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BFH-Urteil vom 3.2.1988 (I R 134/84) BStBl. 1988 II S. 588

Eine ausländische Kommanditgesellschaft kann nur dann beschränkt körperschaftsteuerpflichtig sein (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1968), wenn sie nach den leitenden Gedanken des deutschen Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts einer der in § 1 Abs. 1 Nrn. 1- 5 KStG 1968 genannten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen vergleichbar ist. Das gilt auch dann, wenn die ausländische Kommanditgesellschaft im Sitzstaat zivilrechtlich als juristische Person anerkannt ist.

KStG 1968 §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

I.

Streitig ist die Steuerpflicht einer KG thailändischen Rechts für einen Verkaufsstand, den sie in einer amerikanischen Offiziersmesse in Deutschland betreibt.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG thailändischen Rechts und im Handelsregister in Bangkok eingetragen.

Ab dem 1. August 1973 betrieb die Klägerin in der Officers Open Mess (OOM) in X einen mit ihrer Firma gekennzeichneten Verkaufsstand. Verkauft wurden thailändische Erzeugnisse (Schmuck und Kunstgewerbe), die von der Klägerin in Bangkok nach X versandt wurden. Bei einem Versand per Schiff wurde eine "Bill of Lading" ausgestellt, auf der als "shipper" die Klägerin bezeichnet war und die den Vermerk enthielt: "Consigned to order of Officers Open Mess, X".

Der Verkauf in der OOM erfolgte durch zwei bis drei bei der Klägerin angestellte Verkäuferinnen ausschließlich an Mitglieder der US-Streitkräfte und deren Angehörige. Die Käufer mußten von der OOM gezeichnete Verkaufsscheine vorlegen, die sie aufgrund ihrer Identifikationskarten (ID-Karte) erhielten. Nach Kaufabschluß zahlten die Käufer den Kaufpreis in US-Dollar an der Kasse der OOM. Der Kassier der OOM erteilte der Klägerin täglich eine Quittung über die Tageseinnahmen. Einmal monatlich überwies die OOM die nach Abzug der für OOM vereinbarten Provisionen, der Mieten und der gezahlten Transportkosten verbleibenden Verkaufserlöse an die Klägerin in Bangkok.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zog die Klägerin nach einer Prüfung der Steuerfahndung zur Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Vermögensteuer heran und erteilte Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens. Die gegen diese Bescheide erhobenen Einsprüche und die - vom Finanzgericht (FG) verbundenen - Klagen blieben erfolglos.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

A.

Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Das mit der Revision angefochtene FG-Urteil ist i.S. von § 119 Nr. 6 FGO mit Gründen versehen.

Nach § 105 Abs. 2 Nrn. 4 und 5 FGO muß ein Urteil Tatbestand und Entscheidungsgründe enthalten. Ein Fehlen von Entscheidungsgründen i.S. des § 119 Nr. 6 FGO liegt nur vor, wenn die Beteiligten keine Möglichkeit haben, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Das ist z.B. der Fall, wenn jegliche Begründung fehlt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417) oder wenn nicht erkennbar ist, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde liegt oder auf welche rechtlichen Erwägungen die Entscheidung gestützt wird. Dabei können sich Entscheidungsgründe auch aus der Bezugnahme auf andere Urteile ergeben (BFH-Urteil vom 10. April 1984 VIII R 229/83, BFHE 141, 113, BStBl II 1984, 591). Allerdings muß das in Bezug genommene Urteil zwischen denselben Beteiligten ergangen (BFHE 141, 113, 115, BStBl II 1984, 591) und den Beteiligten so rechtzeitig zugegangen sein, daß dem Beschwerten die volle Revisionsfrist von einem Monat zur Entscheidung über eine etwaige Revision zur Verfügung steht.

Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so ergibt sich, daß das angefochtene FG-Urteil mit Gründen versehen war. Zwar hat das FG sowohl zum Sachverhalt als auch zur rechtlichen Würdigung auf das in der Umsatzsteuersache ergangene Urteil vom 13. Mai 1982 IV 295/79 verwiesen. Diese Verweisung war jedoch zulässig, da dieses Urteil zwischen denselben Beteiligten ergangen ist und zwei Jahre vor dem angefochtenen Urteil zugestellt worden war. Die Bezugnahme auf die rechtliche Würdigung des Urteils vom 13. Mai 1982 läßt auch die rechtliche Beurteilung des Streitfalls durch das FG erkennen.

B.

1. Soweit die Klägerin Verletzung des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) 1968/1974 und des § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) 1968/1974 in den in den Streitjahren geltenden Fassungen wegen fehlender Selbständigkeit und wegen fehlender Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr rügt, hat die Revision keinen Erfolg.

a) Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Gewerbebetrieb ist - unbeschadet weiterer Voraussetzungen - eine selbständige, nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wurde und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt (§ 1 Abs. 1 GewStDV 1968/1974). Daneben galten u.a. stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb die Tätigkeit von Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen waren (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG 1968/1974).

b) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Tätigkeit der Klägerin schon deshalb als Gewerbebetrieb anzusehen ist, weil die Klägerin in ihrer Struktur einer KG deutschen Rechts entspricht (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 12. Februar 1930 VI A 899/27, RFHE 27, 73, RStBl 1930, 444; BFH-Urteil vom 6. November 1980 IV R 182/77, BFHE 132, 93, BStBl II 1981, 220; Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 2 Anm. 104). Da die Tätigkeit sämtliche Merkmale eines stehenden Gewerbebetriebs erfüllt, kommt es nicht darauf an, ob sie auch als Gewerbebetrieb kraft Rechtsform anzusehen ist.

c) Die Klägerin hat ihre Tätigkeit in der OOM selbständig ausgeübt.

Selbständig i.S. des § 1 Abs. 1 GewStDV 1968/1974 handelt, wer auf eigene Rechnung und Verantwortung handelt, also das Unternehmerrisiko trägt (BFH-Urteile vom 17. Januar 1973 I R 191/72, BFHE 108, 190, BStBl II 1973, 260, und vom 29. November 1978 I R 159/76, BFHE 126, 457, BStBl II 1979, 182).

Das unternehmerische Risiko lag in vollem Umfang bei der Klägerin. Selbst wenn das Eigentum an den im Verkaufsstand der Klägerin veräußerten Waren in Bangkok auf die OOM oder ihre Trägerkörperschaft übergegangen sein sollte, verkaufte die Klägerin diese Waren auf ihr Risiko in X. Die OOM überwies jeweils nur die - um Provision, Miete und Transportkosten geminderten - tatsächlich erzielten Erlöse. Zwar ist die OOM möglicherweise als Bestellerin der Waren aufgetreten, sie trug jedoch keinerlei Risiko. Das gesamte Absatzrisiko lag bei der Klägerin, da sie nur für die in ihrem Verkaufsstand veräußerten Produkte den um Provision, Miete und Transportkosten geminderten Kaufpreis erhielt. Bei dieser Risikoverteilung hat die Klägerin das volle unternehmerische Risiko selbst getragen und war damit selbständig tätig.

d) Die Klägerin hat sich auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt.

Eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordert eine Tätigkeit, mit der das Unternehmen nach außen hin in Erscheinung tritt und sich an eine - wenn auch begrenzte - Allgemeinheit wendet (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juli 1986 I R 85/83, BFHE 147, 245, BStBl II 1986, 851, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Nach den mit Revisionsrügen nicht angefochtenen und deshalb für den erkennenden Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) wandte sich die Klägerin an alle zum Einkauf in der OOM berechtigten Mitglieder der US-Streitkräfte und deren Angehörige. Dieser Personenkreis war zwar begrenzt, ist aber - nicht zuletzt wegen seiner Fluktuation - als "begrenzte Allgemeinheit" im Sinne der Rechtsprechung des BFH anzusehen.

2. Das angefochtene Urteil hat die Körperschaftsteuerbescheide 1973 und 1974 zu Unrecht bestätigt. Die Feststellungen des FG tragen insoweit die Entscheidung nicht.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des in den Streitjahren 1973 und 1974 geltenden Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1968 unterliegen der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hatten. Die Begriffe Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen sind in § 2 KStG 1968 nicht definiert. Der Begriffsinhalt erschließt sich erst durch die zum gleichen Oberbegriff in § 1 Abs. 1 KStG 1968 enthaltene Aufzählung (vgl. Felix/Streck, KStG, Körperschaftsteuergesetz 1977, 2. Aufl., § 2 Anm. 3) und durch die Sonderregelung des § 3 KStG 1968. § 1 Abs. 1 KStG 1968 umfaßt sowohl rechtsfähige als auch nicht rechtsfähige Vereinigungen. Daraus ist abzuleiten, daß auch der Kreis der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1968 beschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekte nicht auf rechtsfähige Vereinigungen beschränkt ist. Diese Auffassung wird bestätigt durch den auch für § 2 KStG 1968 geltenden § 3 KStG 1968, wonach nicht rechtsfähige Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen der Körperschaftsteuerpflicht nur dann unterliegen, wenn ihr Einkommen weder nach dem KStG noch nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) unmittelbar bei anderen Steuerpflichtigen zu versteuern ist.

Das FG hat zur Begründung der von ihm bejahten Körperschaftsteuerpflicht festgestellt, daß die im Handelsregister Bangkok eingetragene Klägerin eine KG thailändischen Rechts sei, die als juristische Person klagen könne. Das FG ist davon ausgegangen, daß die Klägerin rechtsfähig und deshalb Subjekt der Körperschaftsteuer sei.

Dieser Auffassung vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen.

Zwar hat das FG festgestellt, daß die Klägerin "als juristische Person klagen könne". Damit ist ihre Rechtsfähigkeit jedoch nicht eindeutig festgestellt. Auch deutsche KG können unter ihrer Firma klagen und verklagt werden (§ 124 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches - HGB -), ohne juristische Person zu sein.

Selbst wenn aber die Feststellung des FG, daß die Klägerin "als" juristische Person klagen könne, zum Ausdruck bringen soll, daß sie rechtsfähig sei, ist damit über ihre Körperschaftsteuerpflicht noch nicht entschieden. Zwar sind ausländische juristische Personen nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts auch im Inland als rechtsfähige Gebilde anzuerkennen (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 47. Aufl., Anhang zu § 12 EGBGB Anm. 4). Ausländische juristische Personen unterliegen jedoch nicht ausnahmslos der Körperschaftsteuer. Die Entscheidung über die ertragsteuerliche Behandlung einer ausländischen juristischen Person ist vielmehr nach den leitenden Gedanken des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts zu treffen (vgl. RFHE 27, 73, RStBl 1930, 444; BFH-Urteile vom 17. Juli 1968 I 121/64, BFHE 93, 1, BStBl II 1968, 695; vom 6. November 1980 IV R 182/77, BFHE 132, 93, BStBl II 1981, 220; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 1 KStG Anm. 103; Gail/Goutier/Grützner, Körperschaftsteuergesetz - KStG 1977 -, Kommentar, § 2 Rdnr. 3; Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz - KStG 1977 -, § 1 Rdnr. 73; Birkholz in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 1 Anm. 2). Eine solche Prüfung ist insbesondere dann erforderlich, wenn die im Ausland als juristische Person anerkannte Gesellschaft inländischen Gesellschaftstypen entspricht, die nicht oder nur beschränkt rechtsfähig sind. Diese Unterschiede bestehen im Streitfall, wenn die KG thailändischen Rechts - wie offenbar das FG vermutet - zwar juristische Person ist, aber im übrigen einer deutschen KG entspricht. In diesem Fall sprechen die leitenden Gedanken des deutschen Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerrechts für die Anwendung der steuerlichen Grundsätze der Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 EStG (vgl. auch RFHE 27, 73, RStBl 1930, 444 zu einer KG venezolanischen Rechts).

Das FG wird die zur Entscheidung noch erforderlichen Feststellungen zum thailändischen Gesellschaftsrecht nachzuholen haben und dann nach deutschen steuerrechtlichen Grundsätzen über die Körperschaftsteuerpflicht entscheiden müssen.

3. Das angefochtene Urteil hat den Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1974 zu Unrecht bestätigt. Auch insoweit reichen die Feststellungen des FG zur Begründung des Urteils nicht aus.

Das FG hat den an die OOM versandten und im Verkaufsstand der Klägerin am Bilanzstichtag noch nicht verkauften Warenbestand dem Betriebsvermögen der Betriebsstätte der Klägerin zugerechnet. Das FG ging dabei davon aus, daß das Eigentum an diesen Waren von der Klägerin unmittelbar auf die Käufer überging.

Die Übergabe der "Bill of Lading" an die OOM kann jedoch nach § 650 HGB i.V.m. § 931 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) den Übergang des Eigentums an die Trägerkörperschaft der OOM bewirkt haben. Der Ausdruck Bill of Lading wird üblicherweise für Seekonnossemente nach §§ 642 f. HGB verwandt (vgl. Abraham, Seerecht, Kommentar, § 642 HGB Anm. 12), deren Übergabe der Übergabe der Waren gleichsteht (vgl. Abraham, a.a.O., § 650 HGB Anm. 16). Aber auch wenn die "Bill of Lading" nur den Charakter eines Frachtbriefs besitzt, könnte das Eigentum nach § 931 BGB übergegangen sein (vgl. Palandt, a.a.O., § 931 Anm. 4).

Allerdings kann trotz des Übergangs des zivilrechtlichen Eigentums auf die Trägerkörperschaft der OOM das wirtschaftliche Eigentum bei der Klägerin verblieben sein. Dafür spricht im Streitfall, daß das gesamte wirtschaftliche Risiko bei der Klägerin lag und daß die OOM nur Kontrollfunktionen ausübte, durch die die Einhaltung der zoll- und umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften gewährleistet wurde. Wirtschaftliches Eigentum der Klägerin würde nach dem in den Streitjahren geltenden § 11 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG - (§ 39 der Abgabenordnung - AO 1977 -) ausreichen, um die Zurechnung der in X lagernden Warenbestände zum Betriebsvermögen der Klägerin zu begründen. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen jedoch nicht aus, um wirtschaftliches Eigentum im Sinne dieser Bestimmungen zu bejahen.