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BFH-Urteil vom 10.8.1988 (III R 220/84) BStBl. 1988 II S. 948

1. Wird die Ladung zur mündlichen Verhandlung durch Niederlegung bei der Postanstalt zugestellt, so besteht für das Gericht grundsätzlich keine Veranlassung zu besonderen Nachforschungen darüber, ob der Kläger die Ladung rechtzeitig zur Kenntnis genommen hat.

2. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung trotz unverschuldeter Versäumung des Verhandlungstermins durch den Kläger hat nicht zwangsläufig eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör zur Folge.

3. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung des Termins zur mündlichen Verhandlung kommt im finanzgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht.

FGO §§ 53 Abs. 1, 56, 91 Abs. 1 und 2, 93 Abs. 3 Satz 2, 116 Abs. 1 Nr. 3, 118 Abs. 3, 119 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 182.

Vorinstanz: FG Schleswig-Holstein

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte bis zum 5. Juli 1976 ein Gewerbe als selbständiger Werbeberater angemeldet. Daneben war er Geschäftsführer der W GmbH, an der er neben seiner Ehefrau eine Beteiligung von 90 v.H. hielt. Die GmbH wurde nach Eröffnung des Konkursverfahrens Ende September 1977 liquidiert.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte zunächst die einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbeträge für die Jahre 1974 bis 1976 auf jeweils 0 DM fest, nachdem der Kläger mehrfach erklärt hatte, seit Mitte 1973 keine Einkünfte mehr aus seiner Tätigkeit als Werbeberater bezogen zu haben.

Ausweislich einer dem FA am 1. September 1980 zugegangenen Kontrollmitteilung hatte der Kläger seit Anfang 1974 die Verkaufsvertretung für eine Firma A übernommen und hierbei in den Jahren 1974 bis 1978 Provisionen zwischen 51.885 DM und 137.745 DM zuzüglich Umsatzsteuer erhalten.

Der Kläger räumte die Übernahme der Verkaufsvertretung gegen Entgelt dem FA gegenüber zwar ein, sah sich jedoch u.a. mangels steuerrechtlicher Kenntnisse zur Abgabe von Steuererklärungen außerstande. Das FA schätzte daraufhin den Gewinn aus der Handelsvertretertätigkeit für die Streitjahre (1974 bis 1978) ausgehend von den in der Kontrollmitteilung angegebenen Beträgen, wobei es zwischen 11 und 15 v.H. der Bruttoeinnahmen pauschal als Betriebsausgaben berücksichtigte und die sich hiernach ergebenden Beträge den Meßbeträgen nach dem Gewerbeertrag zugrunde legte.

Während des Einspruchsverfahrens versuchte das FA auf ausdrückliche Bitte des Klägers die Besteuerungsgrundlagen im Rahmen einer Außenprüfung zu ermitteln, die jedoch mangels Vorlage prüfungsrelevanter Unterlagen ohne Änderung der geschätzten Besteuerungsgrundlagen vorzeitig abgeschlossen wurde. Im Anschluß hieran wies das FA die Einsprüche des Klägers zurück.

Im Klageverfahren wurde der Kläger unter Fristsetzung gemäß § 79 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. Art. 3 § 3 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 - VGFGEntlG - (BGBl I 1978, 446) zur Ergänzung seines Vorbringens aufgefordert. Der Kläger teilte hierzu innerhalb der Ausschlußfrist u.a. mit, daß das FA die Betriebsausgaben aus der Handelsvertretertätigkeit viel zu niedrig angesetzt habe. Er sei damit einverstanden, wenn das Finanzgericht (FG) zu einer weisen Entscheidung für den Nettogewinn komme, was in der mündlichen Verhandlung erörtert werden sollte. Hierzu werde er auch ein Konvolut der Provisionsabrechnungen mitbringen.

Mit Verfügung vom 13. Februar 1984, die dem Kläger am 16. Februar 1984 im Wege der Ersatzzustellung durch Niederlegung bei der Postanstalt zugestellt wurde, wurde der Kläger zu der für den 6. März 1984 anberaumten mündlichen Verhandlung geladen. In der Ladung wurde der Kläger darauf hingewiesen, daß bei seinem Ausbleiben auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne (§ 91 Abs. 2 FGO).

Das FG führte die mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Klägers durch, nachdem es zunächst dessen ordnungsgemäße Ladung festgestellt hatte. In einem Verkündungstermin am Schluß der Sitzung wurde die Klage abgewiesen. Das FG hielt die Schätzung dem Grunde und der Höhe nach für zutreffend.

Mit Schreiben vom 21. März 1984 beantragte der Kläger die Anberaumung einer neuen mündlichen Verhandlung, da er sich vom 13. Februar 1984 an im Urlaub befunden habe und die bei der Post niedergelegte Ladung deshalb erst nach seiner Rückkehr am 20. März 1984 habe abholen können.

Mit seiner gemäß § 115 Abs. 1 FGO i.V.m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) in der bis zum 17. Juli 1985 geltenden Fassung (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) zulassungsfreien Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts und des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Das angefochtene Urteil leidet an keinem Verfahrensmangel.

a) Der erkennende Senat hat bereits erhebliche Zweifel, ob der Kläger wegen der unter Beweis gestellten urlaubsbedingten Abwesenheit tatsächlich nicht in der Lage war, sich Kenntnis von der Ladung zur mündlichen Verhandlung zu verschaffen. Der angebliche Urlaubsantritt am 13. Februar 1984 steht im offenkundigen Widerspruch zu dem vom Kläger mit Datum vom 16. Februar verfaßten Schreiben an das FA, in dem ausdrücklich auf zwei Schreiben des FA vom 27. Januar und 14. Februar Bezug genommen worden ist. Der Versuch des Klägers zur Erklärung dieses Widerspruchs hat die Zweifel des Senats eher noch verstärkt. Hätte der Kläger, wie er behauptet, dieses Schreiben bereits am 8. Februar unter dem Datum des 16. Februar gefertigt und bei seiner angeblichen Abreise am 13. Februar seinem Sohn mit dem Auftrag übergeben, es am 16. Februar an das FA weiterzuleiten, so hätte er schwerlich auf das Schreiben des FA vom 14. Februar, das ihn frühestens am 15. Februar erreicht haben kann, Bezug nehmen können.

Einer näheren Aufklärung dieses Widerspruchs bedarf es jedoch nicht. Denn selbst wenn man den Sachvortrag des Klägers als richtig unterstellt, muß der Revision der Erfolg versagt bleiben.

b) Ein Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO, dessen ausdrücklicher Rüge es nicht zwingend bedarf (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. August 1982 I R 120/82, BFHE 136, 518, BStBl II 1983, 46), liegt im Streitfall nicht vor. Der Kläger war im Verfahren nach der Vorschrift des Gesetzes vertreten.

aa) § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO geht davon aus, daß der Beteiligte in gesetzeswidriger Weise im Verfahren nicht vertreten war, weil das Gericht bei der Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Verhandlung den Vorschriften des Gesetzes nicht genügt und dadurch den Beteiligten die Teilnahme unmöglich gemacht hat (BFH-Beschluß vom 27. Januar 1988 IV R 14/86, BFHE 152, 196, BStBl II 1988, 447). Ein Fall fehlender Vertretung läge insbesondere vor, wenn der Kläger nicht ordnungsgemäß geladen worden wäre (vgl. BFH-Beschluß vom 11. April 1978 VIII R 215/77, BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401).

bb) Das FG hat bei Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Verhandlung gegen keine Verfahrensvorschriften verstoßen.

Die unter Einhaltung der Ladungsfrist des § 91 Abs. 1 FGO verfügte Ladung, in der der nach § 91 Abs. 2 FGO vorgeschriebene Hinweis enthalten war, ist dem Kläger, der insoweit auch keine Einwendungen erhoben hat, wirksam im Wege der Ersatzzustellung durch Niederlegung bekanntgegeben worden (vgl. § 53 Abs. 1 FGO, § 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes - VwZG -, § 182 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Das FG hat somit in der Sitzung vom 6. März 1984 zu Recht die ordnungsgemäße Ladung des Klägers festgestellt und im Anschluß hieran trotz seiner Abwesenheit verhandelt.

Allerdings darf sich das Gericht nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) je nach den besonderen Umständen nicht damit begnügen, allein im Hinblick auf die Niederlegung der Terminsladung bei der für den gemeldeten Wohnort des Klägers zuständigen Postanstalt dessen ordnungsgemäße Ladung zum Termin festzustellen (Beschluß vom 20. April 1982 6 C 65.81, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 448.0, § 25 WPflG Nr. 128). Der Senat läßt offen, ob im Streitfall derartige, vom BVerwG nicht näher erläuterte, besondere Umstände angenommen werden könnten. Denn zu besonderen Nachforschungen über den tatsächlichen Zugang der Ladung könnte das Gericht allenfalls verpflichtet sein, falls es das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet hat und dessen persönlicher Vernehmung - wie in dem vom BVerwG entschiedenen Fall des Wehrdienstverweigerungsverfahrens - besondere Bedeutung zukommt. Soll dem Kläger durch die mündliche Verhandlung dagegen vor allem die Möglichkeit zur - verzichtbaren - Mitwirkung an der Erörterung der Streitsache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eingeräumt werden, so ist die Außerachtlassung der gesetzlichen Zugangsfiktion des § 182 ZPO, die gerade einen sicheren und zuverlässigen Nachweis des Zustellungszeitpunkts ohne weitere Ermittlungen des Gerichts gewährleisten soll (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 4. Juni 1987 V R 131/86, BFHE 150, 305, BStBl II 1988, 392) sachlich nicht gerechtfertigt.

c) Das FG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) nicht dadurch verletzt, daß es gegen den in der mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Kläger entschieden hat, obwohl diesem die Möglichkeit einer Teilnahme wegen verspäteter Kenntnis vom Verhandlungstermin verwehrt war. Der Senat geht hierbei davon aus, daß der Kläger die verspätete Kenntnis nicht verschuldet hat. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) braucht der Bürger bei vorübergehender Abwesenheit von seiner ständigen Wohnung grundsätzlich keine besonderen Vorkehrungen wegen möglicher Zustellungen zu treffen (vgl. Beschluß vom 11. Februar 1976 2 BvR 849/75, BVerfGE 41, 332, 335 f.). Diese für das Straf- und Bußgeldverfahren entwickelten Grundsätze gelten auch für das finanzgerichtliche Verfahren (so schon BFH-Beschluß vom 30. Oktober 1974 VIII R 203/73, BFHE 113, 423, BStBl II 1975, 213). Zwar hat das BVerfG ausdrücklich offengelassen, inwieweit auch in einem bereits laufenden Verfahren auf besondere Vorkehrungen verzichtet werden kann (BVerfG in BVerfGE 41, 332, 335); im Hinblick auf die derzeitige durchschnittliche Verfahrensdauer in der Finanzgerichtsbarkeit mußte der Kläger jedoch nicht mit einer kurzfristigen Anberaumung des Termins zur mündlichen Verhandlung rechnen, die ihn zu einer Anzeige der urlaubsbedingten Abwesenheit gegenüber dem FG oder anderen Maßnahmen zur Gewährleistung seiner Anwesenheit im Verhandlungstermin hätten verpflichten können.

Die Durchführung der mündlichen Verhandlung trotz unverschuldeter Versäumung des Verhandlungstermins hat jedoch nicht zwangsläufig eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör zur Folge.

aa) Es ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger die Versagung des rechtlichen Gehörs ordnungsgemäß gerügt hat. Nach dem Beschluß des erkennenden Senats vom 16. Januar 1986 III B 71/84 (BFHE 145, 497, BStBl II 1986, 409) gehört auch bei einem behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz der mündlichen Verhandlung zur schlüssigen Erhebung dieser Rüge, daß u.a. substantiiert dargelegt wird, wozu sich der Beteiligte nicht hat äußern können und was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte. Die Revisionsbegründung erschöpft sich insoweit in dem Hinweis, der Kläger hätte die in seinem Schriftsatz vom 27. Januar 1984 angekündigten Unterlagen vorgelegt und seinen Vortrag ergänzt, ohne hierbei zu berücksichtigen, daß das FG in dem angefochtenen Urteil diese Unterlagen als nicht entscheidungserheblich angesehen hat.

bb) Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist jedenfalls unbegründet.

(1) Der in Art. 103 Abs. 1 GG verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet es, daß ein Urteil nur auf Tatsachen oder Beweisergebnisse gestützt wird, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 20. Juni 1974 IV B 55-56/73, BFHE 113, 4, BStBl II 1974, 637).

Das FG hat dem Kläger ausreichend Gelegenheit gegeben, sich vor Erlaß der Entscheidung zum gesamten Sachverhalt zu äußern. Der Berichterstatter hat den Kläger in einer detaillierten Verfügung nach Art. 3 § 3 VGFGEntlG zur Ergänzung seines Vorbringens aufgefordert. Auf die vom Kläger hierzu abgegebene Stellungnahme ist das FG im angefochtenen Urteil auch im einzelnen eingegangen.

(2) Das rechtliche Gehör wurde auch nicht allein dadurch verletzt, daß dem Kläger die Möglichkeit genommen war, sich in der mündlichen Verhandlung zum Streitstoff zu äußern.

Das FG genügt seiner Verpflichtung, den Beteiligten rechtliches Gehör im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu gewähren, dadurch, daß es eine mündliche Verhandlung anberaumt, die Beteiligten ordnungsgemäß lädt und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt durchführt (vgl. BVerwG-Urteil vom 22. Juni 1984 8 C 1/83, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1985, 340, und Beschluß vom 10. Juli 1985 2 B 43.85, Buchholz, a.a.O., 310, § 103 VwGO Nr. 6). Da der Gesetzgeber bei ordnungsgemäßer Ladung die Durchführung der mündlichen Verhandlung auch in Abwesenheit eines Beteiligten ohne Rücksicht auf den Grund seines Ausbleibens zuläßt, nimmt er ersichtlich in Kauf, daß ein Beteiligter auch unverschuldet an der Teilnahme verhindert sein kann.

Diese Rechtsfolge stößt auf keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn der durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör begründet kein Recht auf mündliche Verhandlung. Das Prinzip der Mündlichkeit der Verhandlung ist kein Verfassungsrechtsgrundsatz, sondern lediglich - einfachrechtliche - Prozeßrechtsmaxime (vgl. Beschluß des BVerfG vom 7. März 1963 2 BvR 629 u. 637/62, BVerfGE 15, 303, 307).

(3) Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör wird hierdurch nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise beschränkt. Denn das Gericht hat nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu befinden, ob es trotz Ausbleibens eines Beteiligten in der Sache entscheidet oder den Termin vertagt (vgl. Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl., § 103 Rdnr. 3). Es ist im Rahmen seiner Ermessensentscheidung insbesondere dann zur Vertagung verpflichtet, wenn die Entscheidung nur aufgrund tatsächlicher oder rechtlicher Gesichtspunkte erfolgen könnte, zu denen dem abwesenden Beteiligten bisher kein rechtliches Gehör gewährt worden war (vgl. Urteil des BVerwG vom 13. Dezember 1982 9 C 894/80, NJW 1983, 2155). Das FG wird von einer abschließenden Entscheidung auch dann abzusehen haben, wenn es weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, da das Ausbleiben eines Beteiligten das Gericht grundsätzlich nicht von seiner Verpflichtung entbindet, die nach dem Klagebegehren gebotenen Ermittlungen durchzuführen (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juni 1972 V R 9/71, BFHE 107, 1, BStBl II 1972, 952). Schließlich bleibt es dem Kläger im Falle der unverschuldeten Verhinderung auch unbenommen, substantiiert darzulegen, was er bei Kenntnis von dem Verhandlungstermin unternommen, insbesondere, welche entscheidungserheblichen Tatsachen er in der mündlichen Verhandlung noch vorgetragen hätte, durch deren unterbliebene Berücksichtigung das FG, auf dessen Verschulden es insoweit nicht ankommt (vgl. Beschluß des BVerfG vom 10. Juni 1975 2 BvR 1086/74, BVerfGE 40, 101, 105), sein rechtliches Gehör verletzt hat.

Im Streitfall konnte das FG ohne Ermessensverstoß in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden.

Das FG durfte allerdings weiteres Vorbringen des Klägers nicht schon deshalb für unbeachtlich halten, weil dieser trotz der wirksam verfügten Ausschlußfrist des Art. 3 § 3 VGFGEntlG die angeforderten Unterlagen und Beweismittel nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgelegt hatte. Denn der fruchtlose Erlaß einer befristeten Verfügung nach dieser Vorschrift führt nicht zu einem automatischen Ausschluß späteren Vorbringens, das vor allem dann noch berücksichtigt werden muß, wenn es zu keiner Verzögerung des Rechtsstreits führt. Die mündliche Verhandlung ist deshalb gerade in den Fällen von besonderer Bedeutung, in denen ein Beteiligter Zurückweisungen nach Art. 3 § 3 Abs. 2 VGFGEntlG abwehren muß (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 1981 II R 91/79, BFHE 132, 394, BStBl II 1981, 401).

Das FG hat in seinem Urteil indessen nicht entscheidend darauf abgestellt, daß der Kläger mit dem von ihm für die mündliche Verhandlung angekündigten Vorbringen nicht mehr gehört werden hätte können. Es hat zwar unter Hinweis auf die gesetzte Ausschlußfrist für weitere Sachaufklärung keinen Raum gesehen, sich jedoch im einzelnen mit seinen Einwendungen gegen die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen auseinandergesetzt. Aus den Entscheidungsgründen läßt sich unschwer entnehmen, daß es für die allein streitige Frage der Höhe der Betriebsausgaben bei der vom Kläger dem FA gegenüber verschwiegenen Vermittlungstätigkeit auf die Unterlagen und Beweismittel, deren Vorlage in der mündlichen Verhandlung der Kläger angekündigt hatte, unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ankam. War der Kläger schon im Besteuerungs- und Rechtsbehelfsverfahren nicht in der Lage, nachprüfbare Angaben zur Höhe der ihm entstandenen Aufwendungen zu machen, so brauchte das FG nicht ernstlich mit der Möglichkeit zu rechnen, derartige Angaben vom Kläger in der mündlichen Verhandlung zu erhalten, wenn es, wie im Streitfall, aufgrund einer Gesamtwürdigung der tatsächlichen Umstände zu der Überzeugung gelangte, daß das FA seiner Schätzung sogar höhere Aufwendungen zugrunde gelegt hat, als dem Kläger tatsächlich entstanden sind.

d) Die in der Literatur erörterte Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei einer unverschuldeten Versäumung des Termins zur mündlichen Verhandlung (vgl. Kopp, a.a.O., § 60 Rdnr. 4) kommt im finanz- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht. Hierbei kann dahinstehen, ob § 56 FGO einen allgemeinen Rechtsgedanken enthält, der nicht nur für Fristen gilt, sondern auch auf Termine entsprechend anwendbar ist. Entscheidend ist, daß in der FGO wie auch in der Verwaltungsgerichtsordnung eines dem § 235 der Strafprozeßordnung vergleichbare Vorschrift fehlt. Deshalb könnte auch eine Wiederholung der mündlichen Verhandlung durch das FG das bereits im ersten Termin verkündete Urteil nicht außer Kraft setzen. Ob bei gemäß § 104 Abs. 2 FGO zuzustellenden Urteilen in derartigen Fällen ein Anspruch auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO besteht, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

2. Der Senat kann nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel entscheiden (§ 118 Abs. 3 Satz 1 FGO). Denn die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO liegen im Streitfall offenkundig nicht vor.

Die Vorschrift des § 118 Abs. 3 FGO findet auch auf die Streitwertrevision Anwendung, soweit nicht neben den geltend gemachten Verfahrensmängeln in zulässiger Weise auch die Verletzung materiellen Rechts gerügt worden ist (BFH-Urteil vom 10. März 1976 I R 100/74, BFHE 118, 530, BStBl II 1976, 498). Soweit der Kläger vorsorglich die Verletzung materiellen Rechts geltend macht, genügt seine Revisionsbegründung jedoch nicht den Anforderungen des § 120 Abs. 2 FGO. Nach ständiger Rechtsprechung muß die Revisionsbegründung aus sich heraus erkennen lassen, daß der Revisionskläger anhand der Gründe des finanzgerichtlichen Urteils sein bisheriges Vorbringen überprüft hat (vgl. BFH-Beschluß vom 6. Oktober 1982 I R 71/82, BFHE 136, 521, BStBl II 1983, 48; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2. Aufl., § 120 Rdnr. 32, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Der Kläger hat jedoch ohne erkennbare Bezugnahme auf das angefochtene Urteil lediglich Einwendungen gegen die Schätzungsmethode des FA erhoben. Diese Einwendungen sind aber schon deshalb ohne Belang, weil das FG an die Stelle der Schätzung des FA seine eigene Schätzung gesetzt hat.