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BFH-Urteil vom 27.1.1988 (I R 387/83) BStBl. 1988 II S. 454

Werden gegenüber dem Kommanditisten einer GmbH & Co. KG Verlustanteile mit dessen Guthabenzinsen und Tantiemeguthaben saldiert und nur der saldierte Betrag auf dem Gesellschafter- Verlustkonto ausgewiesen, so kann hierin ein gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 4 Buchst. b KVStG 1972 gesellschaftsteuerpflichtiger Verzicht auf die Vorabvergütungen oder aber die nicht gesellschaftsteuerbare Durchführung einer Gewinn- und Verlustverteilungsabrede liegen. Zur Abgrenzung ist darauf abzustellen, ob die Vereinbarung von Vorabvergütungen sich als Forderung des Gesellschafters unmittelbar gegenüber der Gesellschaft darstellt.

KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 Buchst. b; HGB §§ 120, 167, 168.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, deren Komplementärin die S-GmbH und deren Kommanditisten ES und HS waren. Nach dem Gesellschaftsvertrag waren die vereinbarten Gesellschafter-Einlagen auf sog. Kapitalfestkonten auszuweisen. Gewinne und Verluste sowie Entnahmen und weitere Einlagen wurden auf einem darlehensmäßig geführten Sonderkonto ausgewiesen. Außerdem bestanden Gesellschafter- Verlustkonten. Bei der Gewinn- und Verlustverteilung sollten die darlehensmäßig geführten Konten vorab mit 5 v.H. verzinst werden. Außerdem versprachen die Gesellschafter der Klägerin durch Beschluß vom 24./31. März 1975 dem ES für seine Tätigkeit im Betrieb der Klägerin eine Mindesttantieme von 90.000 DM pro Geschäftsjahr, die auch in Verlustjahren zu zahlen war.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) stellte in einer Außenprüfung fest, daß die Klägerin in den Geschäftsjahren 1974/75 bis 1977/78 Verluste erlitten hatte. Die Verluste waren mit den Guthabenzinsen der Gesellschafter und der Mindesttantieme des ES verrechnet worden. Nur der Saldo war den Gesellschafter-Verlustkonten zugeführt worden. Das FA beurteilte diese Verrechnung als Verzicht der Gesellschafter auf die ihnen zustehende Vorabverzinsung sowie als Verzicht des ES auf seine Mindesttantieme. Die Verzichte behandelte das FA als gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972 gesellschaftsteuerpflichtige Leistung. Die Gesellschaftsteuer setzte es durch Bescheid vom 8. Mai 1979 fest.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 2 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 KVStG 1972.

Die Klägerin beantragte, die Vorentscheidung sowie den Gesellschaftsteuerbescheid vom 8. Mai 1979 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 29. November 1979 aufzuheben.

Das FA beantragte, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KVStG 1972 unterliegt der freiwillige Verzicht eines Gesellschafters auf eine Forderung gegenüber seiner inländischen Kapitalgesellschaft der Gesellschaftsteuer, wenn der Verzicht geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Zu diesen Tatbestandsvoraussetzungen hat das FG für den Streitfall in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Klägerin in den Geschäftsjahren 1974/75 bis 1977/78 ausschließlich Verluste erzielt hatte. Die auf die Gesellschafter entfallenden Verlustanteile waren mit deren Guthabenzinsen sowie mit dem Tantiemeguthaben von ES saldiert und der saldierte Betrag auf Gesellschafter-Verlustvortragskonten ausgewiesen worden. Das FG hat bereits auf Grund dieses Sachverhaltes Ansprüche der Gesellschafter gegenüber der Klägerin auf Grund separater schuldrechtlicher Vereinbarungen angenommen, auf die im Rahmen der Bilanzfeststellungen verzichtet worden sein soll. Das FG hat es mit Rücksicht auf die von der Klägerin erzielten Verluste für entbehrlich gehalten, den Gesellschaftsvertrag einerseits und den Gesellschafterbeschluß vom 24./31. März 1975 andererseits dahingehend auszulegen, ob die Vorabvergütungen nicht auch als Teil der Gewinn- bzw. Verlustverteilung zwischen den Gesellschaftern zu verstehen sein könnten. Das FG hat von dieser Prüfung und damit auch von den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen abgesehen, weil es die Auffassung vertreten hat, daß die Berücksichtigung von Vorabvergütungen im Rahmen einer Verlustverteilung im Verhältnis zu einem Kommanditisten undenkbar sei. Derartige Vorabvergütungen könnten im Verlustfall nur auf einer selbständigen schuldrechtlichen Vereinbarung beruhen. Diese Auffassung des FG ist jedoch fehlerhaft.

2. Die in § 167 Abs. 1 i.V.m. § 120 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) getroffene gesetzliche Regelung begrenzt den Kapitalanteil eines Kommanditisten der Höhe nach. Danach ist der Kapitalanteil eines Kommanditisten eine variable Größe, die auf dessen ursprünglicher Einlage aufbaut und der die Gewinnanteile des Kommanditisten hinzugezählt sowie von der dessen Verlustanteile und Entnahmen abgezogen werden (§ 167 Abs. 1 i.V.m. § 120 Abs. 2 HGB). Nach § 167 Abs. 2 HGB sollen Gewinne dem Kapitalanteil des Kommanditisten nur solange und soweit zugeschrieben werden, bis der Kapitalanteil den Betrag der "bedungenen Einlage" erreicht. Darüber hinausgehende Gewinnanteile sollen dem Kommanditisten ausbezahlt werden; er hat nicht das Recht, sie in der Gesellschaft stehen zu lassen. Nach § 167 Abs. 3 HGB nimmt der Kommanditist am Verlust der Gesellschaft nur "bis zum Betrag seines Kapitalanteils und seiner noch rückständigen Einlage teil".

Das dem HGB zugrunde liegende System der variablen Kapitalanteile und der unterschiedlichen Beteiligung der Komplementäre und Kommanditisten am Gewinn und Verlust der Gesellschaft wird in vielen Gesellschaftsverträgen durch ein kombiniertes System fester und beweglicher Kapitalkonten ersetzt. Das System fester und beweglicher Kapitalkonten wird häufig gleichermaßen sowohl für Komplementäre als auch für Kommanditisten vereinbart. Dabei wird regelmäßig sowohl § 167 Abs. 3 als auch § 168 Abs. 1 HGB abbedungen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), ist auch im Gesellschaftsvertrag der Klägerin so verfahren worden. Für alle Gesellschafter wurden feste Kapitalanteile mit geteilten Kapitalkonten vereinbart. Gegenüber allen Gesellschaftern sollten die Gewinne und die Verluste der Gesellschaft nach einheitlichen Grundsätzen verteilt werden. Für alle Gesellschafter wurden dem Grunde nach vergleichbare "laufende Konten" (Kapitalkonten II) eingerichtet. Damit waren die gesetzlichen Regelungen der §§ 167, 168 HGB gesellschaftsvertraglich abbedungen. Das FG hätte deshalb für die Beurteilung der maßgeblichen Streitfrage auf die genannten Vorschriften nicht zurückgreifen dürfen, sondern unter Auslegung des Gesellschaftsvertrages über das Bestehen separater schuldrechtlicher Forderungen entscheiden müssen.

3. Das FG hat zwar den Inhalt der maßgeblichen Vorschriften des Gesellschaftsvertrages und des Gesellschafterbeschlusses vom 24./31. März 1975 in tatsächlicher Hinsicht festgestellt. Dennoch ist es dem erkennenden Senat versagt, auf der Grundlage dieser Feststellungen selbst eine Auslegung vorzunehmen. Die Auslegung obliegt dem FG. Es ist deshalb allein Aufgabe des FG, die fehlende Würdigung tatsächlicher Art nachzuholen, soweit es auf sie entscheidungserheblich ankommt.

4. Im Streitfall kommt es auf die bisher fehlende Auslegung des Gesellschaftsvertrages und des Gesellschafterbeschlusses vom 24./31. März 1975 sowohl für die Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KVStG 1972 als auch für die alternativ in Betracht kommende Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 an. Nach der zuletzt genannten Vorschrift unterliegen Leistungen der Gesellschaftsteuer, die von den Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden. Von einer entsprechenden Leistung könnte im Streitfall allenfalls dann ausgegangen werden, wenn ein Verzicht der Gesellschafter auf Forderungen unmittelbar gegenüber der Klägerin festzustellen wäre. Dies ist jedoch wegen der insoweit fehlenden tatsächlichen Feststellungen des FG nicht der Fall. § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 würde auch dann noch zusätzlich den Verzicht auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung voraussetzen. Zu dieser Tatbestandsvoraussetzung fehlt ebenfalls jede tatsächliche Feststellung des FG. Kommt es deshalb auf die Auslegung des Gesellschaftsvertrages und des Gesellschafterbeschlusses vom 24./31. März 1975 an, so war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

5. Im zweiten Rechtszug wird das FG beachten müssen, daß nach den Grundsätzen der Vertragsfreiheit der Sonderbeitrag eines Gesellschafters nicht nur durch eine erhöhte Quote am (positiven) Gewinn, sondern ebenso durch eine geminderte Quote am Verlust der Gesellschaft ausgeglichen werden kann. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine solche Vereinbarung eine Forderung des Gesellschafters unmittelbar gegenüber der Gesellschaft begründet oder ob sie ihrer Art nach nur die Gewinn- oder Verlustverteilung unter den Gesellschaftern betrifft, wird u.a. auf den Ausweis in der Handelsbilanz der Gesellschaft zurückgegriffen werden müssen. Sollte sich die Vereinbarung als eine Verbindlichkeit der Gesellschaft darstellen, so muß diese sie in der Handelsbilanz als solche ausweisen. Das Fehlen eines entsprechenden Bilanzansatzes ist deshalb Indiz dafür, daß die Gesellschafter die Vereinbarung nicht als Verbindlichkeit der Gesellschaft angesehen haben.