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BFH-Urteil vom 20.4.1988 (I R 67/84) BStBl. 1988 II S. 927

1. Das Verlangen nach Empfängerbenennung gemäß § 16 AStG i. V. m. § 160 AO 1977 ist kein Verwaltungsakt i. S. des § 118 AO 1977, sondern eine Vorbereitungshandlung zum Erlaß eines Verwaltungsakts (Anschluß an BFH-Entscheidung vom 12. September 1985 VIII R 371/83, BFHE 146, 99, BStBl II 1986, 537).

2. Die Rechtmäßigkeit des Benennungsverlangens ist im Klageverfahren gegen den Steuerbescheid oder Feststellungsbescheid zu überprüfen, der durch das Verlangen vorbereitet wird.

AO 1977 §§ 118, 160; AStG § 16.

Vorinstanz: FG München (EFG 1984, 433)

Sachverhalt

I.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsverlangens nach § 160 der Abgabenordnung (AO 1977).

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH. Das Stammkapital betrug im Jahre 1982 20.000 DM. Gesellschafter sind Frau X mit einem Anteil von 4.000 DM und die Firma Y-AG, Vaduz, mit einem Anteil von 16.000 DM. Geschäftsführerin ist Frau X.

Die Klägerin machte in den Jahren 1975 bis 1978 Lizenzzahlungen an die Anstalt Z mit Sitz in Vaduz/Liechtenstein als Betriebsausgaben geltend. Die Zahlungen beruhen auf einem Lizenzvertrag über ein Appartementhaussystem. Nach dem Vertrag verpflichtete sich die Klägerin zur Zahlung von Lizenzgebühren in Höhe von insgesamt 800.000 DM. Das Appartementhaussystem konnte von der Klägerin nicht verwertet werden.

Für Darlehen der Y-AG, Vaduz, machte die Klägerin in den Jahren 1976 bis 1981 Zinsen als Betriebsausgaben geltend.

In einer Steuerfahndungsprüfung durch die Steuerfahndungsstelle des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) wurden beide Sachverhalte aufgegriffen. Mit einem an die Klägerin zu Händen von Frau X gerichteten Schreiben vom 29. Juli 1982 forderte die Steuerfahndungsstelle die Klägerin gemäß § 16 des Außensteuergesetzes (AStG) i. V. m. § 160 AO 1977 zur Beantwortung einer Reihe von Fragen über ihre Beziehungen zur Anstalt Z und zur X-AG auf. Die Klägerin beantwortete die Fragen teilweise. Sie lehnte es ab, Originalunterlagen der Anstalt Z und der Y-AG vorzulegen und beantwortete eine Frage nach dem "wirklichen Empfänger" der an beide Firmen geleisteten Zahlungen nicht.

Wegen der von der Klägerin abgelehnten Auskunftsverlangen legte sie Beschwerde ein.

Die zuständige Oberfinanzdirektion (OFD) wies die Beschwerde mit Beschwerdeentscheidung vom 31. August 1983 als unbegründet zurück.

Auf die dagegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) mit dem angefochtenen, in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 433 veröffentlichten Urteil das Auskunftsverlangen in Gestalt der Beschwerdeentscheidung der OFD aufgehoben, soweit die Vorlage von Originalunterlagen der Anstalt Z und der Y-AG gefordert worden war. Im übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Soweit die Klage abgewiesen wurde, hat die Klägerin Revision eingelegt.

Sie stützt ihre Revision auf Verletzung der §§ 90, 119, 121, 160, 222 und 208 AO 1977, § 16 AStG und § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des FG München insoweit aufzuheben, als es die Klage abgewiesen hat,

2. den Bescheid des FA vom 29. Juli 1982 auch insoweit aufzuheben, als im Schlußabsatz die Angabe des "wirklichen Empfängers" der als Betriebsausgaben geltend gemachten Zahlungen an die liechtensteinischen Unternehmungen Y-AG und Anstalt Z gefordert und die beiden Unternehmen als bloße Briefkastenfirmen bezeichnet worden seien.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Das FG hat die Klage in dem mit der Revision angefochtenen klagabweisenden Teil seines Urteils zu Recht abgewiesen. Zwar hätte das FG die Klage richtigerweise als unzulässig verwerfen müssen. Das angefochtene Urteil ist trotz dieses Rechtsfehlers nicht aufzuheben, weil der Tenor dieses Teils des Urteils richtig ist (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. September 1985 VIII R 371/83, BFHE 146, 99, BStBl II 1986, 537).

2. Die Klage der Klägerin war unzulässig, da sie sich nicht gegen einen anfechtbaren Verwaltungsakt richtete (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 27. Oktober 1982 3 C 6.82, Bayerische Verwaltungsblätter - BayVBl - 1983, 218; BFH in BFHE 146, 99, BStBl II 1986, 537).

a) Das Verlangen nach genauer Empfängerbenennung gemäß § 16 Abs. 1 AStG i. V. m. § 160 AO 1977 ist kein Verwaltungsakt i. S. des § 118 AO 1977, sondern nur eine Vorbereitungshandlung zum Erlaß eines Verwaltungsakts (vgl. BFH in BFHE 146, 99, BStBl II 1986, 537). Zu den Vorbereitungshandlungen gehören alle im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ergehenden Maßnahmen, die zwar geeignet sind, dieses zu fördern, die es aber nicht abschließen (BFH in BFHE 146, 99, BStBl II 1986, 537, m. w. N.). Maßnahmen einer Behörde, die einem Bürger ein bestimmtes Verhalten auferlegen, sind keine Verwaltungsakte, wenn dadurch lediglich seine schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen bestehende Mitwirkungspflicht an der Aufklärung eines Sachverhalts konkretisiert wird und das auferlegte Verhalten im Falle einer Weigerung nicht zwangsweise durchgesetzt werden kann (Urteil des BVerwG vom 28. November 1969 VII C 18.69, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1970, 532; vgl. auch BFH in BFHE 146, 99, BStBl II 1986, 537).

Das Benennungsverlangen im Streitfall entspricht diesem Typ einer Maßnahme ohne unmittelbare Rechtswirkung. Kommt der Steuerpflichtige dem Verlangen nicht nach, so kann das FA nur Ausgaben und Schulden nach pflichtgemäßem Ermessen ("regelmäßig") nicht berücksichtigen. Zusätzliche Nachteile außer der Nichtberücksichtigung hat der Steuerpflichtige also nicht zu befürchten, wenn und solange das FA sich in den durch § 160 Satz 1 AO 1977 vorgezeichneten Grenzen hält (BFH-Urteil vom 17. Dezember 1980 I R 148/76, BFHE 132, 211, BStBl II 1981, 333, 335).

b) Anders wäre die Rechtslage, wenn die Auffassung des FG zuträfe, daß die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens (erste Entscheidungsstufe des Vorgehens nach § 160 AO 1977) nicht im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens nachprüfbar wäre. Diese Auffassung steht jedoch im Gegensatz zur ständigen Rechtsprechung des BFH, der das FG für befugt hält, im Klageverfahren gegen den Steuerbescheid oder Feststellungsbescheid sowohl die Rechtmäßigkeit des Verlangens als auch die Versagung des Abzugs von Ausgaben und Schulden zu überprüfen (Urteile vom 23. Februar 1951 IV 81/50 S, BFHE 55, 204, BStBl III 1951, 77; vom 18. September 1952 IV 120/52 U, BFHE 56, 716, BStBl III 1952, 275; vom 5. Juni 1956 I 106/56 U, BFHE 63, 29, BStBl III 1956, 206; vom 25. April 1963 IV 376-378/60 U, BFHE 77, 70, BStBl III 1963, 342; vom 29. November 1978 I R 148/76, BFHE 128, 1, BStBl II 1979, 587; in BFHE 132, 211, BStBl II 1981, 333, und in BFHE 146, 99, BStBl II 1986, 537).

3. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung auch wegen der Effektivität des Rechtsschutzes fest. Nur die Möglichkeit zu voller Überprüfung des Benennungsverlangens nach § 160 Satz 1 AO 1977 im Rechtsbehelfsverfahren gegen den auf § 160 Satz 1 AO 1977 beruhenden Steuerbescheid oder Feststellungsbescheid wird dem Rechtsschutzbegehren des Steuerpflichtigen gerecht (vgl. BFH in BFHE 146, 99, BStBl II 1986, 537).