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BFH-Urteil vom 27.7.1988 (I R 133/84) BStBl. 1988 II S. 999

1. Rückstellungen eines Leasingnehmers für drohende Verluste aus dem Leasingvertrag setzen voraus, daß der Wert der Verpflichtung zur Zahlung der Leasingraten den Erfolgsbeitrag des Leasingobjekts im Unternehmen des Leasingnehmers übersteigt.

2. Ist der Erfolgsbeitrag des Leasingobjekts im Unternehmen des Leasingnehmers nicht feststellbar, ist eine Rückstellung nicht zulässig.

EStG § 5 Abs. 1; HGB § 249 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betrieb im Streitjahr den Umschlag, die Spedition und die Stauerei u. a. auf einem ihr gehörenden Grundstück. An diesem Grundstück hat die Klägerin einer Immobilien-Leasing GmbH (Leasing-GmbH) ein Erbbaurecht für die Dauer von 60 Jahren gegen eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von 2,2 Mio. DM eingeräumt. Die Leasing-GmbH vermietete an die Klägerin das Grundstück mit einer darauf errichteten Lagerhalle gegen eine monatliche Zahlung von 27.082 DM. Der Betrag entspricht 1,231 % der Gesamtinvestitionskosten der Leasing-GmbH.

In der Bilanz zum 31. Dezember 1977 bildete die Klägerin wegen eines ihrer Ansicht nach drohenden Verlustes aus dem Leasingvertrag eine Rückstellung in Höhe von 778.000 DM. Nach Ansicht der Klägerin enthielten die Leasingraten einen hohen Zinsanteil, da dem Vertrag der Zins einer Hochzinsphase zugrunde liege. Am Bilanzstichtag sei der Abschluß des Leasingvertrages zu wesentlich niedrigeren Leasingraten (0,85 % der Gesamtinvestitionssumme) möglich gewesen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte die Rückstellung auch im Einspruchsverfahren nicht an. Gegen die Einspruchsentscheidung erhob die Klägerin Klage.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit der - wegen des Streitwerts statthaften - Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts und beanstandet, das FG habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt. Es habe bei der Ermittlung der Höhe der Leasingrate unterlassen, auch wertmindernde Faktoren zu berücksichtigen.

Im übrigen sei § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. V. m. § 152 Abs. 7 des Aktiengesetzes (AktG) verletzt, weil eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften hier möglich und notwendig gewesen sei.

Die Klägerin beantragt, die Rückstellung anzuerkennen und unter Abänderung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung die Körperschaftsteuer 1977 auf null DM festzusetzen, hilfsweise die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das FG zu verweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die von der Klägerin begehrte Rückstellung zu Recht als unzulässig angesehen.

1. Der Senat hält die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge der mangelnden Sachverhaltsaufklärung für nicht durchgreifend. Dies bedarf keiner weiteren Begründung (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975, BGBl I, 1861, BStBl I, 932, i. d. F. des Gesetzes vom 3. Dezember 1987, BGBl I, 2442, BStBl I, 800).

2. Eine Rückstellung für drohende Verluste aus einem schwebenden Geschäft (§ 152 Abs. 7 AktG, § 5 Abs. 1 EStG) kommt im Streitfall nicht in Betracht.

a) Rückstellungen wegen drohender Verluste aus schwebenden Geschäften sind nicht auf Schuldverhältnisse (gegenseitige Verträge) beschränkt, die auf einmalige Leistungen gerichtet sind. Sie können auch bei Dauerschuldverhältnissen, so bei Miet- und Leasingverträgen, geboten sein (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Juli 1980 IV R 138/76, BFHE 131, 57, BStBl II 1980, 648; vom 16. November 1982 VIII R 95/81, BFHE 137, 427, BStBl II 1983, 361; vom 19. Juli 1983 VIII R 160/79, BFHE 139, 244, BStBl II 1984, 56; vom 25. Februar 1986 VIII R 377/83, BFHE 146, 146, BStBl II 1986, 465; vom 8. Oktober 1987 IV R 18/86, BFHE 151, 153, BStBl II 1988, 57).

Voraussetzung ist, daß das Dauerschuldverhältnis nicht ausgewogen ist, weil der Wert der eigenen Verpflichtung am Bilanzstichtag den Wert des Anspruchs auf die Gegenleistung übersteigt (Verpflichtungsüberschuß; Moxter, Bilanzrechtsprechung, 2. Aufl., 1985, S. 74; so bereits Urteil des Reichsfinanzhofs vom 4. November 1925 VI A 491/25, RFHE 17, 332, 334; Urteil in BFHE 146, 146, BStBl II 1986, 465).

b) Ein solcher Verpflichtungsüberschuß ist im Streitfall nicht feststellbar.

aa) Bei Leasingverträgen läßt sich zwar der Wert der Verpflichtung des Leasingnehmers ermitteln. Der Wert des Anspruchs auf Leistungen des Leasinggebers ist jedoch im allgemeinen nicht feststellbar.

Im Streitfall kann nicht festgestellt werden, welchen betriebsinternen Wert das geleaste Grundstück mit Lagerhalle für die Klägerin hatte. Der Wert bestand in dem Beitrag, den das Objekt am Erfolg oder Mißerfolg des Gesamtunternehmens hat. Dieser Wert läßt sich im Streitfall ebensowenig feststellen wie die betriebsinterne Verzinsung eines aufgenommenen Darlehens (Eifler, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Rückstellungen, S. 128; Hüttemann, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Verbindlichkeiten, S. 74 ff.) oder der Wert von Arbeitsleistungen (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1987 I R 68/87, BFHE 152, 250, BStBl II 1988, 338).

bb) Auch eine Wertermittlung unter dem Gesichtspunkt von Wiederbeschaffungskosten führt zu keinem anderen Ergebnis.

Bei Geschäften über die Beschaffung bilanzierungsfähiger Wirtschaftsgüter kommen Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften in Betracht, wenn die Wiederbeschaffungskosten nachhaltig unter den vereinbarten Preis gesunken sind. Diese Rechtslage ist jedoch auf Verträge über die Nutzung nicht bilanzierungsfähiger Wirtschaftsgüter nicht übertragbar. Da in diesen Fällen keine aktivierbaren Wirtschaftsgüter erworben werden, ist auch keine Ableitung aus dem Wert der zu erwerbenden Wirtschaftsgüter in der Bilanz auf den Wert des Anspruchs auf die Leistung möglich (Urteil in BFHE 146, 146, BStBl II 1986, 465, 466).