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BFH-Urteil vom 18.5.1988 (X R 44/82) BStBl. 1988 II S. 801

1. Der Aufgabenbereich des Havariekommissars ist gegenständlich nicht auf Vorgänge im Zusammenhang mit der Schiffshavarie beschränkt; er umfaßt auch Schäden an Transportmitteln und Ladungen, die anläßlich der Beförderung mit anderen versicherungsfähigen Transportmitteln verursacht sind.

2. Güterbesichtiger i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1967/1973 ist nicht nur der amtlich bestellte, sondern auch der von Versicherer und Versicherungsnehmer beauftragte Sachverständige (Abweichung vom BFH-Urteil vom 31. März 1977 V R 64/74, BFHE 122, 367, BStBl II 1977, 687).

UStG 1967/1973 § 4 Nr. 3, § 8 Abs. 1 Nr. 5.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in der Hauptsache Schadensregulierung im Rahmen des "Systems der Grünen Karte" für ausländische Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherer. In deren Auftrag wickelt sie inländische Schadensfälle - im wesentlichen Kraftfahrzeugschäden - ab, wobei sie die Regulierungsbeträge vorlegt. Bisweilen wird sie mit der Durchführung eines Regresses zugunsten des ausländischen Versicherers beauftragt. Ferner befaßt sie sich mit der Güterbesichtigung und Schadensfeststellung im Rahmen der Transportversicherung für Landtransporte und andere Transportarten.

"Versicherungsverträge im engeren Sinne" werden von der Klägerin weder abgeschlossen noch vermittelt.

Mit Schreiben vom 16. Januar 1968 teilte die Klägerin dem damals zuständigen Finanzamt K unter Darlegung des wesentlichen Sachverhalts mit, daß nach ihrer Auffassung die Umsätze aus Schadensregulierungen für deckungspflichtige Versicherungsgesellschaften nach § 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967 - Schadensregulierung als "versicherungsverwaltende Tätigkeit" (Bezugnahme auf den Erlaß des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 26. März 1965, BStBl I 1965, 226 ff., Abschn. B Nr. 4 Abs. 2 Buchst. b) - steuerfrei seien. Weiterhin beanspruchte sie Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 3 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1967 für ihre Umsätze als Havariekommissar sowie im Rahmen von Schiffs- und Güterbesichtigungen, soweit es sich um Tätigkeiten für ausländische Auftraggeber handele. Sie bat, im Sinne ihrer Rechtsauffassung zu entscheiden.

Das Finanzamt K bestätigte - im wesentlichen antragsgemäß - die Rechtsauffassung der Klägerin mit Schreiben vom 29. März 1968. Durch Verfügung vom 21. Oktober 1974 widerrief der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) diese Auskunft. Die hiergegen eingelegte Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen mit der Maßgabe, daß die Umsätze, die ihren rechtlichen Grund in der Zeit vor dem Zugang des Widerrufsbescheides haben (sog. Altaufträge), steuerfrei bleiben. Die hiergegen eingelegte Revision hat der Bundesfinanzhof - BFH - durch Beschluß vom 11. März 1988 X R 45/82 zurückgewiesen.

In den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheiden für November 1974 bis Juni 1975 unterwarf das FA die gesamten Umsätze dem Regelsteuersatz. Hiergegen hat die Klägerin nach erfolglosem Beschwerdeverfahren Klage erhoben, zu deren Begründung sie im wesentlichen vorgetragen hat:

Die Entgelte aus der Schadensregulierung für ausländische Versicherer seien als "Umsätze aus der Tätigkeit als Versicherungsvertreter" nach § 4 Nr. 11 UStG 1973 steuerfrei. Nach dem Wortlaut dieser Befreiungsvorschrift seien nicht bestimmte Personen mit ihren Umsätzen, sondern bestimmte Tätigkeitsarten befreit. Sie, die Klägerin, übe eine typische Tätigkeit des handelsrechtlichen Versicherungsvertreters - Schadensregulierung als versicherungsverwaltende Tätigkeit - aus (Bezugnahme auf das Schreiben des BMF vom 14. Februar 1968 IV A 2 - S 7015 - 2/68, BStBl I 1968, 401, Abschn. B Nr. 17, zu § 4 Nr. 11 UStG 1968). Die Zuordnung der Schadensregulierung zu den typischen Tätigkeiten eines Versicherers hänge nicht davon ab, daß der Unternehmer auch noch andere typische Aufgaben eines Versicherungsvertreters erledige. Einzig die von ihr beanspruchte Auslegung werde dem Zweck des § 4 Nr. 11 UStG 1973 gerecht, Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen.

Die Umsätze aus der Güterbesichtigung und Schadensfeststellung seien ebenfalls nach § 4 Nr. 11 UStG 1973 steuerfrei, da mit diesen Handlungen die Schadensabwicklung notwendigerweise beginne. Außerdem bestehe insoweit Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 3 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1973 für "Leistungen der Handelsvertreter, Havariekommissare, Schiffs- und Güterbesichtiger". Auf eine amtliche Bestellung als Güterbesichtiger komme es nach dem Gesetzeswortlaut nicht an.

Nach Treu und Glauben sei ein Widerruf der verbindlichen Zusage vom 29. März 1968 nicht zulässig.

Das FG hat die Klage durch Urteil vom 11. Dezember 1981 mit der Maßgabe abgewiesen, daß die Umsätze aus den - hinsichtlich ihrer Höhe zwischen den Beteiligten einvernehmlich festgestellten - Altaufträgen bei Schadensregulierungen und Güterbesichtigungen steuerfrei belassen wurden.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 4 Nr. 11, 4 Nr. 3 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 sowie - mit Schriftsatz vom 28. Juli 1983 - des § 12 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. a UStG 1967/1973. Sie trägt vor:

Im Rahmen der Schadensabwicklung erbringe sie "Leistungen eines Handelsvertreters ... für ausländische Auftraggeber" (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1967/1973). "Geschäfte" i.S. des § 84 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) würden auch im Rahmen der Schadensregulierung getätigt. Außerdem erbringe sie die "Leistungen eines ... Güterbesichtigers für ausländische Auftraggeber". Auch der Erlaß des BMF in BStBl I 1968, 401 verlange keine "amtliche Bestellung".

Die Klägerin hat zunächst Abänderung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für November 1974 bis Juni 1975 beantragt. Mit Schriftsatz vom 6. August 1985 hat das FA den berichtigten, "wegen der Klage gegen die USt der Voranmeldungszeiträume 1974 und 1975 sowie wegen der ruhenden Einsprüche gegen die Jahresveranlagungen der USt 1974, 1975 ..." gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vorläufigen Umsatzsteuer-Jahresbescheid vom 2. Januar 1980 für 1974 und 1975 vorgelegt. Daraufhin hat die Klägerin erklärt, den Antrag auf Abänderung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide halte sie nicht mehr aufrecht. Sie beantragt nunmehr, festzustellen, daß die Umsatzsteuer- Vorauszahlungsbescheide November 1974 bis Juni 1975 rechtswidrig gewesen sind, soweit die Umsatzsteuerschuld aufgrund der Vorauszahlungsbescheide nicht für ... auf .... DM festgesetzt worden ist.

Das FA beantragt, die Feststellungsanträge der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der Antrag der Klägerin, die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide festzustellen (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO), ist zulässig.

Gemäß § 40 Abs. 1 FGO kann mit der Anfechtungsklage nur die Aufhebung bzw. Änderung eines Verwaltungsakts begehrt werden. Für eine derartige Klage fehlt jedoch das Rechtsschutzinteresse, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt vor der Entscheidung durch das FG erledigt hat (vgl. Urteile des BFH vom 27. April 1982 VIII R 36/70, BFHE 135, 264, BStBl II 1982, 407; vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790). Der angefochtene Bescheid hatte sich durch die Bekanntgabe des Umsatzsteuer-Jahresbescheids vom 2. Januar 1980 erledigt (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 1984 V R 146/83, BFHE 143, 101, BStBl II 1985, 370). Die Klägerin hätte damit die behauptete Rechtswidrigkeit des Bescheids nur noch im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO geltend machen können. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht auf Antrag durch Urteil auszusprechen, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn sich dieser vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Einen derartigen Antrag hat die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren nicht gestellt. Nach allgemeiner Meinung ist die Klage in einem solchen Fall als unzulässig abzuweisen (vgl. insbesondere Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 138 Rdnr. 18; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 138 FGO Rdnr. 46). Der Senat schließt sich dieser Ansicht im Grundsatz an. Er ist jedoch der Auffassung, daß jedenfalls im Streitfall der Klägerin keine verfahrensrechtlichen Nachteile dadurch entstehen können, daß sie den Antrag gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO erst im Revisionsverfahren gestellt hat. Der BFH hat erst während des vorliegenden Revisionsverfahrens mit dem Urteil in BFHE 143, 101, BStBl II 1985, 370 unter Aufgabe seiner entgegengesetzten Rechtsansicht im Beschluß vom 13. Mai 1971 V B 61/71 (BFHE 102, 31, BStBl II 1971, 492) entschieden, daß der Rechtsstreit über die Anfechtung eines Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids in der Hauptsache erledigt ist, sobald der Umsatzsteuer-Jahresbescheid wirksam wird. Die bisherige Rechtsprechung hatte der Klägerin jedoch keine Veranlassung gegeben, nach Ergehen des Umsatzsteuer-Jahresbescheids nicht mehr an ihrem ursprünglichen Klageantrag festzuhalten. Dies gilt um so mehr, als das FG selbst dieses Klagebegehren als zulässig angesehen hat. Bei dieser Sachlage konnte die Klägerin den Feststellungsantrag noch im Revisionsverfahren nachholen. Ein Übergang zum Feststellungsbegehren ist grundsätzlich auch im Revisionsverfahren zulässig, da es sich nicht um eine Klageänderung handelt, sondern nur um eine Einschränkung des ursprünglichen Begehrens der Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts auf Feststellung der Rechtswidrigkeit. Soweit die Vorentscheidung in diesem eingeschränkten Sinne über das Klagebegehren entschieden hat, ist sie weiterhin mit der Revision angreifbar (vgl. zuletzt BFH-Urteile vom 16. Dezember 1986 VIII R 123/86, BFHE 148, 426, 429, BStBl II 1987, 248; vom 16. Juli 1987 V R 2/81, BFHE 150, 215, 217, BStBl II 1988, 190, für Fälle, in denen sich die angefochtenen Verwaltungsakte erst im Revisionsverfahren erledigt hatten).

Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, denn der Entscheidung über die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide kommt im Hinblick auf das noch nicht abgeschlossene Rechtsbehelfsverfahren über den Bescheid vom 2. Januar 1980 eine Feststellungswirkung zu (vgl. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1986 V R 127/80, BFHE 148, 226, 228, BStBl II 1987, 222, und in BFHE 150, 215, 218, BStBl II 1988, 190).

2. Das FG hat zu Recht angenommen, daß die Umsätze aus der Schadensregulierung nicht - auch nicht teilweise - steuerbefreit sind.

a) Die Umsätze sind nicht solche aus der Tätigkeit als Versicherungsvertreter i.S. des § 4 Nr. 11 UStG 1973. Diese Bestimmung setzt voraus, daß der Unternehmer in subjektiver Hinsicht im Verhältnis zum Leistungsempfänger - hier: den Versicherungsunternehmen - als Versicherungsvertreter i.S. des § 92 Abs. 1 HGB - mithin aufgrund der Verpflichtung zu Vermittlung oder Abschluß von Versicherungsgeschäften - tätig wird. An diesem in seinem Urteil vom 29. Juni 1987 X R 11/81 (BFHE 150, 385, BStBl II 1987, 867) dargelegten Grundsatz hält der Senat fest. Die hiergegen gerichteten Einwände verhelfen der Klägerin nicht zum Erfolg.

Die Klägerin ist nicht mit der Vermittlung und dem Abschluß von Versicherungsverträgen beauftragt und daher kein "Versicherungsvertreter". Ungeachtet seines Zweckes, den Versicherer, der nach § 4 Nr. 10 UStG 1967/1973 steuerfreie Leistungen ausführt, von in Rechnung gestellter nicht abzugsfähiger (§ 15 Abs. 2 UStG 1967/1973) Vorsteuer als Kostenfaktor zu entlasten, begünstigt § 4 Nr. 11 UStG 1973 nicht schlechthin Tätigkeiten "für Versicherungsunternehmen". Es kann dahingestellt bleiben, ob, wie die Klägerin meint, die Vermittlung oder der Abschluß "einiger weniger" Versicherungsverträge zu einer Steuerfreiheit der Versicherungsverwaltung führt.

b) Die Schadensregulierung für ausländische Versicherer ist nicht nach § 4 Nr. 3 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1973 steuerbefreit, da die Klägerin insoweit keine Leistungen als Handelsvertreter bewirkt. Ihre Tätigkeit erschöpft sich nicht in der Vermittlung und dem Abschluß von Geschäften. Vielmehr besorgt sie schwerpunktmäßig fremde Rechtsangelegenheiten: die sachverständige Feststellung der Ursache und des Umfangs von Schäden durch Maßnahmen zur Begrenzung des Schadens und durch der Rechts- und Interessenlage entsprechende Vorschläge zur Schadensregulierung.

3. Das FG hat es zu Unrecht ungeprüft gelassen, ob und ggf. in welchem Umfang die Klägerin - im Rahmen der Schadensfeststellung bzw. Güterbesichtigung - im Inland (§ 3 Abs. 10 UStG 1973) für ausländische Auftraggeber (§ 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG 1973) oder nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UStG 1973 gleichgestellte Auftraggeber "Leistungen der Havariekommissare, Schiffs- und Güterbesichtiger" (§ 4 Nr. 3 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1973) erbracht hat.

Die in § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1973 genannten - zum Teil deckungsgleichen - Berufsbilder sind umsatzsteuerrechtlich nicht umschrieben. Sie sind in Anlehnung an das Handelsrecht zu bestimmen (BFH-Urteil vom 31. März 1977 V R 64/74, BFHE 122, 367, BStBl II 1977, 687).

a) Der Havariekommissar ist - ursprünglich im Bereiche der Seeschiffahrt - als Schadensagent eines oder mehrerer Transportversicherer damit betraut, in Fällen von Schäden an Schiff und Ladung die Interessen seines Auftraggebers wahrzunehmen (vgl. § 74 Abs. 10 der Allgemeinen Deutschen Seeversicherungs-Bedingungen - ADS -, zitiert nach Ritter/Abraham, Das Recht der Seeversicherung, 2. Aufl., 1967, Bd. 2, S. 918 f., 942 ff.; zum Havariekommissar i.S. des § 74 Abs. 10 ADS vgl. Ritter/Abraham, a.a.O., § 74 Anm. 59 ff.). Zu seinem Aufgabenbereich gehören insbesondere die Schadensfeststellung, die Schadensminderung sowie die etwa erforderliche Verwertung beschädigter Güter, außerdem Verhandlungen über Bergung und Schleppkosten, Durchführung von Regressen (vgl. Enge, Transportversicherung, 2. Aufl., 1987, S. 29; Krause Versicherungswirtschaft, 1949, S. 273; Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, § 8 Rdnr. 122). Hierbei kann er auch die Tätigkeit eines Schiffs- und Güterbesichtigers ausüben (BMF-Erlaß in BStBl I 1968, 401, 407, Abschn. B Nr. 9 Abs. 7; Eckhardt/Weiß, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, § 8 Rdnr. 71). Nach Auffassung des BMF-Erlasses in BStBl I 1968, 400, 407 kann ein Havariekommissar auch von einem Unternehmer der Seeschiffahrt beauftragt sein. Dem ist insofern zu folgen, als zwar § 74 Abs. 10 ADS im Zusammenhang mit der Feststellung von Teilschäden durch Sachverständige (§ 74 Abs. 1 ADS) die Rechtsstellung des "für den Bezirk des Havarieortes bestellten Havariekommissars des Versicherers" regelt, grundsätzlich aber Versicherer und Versicherungsnehmer einen Sachverständigen zu ernennen haben (§ 74 Abs. 2 ADS).

Darüber hinaus ist der Aufgabenbereich des Havariekommissars gegenständlich nicht auf Vorgänge im Zusammenhang mit der Schiffshavarie beschränkt; er umfaßt auch Schäden an Beförderungsmitteln und Ladungen, die anläßlich der Beförderung mit anderen versicherungsfähigen Transportmitteln, wie Bahn, Lastkraftwagen und Flugzeug, verursacht sind. Dies entspricht dem neueren versicherungswirtschaftlichen Sprachgebrauch im Bereich der Transport- und Verkehrshaftpflichtversicherung (vgl. z.B. Nr. 10 der Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Transporten im grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr - Ausgabe 1976 Nr. 11 -, zitiert im Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 9. Mai 1984 IVa ZR 176/82, Versicherungsrecht - VersR - 1984, 830; BMF-Schreiben vom 27. November 1978 IV A 3 - S 7143 - 9/78, BStBl I 1978, 612; Rösch, VersR 1976, 901; Schwarze, Der Betrieb - DB - 1980, 419, 421).

b) Die Rechtsbegriffe "Schiffs- und Güterbesichtiger" überschneiden sich mit dem Begriff des Havariekommissars im seeversicherungsrechtlichen Sinne. Die Umsatzsteuerbefreiung der Leistungen von Schiffs- und Güterbesichtigern ist - anders als nach § 28 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB 1951) - nicht auf die Tätigkeit in Seehafenplätzen beschränkt; begünstigt ist auch die Besichtigung im Binnenland.

Der Begriff des Schiffsbesichtigers wird - lediglich - erwähnt im Bremischen Gesetz über Schiffsbesichtiger vom 5. Februar 1957 (Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen - GBl Bremen - 1957, 7; vgl. hierzu Eckhardt/Weiß, a.a.O., § 8 Rdnr. 76). Nach dieser Vorschrift gehört es u.a. zum Aufgabenbereich des Schiffsbesichtigers, als Sachverständiger Schiffe und Ladungen zu besichtigen oder auf Antrag der Beteiligten bei Schiffshavarien oder Ladungsschäden Gutachten über Ursache, Art und Umfang der Schäden abzugeben.

Güterbesichtiger i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1967/1973 sind nach dem Urteil in BFHE 122, 367, BStBl II 1977, 687 (nur) die amtlich bestellten Sachverständigen, die zu einer Güterbesichtigung im Falle von Transportschäden aus Anlaß einer Güterbeförderung berufen sind. Das FG ist dieser Ansicht gefolgt. Demgegenüber vertritt der erkennende Senat die Auffassung, daß die Beschränkung auf amtlich bestellte Güterbesichtiger im Gesetz keine Stütze findet. Die Einschränkung ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus einem eindeutigen Sinn des Gesetzes. Etwaige andere Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Staatsorgane haben im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden (im Ergebnis ebenso bereits BMF-Erlaß in BStBl I 1968, 401, 407; Erlaß des Hessischen Ministers der Finanzen vom 8. Februar 1979, DB 1979, 1014; Schwarze, DB 1980, 419, 422).

Zwar trifft es zu, daß § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1967/1973 die insbesondere durch das Handelsrecht vorgeprägten Branchen- und Berufsbezeichnungen übernimmt. Des weiteren ist das Berufsbild "Güterbesichtiger" mit dieser Bezeichnung nur in § 1 der Bremischen Verordnung betreffend die beeidigten Güterbesichtiger vom 3. Januar 1904 (GBl Bremen 1904, 14) gesetzlich normiert. Nach § 1 dieser Verordnung wurden die beeidigten Güterbesichtiger "bestellt, um vorbehaltlich anderweitiger, gerichtlicher Verfügung gemäß § 164 des Reichsgesetzes vom 20. Mai 1898, betreffend die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, als Sachverständige in Fällen der §§ 438, 608, 609 des Handelsgesetzbuches und des § 61 des Binnenschiffahrtsgesetzes vom 20. Mai 1898 den Zustand oder die Menge der Güter festzustellen". Dies heißt indes nicht, daß andere - nicht amtlich bestellte -, mit Schadensfeststellungen im Zusammenhang mit Schiffstransporten befaßte Personen nicht unter den Begriff des Güterbesichtigers fielen.

Das Verfahren zur Feststellung von (Teil-)Schäden an Schiffen ist in § 74 ADS und zur - streitigen - Feststellung von Schäden an Gütern in Abschnitt 8.2 ADS Güterversicherung 1973 geregelt (vgl. Enge, Erläuterungen zu den ADS Güterversicherung 1973 und dazugehörigen DTV-Klauseln, 1973, S. 77 ff., zugleich zur Feststellungspraxis unter der Geltung der ADS 1919). Nach § 74 Abs. 1 ADS ist ein Teilschaden durch Sachverständige festzustellen; der Versicherer und der Versicherungsnehmer oder für diesen der Schiffsführer haben unverzüglich je einen Sachverständigen zu ernennen (§ 74 Abs. 2 ADS). Ernennt der Versicherer trotz Aufforderung keinen Sachverständigen, so kann der Versicherungsnehmer oder für ihn der Schiffsführer die Handelskammer, in deren Bezirk sich das Schiff befindet, um die Ernennung ersuchen. Zwar bestimmt § 438 Abs. 2 HGB für das Frachtgeschäft, daß Ansprüche gegen den Frachtführer aus dem Frachtvertrag nach Zahlung der Fracht und Annahme des Gutes nicht erlöschen, "soweit die Beschädigung des Gutes vor dessen Annahme durch amtlich bestellte Sachverständige festgestellt ist". Eine ähnliche Regelung enthält § 61 Abs. 1 und 2 des Gesetzes betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt vom 20. Mai 1898 (RGBl 1898, 868). Die - abdingbare - Vorschrift des § 610 HGB sieht - über §§ 485 ff. der Zivilprozeßordnung hinaus - die Besichtigung von Gütern "durch die zuständige Behörde oder durch die hierzu amtlich bestellten Sachverständigen" als ein mögliches Mittel der Beweissicherung vor. Prüssmann/Rabe (Seehandelsrecht, 2. Aufl., 1983, § 610 Anm. A) bemerken hierzu, diese Vorschrift habe keine praktische Bedeutung; das Verfahren einer Bestellung des Sachverständigen nach § 164 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sei "in der Regel für die Praxis zu zeitraubend" (a.a.O, Anm. C 1). In Anbetracht dieses rechtstatsächlichen Befundes erscheint es gerechtfertigt, die inhaltlich identischen Leistungen der amtlich bestellten und anderer Sachverständigen im Zusammenhang mit der Feststellung von Schäden an Schiffen und Ladungen den Berufsbildern "Schiffsbesichtiger" und "Güterbesichtiger" zuzuordnen. Hierfür spricht auch die teilweise Deckungsgleichheit ihres Tätigkeitsgebietes und desjenigen der Havariekommissare (vgl. Enge, a.a.O.), die ihrerseits stets private Beauftragte sind (vgl. Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, Kommentar und Materialsammlung, 4. Aufl., 1978, § 728 Rdnr. 4).

Der V. Senat des BFH hat dieser Abweichung zugestimmt.

4. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war sein Urteil aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das FG auch prüfen, ob die Klägerin - für inländische Auftraggeber - im Rahmen der Güterbesichtigung als Ingenieurgesellschaft der freiberuflichen Tätigkeit entsprechende Leistungen erbracht hat (§ 12 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. a UStG 1973; vgl. hierzu Plückebaum/Malitzky, a.a.O., § 12 Abs. 2 Nr. 5 Rdnr. 819, mit Nachweisen, "Gutachter"; Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, § 12 Abs. 2 Nr. 5 Rdnr. 181/400 "Güterbesichtiger").