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BFH-Urteil vom 22.7.1988 (III R 253/83) BStBl. 1988 II S. 830

1. Zum Begriff der anrechenbaren anderen Bezüge von Unterhaltsempfängern.

2. Die im Rahmen der Sozialhilfe geleisteten Beträge für Krankenhilfe (§ 37 BSHG), häusliche Pflege (§ 69 Abs. 2 BSHG) und Mehrbedarf (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 BSHG) gehören nicht zu den gem. § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG anrechenbaren anderen Bezügen von Unterhaltsempfängern.

EStG § 33a Abs. 1.

Vorinstanz: FG Berlin (EFG 1983, 613)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) gewährte ihrer über 80 Jahre alten Tante (T) in den Streitjahren 1976 bis 1978 Unterhalt in Höhe von jeweils mehr als 3.000 DM je Kalenderjahr. T bezog in den Streitjahren Sozialhilfe einschließlich Wohngeld in Höhe von 8.173,50 DM (1976), 8.718,55 DM (1977) und 10.093,20 DM (1978). Ohne Berücksichtigung von Mehrbedarfszuschlag (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 des Bundessozialhilfegesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung - BSHG -), Krankenhilfe (§ 37 BSHG) und Hauspflegepauschale (§ 69 Abs. 2 BSHG) betrugen die Sozialhilfeleistungen 5.295,10 DM (1976), 5.704,15 DM (1977) und 6.169,60 DM (1978).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte es - auch im Einspruchsverfahren - ab, die Unterhaltszahlungen der Klägerin an T gemäß § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Das FA vertrat die Auffassung, die Sozialhilfeleistungen seien Bezüge der T, die in voller Höhe als zur Bestreitung von deren Unterhalt bestimmt oder geeignet anzusehen und gemäß § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG anzurechnen seien. Da der 3.600 DM überschreitende Betrag der eigenen Bezüge von T in sämtlichen Streitjahren über dem Unterhaltshöchstbetrag von 3.000 DM gelegen habe, sei eine Steuerermäßigung wegen der Unterhaltsleistungen gemäß § 33a Abs. 1 EStG nicht zu gewähren.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage - soweit es um die Höhe der im Revisionsverfahren allein noch streitigen anrechenbaren Sozialhilfebezüge der T ging - mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 613 veröffentlichten Urteil statt. Die Vorinstanz führte aus, zu den anrechenbaren Bezügen i. S. von § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG gehörten nicht die im Rahmen der Sozialhilfe gewährten Beträge für Krankenhilfe und häusliche Pflege sowie der Mehrbedarfszuschlag, sofern dieser an eine über 65 Jahre alte Person geleistet wird, bei der auch die Voraussetzungen für die Anerkennung der Erwerbsunfähigkeit vorliegen.

Das FA rügt mit der Revision einen Verstoß der Vorentscheidung gegen § 33a Abs. 1 EStG. Es macht geltend, das FG habe zu Unrecht die Leistungen für Krankenhilfe, Pflegezulage und Mehrbedarfszuschlag auf die eigenen Bezüge der T nicht angerechnet.

Es beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sozialhilfeleistungen in voller Höhe als i. S. von § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG anrechenbare Bezüge zu behandeln.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die im Rahmen der Sozialhilfe geleisteten Beträge für Krankenhilfe (§ 37 BSHG), häusliche Pflege (§ 69 Abs. 2 BSHG) und Mehrbedarf (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 BSHG) nicht zu den anrechenbaren Bezügen i. S. von § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG gehören.

1. a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen u.a. für den Unterhalt von Personen, für die im Veranlagungszeitraum weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) oder auf andere Leistungen für Kinder (§ 8 Abs. 1 BKGG) hat, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch ein Betrag von 3.000 DM im Kalenderjahr für jede unterhaltene Person, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG). Hat die unterstützte Person andere Einkünfte oder Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, so vermindert sich der Betrag von 3.000 DM um den Betrag, um den diese Einkünfte und Bezüge den Betrag von 3.600 DM übersteigen (§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG).

b) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind bei der Auslegung des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG unter dem Begriff "Einkünfte" die der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG zu verstehen. Unter den Begriff "Bezüge" fallen nach dieser Rechtsprechung alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfaßt werden, also nichtsteuerbare und im einzelnen (z.B. gemäß §§ 3 und 3b EStG) für steuerfrei erklärte Einnahmen (vgl. Urteile vom 17. Oktober 1980 VI R 98/77, BFHE 132, 34, BStBl II 1981, 158, und vom 7. März 1986 III R 177/80, BFHE 146, 386, BStBl II 1986, 554, mit weiteren Hinweisen). Anzurechnen sind nach der ausdrücklichen Regelung des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG indessen nur solche "Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind". Diese Einschränkung beruht auf der Erwägung, daß derartige Bezüge dem Unterstützten oft zweckgebunden zufließen (z.B. steuerfreie Erstattungen einer Krankenkasse). Es war daher vom Standpunkt des Gesetzgebers folgerichtig, den Abzugsbetrag des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG nur dann zu kürzen, wenn die Bezüge zur Bestreitung des Unterhalts auch tatsächlich bestimmt oder wenigstens geeignet sind (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 1972 VI R 257/71, BFHE 107, 436, 440, BStBl II 1973, 143). Weiter ist zu berücksichtigen, daß der Begriff des Unterhalts in § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG nur die typischen Unterhaltskosten, d.h. die üblichen für den laufenden Lebensunterhalt des Empfängers bestimmten Leistungen umfaßt. Hierunter fallen nicht Leistungen zur Befriedigung eines über den üblichen Lebensunterhalt hinausgehenden besonderen und außergewöhnlichen Bedarfs wie z.B. die Übernahme von Krankheitskosten, für die die Steuerermäßigung des § 33 EStG in Anspruch genommen werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 12. Januar 1973 VI R 207/71, BFHE 108, 500, BStBl II 1973, 442; vom 28. April 1978 VI R 145/75, BFHE 125, 167, BStBl II 1978, 456, und vom 5. September 1980 VI R 75/80, BFHE 131, 475, BStBl II 1981, 31).

Dieser enge Unterhaltsbegriff i. S. von § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG ist maßgebend auch für die Abgrenzung der anrechenbaren unterhaltsbestimmten und -geeigneten Bezüge i. S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG. Hieraus folgt, daß andere Bezüge des Unterhaltsempfängers, die diesem zweckgebunden für die Abdeckung eines nach Art und Höhe über das Übliche hinausgehenden besonderen und außergewöhnlichen Bedarfs zufließen, nicht als i. S. von § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet anzusehen sind. Denn sie stehen dem Empfänger für den üblichen Lebensunterhalt tatsächlich nicht zur Verfügung, erhöhen nicht die allgemeine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Empfängers und dürfen deshalb nicht zu einer Kürzung des Abzugsbetrags gemäß § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG führen. Andernfalls könnte es eintreten, daß Unterhaltsleistungen an eine Person, die z.B. außer erheblichen Zuschüssen Dritter zur Finanzierung von Krankheitskosten keine weiteren Einkünfte oder Bezüge hat, schon deshalb nicht gemäß § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG steuerermäßigend berücksichtigt werden dürften, weil die zur Bestreitung der Krankheitskosten empfangenen Bezüge die in § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG genannten Beträge übersteigen. Ein solches Ergebnis wäre, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, mit dem Zweck des Gesetzes nicht zu vereinbaren. Denn die Regelung des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG zur Anrechnung anderer Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, ist systematisch gesehen eine Typisierung des Begriffs der Zwangsläufigkeit, und zwar insbesondere des Begriffs der i. S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG notwendigen und angemessenen Aufwendungen (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 33a EStG Anm. 100).

Die Notwendigkeit zur Gewährung des üblichen Unterhalts an den Unterhaltsempfänger entfällt jedoch nur insoweit, als die anderen Bezüge dem Unterhaltsempfänger zur Bestreitung seiner üblichen Lebensbedürfnisse auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt bei Bezügen, die dem Empfänger zweckgebunden für die Abdeckung eines der Art und der Höhe nach über das Übliche hinausgehenden besonderen und außergewöhnlichen Lebensbedarf zufließen. Auch im Schrifttum wird daher die Auffassung vertreten, daß bestimmte, zweckgebundene Bezüge nach dem BSHG, dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach dem Gesetz über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" vom 17. Dezember 1971 (BGBl I 1971, 2.018) nicht gemäß § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG anrechenbar sind (vgl. z.B. Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33a Anm. 53; Gericke in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33a Rz. 12; Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 33a EStG Anm. 114; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 33a Anm. 2e; Oepen in Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, § 33a Anm. III 5; Sunder-Plassmann in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 33a Rdnr. 45a). Nach der Auffassung der Finanzverwaltung sind zweckgebundene Zulagen (z.B. Pflegezulage nach § 35 BVG, Unterhaltsbeitrag für einen Führhund nach § 14 BVG, der Pauschbetrag für erhöhten Kleider- und Wäscheverschleiß nach § 15 BVG und die Blindenhilfe sowie Pflegegelder nach den §§ 67 bis 69 BSHG) nicht zum Unterhalt bestimmt oder geeignet und deshalb nicht gemäß § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG als Bezüge anzurechnen (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 18. April 1985 IV B 3-S 2.285-47/85 und hiermit übereinstimmende Verwaltungsanordnungen der Länder vom 18. April 1985, Steuererlasse in Karteiform - StEK -, Einkommensteuergesetz, § 33a Abs. 1, Nr. 109; Betriebs-Berater - BB - 1985, 1.048).

2. a) In Anwendung dieser Grundsätze hat die Vorinstanz die der T gemäß § 37 BSHG gewährte Krankenhilfe zu Recht nicht als anrechenbaren Bezug i. S. von § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG behandelt. Die Leistungen der Krankenhilfe umfassen gemäß § 37 Abs. 2 BSHG u.a. Aufwendungen der Sozialhilfe für ärztliche und zahnärztliche Behandlung, Versorgung mit Arzneimitteln, Verbandsmitteln und Zahnersatz, Krankenhausbehandlung sowie sonstige zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung der Krankheitsfolgen erforderliche Leistungen. Sie dienen mithin dem Zweck, über den üblichen Lebensbedarf hinausgehende besondere krankheitsbedingte Bedürfnisse des Sozialhilfeempfängers zu befriedigen und stehen diesem zur Deckung seines typischen Unterhaltsbedarfs nicht zur Verfügung. Sie können daher nicht als i. S. von § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG zur Bestreitung seines Unterhalts bestimmt oder geeignet angesehen werden.

b) Entsprechendes gilt für das an die T gemäß § 69 Abs. 2 BSHG gezahlte Pflegegeld. Dieses bezweckt, Personen, die infolge Krankheit oder Behinderung so hilflos sind, daß sie nicht ohne Wartung und Pflege bleiben können (vgl. § 68 Abs. 1 BSHG), die angemessenen Aufwendungen für Wartung und Pflege im häuslichen Bereich durch eine Pflegeperson zu erstatten (§ 69 Abs. 2 BSHG). Das für diesen Zweck an T gezahlte Pflegegeld war somit, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, dazu bestimmt, die infolge Hilflosigkeit vorhandenen besonderen und außergewöhnlichen Bedürfnisse der T zu finanzieren und ist somit kein anrechenbarer Bezug i. S. von § 33 Abs. 1 Satz 3 EStG.

c) Der erkennende Senat folgt dem FG auch in der Auffassung, daß der gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 BSHG gewährte Mehrbedarfszuschlag ebenfalls nicht zu den anrechenbaren anderen Bezügen der T gehört. Gemäß § 23 Abs. 1 BSHG in der für die Streitjahre geltenden Fassung war ein Mehrbedarf von 30 v.H. als maßgebender Regelsatz anzuerkennen für Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben (Abs. 1 Nr. 1), für Personen unter 65 Jahren, die erwerbsunfähig im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung sind (Abs. 1 Nr. 2) und für werdende Mütter (Abs. 1 Nr. 3), soweit nicht im Einzelfall ein höherer Bedarf besteht. Der Zuschlag für Mehrbedarf soll den Bedarf außerhalb und oberhalb des Regelsatzes abdecken (Knopp/Fichtner, Bundessozialhilfegesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 23 Rdnr. 2; Schellhorn/Jirasek/Seipp, Kommentar zum Bundessozialhilfegesetz, 12. Aufl., § 23 Rdnr. 4). Bei diesem Mehrbedarf geht es zwar, wie auch die Vorinstanz festgestellt hat, im wesentlichen um die Abgeltung von Aufwendungen, die sich ihrer Art nach von normalen Lebenshaltungskosten nicht unterscheiden (z.B. verteuerter Einkauf von Bedarfsgütern, zusätzliches Fahrgeld, zusätzliche Reinigung von Kleidung und Wäsche, Aufmerksamkeiten bei gelegentlichen Hilfeleistungen durch Nachbarn oder andere Bekannte). Dabei handelt es sich jedoch um einen der Höhe nach von den üblichen Lebenshaltungskosten abzusondernden, durch Alter, Erwerbsunfähigkeit oder Schwangerschaft bedingten außergewöhnlichen Mehrbedarf, der für die Bestreitung der üblichen Lebenshaltungskosten nicht zur Verfügung steht und die allgemeine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Empfängers im Vergleich zu Sozialhilfeempfängern, die die Voraussetzungen für die Gewährung des Mehrbedarfszuschlags nicht erfüllen, nicht erhöht. Deshalb erscheint es sachgerecht, diesen Mehrbedarfszuschlag im Rahmen der Anrechnung anderer Bezüge gemäß § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG außer Ansatz zu lassen.