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BFH-Urteil vom 23.6.1988 (IV R 139/86) BStBl. 1988 II S. 1001

1. Geht der Bauherr von Parkhäusern dazu über, sich von anderen Bauherren bei Übernahme der Baulast für Kfz-Stellplätze nicht mehr nicht rückzahlbare Zuschüsse, sondern mit 1,5 v.H. jährlich zu tilgende und mit 2 v.H. zu verzinsende Darlehen gewähren zu lassen, so liegt darin kein Gestaltungsmißbrauch.

2. Darlehensverbindlichkeiten sind auch bei einer jährlichen Tilgungsrate von 1,5 v.H. und einem Zinssatz von 2 v.H. mit dem Rückzahlungsbetrag zu passivieren.

EStG 1979 § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 3; HGB §§ 246, 253; AktG 1965 § 156 Abs. 2; AO 1977 § 42.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger betreibt in A Parkhäuser auf eigenen Grundstücken; seinen Gewinn ermittelt er durch Betriebsvermögensvergleich nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Seit 1970 schloß der Kläger mit Bauherren, die nach der Landesbauordnung für Schleswig-Holstein zur Herstellung von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge verpflichtet waren, Verträge über die Übernahme der öffentlich-rechtlichen Baulast. Die im Streitjahr abgeschlossenen Verträge sahen vor, daß der Kläger als Gegenleistung für die Übernahme der Baulast ein jährlich mit 1,5 v.H. zu tilgendes und mit 2 v.H. zu verzinsendes Darlehen ohne Sicherheitsleistung erhielt. Der Kläger passivierte die aufgrund dieser Vereinbarung empfangenen Beträge als Darlehensverbindlichkeiten und zog die Zinsen als Betriebsausgaben ab.

In den Jahren vor 1979 hatte der Kläger die von den Bauherren empfangenen Beträge als Zuschüsse behandelt und sie von den Herstellungskosten der Bauwerke abgezogen. Eine Vereinbarung über die Rückzahlung und Verzinsung der empfangenen Beträge als Darlehen enthielten die damals geschlossenen Verträge nicht. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hatte seinerzeit nach einer Betriebsprüfung die Auffassung vertreten, bei den empfangenen Beträgen handele es sich um sofort zu versteuernde Betriebseinnahmen. Klage und Revision des Klägers blieben ohne Erfolg. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. Mai 1983 VIII R 100/81 (BFHE 138, 443, BStBl II 1983, 572) durfte der Kläger in Höhe der empfangenen Beträge weder einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 EStG) noch eine Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit (§ 152 Abs. 7 des Aktiengesetzes - AktG -, § 5 EStG)) bilden; die Behandlung als Zuschuß kam nach der Entscheidung des BFH nicht in Betracht, weil der Vereinnahmung des Ablösungsbetrags eine Verpflichtung des Klägers gegenüberstehe.

Das FA stellte sich nach einer Betriebsprüfung für die Jahre 1979 bis 1982 auf den Standpunkt, auch die Beträge, die nach den ab 1979 geschlossenen Verträgen vereinnahmt worden seien, seien Betriebseinnahmen des jeweiligen Jahres. Der formal-rechtlich als Darlehen bezeichnete Vorgang führe bei wirtschaftlicher Betrachtung zu einer sofort zu erfassenden Betriebseinnahme. In gleicher Weise wurde ein bereits im Jahre 1973 geschlossener Vertrag gewertet; die dafür in der Schlußbilanz 1979 ausgewiesene Darlehensverbindlichkeit wurde gewinnerhöhend aufgelöst. Die Darlehenszinsen wurden nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Die nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerbescheide für das Streitjahr und die Jahre 1980 bis 1982 wurden mit Bescheiden vom 20. März 1985 entsprechend geändert (§ 164 Abs. 2 AO 1977). Der Kläger legte Einspruch ein. Die Einsprüche gegen die Bescheide für 1980 bis 1982 ließ das FA ruhen. Der Einspruch für das Streitjahr wurde durch die Einspruchsentscheidung des FA vom 2. Januar 1986 als unbegründet zurückgewiesen.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Änderungsbescheid vom 20. März 1985 und die Einspruchsentscheidung auf.

Dagegen richtet sich die Revision des FA, die das FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zugelassen hat.

Mit der Revision wird Verletzung der §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG i.V.m. den §§ 4, 41 Abs. 2, 42 AO 1977 gerügt.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG überließen die Bauherren dem Kläger Geldbeträge gegen die Verpflichtung des Klägers, die Baulast zu übernehmen und die Gelder bei einer Verzinsung von jährlich 2 v.H. mit jährlich 1,5 v.H. zurückzuzahlen. Entsprechend dieser Vereinbarung hat der Kläger auch Zins- und Tilgungsleistungen erbracht. Hiernach ist in der Revisionsinstanz davon auszugehen, daß zwischen dem Kläger und den Bauherren entsprechende Vereinbarungen zivilrechtlich wirksam zustande gekommen und auch durchgeführt worden sind.

Diese Feststellung ist für den BFH als Revisionsgericht bindend, da zulässige und begründete Verfahrensrügen in bezug auf diese Feststellung nicht vorgebracht worden sind (§ 118 Abs. 2 FGO).

b) Der Rückzahlungsverpflichtung mußte der Kläger durch Passivierung einer entsprechenden Darlehensverbindlichkeit Rechnung tragen. Dies ergibt sich aus dem Vollständigkeitsgrundsatz (vgl. jetzt § 246 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches n.F. - HGB -). Danach muß der Kaufmann in seiner Bilanz alle Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten ausweisen, soweit das Gesetz nicht etwas anderes bestimmt. Für Darlehensverbindlichkeiten der hier zu beurteilenden Art sieht das Gesetz Ausnahmeregelungen, wie sie etwa für im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus gewährte Aufwendungsdarlehen hinsichtlich des Ausweises in der Handelsbilanz gelten (vgl. § 88 Abs. 3 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes - II. WoBauG -), nicht vor. Nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 EStG) sind die hiernach auszuweisenden Verbindlichkeiten auch in der Steuerbilanz des Klägers anzusetzen.

2. Die Darlehensverbindlichkeiten waren unabhängig von der Höhe der vereinbarten Zins- und Tilgungssätze mit ihrem Rückzahlungsbetrag zu bewerten. Nach § 156 Abs. 2 AktG 1965, der einen rechtsformunabhängigen Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung wiedergibt (vgl. jetzt § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB), sind Verbindlichkeiten mit ihrem Rückzahlungsbetrag anzusetzen. Der Ansatz mit dem Rückzahlungsbetrag entspricht nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 31. Januar 1980 IV R 126/76, BFHE 130, 372, BStBl II 1980, 491), an der festzuhalten ist, auch der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG.

3. Der Vereinbarung des Klägers mit den Bauherren konnte die steuerrechtliche Anerkennung auch nicht nach § 42 AO 1977 versagt werden. Ein Gestaltungsmißbrauch im Sinne des § 42 AO 1977 liegt nach der Rechtsprechung des BFH vor, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen, also ungewöhnlich, ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (BFH-Urteile vom 20. November 1980 IV R 81/77, BFHE 132, 89, 93, BStBl II 1981, 223, 225; vom 13. Dezember 1983 VIII R 173/83, BFHE 140, 440, 444, BStBl II 1984, 428, 430, und vom 29. Oktober 1985 IX R 107/82, BFHE 145, 351, 357, BStBl II 1986, 217, 220). Das wirtschaftliche Interesse des Klägers bestand darin, in Zusammenhang mit der Übernahme der Baulast von den Bauherren Mittel zu erhalten, die ihm langfristig zur Verfügung standen. Die Bauherren ihrerseits waren bereit, diesem Interesse des Klägers zu entsprechen. Bei dieser Ausgangslage war es den Parteien unbenommen, statt nicht rückzahlbarer Zuwendungen langfristige und zinsgünstige Darlehen zu vereinbaren. Die Vereinbarung von für den Kläger günstigen Darlehensbedingungen fand ihre Rechtfertigung darin, daß mit der Darlehenshingabe für die Bauherren ein weiterer wirtschaftlicher Vorteil verbunden war, nämlich die Möglichkeit einer besseren baulichen Ausnutzung ihrer Grundstücke (vgl. BFH-Urteil vom 27. Mai 1964 IV 149/62 S, BFHE 80, 5, BStBl III 1964, 477 unter 2.). Demzufolge hat auch der V. Senat des BFH in dem zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Übernahme der Baulast durch den Kläger im Aussetzungsverfahren nach § 69 FGO ergangenen Beschluß vom 12. November 1987 V B 52/86 (BFHE 151, 474, BStBl II 1988, 156) entschieden, für die Annahme des FA, die Bauherren hätten dem Kläger das Geld nicht als Darlehen, sondern - wie vor 1979 - als einmaligen Ablösungsbetrag gezahlt, seien keine überzeugenden Anhaltspunkte erkennbar. Solange der Kläger das ihm anläßlich der Übernahme der Baulasten als Darlehen zur Verfügung gestellte Kapital mit Zinsen zurückzahle, sei mangels anderweitiger Anzeichen davon auszugehen, daß er damit seine Verpflichtungen aus den Darlehensvereinbarungen erfülle. Die Vorleistungen des Klägers durch Übernahme der Baulasten und der dafür erforderlichen Leistungen durch Errichtung und Instandhaltung des Parkhauses erklärten die lange Laufzeit des Darlehens und den Verzicht der Darlehensgeber auf Sicherheiten. In dem Beschluß in BFHE 151, 474, BStBl II 1988, 156 hat der BFH ferner entschieden, der Kläger und die Bauherren hätten in Höhe des kapitalisierten Vorteils, der sich für den Kläger aus der vereinbarten niedrigen Verzinsung ergibt, ein weiteres Entgelt im Sinne des § 10 des Umsatzsteuergesetzes für die Übernahme der Baulast vereinbart. Daraus ergeben sich jedoch keine Auswirkungen auf den Gewinn des Klägers. Der niedrige Zinssatz wirkt sich bei der Gewinnermittlung dadurch aus, daß der Gewinn jeweils nur um den vereinbarten, nicht um den höheren verkehrsüblichen Zins gemindert wird.