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BFH-Urteil vom 9.12.1987 (I R 260/83) BStBl. 1988 II S. 460

1. Eine Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 1 KStG 1977 ist erst mit dem Abfluß der Gewinnanteile (Dividenden) bei der Kapitalgesellschaft verwirklicht. Die Ausschüttungsbelastung entsteht erst in diesem Augenblick.

2. Verluste, die eine Kapitalgesellschaft gemäß § 10d EStG abzieht, sind im Abzugsjahr unabhängig von ihrem Ansatz in dem das Verlustentstehungsjahr betreffenden Körperschaftsteuerbescheid zu ermitteln (Abweichung von BFH-Beschluß vom 18. Mai 1983 I R 263/82, BFHE 138, 409, BStBl II 1983, 602).

KStG 1977 § 8 Abs. 3 und 4, § 27 Abs. 1 und 3, § 29 Abs. 1, §§ 41, 44, 47 Abs. 2 Satz 2; EStG §§ 10d, 43, 44.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

I.

An der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, waren der Gesellschafter-Geschäftsführer K mit einem Anteil in Höhe von 99 v.H. des Stammkapitals und der Prokurist P mit einem solchen von 1 v.H. beteiligt. Nach der Satzung der Klägerin sollten deren Bilanz innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Geschäftsjahres erstellt und der auszuschüttende Reingewinn nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile auf die Gesellschafter umgelegt werden.

Für das Streitjahr 1977 stellten die Gesellschafter der Klägerin einen Jahresüberschuß in Höhe von rd. 1.500 DM fest und beschlossen, davon 1.026 DM auszuschütten. In einer um die Jahreswende 1978/79 durchgeführten Außenprüfung stellte der Prüfer für die Jahre 1975 bis 1977 Mehrgewinne fest. In der Annahme, daß sich der Gewinn 1977 durch die Feststellungen des Prüfers um rd. 200.000 DM erhöhen werde, kamen die Gesellschafter schon wenige Tage nach der Schlußbesprechung am 7. Mai 1979 überein, "den erhöhten GmbH-Gewinn auszuschütten". In der Folgezeit erstellte die Klägerin berichtigte Bilanzen 1975 bis 1977. Die berichtigte Bilanz zum 31. Dezember 1977 wies neben dem Stammkapital von 100.000 DM Rücklagen in Höhe von 13.000 DM, Gewinnvorträge aus 1975 und 1976 in Höhe von 27.000 DM und einen Gewinn 1977 in Höhe von 113.000 DM aus. Aufgrund der Bilanzen beschlossen die Gesellschafter am 30. Juni 1979, noch vor Übersendung des Prüfungsberichtes,

für 1975 zusätzlich

15.000 DM

 

für 1976 zusätzlich

12.000 DM

und

für 1977 zusätzlich

111.400 DM

auszuschütten.

Für das Geschäftsjahr 1978 stellten die Gesellschafter am 19. Dezember 1979 eine Bilanz mit einem Jahresfehlbetrag von 200.000 DM fest. Sie kamen damals überein, daß "die Gewinnausschüttung 1977 in 1980 nicht erfolgt". Bei diesem Beschluß gingen sie davon aus, daß sich die Körperschaftsteuer 1977 infolge des beabsichtigten Verlustrücktrages reduzieren werde. Sie vertreten die Auffassung, der Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 19. Dezember 1979 habe den Ausschüttungsbeschluß vom 30. Juni 1979 mit zivil- und steuerrechtlicher Rückwirkung beseitigt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte gegenüber der Klägerin die Körperschaftsteuer 1977 am 4. August 1980 auf 82.595 DM fest. Dabei ging er von einem Einkommen 1977 in Höhe von 195.090 DM aus und errechnete die tarifliche Körperschaftsteuer mit 56 v.H. von 195.090 DM = 109.250 DM. Die tarifliche Körperschaftsteuer minderte er wegen der offenen Gewinnausschüttung um 5/16 von 112.897 DM = 35.281 DM und wegen einer dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen verdeckten Gewinnausschüttung in Höhe von 15.336 DM um 9/16 von 15.336 DM = 8.626 DM. Aus Gründen des § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 lehnte er den Rücktrag des Verlustes 1978 nach 1977 ab.

Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 8 Abs. 4 KStG 1977.

Es beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt.

Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 8 Abs. 4 KStG 1977 kann der Verlustrücktrag nach § 10d Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei Kapitalgesellschaften nur insoweit vorgenommen werden, als das Einkommen der Kapitalgesellschaft im Abzugsjahr den ausgeschütteten Gewinn übersteigt, der sich vor Abzug der Körperschaftsteuer ergibt und für den die Ausschüttungsbelastung herzustellen ist. Unter dem Einkommen einer Kapitalgesellschaft i. S. des § 8 Abs. 4 KStG 1977 ist nach der Systematik der Vorschrift der Betrag zu verstehen, der - ggf. nach Abzug eines Verlustes gemäß § 10d EStG und/oder gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 des Auslandsinvestitionsgesetzes (AIG) aus einem anderen Veranlagungszeitraum als demjenigen, dessen Verlust der Berechnung des Verlustrücktrages zugrunde liegt - als Bemessungsgrundlage für die tarifliche Körperschaftsteuer verbleibt. Abzugsjahr ist jeweils der Veranlagungszeitraum, für den der Verlustrücktrag geltend gemacht wird. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, begehrt die Klägerin den Rücktrag eines in 1978 erlittenen Verlustes auf den Veranlagungszeitraum 1977. Damit ist der Veranlagungszeitraum 1977 das Abzugsjahr i. S. des § 8 Abs. 4 KStG 1977. Das FG hat das Einkommen der Klägerin i. S. des § 8 Abs. 4 KStG 1977 für das Abzugsjahr 1977 zutreffend mit 195.090 DM festgestellt.

2. Nach § 8 Abs. 4 KStG 1977 sind von dem Einkommen im Abzugsjahr die ausgeschütteten Gewinne vor Körperschaftsteuer abzuziehen. Der Senat versteht unter den ausgeschütteten Gewinnen i. S. der Vorschrift die Summe der im Abzugsjahr vorgenommenen verdeckten und der für das Abzugsjahr vorgenommenen offenen Ausschüttungen zuzüglich der darauf entfallenden Ausschüttungsbelastung. Dies gilt jedenfalls für solche offenen Ausschüttungen, über die in dem Wirtschaftsjahr beschlossen wird, das auf das Wirtschaftsjahr folgt, auf das sich die Ausschüttung bezieht, und die während des erstgenannten Wirtschaftsjahres von der Kapitalgesellschaft abfließen. Der Ansatz der im Abzugsjahr vorgenommenen verdeckten und der für das Abzugsjahr vorgenommenen offenen Gewinnausschüttungen entspricht der Regelung des § 27 Abs. 3 KStG 1977. Auch wenn diese Vorschrift unmittelbar nur das Anrechnungsverfahren betrifft, so drückt doch die im Anrechnungsverfahren notwendige Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals auch das für Entlastungszwecke von der Körperschaftsteuer noch vorhandene Vermögen der Kapitalgesellschaft aus. Die Anwendung des § 27 Abs. 3 KStG 1977 entspricht deshalb einem Grundgedanken, der auch der Regelung des § 8 Abs. 4 KStG 1977 zugrunde liegt. Die Vorschrift will den Verlustrücktrag nur in der Höhe gestatten, in der unter Berücksichtigung der Gewinnausschüttungen und der durch sie an die Anteilseigner weitergegebenen Anrechnungsguthaben (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG) noch eine Entlastung von der für das Abzugsjahr zu erhebenden Körperschaftsteuer möglich ist. Derselbe Grundgedanke zwingt zum zusätzlichen Ansatz der auf die ausgeschütteten Gewinne entfallenden Ausschüttungsbelastung (9/16 des ausgeschütteten Betrages). Da das vorhandene Körperschaftsteuerguthaben nur dann für Zwecke der Gewinnausschüttung verwendet werden kann, wenn es nicht bereits durch den Verlustrücktrag vernichtet wurde, soll § 8 Abs. 4 KStG 1977 die Reihenfolge zwischen diesen beiden Entlastungsmöglichkeiten regeln. Nach der Entscheidung des Gesetzgebers hat die Entlastung von der Körperschaftsteuer aufgrund einer Gewinnausschüttung Vorrang vor der Entlastung aufgrund eines Verlustrücktrages. Zur Entlastung von der Körperschaftsteuer gehört aber auch diejenige, die als Körperschaftsteueranrechnungsguthaben auf den Anteilseigner übertragen wird (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG). Sie steht deshalb ebenfalls für Zwecke des Verlustrücktrags entlastungsmäßig nicht mehr zur Verfügung. Aus diesem Grunde sind für Zwecke der Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG 1977 die ausgeschütteten Gewinne um 9/16 ihrer Summe zu erhöhen.

3. Das FG ist davon ausgegangen, daß die in 1977 von der Klägerin vorgenommenen verdeckten Gewinnausschüttungen 15.336 DM und die für 1977 vorgenommenen offenen Ausschüttungen 1.026 DM betragen haben. Es hat die Summe dieser beiden Beträge (= 16.362 DM) zutreffend um 9/16 (= 9.203 DM) erhöht und den erhöhten Betrag dem Einkommen der Klägerin im Jahre 1977 gegenübergestellt (= 195.090 DM). Aus der Gegenüberstellung ergab sich eine Differenz in Höhe von 169.525 DM, bis zu der die Klägerin einen Verlust aus dem Jahre 1978 auf den Veranlagungszeitraum 1977 hätte rücktragen können. Der tatsächlich in 1978 erlittene Verlust lag jedoch niedriger, weshalb er in voller Höhe abgezogen werden kann. Zwar sind dem FG bei seiner Ermittlung Rechtsverstöße unterlaufen. Diese wirken sich jedoch auf die Höhe der genannten Beträge nicht aus.

4. a) Was die am 30. Juni 1979 beschlossene Gewinnausschüttung anbelangt, so fallen unter die ausgeschütteten Gewinne i. S. des § 8 Abs. 4 KStG 1977 nur solche, die i. S. des § 27 Abs. 1 und 3 KStG 1977 ausgeschüttet wurden und für die deshalb die sog. Ausschüttungsbelastung nach § 27 KStG 1977 herzustellen ist. Dies ergibt sich einerseits aus der Verwendung des Begriffs "ausschütten" in § 27 Abs. 1 KStG 1977, der eine Handlung der Gesellschaft ausdrückt. Andererseits folgt dies aus der Bezugnahme auf § 27 KStG 1977 in § 8 Abs. 4 KStG 1977. Unter der Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 1 KStG 1977 kann nur eine Leistung der Kapitalgesellschaft an ihre(n) Anteilseigner in Erfüllung eines Gewinnverteilungsbeschlusses oder in Vollzug einer verdeckten Gewinnausschüttung verstanden werden. Die Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 1 KStG 1977 ist deshalb erst mit dem entsprechenden Vermögensabfluß verwirklicht. Solange der Vermögensabfluß noch nicht verwirklicht ist, darf auch die Ausschüttungsbelastung noch nicht hergestellt werden. In dieser Zeit können zuvor gefaßte Gewinnverteilungsbeschlüsse geändert oder aufgehoben werden, ohne daß sich dies auf die Anwendung der §§ 8 Abs. 4 und 27 Abs. 1 KStG 1977 auswirkt. Ein Verstoß gegen das steuerrechtliche Rückwirkungsverbot scheidet schon deshalb aus, weil der Tatbestand, an den § 27 Abs. 1 KStG 1977 die Herstellung der Ausschüttungsbelastung knüpft, noch nicht verwirklicht ist. Im übrigen ist die Änderung des Gewinnverteilungsbeschlusses auch deshalb körperschaftsteuerrechtlich unerheblich, weil § 27 Abs. 1 KStG 1977 nicht auf den Beschluß als solchen, sondern auf dessen tatsächliche Erfüllung abstellt.

b) Seine Rechtsauffassung stützt der Senat einmal darauf, daß das KStG 1977 und das EStG 1977 in ihrem rechtlichen Zusammenwirken ein System der sachlichen Kongruenz zwischen der Herstellung der Ausschüttungsbelastung bei der Kapitalgesellschaft und der Besteuerung der Ausschüttung sowie der Anrechnung des Körperschaftsteuerguthabens beim Anteilseigner erkennen lassen (vgl. Wrede in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 27 KStG - grüne Blätter -, Allg. Erläut. Anm. D IV; Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, die Körperschaftsteuer, Kommentar, § 27 KStG Anm. 45). Danach korrespondiert die Herstellung der Ausschüttungsbelastung sachlich mit der Besteuerung der Ausschüttung beim Anteilseigner als Einkünfte aus der Beteiligung (vgl. § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, § 36 Abs. 2 Nr. 3, § 36a, § 36e EStG). Entsprechend bringt der in § 27 Abs. 1 KStG 1977 verwendete Begriff der Gewinnausschüttung zum Ausdruck, daß darunter nur solche Vorteilszuwendungen der Kapitalgesellschaft an ihre(n) Anteilseigner fallen können, die die Eignung haben, Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG zu sein. Der Gesetzgeber hat lediglich auf eine zeitliche Kongruenz zwischen der Herstellung der Ausschüttungsbelastung und dem Zufluß der Ausschüttung bzw. der Anrechnung des Körperschaftsteuerguthabens beim Anteilseigner verzichtet und § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG mit einer Fiktion ausgestaltet, die die zeitliche Kongruenz entbehrlich macht. Aus der Forderung nach sachlicher Kongruenz zwischen Herstellung der Ausschüttungsbelastung und Ausschüttungszufluß beim Anteilseigner folgt, daß die Ausschüttungsbelastung nicht herzustellen ist, wenn offene oder verdeckte Gewinnausschüttungen bei der Kapitalgesellschaft lediglich als Verpflichtung gegenüber dem Anteilseigner passiviert werden. Aus diesem Grunde hält der Senat auch nicht mehr an seinem Hinweis in dem Urteil vom 9. Oktober 1985 I R 193/84 (BFHE 144, 565, BStBl II 1986, 93) fest, daß Ausschüttungsverpflichtungen das Eigenkapital mindern.

Der Senat fühlt sich in seiner Auffassung durch den Wortlaut der §§ 41 und 44 KStG 1977 bestätigt (ebenso: Wrede in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 27 Abs. 3 KStG Anm. D I). Beide Vorschriften sprechen von Leistungen, die die Kapitalgesellschaft bewirkt bzw. erbringt und die bei dem Empfänger Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 EStG sind. Für diese Auffassung spricht auch § 19 Abs. 3 KStG 1975. Dort wurden die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen als die aufgrund eines Gewinnverteilungsbeschlusses vorgenommenen Gewinnausschüttungen definiert. § 27 Abs. 1 KStG 1977 unterscheidet in ähnlicher Weise zwischen dem Gewinnverteilungsbeschluß und der Gewinnausschüttung. Auch im übrigen ist die neue Rechtslage mit dem Regelungsinhalt des § 19 Abs. 3 KStG vergleichbar.

c) Der Senat folgt damit nicht der von Döllerer (Betriebs-Berater - BB - 1979, 57, und Deutsches Steuerrecht - DStR - 1980, 395), von Lempenau (BB 1977, 1.209), von Reuter (DStR 1983, 320), von Kläschen/Krüger (Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., Bonn 1984, § 29 Anm. 72), von Frotscher/Maas (Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz, Freiburg, § 27 Anm. 42 u. 85 ff., § 30 Anm. 155) und von Felix/Streck (Körperschaftsteuergesetz, 2. Aufl., München 1984, § 27 Anm. 10) vertretenen Auffassung, wonach es für die Frage, ob und wann eine Gewinnausschüttung das verwendbare Eigenkapital verringert, auf das Bilanzrecht ankommen soll. Er folgt auch nicht der von der Finanzverwaltung in Abschn. 77 Abs. 4 der Körperschaftsteuer-Richtlinien - KStR - 1977 (= Abschn. 77 Abs. 5 KStR 1985), Dötsch/Eversberg/Jost/Witt (Die Körperschaftsteuer, Kommentar, Stuttgart, § 27 KStG Anm. 71), Lang (Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht - JbFSt - 1984/85, 515, und Finanz-Rundschau - FR - 1984, 629, FN 19), Winter (FR 1977, 273), Ebert (BB 1984, 1.221) und Flockermann/Sarrazin/Krebs (DStR 1982, 156, 161) vertretenen Auffassung, wonach eine Gewinnausschüttung i. S. des § 27 Abs. 1 KStG 1977 vorliegt, wenn die Kapitalgesellschaft zur Einbehaltung der Kapitalertragsteuer nach §§ 43 und 44 EStG verpflichtet ist. In §§ 43 und 44 EStG stellt das Gesetz für den Kapitalertragsteuerabzug auf den Zufluß der Ausschüttung beim Anteilseigner ab. In § 27 Abs. 1 KStG 1977 ist dagegen nur von einer Ausschüttung i. S. eines Vermögensabflusses bei der Kapitalgesellschaft die Rede. Zwar hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 11. Juli 1973 I R 144/71 (BFHE 109, 566, BStBl II 1973, 806) unter Hinweis auf den Zufluß beim Anteilseigner zu § 19 Abs. 3 KStG 1965 entschieden, daß Gewinnausschüttungen i. S. der Vorschrift vorgenommen sind, wenn sie dem Gesellschafter auf den Verrechnungskonten der Gesellschaft gutgeschrieben sind. Auch hält er an dieser Auffassung für die Anwendung des § 27 KStG 1977 fest, wenn ein Dividendenanspruch in einen Darlehensanspruch vertraglich umgewandelt wird. Jedoch kam es in BFHE 109, 566, BStBl II 1973, 806 auf die Unterschiede zwischen der Abfluß- und der Zuflußtheorie nicht an. Es hätte genügt, wenn der erkennende Senat damals die einem Gesellschafter auf einem Verrechnungskonto gutgeschriebenen Gewinnausschüttungen als bei der Gesellschaft abgeflossen beurteilt hätte. Dann aber kann die damals getroffene Entscheidung nicht zur Auslegung des § 27 Abs. 1 KStG 1977 herangezogen werden. Im übrigen hat der Senat schon in seinem Urteil vom 18. Dezember 1985 I R 222/81 (BFHE 146, 43, BStBl II 1986, 451) entschieden, daß § 44 EStG eine Sondervorschrift ist, die den Zufluß der Ausschüttung beim Anteilseigner teilweise abweichend von den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen speziell für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs regelt. Aus diesem Grunde kann auch umgekehrt § 44 EStG nicht herangezogen werden, wenn der Abfluß einer Ausschüttung bei der Kapitalgesellschaft nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen zu bestimmen ist.

d) Nach Auffassung des erkennenden Senats ist auch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 30. April 1974 VIII R 123/73 (BFHE 112, 355, BStBl II 1974, 541) nicht einschlägig für die hier interessierende Problematik. Das Urteil ist zu dem Zufluß von Ausschüttungen beim beherrschenden Anteilseigner ergangen. Es wird wesentlich von der Überlegung getragen, daß es dem beherrschenden Gesellschafter nicht überlassen bleiben darf, auf der einen Seite für die Gesellschaft den begünstigten Körperschaftsteuersatz in Anspruch zu nehmen und auf der anderen Seite die einkommensteuerliche Erfassung der Ausschüttung als Einnahme beliebig hinauszuschieben. Diese Überlegung hat die Forderung nach zeitlicher Kongruenz zwischen dem Abfluß der Ausschüttung bei der Kapitalgesellschaft und dem Zufluß beim beherrschenden Anteilseigner für einen Ausnahmefall begründet. Seit dem 1. Januar 1977 ist jedoch die rechtliche Ausgangssituation eine wesentlich andere, weil die Besteuerung beim Anteilseigner mit dem Vorteil der Anrechnung des Körperschaftsteuerguthabens verbunden ist. Die Befürchtung, der Anteilseigner werde den Zufluß aus einkommensteuerlichen Gründen hinausschieben, ist in der bisherigen Form nicht mehr gerechtfertigt. Deshalb muß die Ausschüttung bei der Kapitalgesellschaft dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 KStG 1977 entsprechend losgelöst von dem Zufluß beim Anteilseigner beurteilt werden.

e) Kommt es mithin für die inhaltliche Bestimmung der ausgeschütteten Gewinne i. S. des § 8 Abs. 4 KStG 1977 nur auf die Leistungen der Klägerin an ihre Anteilseigner an, die aus ihrem Vermögen abgeflossen sind, so ist in tatsächlicher Hinsicht die Feststellung des FG entscheidungserheblich, daß der sog. Mehrgewinn der Klägerin nicht an die Gesellschafter ausgezahlt wurde. Der Senat versteht diese Feststellung dahin, daß der Betrag in Höhe von 111.400 DM als Gewinnausschüttung nicht aus dem Vermögen der Klägerin abgeflossen ist. Damit gilt der Betrag i. S. des § 8 Abs. 4 und des § 27 Abs. 1 KStG 1977 nicht als ausgeschüttet. Entsprechend konnte er für Zwecke des Verlustrücktrags aus 1978 verwendet werden. Damit ist die Vorentscheidung im Ergebnis zutreffend.

5. Die Vorentscheidung ist auch insoweit rechtlich nicht zu beanstanden, als das FG den aus 1978 rücktragsfähigen Verlust selbst ermittelt und eine Bindungswirkung an den Ansatz des Einkommens im Körperschaftsteuerbescheid 1978 konkludent verneint hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf sein Urteil vom heutigen Tage in der Sache I R 1/85 (BFHE 151, 554) Bezug.