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BFH-Urteil vom 2.3.1988 (II R 169/85) BStBl. 1988 II S. 549

Die Aufhebung des § 77 StBauFG durch § 24 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG 1983 ist nicht verfassungswidrig.

GrEStG 1983 § 24 Abs. 1 Nr. 5; StBauFG § 77.

Vorinstanz: FG Bremen

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom 7. Oktober 1983 eine Eigentumswohnung für 315.000 DM. Er beantragte Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 77 Abs. 1 Nr. 2 des Städtebauförderungsgesetzes (StBauFG) mit der Begründung, er habe 1976 zur Vorbereitung und Durchführung von Sanierungsmaßnahmen an die Stadt Grundstücke veräußert. Eine Bescheinigung vom 24. Oktober 1976 gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 StBauFG legte er vor.

Das Finanzamt (FA) setzte mit Bescheid vom 4. November 1983 Grunderwerbsteuer fest und verweigerte die begehrte Steuerbefreiung. § 77 Abs. 1 Nr. 2 StBauFG sei durch § 24 Abs. 1 Nr. 5 und § 28 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 mit Wirkung vom 1. Januar 1983 aufgehoben worden.

Die Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Es bezog sich zur Begründung weitgehend auf das rechtskräftige Urteil des FG Münster vom 1. August 1984 VIII 3177/83 GrE (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 35).

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Der Kläger kann für den Kaufvertrag vom 7. Oktober 1983 nicht die Steuerbefreiung des § 77 Abs. 1 Nr. 2 StBauFG beanspruchen, weil diese Vorschrift durch § 24 Abs. 1 Nr. 5 und § 28 GrEStG 1983 mit Wirkung vom 1. Januar 1983 aufgehoben worden ist.

Diese Aufhebung der Steuerbefreiung durch die beiden genannten Vorschriften ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht verfassungswidrig.

§ 24 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 28 GrEStG 1983 enthält für den hier zu beurteilenden Grundstückserwerb des Klägers, der vor dem 1. Januar 1983 Grundbesitz zur Sanierung abgegeben hatte, keine sog. echte Rückwirkung (vgl. zu diesem Begriff Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rdnr. 68 und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 241, BStBl II 1986, 628, 641). Ein abgewickelter Sachverhalt, in den der Gesetzgeber nicht hätte eingreifen dürfen, lag am 1. Januar 1983 nicht vor. Zu dieser "Abwicklung" gehörte im vorliegenden Fall neben dem Grundstücksverkauf im Jahre 1976 auch der Kauf des Grundstückes im Sinne des § 77 Abs. 1 Nr. 2 StBauFG. Letzterer geschah aber erst am 7. Oktober 1983.

Bleibt damit nur eine sog. unechte Rückwirkung der genannten Vorschrift, so wird deren Verfassungsmäßigkeit von der Abwägung zwischen den Interessen des Klägers und der Allgemeinheit bestimmt. Für den vorliegenden Fall ergibt sich damit die Frage, ob das Vertrauen des Klägers in den Fortbestand der Steuerbefreiung oder das Recht des Gesetzgebers zur Fortentwicklung der Gesetzgebung den Vorrang hat (vgl. Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, a.a.O., Art. 20 Rdnr. 70). Der Senat ist der Auffassung, daß die Interessen des Klägers hier zurückstehen müssen. Die Neuordnung des Grunderwerbsteuerrechtes durch das GrEStG 1983 war seinerzeit dringend notwendig, weil die Steuerzahler die stark zersplitterten landesrechtlichen Vorschriften nicht mehr übersehen konnten und die unterschiedlichen Regelungen gleicher Tatbestände in den einzelnen Ländern als ungerecht empfanden. Der Zwang zum Handeln war für den Gesetzgeber um so stärker, als wiederholt Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Grunderwerbsteuerrechts geltend gemacht wurden (vgl. den Beschluß des BVerfG vom 16. März 1983 1 BvR 1077/80, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1983, 227 nebst weiteren Hinweisen in der Anmerkung). Unter diesen Umständen konnte der Gesetzgeber nicht auf Sonderinteressen an der Erhaltung bestimmter Steuerbefreiungen Rücksicht nehmen, zumal er bei der Fülle der durch § 24 GrEStG 1983 aufgehobenen Steuerbefreiungen noch weitere derartige Interessen hätte berücksichtigen müssen. Damit hätte er aber einen der Hauptzwecke des GrEStG 1983 gefährdet, durch weitgehende Aufhebung der bisherigen Steuerbefreiungen die Senkung des Steuersatzes von 7 % auf 2 % zu ermöglichen. Diese Steuersenkung kommt auch dem Kläger zugute, der demnach im Ergebnis mit dem Inkrafttreten des GrEStG 1983 seine frühere Aussicht auf Steuerbefreiung nicht gänzlich verloren, sondern gegen eine maßvolle Steuer von 2 % eingetauscht hat. Dieses geringe Opfer zugunsten des Gemeinwohles ist ihm zuzumuten.