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BFH-Urteil vom 21.1.1988 (IV R 116/86) BStBl. 1988 II S. 628

Gewächshäuser eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, die nach der Verkehrsauffassung die Begriffsmerkmale eines Gebäudes erfüllen, sind keine Betriebsvorrichtungen i. S. von § 76 Abs. 1 Nr. 1 Anlage 1 Nr. 25a EStDV 1979, sondern gehören zu den unbeweglichen Wirtschaftsgütern i. S. des § 76 Abs. 1 Nr. 2 Anlage 2 D Nr. 1b EStDV 1979 (Anschluß an BFH-Urteil vom 25. März 1977 III R 5/75, BFHE 122, 150, BStBl II 1977, 594).

EStG 1979 § 7 Abs. 2 Satz 1; EStDV 1979 § 76 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, Anlage 1 und 2 zu §§ 76 bis 78; BewG § 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d, §§ 59 bis 61, § 68 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute; sie werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin ist Eigentümerin eines Gartenbaubetriebs, den sie gemeinsam mit ihrem Ehemann bewirtschaftete. Der Gewinn wird nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah die Klägerin als Betriebsinhaberin an.

Im Jahre 1980 wurde ein Gewächshaus mit einem Kostenaufwand von 27.317,91 DM errichtet. Es schließt sich an bereits bestehende Treibhäuser an. Die Grundfläche des Gewächshauses beträgt 15 m x 15,33 m. Die Seitenwände sind jeweils 2 m hoch; zur Mitte hin steigt das Gewächshaus an. Es besteht aus einem verzinkten Stahl-Aluminium-Gerippe und ist kittlos verglast mit 3,8 mm dickem Gartenklarglas; die Konstruktion steht auf einem Streifenfundament. Die Lüftung erfolgt über 1,75 m breite Dachklappen. Beheizt wird das Gewächshaus über eine zentrale Heizungsanlage.

In der Einkommensteuererklärung 1980 wurde der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft unter Berücksichtigung einer Sonderabschreibung nach § 76 Abs. 1 Satz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1979 i. V. m. Anlage 1 zu den §§ 76 bis 78 EStDV in Höhe von 50 v. H. der Baukosten des Gewächshauses als einer Betriebsvorrichtung ermittelt. Das FA folgte dem und setzte die Einkommensteuer 1980 auf ... DM fest.

Im Rahmen einer im Jahre 1983 durchgeführten Betriebsprüfung gelangte der Betriebsprüfer zu der Auffassung, das Gewächshaus sei keine Betriebsvorrichtung, sondern ein Gebäude und demgemäß sei nur eine Sonderabschreibung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 EStDV 1979 i. V. m. Anlage 2 zu den §§ 76 bis 78 EStDV Abschn. D Nr. 1 Buchst. b) in Höhe von bis zu 30 v. H. der Baukosten des Gewächshauses zulässig. Dementsprechend erhöhte das FA den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft um 5.464 DM, indem es unter Berücksichtigung weiterer, hier nicht streitiger, Betriebsprüfungsergebnisse den ursprünglichen Bescheid gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) änderte und setzte die Einkommensteuer 1980 auf ... DM fest. Der Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg.

Mit der Klage machten die Kläger im wesentlichen geltend: Das Gewächshaus sei kein Gebäude, sondern eine Betriebsvorrichtung. Es komme einer Maschine gleich. Es schaffe erst die Möglichkeit, den Pflanzen Wachstum und Reife zu geben. Das Gewächshaus diene dazu, ein spezielles Treibhausklima zur Erzeugung von Pflanzen zu erhalten. Die Glasumhüllung des Gewächshauses fange die Sonnenwärme auf und halte die im Inneren erzeugte Wärme fest. Zur Regelung der Temperatur- und Luftverhältnisse sei ein Teil der Glasfläche ausschwenkbar, um erforderlichenfalls Wärme entweichen oder Frischluft hereinzulassen.

Die für die Charakterisierung als Gebäude notwendige "anderweitige Nutzung" sei durch die Glasbedachung und die Glasseitenwände ausgeschlossen.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Auf die Beschwerde der Kläger hat das Finanzgericht (FG) nachträglich die Revision zugelassen.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung des materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1980 vom 29. November 1983 dahin zu ändern, daß die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft um 5.464 DM gekürzt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Für die Gewährung der begehrten Sonderabschreibung gemäß § 76 Abs. 1 EStDV 1979 i. d. F. der Bekanntmachung vom 24. September 1980 (BGBl I, 1801, BStBl I 1980, 680) in Höhe von 50 v. H. der Baukosten des Gewächshauses kommt es darauf an, ob dieses - wie die Kläger meinen - ein bewegliches Wirtschaftsgut im Sinne der Nr. 1 dieser Vorschrift oder - wie das FA und das FG angenommen haben - ein unbewegliches Wirtschaftsgut im Sinne der Nr. 2 dieser Bestimmung ist. Nach den Anlagen 1 und Nr. 2 zu den §§ 76 bis 78 EStDV können Gewächshäuser nach den dort aufgeführten Verzeichnissen zu den Wirtschaftsgütern des unbeweglichen Anlagevermögens (Anlage 2, Verzeichnis der unbeweglichen Wirtschaftsgüter und Um- und Ausbauten an unbeweglichen Wirtschaftsgütern unter Abschn. D Nr. 1b) oder zu den Betriebsvorrichtungen im Sinne der Anlage 1 (Verzeichnis der Wirtschaftsgüter des beweglichen Anlagevermögens Nr. 25a) gehören.

Bei der Auslegung des einkommensteuerrechtlichen Begriffs "bewegliches Wirtschaftsgut" (§ 7 Abs. 2 Satz 1 EStG) sind die allgemeinen Grundsätze des Bewertungsrechts heranzuziehen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132, 135; BFH-Urteile vom 20. März 1975 IV R 16/72, BFHE 116, 112, BStBl II 1975, 689, und vom 8. Oktober 1978 IV R 56/85, BFHE 151, 81). Betriebsvorrichtungen sind gemäß § 68 Abs. 2 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind; sie gehören nicht zum Grundvermögen. Dagegen gehören Gebäude zum Grundvermögen i. S. von § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG.

Für die Abgrenzung ist vom Gebäudebegriff nach der Verkehrsauffassung auszugehen. Ein Bauwerk, das als Gebäude anzusehen ist, kann keine Betriebsvorrichtung sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteile vom 13. Juni 1969 III R 132/67, BFHE 96, 365, BStBl II 1969, 612, und zuletzt vom 18. März 1987 II R 222/84, BFHE 150, 62, BStBl II 1987, 551). Ein Bauwerk ist nach der Verkehrsauffassung als Gebäude anzusehen, wenn es nicht nur fest mit dem Grund und Boden verbunden, von einiger Beständigkeit und ausreichend standfest ist, sondern auch Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen Witterungseinflüsse gewährt und den Aufenthalt von Menschen gestattet (vgl. BFH-Urteile vom 13. Juni 1969 III 17/65, BFHE 96, 57, BStBl II 1969, 517, sowie in BFHE 150, 62, BStBl II 1987, 551). Dementsprechend hat der III. Senat des BFH im Urteil vom 25. März 1977 III R 5/75 (BFHE 122, 150, BStBl II 1977, 594) entschieden, daß Gewächshäuser eines Betriebsgrundstücks, das als Grundvermögen zu bewerten ist, keine Betriebsvorrichtungen, sondern Gebäude seien. Aus der Begründung ergibt sich, daß - unabhängig von der Zugehörigkeit zum Grundvermögen - alle Gewächshäuser, auch solche eines Betriebes mit gärtnerischer Nutzung (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d und §§ 59 bis 61 BewG) als Gebäude angesehen werden können. Ebenso wie Gebäude im Grundvermögen, sind auch Gebäude eines land- und forstwirtschaftlichen Vermögens bewertungsrechtlich erfaßt, und zwar im Ertragswert (§ 36 und §§ 59 f. BewG). Der III. Senat des BFH hat weiter ausgesprochen, daß die Urteile des II. Senats vom 9. Dezember 1964 II 11/60 U (BFHE 81, 320, BStBl III 1965, 116) und des IV. Senats vom 29. April 1965 IV 386/62 U (BFHE 83, 301, BStBl III 1965, 610), die zur Grunderwerbsteuer und zum Einkommensteuerrecht ergangen waren, durch die Entwicklung der Rechtsprechung überholt seien. Daß ein Gewächshaus eine wesentliche Voraussetzung und ein Mittel des Produktionsvorganges und damit einer technischen Apparatur vergleichbar ist, ist nicht entscheidend. Selbst Autowaschhallen (BFH-Urteil vom 14. November 1975 III R 150/74, BFHE 117, 492, BStBl II 1976, 198) und Hühnerställe (BFH-Urteil vom 6. August 1976 III R 163/73, BFHE 120, 103, BStBl II 1976, 772) sind trotz ihrer Zweckbestimmung keine Betriebsvorrichtungen, sondern Gebäude. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.

2. Unter Beachtung der obigen Grundsätze hat das FG zur Recht entschieden, daß das im Streitfall zu beurteilende Gewächshaus ein Gebäude ist und daß das FA zu Recht gemäß § 76 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Anlage 2 zu den §§ 76 bis 78 EStDV (Verzeichnis unter D Nr. 1b) nur eine Sonderabschreibung in Höhe von 30 v. H. zugelassen hat. Das FG hat, von den Klägern unwidersprochen, festgestellt, daß das Gewächshaus fest mit dem Grund und Boden verbunden, von einiger Beständigkeit und ausreichend standfest ist, Schutz gegen Witterungseinflüsse gewährt und zum Aufenthalt von Menschen geeignet und sogar bestimmt ist. Auch hat es festgestellt, daß die Größenverhältnisse es ermöglichen, längerfristig in dem Gewächshaus zu arbeiten; das geschieht auch tatsächlich. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von einem Bauwerk, wie z. B. ein vollautomatisches Hochregallager, das nur bei Stillstand einen längeren Aufenthalt von Menschen erlaubt und deshalb eine ähnliche Funktion wie eine Maschine erfüllt (vgl. Urteil in BFHE 150, 62, BStBl II 1987, 551, 553).