| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 9.12.1987 (X R 39/81) BStBl. 1988 II S. 471

Zahlungen zur Durchführung eines bestimmten Forschungsvorhabens werden dann im Rahmen eines umsatzsteuerrechtlichen Leistungsaustausches für eine Leistung - und nicht etwa als echter Zuschuß - erbracht, wenn der Zahlende auf Grund der jeweils geltenden Abreden einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Durchführung des Forschungsvorhabens erworben hat. Wem das Vorhaben in erster Linie nützt, ist nicht allein entscheidend.

UStG 1967/1973 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 3.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) verfolgt nach ihrer Satzung den Zweck, die angewandte Forschung zu fördern, und führt in diesem Zusammenhang neben freigewählten Forschungsvorhaben von Bund und Ländern übertragene Aufgaben sowie Vertragsforschung durch.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zu dem Ergebnis, daß verschiedene bisher als steuerfrei behandelte "Zuschüsse" als Entgelt für von der Klägerin erbrachte Leistungen anzusehen und daher der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien. Dazu gehörten die im Revisionsverfahren allein noch streitigen Zahlungen der X. oder ihrer Mitgliedsvereinigungen, die der Klägerin in den Streitjahren ... zugeflossen sind.

Die X. ist ein Zusammenschluß von Forschungsorganisationen der Industrie mit der Aufgabe und dem Ziel, eine staatlich geförderte Forschungstätigkeit (Gemeinschaftsforschung) der kleinen und mittleren Unternehmen der Industrie und gewerblichen Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) zu ermöglichen. Als Partner der Bundesregierung erfüllt sie den Auftrag, durch Vergabe öffentlicher Mittel die Forschungsvorhaben ihrer Mitgliedsvereinigungen zu finanzieren. Das geschah nach der von der Klägerin selbst gegebenen, am Beispiel des Forschungsvorhabens "Ordnungssystem zur Klassifizierung von Meß- und Prüfmitteln der industriellen Fertigung" für die Forschungsvereinigung Y., einer Mitgliedervereinigung der X., erläuterten Darstellung auf folgende Weise:

Die Klägerin oder ihre nichtselbständigen Institute beantragten bei den Mitgliedern der X. Zuwendungen für bestimmte in deren Interessenbereich liegende, in ihrer wissenschaftlichen Problemstellung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und in dem damit verbundenen Kostenaufwand detailliert festgelegte Forschungsvorhaben. Die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang ein bestimmtes Forschungsvorhaben finanziell unterstützt wurde, traf die X. unter genauer Bezeichnung des Forschungsthemas, des Arbeitsbeginns, des Zuschußempfängers (ihrer Mitgliedervereinigung; im Beispielsfall der Y.), der Forschungsstelle (der Klägerin bzw. eines ihrer Institute), der voraussichtlichen Dauer der Arbeiten, der Gesamtkosten sowie unter Beifügung eines detaillierten (in Personalkosten, Gemeinkosten und sonstige Kosten aufgegliederten) Kostenplanes. Die Bewilligung der aus dem Budget des Bundesministers für Wirtschaft (BMWi) stammenden Mittel war im Bewilligungsschreiben ausdrücklich an dessen Bewilligungsbedingungen für die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der Forschung an Mitglieder der X. vom Januar 1970 (Bewilligungsbedingungen) geknüpft. Die Antragsteller (die Klägerin oder eines ihrer Institute) erklärten schriftlich ihr Einverständnis mit den Einzelheiten des Bewilligungsschreibens und dem dazu gehörigen Kostenplan.

Die Bewilligungsbedingungen sahen in der seinerzeit maßgeblichen Fassung vor, daß die Zuwendungen nur für den genehmigten Zweck verwendet werden dürfen. Sie bestimmen Einzelheiten der Anforderung von Mitteln, der Rückzahlung von Resten, der Buchführung und der Personal- und Reisekostenaufwendungen. Sie knüpfen (unter Ziff. 6) die Vergabe von Aufträgen an die allgemeinen Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen (VOL/A) der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL), verlangen (Ziff. 7) einen ausführlichen Verwendungsnachweis, bestimmen Prüfungsrechte des Bundesrechnungshofs, des BMWi und der X. sowie entsprechende Auskunftspflichten (Ziff. 8) und regeln (unter Ziff. 15) folgendes:

"(1) Werden die Mittel nicht vom Zuwendungsempfänger, sondern von einer mit der Durchführung des Vorhabens beauftragten Forschungsstelle verwaltet, so ist die Weitergabe der Mittel von der vorherigen Anerkennung der vorstehenden Bedingungen durch diese Stelle abhängig zu machen. Die Bestimmungen in Ziff. 8 finden danach auf die Forschungsstelle sinngemäß Anwendung.

(2) Der Zuwendungsempfänger ist dafür verantwortlich, daß die Forschungsstelle die ihr nach den Bewilligungsbedingungen obliegenden Verpflichtungen einhält. Er hat gegen die Forschungsstelle alle Rechte geltend zu machen, die sich aus den Bedingungen ergeben.

(3) Bei Einrichtungen der öffentlichen Hand und der ... sind die Mittel zur Durchführung des Vorhabens der Einrichtung - nicht jedoch einer Person - zu bewilligen."

Das FA änderte die Umsatzsteuerveranlagungen für die Jahre 1969 bis 1973. Der Einspruch blieb erfolglos. Die Klage führte nur hinsichtlich eines hier nicht mehr streitigen Sachverhaltskomplexes zum Erfolg, hinsichtlich der X-Zuschüsse dagegen zur Bestätigung der angefochtenen Änderungsbescheide.

Mit der Revision macht die Klägerin Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend.

In materiell-rechtlicher Hinsicht rügt die Klägerin Verletzung der §§ 1 und 10 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967/1973. Zu Unrecht habe das Finanzgericht (FG) einen Leistungsaustausch angenommen. Bei den Zuwendungen der X. handle es sich um einseitig erbrachte Leistungen zur "anwendungsorientierten Grundlagenforschung". Die Konkretisierung des Forschungsvorhabens sei eine notwendige Folge des öffentlich-rechtlichen Charakters der Zuwendungen und diene dazu, den Gutachtergruppen sowie den Bewilligungsgremien der X. die Prüfung und Beurteilung des in Frage stehenden Forschungsvorhabens der Klägerin zu ermöglichen. Die Zuwendungen dienten nur dem Zweck, die Klägerin in die Lage zu versetzen, ihre "den Gesamtbelangen der Allgemeinheit dienenden Gemeinschaftszwecke zu erfüllen". Die Höhe der Zuschüsse richte sich allein nach dem Gesamtbedarf bzw. der Höhe des Fehlbetrags, wie er sich nach den Voranschlägen ergebe, und nicht etwa nach dem Wert der Leistung der Klägerin. Weder die X. noch ihre Mitglieder erhielten seitens der Klägerin eine Gegenleistung. Die bloße Information über die Forschungsergebnisse allein reiche nicht aus, einen Leistungsaustausch anzunehmen.

Die Klägerin beantragt, die Umsatzsteuerbescheide für 1969 bis 1973 vom 1. März 1976, die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 25. März 1977 sowie das angefochtene Urteil abzuändern und die Umsatzsteuer neu festzusetzen.

Hilfsweise beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt aus materiell-rechtlichen Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Auf die Verfahrensrügen kommt es nicht an.

Das FG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die Zahlungen der X. bzw. ihrer Mitgliedsvereinigungen als zum steuerpflichtigen Entgelt gehörend anzusehen seien, das (für die Zeit bis zum 30. Juni 1973) nicht der Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 UStG 1967/1973 unterfalle. Diese Schlußfolgerung ist nicht frei von Rechtsirrtum. Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG rechtfertigen diesen Schluß nicht.

1. Die Besteuerung einer Leistung setzt einen Leistungsaustausch voraus (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967/1973). Ein solcher liegt vor, wenn Leistung und Gegenleistung innerlich derart miteinander verknüpft sind, daß sich die Leistung auf den Erhalt einer Gegenleistung richtet und damit die gewollte, erwartete und erwartbare Gegenleistung auslöst (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Mai 1981 V R 47/76, BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495). Zum Entgelt gehört nicht nur jeglicher Aufwand des Leistungsempfängers für den Erhalt der Leistung (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967/1973), sondern grundsätzlich (mit Ausnahme der Zuschüsse aus öffentlichen Kassen) auch dasjenige, was ein anderer als der Leistungsempfänger für die Leistung gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG 1967/1973).

Auch die Frage, ob "echte" Zuschüsse im Sinne der früheren Rechtsprechung (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. August 1967 V 31/64, BFHE 89, 407, BStBl III 1967, 717) bzw. Zuschüsse aus öffentlichen Kassen i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz UStG 1967/1973 in der (gemäß Art. 6 § 1 Nr. 4 des Steueränderungsgesetzes - StÄndG - 1973, BGBl I 1973, 676) bis zum 30. Juni 1973 geltenden Fassung entrichtet werden, die nicht in die Bemessungsgrundlage für die festgesetzte Umsatzsteuerschuld einbezogen werden dürfen, ist nach neuerer BFH-Rechtsprechung am Begriff des Leistungsaustausches ausgerichtet zu beantworten. Echte Zuschüsse liegen dann vor, wenn Zahlungen in erster Linie dem leistenden Unternehmer (hier der Klägerin) zu seiner Förderung, d.h. überwiegend in seinem Interesse, entrichtet wurden, um ihn aus bestimmten strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Gründen zu subventionieren. Etwas anderes gilt, wenn eine von ihm erbrachte Leistung abgegolten werden soll (BFH-Urteile vom 9. Oktober 1975 V R 88/74, BFHE 117, 307, BStBl II 1976, 105; vom 5. Juni 1986 V R 114/76, BFH/NV 1987, 199; vom 26. Juni 1986 V R 93/77, BFHE 147, 79, BStBl II 1986, 723, und vom 25. November 1986 V R 109/78, BFHE 148, 351, BStBl II 1987, 228; vgl. auch Weiß, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1986, 83, 92). Danach kommt es entscheidend darauf an, welche Zwecke der Zahlende (hier die X.) mit den Zahlungen vornehmlich verfolgt. Diese Zielrichtung als eine innere Tatsache muß sich in äußeren Gegebenheiten verwirklicht haben (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 767).

2. Die Forschungsvorhaben der Klägerin innerhalb des Sachverhaltskomplexes X. wären zum Gegenstand eines Leistungsaustausches geworden, wenn die hierfür getätigten Zahlungen auf den Erhalt des jeweiligen Forschungsergebnisses gerichtet gewesen wären. Der im Einzelfall vom Zahlenden erhoffte oder erstrebte Nutzen, auf den das FG vorrangig abgestellt hat, ist in diesem Zusammenhang nur als einer unter mehreren Umständen zu werten, reicht jedoch für die Annahme eines Leistungsaustausches nicht aus. Die entscheidende Frage, ob es bei diesen Forschungsvorhaben zu einer konkreten Auftragserteilung gekommen ist, ob z.B. Ziff. 6 der Bewilligungsbedingungen (und damit die VOL/A der VOL) gegolten hat oder nicht, hat das FG unbeantwortet gelassen, obwohl die Klägerin die Frage in der Klageschrift verneint hat. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß - obwohl die Gelder des BMWi zunächst an die X. und dann an deren Mitgliedsvereinigung (zur Weiterleitung an die Klägerin) ausgezahlt wurden - letztlich doch vor allem die Klägerin gefördert werden sollte. Damit hätten die Rechtsbeziehungen zur X. und die hinsichtlich der einzelnen Forschungsvorhaben getroffenen Vereinbarungen nur darauf abgezielt, der Klägerin (weitere) Finanzierungsquellen zur Eigenforschung zu erschließen. Von einer Zahlung für eine bestimmte (Forschungs-) Leistung der Klägerin im zuvor umschriebenen Sinne eines Leistungsaustausches könnte nur gesprochen werden, wenn die X. oder deren Mitgliedsvereinigungen auf Grund der jeweils geltenden Abreden einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Durchführung des Forschungsvorhabens gegenüber der Klägerin erworben hätten. Dies hat das FG nicht aufgeklärt. Besondere Bedeutung kann in diesem Zusammenhang der jeweils maßgeblichen Regelung der Schutz- und Veröffentlichungsrechte und - mangels eindeutiger Vereinbarungen - der bei Verwirklichung der einzelnen Projekte sonst geübten Praxis zukommen. Aufschluß über den wirklich verfolgten Zweck könnte schließlich auch ein Vergleich mit anderen, zwischen den Beteiligten nicht (mehr) streitigen Sachverhaltskomplexen innerhalb und außerhalb des streitigen Zeitraums geben.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nachzuholen und den Sachverhalt nach den zuvor dargelegten Grundsätzen insgesamt neu zu würdigen haben.