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BFH-Urteil vom 2.3.1988 (I R 57/84) BStBl. 1988 II S. 596

Erbringt eine ausländische Reederei eine einheitliche Beförderungsleistung von ausländischen Häfen über inländische Häfen zu anderen ausländischen Häfen, so unterliegt der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nur der Teilgewinn, der auf die Beförderung vom inländischen zum ausländischen Zielhafen entfällt.

EStG § 49 Abs. 1 Nr. 2b; KStG 1977 § 8 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1984, 354)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine indische Reederei, die Güter von Hamburg oder Bremen nach Indien verschifft. In der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ist die Klägerin durch einen Linienagenten vertreten.

Da die Klägerin aus wirtschaftlichen Erwägungen keine skandinavischen Häfen anläuft, läßt sie für Indien bestimmte Güter aus diesen Häfen auf eigene Kosten durch die im Ostseeraum tätigen Ostseedienste nach Hamburg oder Bremen befördern. Sie übernimmt dort die betreffenden Güter und lädt sie auf ihre Frachter um. In diesen Fällen stellen die in skandinavischen Häfen ansässigen Agenten der Klägerin Durchkonnossemente (Through Bill of Lading) über den Gesamttransport aus. Darin verpflichtet sich die Klägerin, die Güter vom skandinavischen Hafen zum Bestimmungshafen in Indien zu transportieren. Die in diesen Fällen vereinbarte Frachtrate bezieht sich sowohl auf die besorgte Beförderung nach Hamburg oder Bremen als auch auf die eigene Beförderung von den inländischen Häfen nach Indien. Die Frachtentgelte Skandinavien/Indien und Hamburg bzw. Bremen/Indien sind gleich hoch.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte die Klägerin im Körperschaftsteuerbescheid 1977 als beschränkt steuerpflichtig mit inländischen Einkünften nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Bei der Ermittlung der Einkünfte legte das FA die Gesamtfrachtentgelte zugrunde - unabhängig davon, ob die Frachten aus Skandinavien stammten und in Hamburg oder Bremen nach Indien umgeladen wurden oder ob sie erstmals von diesen Häfen aus verschifft wurden - . Die Körperschaftsteuer betrug nach Anwendung eines Steuersatzes von 50 v.H. und einer Ermäßigung von 50 v.H. nach dem deutsch-indischen Doppelbesteuerungsabkommen vom 18. März 1959 - DBA-Indien 1959 - (BGBl II 1960, 1829, BStBl I 1960, 428) ... DM.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 354 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Abs. 3 EStG und der Art. II und III DBA- Indien 1959.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1977 von ... DM auf ... DM zu ermäßigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG war aufzuheben. Die Sache wird zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

A. Das FG hat zu Recht angenommen, daß die Klägerin auch aus den Skandinavien-Frachten grundsätzlich inländische Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG erzielt hat.

1. Nach § 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1977) sind Kapitalgesellschaften, die weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland haben, mit inländischen Einkünften beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Inländische Einkünfte in diesem Sinne sind u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die durch den Betrieb eigener oder gecharterter Seeschiffe aus Beförderungen von inländischen zu ausländischen Häfen erzielt werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG i.V.m. §§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 KStG 1977).

Die Klägerin hat Einkünfte dieser Art erzielt. Sie hat durch den Betrieb eigener oder gecharterter Schiffe Frachtleistungen zwischen inländischen und indischen Häfen erbracht. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin daneben auch inländische Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erzielt, da die Rechtsfolgen beider Vorschriften im Streitfall gleich sind. Nach § 49 Abs. 3 EStG sind die Einkünfte mit 5 v.H. der für die Beförderungsleistungen von inländischen zu ausländischen Häfen vereinbarten Entgelte anzusetzen (§ 49 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG).

2. Das gilt grundsätzlich auch für die sog. Skandinavien-Frachten. Insoweit ist die mit der Revision erhobene Rüge nicht begründet.

Auch bei den Skandinavien-Frachten erbringt die Klägerin mit eigenen oder gecharterten Seeschiffen Beförderungsleistungen von inländischen zu ausländischen Häfen. Dem steht nicht entgegen, daß die Beförderungsverträge bereits in skandinavischen Häfen für die gesamte Beförderung von Skandinavien nach Indien geschlossen wurden. Zwar hat sich die Klägerin in diesen Verträgen zur Gesamtbeförderung verpflichtet. Das schließt aber nicht aus, daß sie im Rahmen dieses Beförderungsvertrags tatsächlich eine Beförderungsleistung von den inländischen Seehäfen Hamburg und Bremen nach Indien erbracht hat. Der gesetzliche Tatbestand stellt nur darauf ab, ob die Klägerin "aus Beförderungen von inländischen zu ausländischen Häfen" gewerbliche Einkünfte erzielt hat. Dieser Tatbestand ist auch dann verwirklicht, wenn diese Beförderungsleistung im Rahmen eines Gesamtentgelts für mehrere Leistungen vergütet wird.

3. Die nach deutschem Steuerrecht bestehende Steuerpflicht wird nicht durch die Bestimmungen des DBA-Indien 1959 ausgeschlossen.

Zwar gilt nach Art. III Abs. 1 DBA-Indien 1959 der Grundsatz, daß gewerbliche Gewinne eines Unternehmens eines der Vertragsstaaten im anderen Staat nur besteuert werden dürfen, wenn die Gewinne in einer dort belegenen Betriebsstätte erzielt werden (Betriebsstättenprinzip). Jedoch gelten nach Art. III Abs. 3 DBA-Indien 1959 Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen nicht als "gewerbliche Einkünfte" im Sinne des Abkommens. Das Betriebsstättenprinzip gilt damit nicht für die aus dem Betrieb von Schiffen erzielten Einkünfte. Damit kann der Quellenstaat derartige Einkünfte auch dann besteuern, wenn in ihm keine Betriebsstätte im Sinne des Abkommens unterhalten wird. Die hiervon abweichende Regelung des Art. III DBA-Indien i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 28. Juni 1984 (BGBl II 1985, 810, BStBl I 1985, 482) war für das Streitjahr noch nicht anwendbar.

B. Das FG unterlag jedoch insoweit einem Rechtsirrtum, als es die gesamten Beförderungsentgelte der Skandinavien-Frachten in die Bemessungsgrundlage der Einkunftsermittlung nach § 49 Abs. 3 EStG einbezog. Nach § 49 Abs. 3 EStG sind der Einkunftsermittlung die Entgelte für Beförderungsleistungen nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG zugrunde zu legen. Das sind die Entgelte für Beförderungsleistungen von inländischen zu ausländischen Häfen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG). Nur die Entgelte für diese genau umschriebenen Beförderungsleistungen sollen Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte sein. Aus dem zweiten Halbsatz des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ist zu entnehmen, daß die mit solchen Beförderungen zusammenhängenden - unselbständigen - Beförderungsleistungen nur dann als Einheit mit der Hauptleistung betrachtet werden sollen, wenn sie "sich auf das Inland" erstrecken. Es sollen also beispielsweise Container-Beförderungen im Vorlauf zur Schiffsbeförderung mit in die deutsche Besteuerung einbezogen werden, sofern die Vorbeförderung im Inland stattfindet. Vorbeförderungen von ausländischen zu inländischen Häfen sind dagegen weder nach dem Wortlaut der Vorschrift noch nach ihrem Sinn in die deutsche Besteuerung einzubeziehen (vgl. Ritter, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A - DStZ/A - 1971, 16, 18). Das bedeutet im Streitfall, daß die rechtlich von der Klägerin und tatsächlich von einem Unterverfrachter erbrachten Beförderungsleistungen zwischen Skandinavien und den deutschen Seehäfen nicht Gegenstand der deutschen Besteuerung oder Bestandteil der Bemessungsgrundlage bei der Ermittlung der Einkünfte nach § 49 Abs. 3 EStG sein können.

Etwas anderes ergibt sich im Streitfall auch nicht dadurch, daß die von der Klägerin berechneten Frachtraten von Skandinavien nach Indien ebenso hoch sind wie die Raten von den Häfen Hamburg oder Bremen nach Indien. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes ist nicht zu verkennen, daß die Klägerin als Verfrachter bei den Skandinavien-Frachten auch Beförderungsleistungen erbracht hat, die nicht von einem deutschen Hafen ausgingen. Auf diese Beförderungsleistung muß bei einer Beförderungsleistung von Skandinavien nach Indien ein Teil des Gesamtentgelts entfallen.

Das FG hat bisher keine Feststellungen zu den auf die Beförderung von Skandinavien zu den deutschen Seehäfen entfallenden Teilen des Gesamtentgelts getroffen. Die Streitsache mußte deshalb an das FG zurückverwiesen werden. Im Rahmen anderweitiger Verhandlung und Entscheidung müssen diese Feststellungen - möglicherweise durch Schätzung - noch nachgeholt werden. Das auf die Vorbeförderung entfallende Entgelt ist dann von der Gesamtbemessungsgrundlage nach § 49 Abs. 3 EStG abzuziehen.