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BFH-Beschluß vom 1.6.1988 (X B 41/88) BStBl. 1988 II S. 838

1. Ein Ordnungsgeld gegen einen nicht erschienenen Zeugen (§ 82 FGO i.V.m. § 380 Abs. 1 ZPO) kann auch noch nach Abschluß des Verfahrens festgesetzt werden.

2. Das Ordnungsgeld ist - vorbehaltlich einer genügenden Entschuldigung (§ 381 ZPO) - jedenfalls dann festzusetzen, wenn das Gericht die Sache wegen des Ausbleibens des Zeugen vertagen mußte.

3. Entnimmt das Gericht die Höhe des Ordnungsgeldes dem oberen Betragsrahmen des Art. 6 Abs. 1 EGStGB, bedarf dies der Begründung.

FGO § 82, § 105 Abs. 2 Nr. 5, § 113; ZPO § 380 Abs. 1 Satz 2.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Das Finanzgericht (FG) hat den Steuerberater A (Beschwerdeführer) zur mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 1988 ordnungsgemäß als Zeugen geladen. Der Beschwerdeführer erschien zu diesem Termin nicht. Daraufhin vertagte das FG die Sache. Im angefochtenen Beschluß vom 9. Februar 1988 erlegte es dem Beschwerdeführer die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auf und setzte gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 800 DM, ersatzweise zwei Tage Ordnungshaft, fest, da der Beschwerdeführer trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne Entschuldigungsgründe nicht zum Termin erschienen sei. Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde trägt der Beschwerdeführer vor, die Auferlegung eines "an der oberen Grenze angesiedelten Ordnungsgeldes" sei ermessensfehlerhaft. Das FG hat am 17. März 1988 beschlossen, der Beschwerde nicht abzuhelfen.

Bereits am 9. März 1988 hatte das FG den Beschluß, den Beschwerdeführer als Zeugen zu hören, aufgehoben. Die Kläger haben die Klage am 16. März 1988 zurückgenommen; dieses Klageverfahren ist durch Beschluß vom 17. März 1988 eingestellt worden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

1. Der Beschwerdeführer ist als Steuerberater auch in eigener Sache postulationsfähig im Sinne des Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) in der Fassung vom 3. Dezember 1987 (BGBl I 1987, 2442, BStBl I 1987, 800).

2. a) Die Beschwerde ist nicht bereits deswegen begründet, weil eine Festsetzung des verhängten Ordnungsgeldes und die Aufrechterhaltung dieser Ordnungsmaßnahme nach rechtskräftigem Abschluß des Klageverfahrens unzulässig wären. § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 380 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) hat keinen Strafcharakter (Art. 5 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch - EGStGB - vom 2. März 1974, BGBl I 1974, 469). Die Verhängung eines Ordnungsgeldes als "Ungehorsamsfolge nichtkrimineller Art" (Zöller/Stephan, Zivilprozeßordnung, 15. Aufl., 1987, § 380 Rdnr. 3) dient dazu, den Verstoß gegen eine Ordnungsvorschrift des Prozeßrechts zu ahnden; denn das unentschuldigte Fernbleiben vor Gericht gehört seinem Wesen nach zu den Ordnungswidrigkeiten (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum EGStGB, BTDrucks 7/550, S. 195; ferner - zu § 890 Abs. 1 ZPO - Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 15. Mai 1985 I ZR 25/83, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1986, 127). Die Festsetzung des Ordnungsgeldes ist bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zwingend, ohne daß grundsätzlich der Wegfall der Beweiserheblichkeit oder der Notwendigkeit der Beweiserhebung - etwa bei Verzicht auf das Beweismittel - berücksichtigt werden könnte (Zöller/Stephan, a.a.O., § 380 Tz. 3; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., 1986, § 123 IV 2; zum Strafprozeß Kleinknecht/Meyer, Kommentar zur Strafprozeßordnung, 98. Aufl., 1987, § 51 Rdnr. 17; Paulus in Müller/Sax/Paulus, Kommentar zur Strafprozeßordnung, 1987, § 51 Rdnr. 35). Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Einstellung des Nebenverfahrens betreffend die Ordnungsmaßnahme entsprechend § 153 der Strafprozeßordnung (StPO), § 47 Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) vom 2. Januar 1975 (BGBl I 1975, 80) in Betracht kommt (vgl. Rosenberg/Schwab, a.a.O.; Oberlandesgericht - OLG - Düsseldorf, Beschluß vom 21. Januar 1982 1 Ws 936/81, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1982, 600, jeweils mit Nachweisen; grundsätzlich verneinend OLG Frankfurt, Beschluß vom 18. April 1983 17 W 14/83, Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen - OLGZ - 1983, 458), ist hier nicht entscheidungserheblich. Das Absehen von einer Ordnungsmaßnahme würde u.a. voraussetzen, daß das Ausbleiben des Zeugen weder für die Beteiligten noch für das Gericht irgendwelche nachteiligen Auswirkungen gehabt hat und deswegen eine Ahndung nicht durch das öffentliche Interesse an der ordnungsgemäßen Durchführung des Gerichtsverfahrens geboten erscheint. Hiervon kann im Streitfall schon deswegen keine Rede sein, weil der vergebliche Zeitaufwand des Gerichts und des Beklagten durch die gemäß § 380 Abs. 1 Satz 1 ZPO angeordnete Kostentragungspflicht nicht ausgeglichen wird (im Ergebnis ebenso Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Januar 1987 III B 82/86, BFH/NV 1987, 381).

Die Rechtsprechung zu § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO, der als Kannbestimmung formuliert ist und auf die Prozeßförderung durch die Partei abzielt (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 46. Aufl., 1988, § 141 Anm. 4 B b), ist hier nicht einschlägig.

b) Die Entscheidung des FG ist jedoch deswegen fehlerhaft, weil die Gründe des angefochtenen Beschlusses keine Ermessenserwägungen zur Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes enthalten.

Nach § 113 Abs. 2 FGO sind Beschlüsse zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können. Die zur Begründung von Urteilen (§ 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO) entwickelten Grundsätze gelten entsprechend (BFH-Beschluß vom 15. Februar 1967 IV B 18/66, BFHE 87, 502, BStBl III 1967, 181). Anhand der Entscheidungsbegründung soll der unterlegene Beteiligte die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels beurteilen können; die Entscheidungsgründe sind ferner Grundlage für eine Prüfung durch die Rechtsmittelinstanz (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 105 FGO Tz. 6). Die Begründung der Entscheidung muß daher erkennen lassen, auf welche tatsächlichen Feststellungen und auf welche rechtlichen Erwägungen das Gericht seine Entscheidung gestützt hat. Inhalt und Umfang der notwendigen Begründung richten sich nach den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebietes und nach den Umständen des einzelnen Falles.

Nach § 82 FGO i.V.m. § 380 Abs. 1 Satz 2 ZPO kann gegen einen ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, ein Ordnungsgeld in der Höhe zwischen 5 DM und 1.000 DM (Art. 6 Abs. 1 EGStGB) festgesetzt werden. Innerhalb dieses Rahmens bestimmt das Gericht die Höhe des Ordnungsgeldes nach pflichtgemäßem Ermessen. Maßgebend sind dabei insbesondere die Bedeutung der Rechtssache sowie die Bedeutung der Aussage für die Entscheidung, ferner die Schwere der Pflichtverletzung und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zeugen (vgl. Dahs in Löwe/Rosenberg, Kommentar zur Strafprozeßordnung, 24. Aufl., § 51 Rdnr. 19; Kleinknecht/Meyer, a.a.O., § 51 Rdnr. 17).

Die Begründung des angefochtenen Beschlusses enthält lediglich Feststellungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen ein Ordnungsgeld verhängt werden kann. Zur Höhe des Ordnungsgeldes hat das FG nichts ausgeführt.

Der Senat verkennt nicht, daß im Normalfall der Festsetzung eines Ordnungsgeldes im Zeitpunkt der Beschlußfassung dem Gericht weder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zeugen noch die zur Beurteilung der Verschuldensfrage erheblichen Umstände bekannt sind. Zu bedenken ist ferner, daß die Festsetzung des Ordnungsgeldes unter dem Vorbehalt der nachträglichen Entschuldigung (§ 381 ZPO) steht, was möglicherweise zu einer Reduzierung der Anforderungen an die Begründung führen kann (vgl. zum soweit einschlägigen Rechtsgedanken des § 66 Abs. 3 OWiG BTDrucks V/1269, S. 91). Wird die Höhe des Ordnungsgeldes dem unteren (Normal-)Bereich des Betragsrahmens entnommen, könnte auch erwogen werden, ob die Sach- und Rechtslage für den Betroffenen nicht auch ohne schriftliche Begründung ohne weiteres erkennbar ist (vgl. § 121 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 - ; § 39 Abs. 2 Nr. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - vom 25. Mai 1976, BGBl I 1976, 1253); dies bleibt hier dahingestellt. Entnimmt hingegen das Gericht die Höhe des Ordnungsgeldes dem oberen Bereich des Betragsrahmens, bedarf dies stets einer besonderen Begründung. Die Entscheidung bedarf einer zusätzlichen Rechtfertigung, welche die Abweichung vom Üblichen an den Besonderheiten des Falles verständlich macht (vgl. H.-J. Bruns, Das Recht der Strafzumessung, 2. Aufl., 1985, S. 284 f., mit Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung der Strafsenate des BGH).

3. Der Senat macht von der auch im Beschwerdeverfahren bestehenden Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch (vgl. BFH-Beschluß vom 8. Juli 1980 VII B 18/80, BFHE 131, 12, BStBl II 1980, 657). Das FG wird, falls es auch im zweiten Rechtsgang an der Festsetzung eines Ordnungsgeldes festhält und dessen Höhe dem oberen Betragsrahmen entnehmen will, seine Ermessenserwägungen darzulegen haben.