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BFH-Urteil vom 8.6.1988 (II R 14/85) BStBl. 1988 II S. 946

Ergeht (bei bestehender Testamentsvollstreckung) ein Steuerbescheid an die Erben des ursprünglichen Steuerschuldners und fechten diese den Bescheid an, so sind sie jedenfalls dann berechtigt, einen zur teilweisen Steuererstattung führenden Klageantrag zu stellen, wenn der Testamentsvollstrecker der Prozeßführung durch die Erben zugestimmt hat. Eine derartige Zustimmung ist dann anzunehmen, wenn die Erben in dem Prozeß durch den Testamentsvollstrecker als ihrem Bevollmächtigten vertreten werden.

FGO § 58 Abs. 2; BGB §§ 2212, 2213.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Am 21. August 1975 verstarb A (Erblasserin), die zu je einem Drittel von ihren drei Kindern beerbt wurde, u.a. von der 1977 verstorbenen Mutter der Kläger (im folgenden: Mutter). Streitig ist die Höhe der Erbschaftsteuer, die von der Mutter der Kläger als ursprüngliche Steuerschuldnerin geschuldet wird.

Die Erbschaftsteuer der Mutter war vom FA zunächst (teils vorläufig, teils unter Vorbehalt der Nachprüfung) in Höhe von 1.107.904 DM festgesetzt worden. Die Steuer wurde entrichtet. Am 17. Juli 1980 erließ das FA sodann gegen die fünf Kläger als Erben der Mutter einen endgültigen Steuerbescheid über 1.232.448 DM. Hiergegen richtet sich die Klage, die als Klägerin die durch die fünf Erben der Mutter gebildete Erbengemeinschaft bezeichnet, vertreten durch den Vater dieser Erben "als Testamentsvollstrecker und Bevollmächtigter", der seinerseits eine Prozeßbevollmächtigte zu seiner Prozeßvertretung bestellte.

Die Mutter hatte ihren Ehemann, den Vater ihrer Erben, als Testamentsvollstrecker bestellt. Diese erteilten ihrerseits ihrem Vater Generalvollmacht.

Der Klageantrag bedeutete bei einem Erfolg der Klage eine Herabsetzung der Erbschaftsteuer unter den zunächst festgesetzten und gezahlten Betrag von 1.107.904 DM.

Das FG hat die Klageschrift dahin ausgelegt, daß die Klage von den fünf Erben der Mutter erhoben worden ist. Es hat die Klage abgewiesen.

Die Kläger haben Revision eingelegt und ihren Klageantrag weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Keine rechtlichen Bedenken bestehen dagegen, daß das FG die Klageschrift dahin ausgelegt hat, die Klage sei allein durch die fünf Erben der Mutter erhoben worden. Im Eingang der Klageschrift wird zwar die Erbengemeinschaft als solche genannt. Mangels Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft können aber nur die einzelnen Miterben als Kläger gemeint sein. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 58 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Denn die Erbengemeinschaft unterliegt nicht als solche der Besteuerung, hier der Erbschaftsteuer. Die von der Mutter geschuldete Erbschaftsteuer ist im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben übergegangen (§ 45 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Das bedeutet, daß die Erben für die gemeinschaftlichen Nachlaßverbindlichkeiten, zu denen auch die von der Mutter geschuldete Erbschaftsteuer gehört, gemäß § 2058 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als Gesamtschuldner haften und daß das FA als Gläubiger darüber hinaus berechtigt ist, gemäß § 2059 Abs. 2 BGB die Befriedigung aus dem ungeteilten Nachlaß von sämtlichen Miterben zu verlangen. Für eine Klage der Erbengemeinschaft als solcher ist unter diesen Umständen kein Raum.

Denkbar wäre es allerdings gewesen, neben den Erben der Mutter auch den von dieser bestellten Testamentsvollstrecker als Kläger anzusehen, da die Klage im Ergebnis auf eine teilweise Erstattung der bereits gezahlten Erbschaftsteuer gerichtet ist (vgl. § 2212 BGB). Gegen die Annahme eines derartigen Willens des Testamentsvollstreckers, der zugleich Generalbevollmächtigter der Erben ist, spricht indessen die Tatsache, daß er in der Klageschrift nur als Vertreter der Erben aufgeführt worden ist und daß der angefochtene Steuerbescheid sich ausschließlich gegen die Erben und nicht auch gegen den Testamentsvollstrecker richtete. Ob der Testamentsvollstrecker berechtigt gewesen wäre, gegen den ihn nicht betreffenden Steuerbescheid gleichwohl Anfechtungsklage zu erheben, kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben.

2. Die Klage der Erben der Mutter ist in vollem Umfang zulässig. Soweit sie die Nachforderung aus dem angefochtenen Änderungsbescheid bekämpfen, ergibt sich ihre Klagebefugnis aus § 2213 BGB. Nach dieser Vorschrift kann ein Anspruch, der sich gegen den Nachlaß richtet, sowohl gegen die Erben als auch gegen den Testamentsvollstrecker gerichtlich geltend gemacht werden. Im vorliegenden Falle hat das FA den Anspruch gegen die Erben durch Steuerbescheid geltend gemacht. Dies bedeutet, daß die Erben sich gegen die Inanspruchnahme im Klagewege wehren dürfen. Die bestehende Testamentsvollstreckung hindert sie daran nicht.

Ob der Prozeß insoweit zu einem sog. Aktivprozeß i.S. des § 2212 BGB wurde, als der Klageantrag bei Erfolg zu einer teilweisen Erstattung der bereits gezahlten Erbschaftsteuer führen würde oder ob er gleichwohl auch insoweit Passivprozeß bleibt, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Denn auch dann, wenn insoweit ein Aktivprozeß anzunehmen ist, der gemäß § 2212 BGB nur durch den Testamentsvollstrecker geführt werden könnte, ist die Klage der Erben der Mutter deshalb zulässig, weil nach Sachlage davon ausgegangen werden muß, daß der von der Mutter bestimmte Testamentsvollstrecker die Erben zur Prozeßführung ermächtigt hat. In einem solchen Fall sind die Erben auch zur Führung eines Aktivprozesses berechtigt (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 47. Aufl., § 2212 Anm. 3).

Daraus, daß der Testamentsvollstrecker namens der Erben aufgrund einer Generalvollmacht der Erben geklagt hat, ergibt sich, daß von einer Ermächtigung zur Prozeßführung ausgegangen werden muß. Er hat damit noch einen weitergehenden Einfluß auf den Prozeß als in dem Falle, in dem er die Erben ohne eigene Bevollmächtigung zur Prozeßführung ermächtigt hätte. Der vorliegende Sachverhalt darf unter diesen Umständen nicht anders behandelt werden als der Fall einer schlichten Ermächtigung der Erben zur Prozeßführung. Daraus folgt weiter, daß das in diesem Prozeß ergehende rechtskräftige Urteil auch für und gegen den Vater der Kläger als Testamentsvollstrecker wirkt.