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BFH-Urteil vom 29.4.1988 (VI R 74/86) BStBl. 1988 II S. 674

1. Das im § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG genannte Arbeitslosengeld ist bei Anwendung des Progressionsvorbehalts nach Abs. 2 Nr. 1 dieser Vorschrift mit Bruttobeträgen zu erfassen.

2. Die Ermächtigung im § 51 Abs. 4 Nr. 2 EStG an den BMF, die für die Anwendung des § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG maßgebenden Bruttobeträge festzusetzen, entspricht den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG.

3. § 32b Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 EStG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

EStG 1982 § 32b, § 51 Abs. 4 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20, Art. 14 Abs. 2, Art. 80 Abs. 1 Satz 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1986, 409)

Sachverhalt

Die verheirateten und für das Streitjahr 1982 zusammenveranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezogen 1982 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger war seit dem 1. März 1982 arbeitslos und erhielt im Streitjahr 1982 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung von 10.309,06 DM netto. Im Einkommensteuerbescheid 1982 ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens außer Ansatz. Das FA berechnete jedoch den auf das zu versteuernde Einkommen anzuwendenden Einkommensteuersatz nach dem Progressionsvorbehalt des § 32b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes 1982 (EStG) unter Einbeziehung eines Arbeitslosengeldes von brutto 14.525,93 DM. Dies ergab eine um 752 DM höhere Einkommensteuer.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger mit Zustimmung des FA Sprungklage. Sie sind der Ansicht, der Einkommensteuerbescheid 1982 sei rechtswidrig, weil die Berücksichtigung des Arbeitslosengeldes bei der Ermittlung des Steuersatzes im § 32b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG verfassungswidrig sei.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte in dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 409 veröffentlichten Urteil u.a. aus:

1. Das FA habe das Arbeitslosengeld zu Recht in die Berechnung des Steuersatzes nach § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG mit Bruttobeträgen einbezogen. Der Ansatz von Bruttobeträgen ergebe sich aus dem Wortlaut wie auch aus dem Sinn und Zweck dieser Norm. Die Höhe dieser Beträge habe das FA zu Recht dem auf Grund der Ermächtigung in § 51 Abs. 4 Nr. 2 EStG ergangenen Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 31. Dezember 1981 IV B 6 - S 2230 - 95/81 (BStBl I 1981, 882) entnommen. Die Ermächtigungsvorschrift entspreche den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) zum Erlaß von Rechtsverordnungen.

2. § 32b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 EStG sei nicht verfassungswidrig.

Verstöße gegen das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit führten im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nur dann zur Verfassungswidrigkeit, wenn sie willkürlich und nicht hinreichend sachlich begründet seien. § 32b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 EStG sei insoweit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Zum Vergleich sei eine Gruppe von Steuerpflichtigen heranzuziehen, die anstelle von Lohnersatzleistungen Einkünfte aus aktiver Beschäftigung als Arbeitnehmer bezögen. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor, wenn der Gesetzgeber unter Neubewertung der Gründe, die ihn zur Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 EStG veranlaßt hätten, diese Tatbestände teilweise wieder der Besteuerung unterordne. Der Progressionsvorbehalt diene dem Gleichheitssatz, weil er die Steuerbefreiungen im § 3 Nr. 2 EStG wieder dem Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unterstelle und die Ungleichbehandlung gegenüber Beziehern steuerpflichtiger Einnahmen teilweise ausgleiche.

Stelle man die Gruppe "Empfänger progressionsvorbehaltsbetroffener steuerfreier Bezüge" der Gruppe "Empfänger nicht nach § 32b EStG erfaßter steuerfreier Einnahmen" einander gegenüber, so liege eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung ebenfalls nicht vor. Denn die unterschiedliche Behandlung beider Gruppen beruhe nicht auf willkürlichen Erwägungen des Gesetzgebers. Da dem Gesetzgeber bei Tarifvorschriften eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zustehe, sei dieser berechtigt gewesen, bei der Tarifvorschrift des § 32b EStG vom Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zugunsten volkswirtschaftlicher, sozialpolitischer, konjunktureller und wirtschaftslenkender Zielsetzungen abzuweichen. Der Progressionsvorbehalt sei in einer Zeit stetiger Verschlechterungen der Situation auf dem Arbeitsmarkt erweitert worden. In dieser Lage habe der Gesetzgeber alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Beeinflussung des Arbeitsmarktes einbeziehen dürfen. Nach der Regierungsbegründung zum 2. Haushaltsstrukturgesetz - 2. HStruktG - (BTDrucks 9/842, S. 67 zu Nr. 8) habe er durch Unterwerfung bestimmter Lohnersatzleistungen unter den Progressionsvorbehalt dazu beizutragen, die Bereitschaft von Bürgern zu Arbeitsaufnahmen, ihre Mobilität sowie die Eigeninitiative bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle zu fördern.

§ 32b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG verstoße auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit gegen den Gleichheitssatz. Der Progressionsvorbehalt bei steuerfreien Einkünften nach einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) entspreche jahrelanger Praxis, die im Einkommensteuerreformgesetz 1974 einen gesetzlichen Niederschlag gefunden habe. Die insoweit im § 32b EStG erfaßten Einkünfte seien durch das EStG 1982 auf weitere Tatbestände ausgedehnt worden. Es bestehe kein Gebot, daß steuerbefreite Einkünfte in keiner Weise steuerwirksam werden dürften.

Das Prinzip der Einkommensteuer als Jahressteuer werde durch die Erweiterung der Tatbestände des § 32b EStG nicht berührt. Daß die Kläger mit einer höheren Einkommensteuer belastet würden als ohne Anwendung des Progressionsvorbehalts, beruhe nicht auf gekürzten Freibeträgen bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Mehrbelastung sei vielmehr gerechtfertigt, weil sich durch den Bezug des Arbeitslosengeldes die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kläger gegenüber den Steuerpflichtigen erhöht habe, die den gleichen Arbeitslohn, aber kein zusätzliches Arbeitslosengeld erhalten hätten.

Gegen diese Entscheidung legten die Kläger Revision ein. Sie sind der Ansicht, § 32b EStG verletze Art. 3, Art. 20, Art. 14 GG und § 51 Abs. 4 Nr. 2 EStG entspreche nicht Art. 80 GG.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

1. das Verfahren auszusetzen und nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über die Verfassungswidrigkeit des § 32b Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 EStG einzuholen, hilfsweise,

2. den Einkommensteuerbescheid 1982 vom 24. Juni 1985 sowie die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuerschuld von 3.556 DM auf 2.804 DM herabzusetzen sowie hilfsweise

3. eine amtliche Auskunft von der Bundesanstalt für Arbeit einzuholen, die sich mit der Arbeitsmarktentwicklung und insbesondere mit der Situation der Bezieher von Arbeitslosengeld für den Zeitraum von 1981 bis heute beschäftigt.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen und den Hilfsantrag der Kläger zu 3 abzulehnen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Denn FA und FG haben § 32b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 EStG bei der Einkommensteuerveranlagung der Kläger für 1982 zutreffend angewandt und es bestehen gegen diese Vorschrift keine verfassungsmäßigen Bedenken.

Der Kläger hatte im Streitfall in der Zeit vom 1. März 1982 bis 31. Dezember 1982 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung mit einem Nettobetrag von 10.309,06 DM erhalten. Dieser Betrag ist nach § 3 Nr. 2 EStG steuerfrei. Für den unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Bezieher von Arbeitslosengeld bestimmt aber § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG, daß auf das übrige, nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden ist. Dieser besondere Steuersatz ist nach Abs. 2 Nr. 1 dieser Vorschrift der Steuersatz, der sich ergibt, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer die Beträge einbezogen werden, "die nach Abzug der bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge i.S. des § 111 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) die ausgezahlten Leistungen ergeben". Der Gesetzgeber hat in § 51 Abs. 4 Nr. 2 EStG den BMF ermächtigt," die für die Anwendung des § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG maßgebenden Beträge festzusetzen". Von dieser Ermächtigung hat der BMF für das Streitjahr 1982 in der Bekanntmachung vom 31. Dezember 1981 (a.a.O.) Gebrauch gemacht.

I. Auslegung des § 32b EStG

Das FA hat im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1982 entsprechend dem Progressionsvorbehalt des § 32b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht das dem Kläger netto ausgezahlte Arbeitslosengeld von 10.309,06 DM, sondern den sich aus der Bekanntmachung des BMF im BStBl I 1981, 882 ergebenden "steuerlich maßgebenden Bruttobetrag" von 14.525,93 DM zugrunde gelegt. Dies ist gemäß den im Ergebnis zutreffenden Ausführungen des FG nicht zu beanstanden.

§ 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG nimmt - wie erwähnt - auf die Bemessung des Arbeitslosengeldes in § 111 AFG Bezug. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift beträgt das Arbeitslosengeld

1. für Arbeitslose, die mindestens ein Kind i.S. des § 32 Abs. 4, 6 und 7 EStG haben, 68 v.H.,

2. für die übrigen Arbeitslosen 63 v.H.

"des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts" i.S. des § 112 AFG. Das Arbeitsentgelt i.S. des § 112 AFG wird nach § 111 Abs. 2 AFG um die Lohnsteuer nach der zuständigen Leistungsgruppe (d.h. nach den Lohnsteuerklassen I bis VI), um die pauschalierte Lohnkirchensteuer und um die pauschalierten Sozialversicherungsabzüge vermindert. Hierauf wird der in § 111 Abs. 1 AFG genannte Prozentsatz von 68 bzw. 63 v.H. angewandt. Hat man die für den Arbeitslosen maßgebende Leistungsgruppe anhand der Kriterien des § 111 Abs. 2 AFG ermittelt, so kann die Höhe der "ausgezahlten Leistungen" i.S. des § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG nach den Tabellensätzen der vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung auf Grund der Ermächtigung in § 111 Abs. 2 AFG erlassenen AFG-Leistungsverordnungen abgelesen werden (vgl. auch Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Kommentar zum Arbeitsförderungsgesetz, 1. Aufl., 1984, § 111 Anm. 3).

In die Ermittlung des besonderen Einkommensteuersatzes nach § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG sind nicht die "ausgezahlten Leistungen" nach § 111 AFG (Nettobeträge) einzubeziehen, sondern es sind gemäß seinem Wortlaut zugrunde zu legen, "die Beträge, die nach Abzug der bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge im Sinne des § 111 des Arbeitsförderungsgesetzes die ausgezahlten Leistungen ergeben". Das sind die durch entsprechende Rückrechnung zu ermittelnden Bruttobeträge.

Diese Auslegung des § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG entspricht der Regierungsbegründung zum 2. HStruktG (a.a.O.), durch das § 32b EStG erweitert wurde. So heißt es auf S. 67 rechte Spalte, auf das zu versteuernde Einkommen sei der Steuersatz anzuwenden, der sich ergebe, wenn die Lohnersatzleistung mit einem hochgerechneten Betrag wie Arbeitslohn bei der Berechnung der Einkommensteuer einbezogen werde. Die Hochrechnung solle dem bei einer Nettolohnvereinbarung üblichen Verfahren durch Feststellung des steuerlich maßgebenden Bruttoarbeitslohns entsprechen, wobei allerdings unabhängig von den für den einzelnen Arbeitnehmer individuell in Betracht kommenden Kirchensteuersätzen und den Beitragssätzen zur Renten- und Krankenversicherung die Abzugsbeträge mit Sätzen ermittelt würden, die für die Errechnung der Lohnersatzleistungen nach dem AFG selbst maßgebend gewesen seien. Eine Nettolohnvereinbarung läßt sich nach Ansicht des Senats allerdings nur insoweit zum Vergleich heranziehen, als auch dort Beträge von netto auf brutto umgerechnet werden müssen. Im übrigen bestehen zur Hochrechnung im Rahmen des § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG jedoch erhebliche Unterschiede bezüglich ihres Anlasses und der zu verwendenden Rechengrößen.

Für die Ansicht des Senats, im Rahmen des § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG seien nicht die Netto-, sondern die Bruttobeträge des Arbeitslosengeldes maßgebend, spricht auch die in § 51 Abs. 4 Nr. 2 EStG dem BMF erteilte Ermächtigung, "die für die Anwendung des § 32b Abs. 2 Nr. 1 maßgebenden Beträge festzusetzen". Einer solchen Ermächtigung hätte es nicht bedurft, wenn die "ausgezahlten Leistungen" in die Berechnung des besonderen Steuersatzes des § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG einzubeziehen wären. Denn dann hätten keine besonderen Beträge durch den BMF festgesetzt werden müssen; die Vorlage entsprechender Bescheide über die Höhe des ausgezahlten Arbeitslosengeldes hätte genügt.

II. Verfassungsmäßigkeit des § 51 Abs. 4 Nr. 2 EStG

1. Der Senat tritt dem FG darin bei, daß die Ermächtigung an den BMF in § 51 Abs. 4 Nr. 2 EStG hinreichend bestimmt i.S. des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ist.

Nach Art. 80 Abs. 1 GG kann durch Gesetz ein Bundesminister ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Wegen Verstoßes gegen Art. 80 Abs. 1 GG ist daher eine Ermächtigung verfassungswidrig, wenn diese so unbestimmt ist, daß nicht mehr vorausgesehen werden kann, in welchen Fällen, in welcher Richtung und mit welchem Inhalt die aufgrund der Ermächtigung ergehenden Verordnungen erlassen werden. Bei Steuergesetzen muß schon aus der Ermächtigung voraussehbar sein, was vom Bürger gefordert werden kann. Das ist nicht der Fall, wenn nicht vorhergesehen werden kann, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht wird (vgl. Mauntz/Dürig/Herzog, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 80 Rdnr. 33; Beschlüsse des BVerfG vom 2. Juni 1964 2 BvL 23/62, BVerfGE 18, 52, 61, und vom 15. Dezember 1959 2 BvL 73/58, BVerfGE 10, 251, 258).

Bezüglich des hier maßgebenden § 32b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG wurde der BMF - wie erwähnt - im § 51 Abs. 4 Nr. 2 EStG ermächtigt, "die für die Anwendung des § 32b Abs. 2 Nr. 1 maßgebenden Beträge festzusetzen". Geht man davon aus, daß die hiernach ergehenden Bekanntmachungen des BMF als Rechtsverordnungen i.S. des Art. 80 Abs. 1 GG anzusehen sind, ist die Ermächtigungsnorm des § 51 Abs. 4 Nr. 2 EStG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Soweit § 51 Abs. 4 Nr. 2 EStG auf § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG Bezug nimmt und nur im Zusammenhang mit der letztgenannten Norm verständlich ist, widerstreitet dies nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Denn viele in § 51 EStG enthaltenen Ermächtigungen beziehen sich auf vorangegangene Vorschriften des EStG, da sie ihrer Anwendung bzw. ihrer Spezifizierung dienen. Ebenso wie bei ihnen setzt auch § 51 Abs. 4 Nr. 2 EStG eine zutreffende Auslegung der Bezugsnorm, hier des § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG, voraus. Der Umstand, daß letztere wiederum auf § 111 AFG verweist, beeinträchtigt ebenfalls nicht die Rechtswirksamkeit des § 51 Abs. 4 Nr. 2 EStG. Denn es würde zur Unübersichtlichkeit des EStG führen, wenn der Gesetzgeber Vorschriften aus anderen Gesetzen, auf die er verweist, im EStG jeweils wörtlich wiederholen müßte.

Sieht man § 51 Abs. 4 Nr. 2 im Zusammenhang mit § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG und dem dort genannten § 111 AFG, so ist es für den Bürger hinreichend erkennbar und vorhersehbar, was von ihm gefordert werden kann. Wie ausgeführt, richtet sich das Arbeitslosengeld gemäß § 111 Abs. 1 AFG nach Nettobeträgen, nämlich nach einem bestimmten Prozentsatz des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts. Wie hoch diese Minderung jeweils ist, ergibt sich aus § 111 Abs. 2 AFG und den vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung durch Erlaß entsprechender Rechtsverordnungen bestimmten Leistungssätzen für ein Kalenderjahr, für das Streitjahr 1982 somit aus der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 30. Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1704). Da § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG jedoch den Ansatz von Bruttobezügen vorsieht, müssen die Nettobezüge dieser Verordnung wieder auf Bruttobeträge umgerechnet werden. Diesem Zweck dient die Ermächtigung in § 51 Abs. 4 Nr. 2 EStG und die daraufhin für das Streitjahr 1982 ergangenen Bekanntmachung des BMF vom 31. Dezember 1981 (a.a.O.). Im Hinblick darauf, daß die Umrechnung auf Bruttobeträge ein rein rechnerischer Vorgang ist, brauchte der Gesetzgeber die Grundsätze hierfür im einzelnen im § 51 Abs. 4 Nr. 2 EStG nicht festzulegen; es genügt, daß sie nach den vorstehenden Grundsätzen bestimmbar sind. Das gilt umso mehr, als die Beträge sich jährlich jeweils ändern. Da gegen die Ermächtigungsnorm des § 111 Abs. 2 AFG keine verfassungsmäßigen Bedenken bestehen, widerspricht es auch insoweit nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, daß § 51 Abs. 4 Nr. 2 EStG indirekt auf die hierzu ergangenen Verordnungen des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung mit Bezug nimmt.

2. Entgegen dem Vorbringen der Kläger ist die Ermächtigungsnorm des § 51 Abs. 4 Nr. 2 EStG auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil sie die Zustimmung des Bundesrats für die Bekanntmachungen des BMF nicht vorsieht.

Verordnungen eines Bundesministers bedürfen zwar nach Art. 80 Abs. 2 GG grundsätzlich der Zustimmung des Bundesrates. Diese Regelung gilt aber nur "vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung". Das bedeutet, daß eine Rechtsverordnung dann nicht der Zustimmung des Bundesrats bedarf, wenn der Bundesrat in dem maßgeblichen Bundesgesetz, das seiner Zustimmung bedarf, auf die Zustimmigkeitsbedürftigkeit der Rechtsverordnung verzichtet hat (vgl. Mauntz/Dürig/Herzog, a.a.O., Art. 80 Rdnr. 67).

Von einem solchen Verzicht ist im Streitfall auszugehen. Ebenso wie die Erweiterung des § 32b EStG ist auch die Ermächtigung im § 51 Abs. 4 Nr. 2 EStG durch das 2. HStruktG (BStBl I 1982, 235) eingeführt worden. Dieses Gesetz bedurfte der Zustimmung des Bundesrats und es ist nach seiner Präambel mit seiner Zustimmung beschlossen worden. Der Bundesrat stimmte damit der Regelung in Art. 26 Nr. 2 dieses Gesetzes zu, wonach § 51 EStG sowohl in Abs. 1 Nr. 2 Buchst. q Satz 6 als auch in mehrfacher Hinsicht in Abs. 4 - so auch bezüglich der Einfügung der hier maßgeblichen Nr. 2 - geändert wurde. In Anbetracht dessen, daß § 51 Abs. 1 bis 3 EStG für den Erlaß von Rechtsverordnungen stets die Zustimmung des Bundesrats verlangt, Abs. 4 hingegen nicht, Art. 26 Nr. 26 des Gesetzes sowohl § 51 Abs. 1 als auch Abs. 4 EStG betrifft, muß aus der Zustimmung des Bundesrats zu dieser Regelung des 2. HStruktG der incidenter ausgesprochene Verzicht auf die Zustimmung zum Erlaß der sich auf § 51 Abs. 4 EStG gründenden Bekanntmachungen des BMF erblickt werden.

III. Verfassungsmäßigkeit des § 32b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG

Der Senat teilt die Ansicht des FG, daß § 32b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht verfassungswidrig ist. Einer Aussetzung des Verfahrens und einer Vorlage ans BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG bedarf es daher nicht. Der Senat folgt der zutreffenden verfassungsrechtlichen Würdigung des FG und hebt im übrigen hervor:

1. Das FG hat zu Recht einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verneint. Es hat in seine Würdigung zu Recht nicht nur die Steuerpflichtigen einbezogen, die Einkünfte aus einer aktiven Beschäftigung ziehen, sondern hat seine Betrachtung auch auf die Personengruppe ausgedehnt, die nicht von § 32b EStG erfaßte steuerfreie Einnahmen bezieht. Es hat ohne Rechtsverstoß ein willkürliches Handeln des Gesetzgebers verneint und dessen Recht bestätigt, sich bei der Gestaltung von Tarifvorschriften auch von arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Sachgründen leiten zu lassen.

a) Durch das 2. HStruktG wurde der Progressionsvorbehalt im § 32b EStG ab dem Veranlagungszeitraum 1982 auf Fälle erweitert, in denen ein unbeschränkt Steuerpflichtiger Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld oder Arbeitslosenhilfe bezieht. Nach der Regierungsbegründung zu diesem Gesetz (a.a.O.) sollten hierdurch Mißstände beseitigt werden, die als indirekte Folge der Abschnittsbesteuerung aufgetreten waren. Da die Einkommen- und Lohnsteuer Jahressteuern sind (§ 2 Abs. 7 Satz 1, § 38a EStG), erhielten Personen, die nur während eines Teils des Jahres beschäftigt waren und während der restlichen Zeit Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld oder Arbeitslosenhilfe bezogen haben, infolge der auf das Kalenderjahr abgestimmten Besteuerung oftmals die gesamte Lohnsteuer im Wege des Lohnsteuer-Jahresausgleichs bzw. der Einkommensteuerveranlagung erstattet. Dies führte nach der Regierungsbegründung zu einer weitgehenden Gleich- oder sogar Besserstellung der zeitweilig Arbeitslosen gegenüber den ganzjährig Beschäftigten. Denn ein zeitweilig Arbeitsloser konnte über die Lohnsteuererstattungen netto mehr beziehen, als er bezogen hätte, wenn er das ganze Jahr über gearbeitet hätte. Das wirkte sich zu Anfang der 80iger Jahre nachteilig auf die Bereitschaft zur möglichst schnellen Wiederaufnahme von Arbeit aus. Dem wollte der Gesetzgeber durch Änderung des § 32b EStG entgegentreten. Er hat wegen der damit entstehenden Probleme des Finanzausgleichs davon abgesehen, die im § 3 Nr. 2 EStG normierte Steuerfreiheit der vorgenannten Bezüge zu beseitigen, obwohl dies nach den Ausführungen von Herrmann/Heuer/Raupach (Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 32b EStG, Grüne Blätter, S. 2/3) vielleicht systemgerechter gewesen wäre. Er hat sich zur Lösung dieses Problems im Rahmen des Progressionsvorbehalts entschlossen, weil im Lohnsteuerrecht ein Übergang vom Jahresprinzip zum Monatsprinzip zur Vermeidung von Lohnsteuererstattungen für Monate der Arbeitslosigkeit technisch nicht möglich erschien und eine Reihe von nichtsteuerrechtlichen Lösungen von ihm ebenfalls verworfen werden mußte (vgl. Hellwig in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 32b Rdnr. 27; Koch in Tipke - Herausgeber - Grenzen der Rechtsfortbildung durch Rechtsprechung und Verwaltungsvorschriften im Einkommensteuerrecht, Köln 1982, 369).

b) Es mag dahingestellt bleiben, inwieweit die Vorstellungen des Gesetzgebers über eine finanzielle Gleich- oder Besserstellung von im Jahr zeitweise arbeitslosen Bürgern nach durchgeführtem Lohnsteuer-Jahresausgleich gegenüber ganzjährig beschäftigten Arbeitnehmern der Wirklichkeit entsprachen. Auch wenn eine Gleich- oder Besserstellung nur verhältnismäßig selten der Fall gewesen sein sollte, so konnte der Gesetzgeber sein Ziel, die Bereitschaft der Arbeitslosen zur schnellen Wiederaufnahme der Arbeit zu fördern, zumindest dadurch verwirklicht sehen, daß er durch die Erweiterung des Progressionsvorbehalts die Lohnsteuererstattung verminderte und damit den finanziellen Anreiz zur baldigen Arbeitsaufnahme vergrößerte. So hatten die Kläger nach ihrer Berechnung im Streitjahr 1982 durch den Bezug von Arbeitslosengeld einen finanziellen Nachteil von 3.800 DM, der sich durch Anwendung des § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG um den streitbefangenen Einkommensteuerbetrag von 752 DM erhöhte.

c) Es kann auch nicht als willkürlich angesehen werden, daß der Gesetzgeber die Neuregelung in § 32b EStG "zunächst bewußt auf den Kernbereich der steuerfreien Lohnersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit und Teilarbeitslosigkeit beschränkt" hat (Regierungsbegründung a.a.O.), so daß andere Lohnersatzleistungen, die dort nicht genannt sind, dem Progressionsvorbehalt nicht unterworfen wurden, wie z.B. die Arbeitslosenhilfe nach § 13 des Entwicklungshelfergesetzes (EhfG) vom 18. Juni 1969 (vgl. Horlemann, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1984, 164). Er konnte sich bei Ausübung seines Ermessens von der Erwägung leiten lassen, nur solche Leistungen im Rahmen des § 32b EStG zu erfassen, "bei denen die unbefriedigenden Auswirkungen der derzeitigen Regelung besonders auffällig und praktisch bedeutsam sind und bei denen Rechtsänderungen deshalb besonders dringlich erscheinen (Regierungsbegründung a.a.O.).

Im Hinblick auf die genannte Zielsetzung kann es insbesondere nicht als willkürlich gewertet werden, daß der Gesetzgeber die Änderung des § 32b EStG nicht auf Personengruppen ausgedehnt hat, bei denen nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß durch Steuererstattungen die Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme (zeitweise) beeinträchtigt werden könnte. Das trifft insbesondere auf die vom Kläger genannten Empfänger von Unterhaltsgeld nach § 44 AFG wegen Teilnahme an Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung mit ganztägigem Unterricht oder auf Bezieher von Konkursausfallgeld nach § 141d AFG oder von Krankengeld zu, deren Bezüge ebenfalls nach § 3 Nr. 2 EStG steuerfrei sind, die aber nicht unter § 32b EStG fallen.

Sollte der Gesetzgeber im Rahmen des Steuerreformgesetzes 1990 die bisher unter § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG fallenden Personengruppen um die Empfänger weiterer, im Katalog des § 3 EStG enthaltener steuerfreier Einnahmen wie Mutterschaftsgeld und Renten von der Berufsgenossenschaft erweitern, so ist hieraus nicht zu folgern, daß der Gesetzgeber erkannt habe, der Katalog der bisher unter dem Progressionsvorbehalt des § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG fallenden Personen könne einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhalten. Wenn der Gesetzgeber, wie ausgeführt, die Regelung im § 32b Abs. 1 Satz 1 EStG "zunächst bewußt auf den Kernbereich der steuerfreien Lohnersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit und Teilarbeitslosigkeit beschränkt" hat, so ist dies ebensowenig willkürlich wie eine künftige Regelung, die ggfs. aus Gründen der Gleichbehandlung § 32b EStG auch auf die Bezieher von Mutterschaftsgeld, Renten von der Berufsgenossenschaft usw. ausdehnt.

d) Ob der Gesetzgeber mit der Neugestaltung des § 32b EStG seine arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Ziele erreicht hat, spielt für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung keine Rolle, wenn er sie als ein taugliches Mittel hierfür angesehen hat und ansehen konnte. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. April 1968 III R 78/67 (BFHE 92, 495, BStBl II 1968, 620, 626 linke Spalte) und der dort erwähnten Rechtsprechung des BVerfG ist bei wirtschaftslenkenden Maßnahmen des Gesetzgebers innerhalb einer bestimmten Marktordnung ohnehin starke Zurückhaltung bei Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes geboten. Dem Gesetzgeber kann nicht schon Willkür vorgeworfen werden, wenn seine Prognose durch die Entwicklung nachträglich widerlegt wird.

Der Gesetzgeber konnte die Erweiterung des Progressionsvorbehalts als ein geeignetes Mittel für seine arbeitsmarktpolitischen Ziele ansehen. Der Senat folgt nicht dem Vorbringen des Klägers, der Gesetzgeber habe deshalb willkürlich gehandelt, weil schon beim Erlaß des 2. HStruktG ersichtlich gewesen sei, daß durch die Erweiterung des Progressionsvorbehalts die Bereitschaft der Arbeitslosen zur Wiederaufnahme der Arbeit mangels eines entsprechenden Angebots auf dem Arbeitsmarkt objektiv nicht habe gefördert werden können. Die jahresdurchschnittliche Zahl der Arbeitslosen von 1.271.574 Personen in 1981 ist zwar auf 1.811.324 Personen in 1982 gestiegen. Darauf kommt es hier jedoch nicht entscheidend an. Maßgebend ist vielmehr der Umstand, daß nach dem Statistischen Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland 1983 (S. 111) trotz der erheblichen Zahl von arbeitslos gewordenen Bürgern im Jahr 1982 1.394.745 Arbeitslosen eine neue Arbeit vermittelt worden ist. Da diese Angaben auf Mitteilungen der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg beruhen, brauchte der Senat eine entsprechende Auskunft dieser Anstalt hierzu nicht einzuholen. Die Zahl von 1.394.745 vermittelten Arbeitsplätzen belegt, daß der Gesetzgeber sich bei der Erweiterung des Progressionsvorbehalts zu Recht von der Vorstellung eines vorhandenen, wenn auch nicht ausreichenden, Arbeitsplatzangebots hat leiten lassen.

Anhaltspunkte für die Annahme des Klägers, der Gesetzgeber habe durch Anwendung des Progressionsvorbehalts Leistungen nach dem AFG finanzieren wollen, sind den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Ob und inwieweit zeitgleich mit dem 2. HStruktG andere soziale Leistungen aus anderen Gründen abgebaut wurden, kann der Senat dahingestellt sein lassen, da dies auf die behauptete Verfassungswidrigkeit der Neuregelung des § 32b EStG keinen Einfluß haben kann.

e) Unzutreffend ist die Annahme der Kläger, der Gleichheitssatz werde verletzt, weil der Progressionsvorbehalt bei der Zusammenveranlagung von Eheleuten im Rahmen des § 46 Abs. 2 Nr. 2 c Buchst. b EStG berücksichtigt werde, wenn der andere Ehegatte nach Steuerklasse III besteuert werde, während dort, wo ein Ehegatte nicht berufstätig sei und keine anderen Einkünfte habe und es daher nicht zu einer Veranlagung nach § 46 EStG wegen Bezugs von Arbeitslosengeld komme, die auf den Progressionsvorbehalt entfallende Einkommensteuer nicht nachgefordert werden könne. Die Kläger übersehen, daß nach § 42 Abs. 4 Satz 4 zweiter Halbsatz EStG die Vorschriften des § 32b Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 EStG auch im Lohnsteuer-Jahresausgleich anzuwenden sind. Soweit sich in diesem Verfahren ergibt, daß einbehaltene Lohnsteuerbeträge nicht zu erstatten, sondern Lohnsteuer nachzuerheben ist, hat das FA nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. Mai 1974 VI R 17/72, BFHE 112, 384, BStBl II 1974, 619) einen entsprechenden Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid außerhalb des Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahrens zu erlassen.

2. Der Gesetzgeber hat auch das Gebot der Systemgerechtigkeit nicht verletzt.

a) Ein solcher Verstoß kann nicht darin erblickt werden, daß dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG nur Einnahmen, nach Nr. 2 des Absatzes 1 hingegen Einkünfte unterworfen werden. Denn es sind aus den Vorschriften des EStG keine Einschränkungen zu entnehmen, die es dem Gesetzgeber untersagen, im Rahmen der Tarifvorschrift des § 32b EStG neben Einkünften i.S. des § 2 Abs. 2 EStG auch Einnahmen in die Berechnung des Steuersatzes mit einzubeziehen, vorausgesetzt, daß die zugerechneten Einnahmen nicht bei den der Einkommensteuer unterworfenen Einkünften nochmals erfaßt werden, was hier nicht der Fall ist.

b) Es ist auch nicht systemwidrig, nach § 3 EStG steuerbefreite Einnahmen dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen. Denn dieser Vorbehalt will im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit gerade solche Einkünfte bzw. Einnahmen bei der Ermittlung des Steuersatzes berücksichtigen, die nicht unter das zu versteuernde Einkommen des § 32a Abs. 1 EStG fallen. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob Arbeitslosengeld seinem Wesen nach nicht steuerbar ist oder ob es im § 3 Nr. 2 EStG in konstitutiver Weise von der Einkommensteuer befreit wurde. Denn der Gesetzgeber ist nicht gehindert, auch nichtsteuerbare Einnahmen als Rechengröße für die Ermittlung des Einkommensteuersatzes auf steuerpflichtige Einkünfte zu verwenden, wenn dies der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betroffenen dient. Ebenso wie beim Progressionsvorbehalt nach § 32 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 EStG (vgl. Urteil des Senats vom 11. September 1987 VI R 19/84, BFHE 151, 50, BStBl II 1987, 856) werden hier Beträge nicht dadurch der Einkommensteuer unterworfen, daß sie zur Berechnung des Steuersatzes herangezogen werden.

c) Es verstößt ebenfalls nicht gegen das System des EStG, diese Berechnung auf Bruttobeträge zu erstrecken, die beim Arbeitslosengeld nach § 111 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AFG nach Vornahme bestimmter Abzüge als Nettobeträge errechnet waren. Denn mit diesen Abzügen wurde das Arbeitslosengeld nicht vorweg besteuert. Der Gesetzgeber wollte mit der Berechnung des Arbeitslosengeldes im § 111 Abs. 2 AFG vielmehr den Arbeitslosen im Ergebnis so stellen, daß er 68 bzw. 63 v.H. des Nettobetrags eines Arbeitnehmers erhält, der ein Arbeitsentgelt i.S. des § 112 AFG bezieht.

3. § 32b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 EStG verstößt auch nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.

Nach dem Beschluß des BVerfG vom 15. Dezember 1970 1 BvR 559/70, 1 BvR 571/70, 1 BvR 586/70 (BStBl II 1971, 39, 43) schützt Art. 14 GG grundsätzlich nicht vor der Auferlegung von Geldleistungspflichten. Eine Verletzung dieses Grundrechts könnte allenfalls dann in Betracht kommen, wenn Steuern den Steuerpflichtigen übermäßig belasten und hierdurch seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würden. Das ist hier jedoch nicht der Fall, da lediglich Einkünfte aus der aktiven Beschäftigung mit einem höheren Steuersatz der Einkommensteuer unterworfen werden.

Es trifft zwar zu, daß das Arbeitslosengeld im Streitfall letztlich ein Rückfluß von früheren Beitragsleistungen des Klägers an die gesetzliche Sozialversicherung darstellt. Der Anspruch auf das Arbeitslosengeld wird durch die Erweiterung des § 32b EStG jedoch nicht beeinträchtigt. Dadurch, daß sich durch die Anwendung dieser Vorschrift die festgesetzte Einkommensteuer bei der Einkommensteuerveranlagung bzw. die Jahreslohnsteuer beim Lohnsteuer-Jahresausgleich erhöht, mindert sich im Ergebnis nur der Anspruch auf Erstattung von im Streitjahr einbehaltener und ans FA abgeführter Lohnsteuer.