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BFH-Urteil vom 9.12.1987 (I R 384/83) BStBl. 1988 II S. 458

1. Die Umwandlung einer Rücklage in gezeichnetes Kapital ohne Begründung zusätzlicher Einlageverpflichtungen des Kommanditisten ist bei einer GmbH & Co. KG eine gesellschaftsteuerbare Leistung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972. Sie ist gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a KVStG 1972 von der Gesellschaftsteuer befreit, wenn das gezeichnete Kapital durch Umwandlung offener Rücklagen erhöht worden ist, d.h. wenn die dem gezeichneten Kapital zugeführten Beträge vor ihrer Umwandlung aus der gesamthänderischen Bindung nicht entlassen waren.

2. Die Umwandlung von Rechten oder Forderungen eines stillen Gesellschafters in eine erhöhte Einlage ist bei einer GmbH & Co. KG eine gesellschaftsteuerbare Leistung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972, wenn der stille Gesellschafter keine neuen Gesellschaftsrechte erhält und die stille Gesellschaft am Handelsgewerbe einer Kapitalgesellschaft i.S. des § 5 KVStG 1972 besteht. Die Leistung ist nur unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b KVStG 1972 von der Gesellschaftsteuer befreit.

KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 3, § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 3, Abs. 2, § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b und Satz 2.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1983, 143)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin seit dem 2. Januar 1974 die K-GmbH ist. Die Kapitaleinlage der K-GmbH betrug 50.000 DM. Alleinige Kommanditistin der Klägerin war H mit einer Einlage von 5 Mio DM. Außerdem war K atypisch stiller Gesellschafter mit einer Einlage von ebenfalls 5 Mio DM.

Sowohl nach dem Gesellschaftsvertrag als auch nach dem Vertrag über die Errichtung einer atypisch stillen Gesellschaft sollten die Kapitaleinlagen die Beteiligungsverhältnisse an der Klägerin widerspiegeln und als Festkapitalkonten geführt werden. Einlagen, Entnahmen und Gewinngutschriften bzw. Verlustlastschriften sollten auf Darlehenskonten erfaßt werden, die zu verzinsen waren. Am Gewinn und Verlust der Klägerin sollten die Gesellschafter im Verhältnis ihrer festen Einlagen beteiligt sein.

Nach § 8 Buchst. c des Gesellschaftsvertrages sollten zum Zwecke der Erhöhung der Kapitalanteile der Gesellschafter 25 v.H. des festgestellten Gewinns einer offenen Reserve zugeführt werden, die in Kapital umzuwandeln war, sobald sie die Höhe von 20 v.H. des Gesellschaftskapitals erreicht hatte. Eine gleichlautende Vorschrift enthielt der Vertrag über die Errichtung einer atypisch stillen Gesellschaft mit K.

Die Klägerin ging entsprechend den Vereinbarungen vor und wies die den offenen Reserven zugeführten Beträge auf Festdarlehenskonten der Gesellschafter aus. Das zugunsten von H geführte Festdarlehenskonto hatte zum 31. Dezember 1974 einen Stand von 448.657 DM und zum 31. Dezember 1975 einen solchen von 1.166.664 DM. Von dem zuletzt genannten Betrag wurde 1 Mio DM auf das Festkapitalkonto der H zwecks Erhöhung desselben auf 6 Mio DM umgebucht, weshalb auf dem Festdarlehenskonto nur noch der Betrag von 166.664 DM zum 31. Dezember 1975 verblieb. Gleichlautende Buchungen wurden für K vorgenommen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah in der Erhöhung der Kapitalfestkonten von H und K um jeweils 1 Mio DM einen nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972 gesellschaftsteuerpflichtigen Vorgang. Er setzte durch Bescheid vom 13. Januar 1978 die Gesellschaftsteuer auf 20.000 DM fest.

Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Es setzte die Gesellschaftsteuer auf 11.026,80 DM herab. Das FG-Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 143 veröffentlicht.

Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 a KVStG 1972.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 unterliegen nur Leistungen der Gesellschaftsteuer, die ein Gesellschafter gegenüber einer Kapitalgesellschaft bewirkt. Dazu regelt § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972, daß als Kapitalgesellschaft i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 auch eine KG gilt, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine der in § 5 Abs. 1 KVStG 1972 bezeichneten Gesellschaften gehört.

Zu dieser Voraussetzung hat das FG in einer den erkennenden Senat bindenden Weise (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, daß die Klägerin ab dem 2. Januar 1974 eine KG mit einer GmbH als persönlich haftender Gesellschafterin war. Damit war die Klägerin auch am 31. Dezember 1975 noch eine Kapitalgesellschaft i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972.

2. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 unterliegen nur solche Leistungen der Gesellschaftsteuer, die ein Gesellschafter der Kapitalgesellschaft dieser gegenüber bewirkt. Dazu folgt aus § 6 Abs. 2 KVStG 1972, daß Gesellschafter die Personen sind, denen die in § 6 Abs. 1 KVStG 1972 bezeichneten Gesellschaftsrechte zustehen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 gehören zu den Gesellschaftsrechten Anteile an einer Kapitalgesellschaft i.S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972. Nach den auch insoweit bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war H als Kommanditistin an der Klägerin beteiligt. Damit standen ihr Gesellschaftsrechte i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 an einer Kapitalgesellschaft i.S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 zu. K war zwar nur als stiller Gesellschafter i.S. des § 335 des Handelsgesetzbuches (HGB) a.F. an dem Handelsgewerbe der Klägerin beteiligt. Jedoch stand ihm deshalb eine Forderung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG 1972 zu, die eine Beteiligung am Gewinn der Klägerin gewährte. Damit war auch er Gesellschafter der Klägerin i.S. des § 6 Abs. 2 KVStG 1972.

3. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 sind nur solche Vorgänge gesellschaftsteuerpflichtig, die sich als eine vom Gesellschafter an die Kapitalgesellschaft bewirkte Leistung darstellen. An dem Vorliegen dieser Voraussetzung könnten im Streitfall deshalb Zweifel bestehen, weil das FG von einer Erhöhung des gezeichneten Kapitals der Klägerin bzw. der Einlage des K durch Umwandlung von offenen Rücklagen ausgegangen ist. In einem solchen Fall fehlt es an der Zuführung neuer Mittel an die Kapitalgesellschaft. Jedoch stellt § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 darauf nicht ab.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 ist schon die Bildung offener Rücklagen gesellschaftsteuerpflichtig, wenn die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft die Mittel aus ihrem Privatvermögen zur Verfügung stellen. Werden allerdings die offenen Rücklagen aus dem Jahresüberschuß gebildet, so fehlt es an einem gesellschaftsteuerpflichtigen Vorgang, weil die Gewinnbeträge nicht aus der gesamthänderischen Bindung des Gesellschaftsvermögens entlassen worden sind. Auf diesem Hintergrund folgt im Umkehrschluß aus der Steuerbefreiungsvorschrift des § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KVStG 1972, daß die Umwandlung offener Rücklagen in gezeichnetes Kapital stets ein steuerbarer Vorgang i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 ist. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kapitalgesellschaft neue Mittel zufließen. Da § 7 Abs. 3 Satz 2 KVStG 1972 bei Kapitalgesellschaften i.S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 die Steuerbefreiung auch auf Rechtsvorgänge i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 ausdehnt, muß eine steuerbare Leistung i.S. der Vorschrift auch dann angenommen werden, wenn bei einer GmbH & Co. KG das gezeichnete Kapital erhöht wird, ohne daß zusätzliche Einlageverpflichtungen begründet werden. Die in § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KVStG 1972 angeordnete Steuerbefreiung hat ihren Grund darin, daß eine doppelte Besteuerung der Bildung offener Rücklagen einerseits und ihrer Umwandlung in gezeichnetes Kapital andererseits unterbleiben soll, wobei aus Vereinfachungsgründen auf die Prüfung der Frage verzichtet wird, ob die Bildung der Rücklage vor Umwandlung in gezeichnetes Kapital tatsächlich der Gesellschaftsteuer unterlegen hat. Ist aber die Umwandlung einer Rücklage in gezeichnetes Kapital bei einer GmbH & Co. KG stets eine Leistung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972, wenn neue Gesellschaftsrechte nicht ausgegeben werden, so hat H diese Leistung am 31. Dezember 1975 schon deshalb bewirkt, weil die auf ihrem Festdarlehenskonto gutgeschriebenen Mittel in Höhe von 1 Mio DM mit der Erhöhung ihres Festkapitalkontos verrechnet wurden, ohne daß H neue Gesellschaftsrechte an der Klägerin erworben hätte. Diese Leistung ging auf eine im Gesellschaftsverhältnis begründete Verpflichtung zurück, weil sie in § 8 Buchst. c des Gesellschaftsvertrages vereinbart war.

4. Für die Erhöhung der Einlage des K als stiller Gesellschafter am Handelsgewerbe der Klägerin gilt im Grundsatz Entsprechendes. Insoweit folgt aus § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b KVStG 1972 im Umkehrschluß, daß die Umwandlung von Rechten oder Forderungen eines stillen Gesellschafters in eine erhöhte Einlage als Leistung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 zu beurteilen ist, wenn der stille Gesellschafter keine neuen Gesellschaftsrechte erhält und wenn die stille Gesellschaft - wie im Streitfall - am Handelsgewerbe einer Kapitalgesellschaft besteht.

5. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a KVStG 1972 ist allerdings die Leistung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 von der Gesellschaftsteuer befreit, wenn das gezeichnete Kapital durch Umwandlung offener Rücklagen erhöht worden ist. Insoweit kommt es darauf an, ob die dem gezeichneten Kapital zugeführten Beträge vor ihrer Umwandlung aus der gesamthänderischen Bindung des Gesellschaftsvermögens entlassen waren oder nicht. Dazu hat das FG den Gesellschaftsvertrag der Klägerin vom 12. Juni 1973 in tatsächlicher Hinsicht dahin gewürdigt, daß dessen § 8 Buchst. c die unmittelbare Verpflichtung zur Bildung einer offenen Rücklage begründete und daß auch die Bezeichnung als "Fest"-Darlehenskonto auf den Fortbestand der gesamthänderischen Bindung hindeutet. Der erkennende Senat kann diese Würdigungen tatsächlicher Art wegen § 118 Abs. 2 FGO nur auf Verstöße gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze hin überprüfen. Solche Verstöße sind jedoch dem FG nicht unterlaufen. Dessen Würdigung war möglich. Ob sie die einzige mögliche Würdigung war und ob sie der erkennende Senat in gleicher Weise vorgenommen hätte, ist entscheidungsunerheblich. Die Einwendungen des FA gegen die Würdigung des FG gehen an der eigentlichen Streitfrage vorbei, weil auch das FA keine Verstöße gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze aufzeigt, sondern lediglich ausführt, daß es selbst den Vertrag anders würdigt. Diesem Vorbringen steht jedoch die aus § 118 Abs. 2 FGO sich ergebende Bindung des erkennenden Senats an die tatsächlichen Feststellungen des FG entgegen. Ist aber aufgrund der Vertragswürdigung durch das FG davon auszugehen, daß die zugunsten der H vollzogene Kapitalerhöhung durch Umwandlung von offenen Rücklagen bewirkt wurde, so ist die Leistung der H steuerfrei.

6. Gleiches gilt allerdings nicht für die von K i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 bewirkte Leistung. Aus der Abgrenzung der in § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b KVStG 1972 geregelten Steuerbefreiungstatbestände voneinander folgt nach Auffassung des erkennenden Senats, daß § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a KVStG 1972 immer nur dann anwendbar ist, wenn die offenen Rücklagen zugunsten solcher Personen in gezeichnetes Kapital umgewandelt werden, denen Gesellschaftsrechte i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 zustehen. Wird dagegen die Einlage eines stillen Gesellschafters erhöht, so findet eine Steuerbefreiung nur unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b KVStG 1972 statt. Diese Vorschrift macht die Steuerbefreiung davon abhängig, daß der Erwerb des Rechts bzw. der Forderung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG 1972 als Rechtsvorgang i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 der Gesellschaftsteuer unterlegen hat. Dazu, ob nicht schon die Zuführung von Beträgen zum "Fest"-Darlehenskonto des K der Gesellschaftsteuer unterlegen hat, hat jedoch das FG keine Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht getroffen. Deshalb kann der Senat über diese Frage nicht abschließend entscheiden.

7. Die Revision ist auch nicht aus anderen Gründen als unbegründet zurückzuweisen. Insbesondere schließt sich der erkennende Senat der Auffassung des II. Senats (vgl. Urteil vom 27. Februar 1980 II R 48/77, BFHE 130, 83, BStBl II 1980, 404) insoweit an, als die Anwendung des § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a KVStG 1972 die Zuführung des Gewinns zu den Rücklagen voraussetzt. Dies folgt aus dem Grund der in § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a KVStG 1972 angeordneten Steuerbefreiung. Die Vorschrift soll Doppelbesteuerungen vermeiden. Eine erstmalige Steuerpflicht tritt jedoch frühestens mit der Bildung von Rücklagen ein. Werden dagegen Gewinnansprüche unmittelbar in gezeichnetes Kapital umgewandelt, so ist diese Leistung immer nur einmal zu besteuern.

8. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG wird die tatsächlichen Feststellungen zu treffen haben, die erforderlich sind, um beurteilen zu können, ob die Zuführung von Beträgen zu dem "Fest"-Darlehenskonto K der Gesellschaftsteuer unterlegen hat. Aus diesem Grunde war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache war an das FG zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).