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BFH-Urteil vom 10.8.1988 (II R 193/85) BStBl. 1988 II S. 959

Eine Anteilsvereinigung tritt auch dann ein, wenn Anteile durch Einziehung untergehen und die verbleibenden Anteile sich dadurch in einer Hand befinden.

GrEStG Saarland § 1 Abs. 3 Nr. 2 = GrEStG 1983 § 1 Abs. 3 Nr. 2.

Vorinstanz: FG des Saarlandes

Sachverhalt

Die Klägerin war 1979 Mehrheitsgesellschafterin einer GmbH, die Eigentümerin von Grundbesitz war. Sie war am Stammkapital der GmbH von 3,5 Mio DM mit Geschäftsanteilen von 3.110.000 DM beteiligt. Weitere Geschäftsanteile im Ausmaß von 350.000 DM standen A zu. Die restlichen Geschäftsanteile von 40.000 DM waren bereits vor 1969 eingezogen worden.

Nach § 5 des Gesellschaftsvertrages bedurfte die Verfügung über Geschäftsanteile der einstimmigen Genehmigung durch die Gesellschafterversammlung. Bei Verweigerung der Genehmigung bestand die Möglichkeit, diese Geschäftsanteile einzuziehen. Im übrigen war die Einziehung gegen den Willen von Gesellschaftern bei Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens über sein Vermögen oder bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in seinen Geschäftsanteil möglich.

Am 19. Juni 1979 wurde eine notarielle Urkunde errichtet. Ausweislich des Abschn. I dieser Urkunde verkaufte und übertrug A ihre Geschäftsanteile auf die GmbH.

Sodann traten die Erschienenen (erschienen waren A, die Geschäftsführer der GmbH und eine Notargehilfin als Vertreterin ohne Vertretungsmacht für die Klägerin) unter Verzicht auf alle Form- und Fristvorschriften zu einer Gesellschafterversammlung zusammen und beschlossen einstimmig u.a. die Genehmigung der Veräußerung und Abtretung der Geschäftsanteile von A an die Klägerin und die Einziehung der soeben von der GmbH erworbenen Geschäftsanteile.

Das beklagte Finanzamt (FA) ging davon aus, daß durch den Erwerb der A zustehenden Anteile durch die GmbH in der Person der Klägerin eine Anteilsvereinigung i.S. des § 1 Abs. 3 des früheren Saarländischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) eingetreten sei und setzte nach 140 v.H. des Einheitswertes der im Saarland belegenen Grundstücke gegen die GmbH Grunderwerbsteuer fest.

Nach erfolglosem Einspruch hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht, daß beim Erwerb der restlichen Anteile durch die GmbH zum Zwecke der Einziehung ebensowenig eine Grunderwerbsteuer infolge Anteilsvereinigung entstehen könne wie bei der unmittelbaren Einziehung dieser Anteile.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es hat seine Entscheidung damit begründet, daß die Anteilsvereinigung durch den Erwerb der restlichen Anteile durch die GmbH eingetreten sei. Die Anteile seien erst danach durch die Einziehung untergegangen.

Die Klägerin hat Revision eingelegt und ihre Klageanträge weiterverfolgt.

Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden, daß auch die Frage zu prüfen sein kann, ob eine Anteilsvereinigung auch durch eine Einziehung von Anteilen eintreten könne.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

1. Offenbleiben kann, wie die am 19. Juni 1979 beurkundeten Rechtsgeschäfte zu beurteilen sind, nämlich ob sie den Kauf der restlichen Anteile durch die GmbH zum Zwecke der Einziehung beinhalten (mit der Folge eines Durchgangserwerbes durch die GmbH), oder ob sie dahin zu würdigen sind, daß A der beabsichtigten Einziehung unter Einigung über ein Abfindungsentgelt zugestimmt hat und somit die anschließend beschlossene Einziehung die noch A zugeordneten Anteile betraf (vgl. hierzu Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, S. 87). Denn auch im letzteren Fall wäre (entgegen der Auffassung des FG) Grunderwerbsteuer durch Anteilsvereinigung in der Hand der Klägerin entstanden.

Keiner Entscheidung bedarf auch die gesellschaftsrechtliche Frage, ob die spätere Genehmigung des Handelns einer Vertreterin ohne Vertretungsmacht durch die Klägerin die Wirksamkeit der am 19. Juni 1979 beurkundeten Rechtsgeschäfte herbeigeführt hat, weiter, ob durch den Gesellschaftsvertrag neben den dort geregelten Einziehungsfällen auch die freiwillige Einziehung mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters i.S. des § 34 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) zugelassen worden ist (vgl. Niemeier, a.a.O., S. 172 f.). Denn auch wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, sind keine Umstände erkennbar, die im vorliegenden Fall dagegen sprächen, daß die an der Errichtung der Urkunde vom 19. Juni 1979 beteiligten Personen das wirtschaftliche Ergebnis i.S. des § 41 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht haben eintreten und bestehen lassen. Das wirtschaftliche Ergebnis der Übertragung der Anteile auf die GmbH bzw. der Einziehung bestand darin, daß die A bisher zugeordneten Anteile im Anschluß an die notarielle Urkunde vom 19. Juni 1979 von allen Gesellschaftern (einschließlich A) als nicht mehr existent behandelt worden sind, woraus folgt, daß die Klägerin seit dem Einziehungsbeschluß als Alleingesellschafterin gehandelt hat und unbeanstandet hat handeln können. Dafür, daß die Gesellschafter anders verfahren sind, ist nichts vorgetragen worden.

2. Daß auch durch eine unmittelbare Einziehung der restlichen Anteile der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG verwirklicht werden kann, ergeben die nachfolgenden Überlegungen:

Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG führt die Vereinigung aller Anteile der Gesellschaft zur Steuerpflicht, wenn kein Geschäft im Sinne der Nr. 1 vorangegangen ist. Ein schuldrechtliches Geschäft auf Übertragung von Anteilen im Sinne der Nr. 1 liegt bei der Einziehung von Anteilen ebensowenig vor wie etwa beim Kauf von Anteilen durch die Gesellschaft selbst. Denn auch im letzteren Falle sind die Voraussetzungen der Nr. 1 deshalb nicht erfüllt, weil der Anspruch auf Übertragung der Anteile auf die GmbH bei seiner Erfüllung nicht zur Vereinigung aller Anteile in der Hand des Erwerbers (hier der GmbH) führt.

Da der Begriff der Vereinigung aller Anteile der Gesellschaft im GrEStG nicht definiert worden ist, ist es Sache der Rechtsprechung, diesen Begriff nach seinem Sinn und Zweck auszulegen.

Erforderlich ist, daß eine rechtliche Vereinigung durch einen Rechtsvorgang eintritt. Eine wirtschaftliche Vereinigung genügt nicht. Diese Voraussetzung wird durch die Einziehung von Anteilen erfüllt. Denn die Einziehung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft der Gesellschaft (vgl. Niemeier, a.a.O., S. 89, mit Nachweisen aus der Literatur).

Die Vereinigung aller Anteile i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG erfordert nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht, daß das Rechtsgeschäft, das die Anteilsvereinigung herbeiführt, zu einer Erhöhung des Anteilsbestandes bei demjenigen führen muß, in dessen Hand alle Anteile vereinigt werden. Dies war bereits die Auffassung des Reichsfinanzhofs (RFH). Denn sonst hätte er eine Anteilsvereinigung nicht für den Fall bejahen dürfen, in dem einer von zwei Aktionären einer AG seine Aktien auf die AG übertrug (vgl. RFH-Urteil vom 9. Februar 1932 II A 618/31, RFHE 30, 199). In dem durch den RFH entschiedenen Fall trat eine Anteilsvereinigung nicht in der Hand der die restlichen Aktien erwerbenden AG, sondern in der Hand des anderen Gesellschafters ein, ohne daß sich sein Anteilsbestand verändert hätte. Die Anteilsvereinigung in seiner Hand wurde allein dadurch ausgelöst, daß infolge des Anteilserwerbes durch die AG die Mitgliedschaftsrechte hinsichtlich der von ihr erworbenen Anteile ruhten.

Der Senat vermag auch nicht der von Klein (Die Aktiengesellschaft 1960, Sonderbeilage 2/60, Tz. 61 f., 93) vertretenen Auffassung zu folgen, wonach die Anteilsvereinigung einen Übergang des letzten Anteiles zwischen verschiedenen Rechtsträgern erfordert. Gegen die Richtigkeit dieser Auffassung spricht vor allem, daß die sehr viel stärker wirkende Anteilsvereinigung durch die Einziehung danach nicht zur Grunderwerbsteuer führen soll, wohl aber der Erwerb von Anteilen, die als solche weiterbestehen, hinsichtlich derer lediglich die Mitgliedschaftsrechte ruhen, durch eine Kapitalgesellschaft.

Im übrigen ist noch darauf hinzuweisen, daß durch die Einziehung zwar die eingezogenen Anteile untergehen, daß zugleich aber eine entsprechende Veränderung hinsichtlich der Gesellschafterstellung der übrigen Gesellschafter eintritt. Ihre vermögensrechtliche Stellung im Hinblick auf das Gesellschaftsvermögen wird erweitert. Ausdruck dieser Erweiterung der Gesellschafterstellung der übrigen Gesellschafter ist im vorliegenden Fall der Umstand, daß die Klägerin nach der Einziehung (ihre Wirksamkeit hier unterstellt) Alleingesellschafterin der GmbH wurde. Im übrigen ist gegen die Auffassung von Klein noch einzuwenden, daß sie letztlich zu einer Ungleichbehandlung der Einziehung bei der AG und bei der GmbH im Hinblick auf eine freiwillige Einziehung führt. Eine GmbH kann in diesen Fällen stets den Weg über die unmittelbare Einziehung beschreiten. Der AG ist dieser Weg durch § 237 Abs. 1 Satz 1 des Aktiengesetzes (AktG) versperrt. Für sie besteht nur die Möglichkeit des Erwerbs eigener Anteile zum Zwecke der Einziehung.

Soweit sich in dem Senatsurteil vom 28. November 1979 II R 117/78 (BFHE 130, 66, BStBl II 1980, 357) die Aussage befindet, in § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG sei die Anteilsvereinigung durch Übertragung gemeint, und in dem Senatsurteil vom 8. Juni 1988 II R 143/86 (BFHE 153, 428, BStBl II 1988, 785) die weitergehende Aussage gemacht wird, daß darüber hinaus auch der Übergang von Anteilen ohne Übertragung zu einer Anteilsvereinigung i.S. von § 1 Satz 3 Nr. 2 GrEStG führt, liegen darin keine abschließenden Aussagen über die Erfordernisse einer Anteilsvereinigung. Der vorliegende Fall zeigt, daß eine Anteilsvereinigung auch dadurch eintreten kann, daß die restlichen Anteile durch ein Rechtsgeschäft untergehen und dadurch die Anteilsvereinigung eintritt.

Unterliegt nach allem die durch eine Einziehung von Anteilen herbeigeführte Anteilsvereinigung der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG (ggf. i.V.m. § 41 AO 1977) im Hinblick auf die der Gesellschaft zuzuordnenden Grundstücke, so entfallen damit auch die Einwendungen der Klägerin gegen die Verwirklichung des Tatbestandes der Anteilsvereinigung durch Erwerb der restlichen Anteile durch die GmbH zum Zwecke der Einziehung.