Mit seiner vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG i.V. m. § 65 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Er vertritt die Auffassung, § 65 Abs. 1 EStDV 1977 beziehe sich nicht auf den Pauschbetrag nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG, so daß der Nachweis für die Inanspruchnahme dieses Pauschbetrags an keine bestimmte Form gebunden sei.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 1978 und 1979 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin gehend zu ändern, daß anstelle des Pauschbetrags von 2.070 DM der Pauschbetrag von 7.200 DM berücksichtigt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Das FG ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß der Kläger die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des erhöhten Pauschbetrags gemäß § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG in der nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 EStDV vorgeschriebenen Form hätte nachweisen müssen.

1. Die in § 65 EStDV festgelegte Nachweisform bezieht sich bereits nach dem klaren Wortlaut der Regelung auch auf den auf 7.200 DM erhöhten Pauschbetrag, der Blinden und Körperbehinderten gewährt wird, die infolge der Körperbehinderung ständig so hilflos sind, daß sie nicht ohne fremde Wartung und Pflege bestehen können (§ 33b Abs. 3 Satz 3 EStG). Denn nach dieser Vorschrift, die in § 33b Abs. 6 EStG eine ausreichende Rechtsgrundlage hat, sind die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Pauschbeträge nach § 33b Abs. 2 und 3 des Gesetzes nachzuweisen. Zu diesen Pauschbeträgen rechnet auch der erhöhte Pauschbetrag des § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. September 1984 VI R 164/80, BFHE 142, 377, BStBl II 1985, 129, zum Verhältnis des erhöhten Pauschbetrags zu den anderen Pauschbeträgen).

Wird der Pauschbetrag des § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG von Steuerpflichtigen beantragt, die in ihrer Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 v.H. gemindert sind, so sind die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Körperbehinderten-Pauschbetrags grundsätzlich durch einen Ausweis nach § 3 Abs. 5 des Schwerbehindertengesetzes - SchwbG - (nunmehr § 4 Abs. 5 i. d. F. der Bekanntmachung vom 26. August 1986 - SchwbG n. F. -, BGBl I 1986, 1.421) nachzuweisen. Der Ausweis wird von den für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden (den Versorgungsämtern) aufgrund von Feststellungen über die Art der Behinderung ausgestellt (vgl. § 4 Abs. 5 SchwbG n. F.; zur Übertragung der Zuständigkeit auf andere Behörden im Falle der Ausweisverlängerung vgl. Jung/Cramer, Schwerbehindertengesetz, Kommentar, 3. Aufl., § 4 Anm. 7). Die Finanzbehörden sind an die von den Versorgungsämtern hinsichtlich der einschlägigen gesundheitlichen Merkmale getroffenen Feststellungen gebunden (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 13. Dezember 1985 III R 204/81, BFHE 145, 545, BStBl II 1986, 245).

2. Die Regelung des § 65 EStDV steht im Einklang mit den Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes.

Die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden haben nicht nur das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der auf ihr beruhenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (nunmehr Grad der Behinderung) zu ermitteln, sondern nach § 4 Abs. 4 SchwbG n. F. auch die erforderlichen Feststellungen zu treffen, soweit neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind. Nachteilsausgleiche sind nach § 48 SchwbG n. F. Hilfen für Behinderte zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder Mehraufwendungen. Die Feststellungen sind ohne Rücksicht darauf zu treffen, auf welcher Rechtsgrundlage die Nachteilsausgleiche beruhen (vgl. Jung/Cramer, a.a.O., § 4 Anm. 14). Ziel der durch Art. 2 Nr. 1c des Achten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes vom 14. Juni 1976 - 8. AnpG-KOV - (BGBl I 1976, 1.481) eingeführten und damit bereits in den Streitjahren anwendbaren Regelung des § 4 Abs. 4 SchwbG n. F. war es, für die verschiedensten Vergünstigungen einheitliche Grundlagen zu schaffen (Wilrodt/Neumann, Schwerbehindertengesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 3 Rdnr. 3a). Die Behörden der Versorgungsverwaltung haben im Schwerbehindertenrecht nicht über soziale Leistungen zu entscheiden, sondern stellvertretend für andere Verwaltungen in ausschließlicher Zuständigkeit die gesundheitlichen Voraussetzungen festzustellen, die außerhalb ihrer eigenen Zuständigkeit verschiedenartige Berechtigungen auslösen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 6. Oktober 1981 9 RVs 3/81, BSGE 52, 168). Bescheinigungen anderer Behörden (z.B. amtsärztliche Gutachten) sind deshalb zum Nachweis der gesundheitlichen Merkmale, von denen die Gewährung des erhöhten Pauschbetrags des § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG abhängt, nicht geeignet.

3. Ist ein Steuerpflichtiger infolge seiner Körperbehinderung ständig so hilflos, daß er nicht ohne fremde Wartung und Pflege bestehen kann, so ist im Ausweis nach § 4 Abs. 5 SchwbG n. F. das Merkzeichen "H" einzutragen. Entgegen der Auffassung der Revision stimmt dieses die Hilflosigkeit kennzeichnende Merkmal mit dem Begriff der Hilflosigkeit in § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG überein. Dies folgt bereits unmittelbar aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Vierten Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes vom 15. Mai 1981 - SchwbAwV - (BGBl I 1981, 431), wonach im Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "H" einzutragen ist, wenn der Schwerbehinderte hilflos i. S. des § 33b EStG oder entsprechender Vorschriften ist. Allerdings war nach den Ausweisrichtlinien, die während der Streitjahre galten, das Merkmal "H" vorgesehen, falls die Hilflosigkeit als gesundheitliche Voraussetzung in gleicher Weise wie für einen Anspruch auf Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 BVG bestand (Richtlinien über Ausweise für Schwerbeschädigte und Schwerbehinderte - Stand: Januar 1977, Beilage zu Heft 3/4, Bundesversorgungsblatt 1977). Hiernach mußte der Behinderte so hilflos sein, daß er für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang fremder Hilfe dauernd bedurfte. Die Umschreibung der Hilflosigkeit in § 35 Abs. 1 BVG stimmt jedoch inhaltlich weitgehend mit der Legaldefinition des § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG überein. Dieses gesundheitliche Merkmal war deshalb auch in den Streitjahren im Sinne der letztgenannten Vorschrift zu ermitteln (vgl. auch Urteil des BSG vom 6. November 1985 9a RVs 10/84, BSGE 59, 103).

4. Die amtsärztliche Bescheinigung vom 18. Dezember 1970 kann auch nicht im Hinblick auf die Übergangsregelung in § 65 Abs. 2 EStDV als ausreichender Nachweis angesehen werden. Nach dieser, der Regelung des Art. 3 8. AnpG-KOV entsprechenden Vorschrift gelten als Nachweis über das Vorliegen einer Behinderung bestimmte amtliche Bescheinigungen, die vor Inkrafttreten des 8. AnpG-KOV am 20. Juni 1976 erteilt worden sind, bis zum Ablauf ihres derzeitigen Geltungszeitraums (vgl. auch Abschn. 194 Abs. 7 der Einkommensteuer-Richtlinien und Abschn. 70 Abs. 7 der Lohnsteuer-Richtlinien). Nach den Feststellungen des FG, die mangels Verfahrensrügen für den erkennenden Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), bezogen sich die Angaben im Schwerbehindertenausweis vom 4. Oktober 1979 auf beide Streitjahre, so daß schon aus diesem Grund die amtsärztliche Bescheinigung für diesen Zeitraum nicht mehr als Nachweis geeignet war.