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BFH-Urteil vom 26.7.1988 (X R 50/82) BStBl. 1988 II S. 1015

Eine Bank oder Sparkasse, die steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 8 UStG tätigt, ist im Verhältnis dieser Umsätze zu steuerpflichtigen Umsätzen mit den Umsatzsteuern, die ihr für den Bezug von Werbeartikeln in Rechnung gestellt wurden, gemäß § 15 Abs. 2 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

UStG 1967 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 8, § 15 Abs. 1 und 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (UR 1983, 75)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt Bank- und Sparkassengeschäfte. Ihre Umsätze sind nur zu einem geringen Anteil steuerpflichtig, im übrigen aber gemäß § 4 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967 von der Umsatzsteuer befreit. Sie beantragte, die Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG aufzuteilen.

Die Klägerin erwarb im großen Umfang Werbeartikel, die sie unentgeltlich an Kunden abgab (Kugelschreiber, Brieftaschen, Taschenrechner, Feuerzeuge u.ä.). Die Aufwendungen der Klägerin für den einzelnen Werbeartikel betrugen jeweils (ohne Umsatzsteuer) weniger als 50 DM. Die Lieferanten der Werbeartikel stellten ihr Umsatzsteuern in Rechnung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ für 1976 nur die Steuern zum Vorsteuerabzug zu, die anteilig auf die steuerpflichtigen Umsätze entfielen, und versagte im übrigen den Vorsteuerabzug.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in Umsatzsteuer-Rundschau (UR) 1983, 75 veröffentlicht ist, hat dargelegt: Die Werbeartikel seien zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet worden (§ 15 Abs. 2 UStG). Mit ihrer Hingabe als Werbegeschenke sei das Ziel verfolgt worden, neue Kunden zu gewinnen oder bereits bestehende Geschäftsbeziehungen zu festigen. Es habe ein mittelbarer Zusammenhang mit den von der Klägerin getätigten steuerfreien Umsätzen i. S. des § 4 Nr. 8 UStG bestanden.

Die Klägerin rügt mit der Revision Verletzung des § 15 Abs. 1 und 2 UStG: § 15 Abs. 2 UStG schließe den Vorsteuerabzug nur für Bezüge aus, die zur Ausführung steuerbarer und nach § 4 Nr. 6 ff. UStG steuerfreier Umsätze verwendet würden. Danach seien alle im Zusammenhang mit unentgeltlichen Leistungen stehenden Vorsteuern uneingeschränkt abziehbar. Die von ihr bezogenen Werbeartikel seien unentgeltlich weitergeliefert worden.

Die Klägerin hat ein Gutachten von Prof. Dr. L vorgelegt, das zu folgenden Ergebnissen kommt: § 15 Abs. 2 UStG behandele nach seinem Wortlaut und seiner Systematik die unentgeltliche Hingabe (Lieferung) von Werbeartikeln nicht als abzugsschädliche Verwendung. Die Entstehungsgeschichte des UStG 1967 belege, daß die nichtsteuerbare Verwendung einem Vorsteuerabzug nicht entgegenstehen sollte. Der im Regierungsentwurf eines UStG 1967 enthaltene Vorschlag, den Vorsteueraussschluß auf die Verwendung für "der Umsatzsteuer nicht unterliegende Umsätze" zu erstrecken (BT-Drucks. IV/1.590, V/48), sei im Finanzausschuß des Deutschen Bundestages zurückgenommen worden (BT-Drucks. V/1.581). Nach der Rechtsprechung des V. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) erfasse § 15 Abs. 2 UStG 1967 nur steuerbare Umsätze (Urteil vom 18. Dezember 1986 V R 176/75, BFHE 149, 78, BStBl II 1987, 350). § 15 Abs. 2 Nr. 3 UStG 1980 sei nur unter der Voraussetzung sinnvoll, daß eine Verwendung für unentgeltliche Leistungen grundsätzlich keinen Vorsteuerausschluß bewirke.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuerschuld auf ... DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es bezweifelt insbesondere, daß die unentgeltliche Abgabe von Werbeartikeln überhaupt eine Lieferung i. S. des § 3 Abs. 1 UStG ist.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF), der dem Verfahren beigetreten ist, trägt vor: Der Bezug und die Verteilung der Werbeartikel stünden in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den steuerfreien Bankumsätzen. Die Werbegeschenke seien ohne das Bankgeschäft nicht denkbar. Die Anschaffungskosten seien Kosten des Bankgeschäfts. Die Geschäftstätigkeit der Klägerin sei gesetzlich auf Bankgeschäfte beschränkt. In allen EG-Staaten - mit Ausnahme von Griechenland - werde ein Vorsteuerabzug nicht gewährt. Die Streitfrage sei im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Aus der Entstehungsgeschichte könne entgegen der Auffassung der Klägerin nicht hergeleitet werden, daß eine Verwendung für nichtsteuerbare Umsätze stets unschädlich sei. Der Wegfall der Worte "der Umsatzsteuer nicht unterliegende Umsätze" im Gesetzgebungsverfahren sei vor allem auf ihn, den BMF, zurückzuführen. Es habe eine Vorsteueraufteilung für die Steuerpflichtigen vermieden werden sollen, die nur steuerpflichtige Umsätze und lediglich gelegentlich einige nichtsteuerbare Umsätze erbrächten. Eine angemessene Regelung sei schwierig gewesen und wäre so umfangreich ausgefallen, daß der auf Vereinfachung bedachte Gesetzgeber den Fall ungeregelt gelassen habe. Die verbliebene Gesetzeslücke sei nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung in der Weise zu schließen, daß bei Unternehmern, die nur abzugsschädliche Umsätze und gelegentlich unentgeltliche Leistungen erbrächten, einheitlich die entgeltlich-steuerfreien Umsätze verwendungsbestimmend seien. Eine solche Lückenausfüllung werde überdies durch Art. 11 Abs. 2 der 2. EG-Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (2. EG-Richtlinie) nahegelegt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Umsatzsteuern, die der Klägerin für den Bezug von Werbeartikeln in Rechnung gestellt wurden, sind vom Vorsteuerabzug insoweit ausgeschlossen, als die Klägerin Umsätze getätigt hat, die nach § 4 Nr. 8 UStG steuerfrei sind.

Ein Unternehmer, der im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen ausführt, kann als Vorsteuerbeträge die ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellten Steuern für Lieferungen oder sonstige Leistungen abziehen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Vom Vorsteuerabzug sind jedoch die Steuern für die Lieferungen ausgeschlossen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze i. S. des § 4 Nr. 6 ff. UStG verwendet (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG).

Die der Klägerin für die Werbeartikel in Rechnung gestellten Umsatzsteuern beruhen auf Lieferungen, die für das Unternehmen der Klägerin ausgeführt worden sind. Die Werbeartikel, die Gegenstand der Bezugsumsätze waren, sind zu Werbezwecken an Kunden verteilt und damit fast ausschließlich zur Ausführung steuerfreier Umsätze nach § 4 Nr. 8 UStG verwendet worden. Soweit die Klägerin geringfügige steuerpflichtige Umsätze getätigt hat, hat das FA ihr zutreffend anteilig den Vorsteuerabzug gewährt.

Maßgebliche Verwendungsumsätze i. S. des § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG sind bei dem Bezug von werbedienlichen Gegenständen oder Leistungen die Ausgangsumsätze des Unternehmens, für die geworben werden soll. Soweit ein Bankinstitut - wie hier die Klägerin - die Werbeartikel unentgeltlich verteilt, um die Empfänger geneigt zu machen, Kunden zu werden oder zu bleiben, sind die Vorsteuern sämtlichen Umsätzen des Bankinstituts zuzuordnen. Bei einer Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG ist eine Aufteilung im Verhältnis der nach § 4 Nr. 6 ff. UStG steuerfreien Umsätze zu den übrigen Umsätzen geboten.

Die Klägerin kommt zu einem vollen Vorsteuerabzug, weil sie als maßgebliche erste Verwendung die Abgabe der Werbeartikel ansieht. Sie beruft sich für ihre Auffassung auf das Urteil in BFHE 149, 78, 86, BStBl II 1987, 350 (s. auch Urteil vom 29. Oktober 1987 V R 155/78, BFHE 151, 243, 246, BStBl II 1988, 90). Der V. Senat des BFH hat in diesem Urteil die unentgeltliche Überlassung einer Schwimmhalle an Geschäftsfreunde und Arbeitnehmer als eine sonstige Leistung beurteilt, die mangels Steuerbarkeit keine vorsteuerabzugschädliche steuerfreie Verwendung i. S. des § 15 Abs. 2 UStG sein könne. Würde hieraus hergeleitet werden, die bezogenen Werbeartikel seien ausschließlich für unentgeltliche Lieferungen der Werbeartikel an Bankkunden verwandt worden, könnte einem solchen Ergebnis nicht mit den Erwägungen des FA entgegengetreten werden, die Verteilung der Werbeartikel sei keine Lieferung i. S. des § 3 Abs. 1 UStG. Eine Lieferung setzt nicht Entgeltlichkeit voraus. Der Senat hat entschieden, daß der Werbezweck der Annahme von (unentgeltlichen) Lieferungen nicht entgegensteht (Urteil vom 11. November 1987 X R 62/81, BFHE 151, 488, BStBl II 1988, 194).

Der erkennende Senat hat Zweifel, ob er der Auffassung des V. Senats folgen könnte. Es trifft zwar zu, daß § 15 Abs. 2 UStG 1967 lediglich diejenigen Steuern auf Eingangsleistungen von dem Abzug ausschließt, die für steuerfreie Umsätze i. S. des § 4 Nr. 6 ff. UStG verwandt werden (= abzugsschädliche Verwendungsumsätze). Hieraus könnte bei einer bloßen Wortauslegung gefolgert werden, der Vorsteuerabzug sei außer bei einer Verwendung für steuerpflichtige oder gemäß § 4 Nr. 1 bis 5 UStG steuerfreie Umsätze (= abzugsunschädliche Verwendungsumsätze) auch bei einer Verwendung für nichtsteuerbare Umsätze - u.a. für unentgeltliche Leistungen - zulässig. Diese Betrachtung ließe überdies eine sachgerechte Beurteilung der im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Frage zu, wie bei einer Verwendung für Leistungen im Ausland (nichtsteuerbare Auslandsumsätze) zu verfahren ist; eine solche Verwendung wäre danach ohne weiteres unschädlich. Der mögliche Wortsinn des § 15 Abs. 2 UStG gestattet jedoch auch die Auslegung, daß Tatbestandsverwirklichung im Sinne dieser Vorschrift (erstmalige) Verwendung durch Umsätze erfordert (so auch der V. Senat, z.B. in dem Urteil vom 12. November V R 141/83, BFHE 152, 274, 276, BStBl II 1988, 468, 469, li. Sp. a.E.). Das entspricht auch dem systematischen Zusammenhang zwischen § 1 und § 15 UStG.

§ 1 UStG kennt nur Umsätze, die der Umsatzsteuer unterliegen (= steuerbare Umsätze). Nichtsteuerbare Umsätze können weder im Zusammenhang mit dem Steuertatbestand (§ 1 Abs. 1 UStG) noch (grundsätzlich) bei dem Vorsteuerabzug von Bedeutung sein. Ein Vorsteuerabzug ist nur zu gewähren, soweit ein sachlicher Zusammenhang mit dem durch § 1 Abs. 1 UStG umschriebenen "Steuergegenstand" vorliegt (vgl. Urteil des Senats vom 20. Januar 1988 X R 48/81, BFHE 152, 556, BStBl II 1988, 557, unter II.3.c). Die Aufteilungsvorschrift des § 15 Abs. 3 UStG, die unmittelbar an § 15 Abs. 2 UStG anschließt, vergleicht nur steuerbare Umsätze miteinander, nämlich "Umsätze", die zum Ausschluß führen, und "Umsätze", bei denen ein solcher Ausschluß nicht eintritt. § 15 Abs. 2 UStG wollte Art. 11 Abs. 2 der 2. EG-Richtlinie richtliniengetreu umsetzen. Danach wäre eine Auslegung des § 15 Abs. 2 UStG vorzuziehen, nach der Steuern nicht abziehbar sind, die auf Gegenständen und Dienstleistungen lasten, die "zur Ausführung nichtsteuerbarer oder steuerfreier Umsätze verwendet werden", ausgenommen eine Verwendung zur Ausführung von Auslands- und Ausfuhrumsätzen. Der Senat folgt der Darstellung des BMF, daß der Gesetzgeber 1967 eine richtliniengetreue Umsetzung wollte und die ursprüngliche, dem Text des Art. 11 Abs. 2 der 2. EG-Richtlinie entsprechende Fassung deswegen abänderte, weil erkennbar geworden war, daß sie in der Praxis zu Schwierigkeiten führen würde. Diese Schwierigkeiten liegen auch darin begründet, daß der Begriff des "nichtsteuerbaren Umsatzes" in Art. 11 Abs. 2 der 2. EG-Richtlinie nicht hinreichend scharf ist und eine wörtliche Umsetzung die steuerpflichtigen Umsätze systemwidrig belastet hätte. Andererseits kann aus einer Gesetzesfassung, die aus den vorgenannten Gründen von einer wörtlichen Umsetzung abgesehen hat, nicht hergeleitet werden, steuerfrei tätigen Unternehmern sei in einer dem System des Umsatzsteuerrechts fremden Weise ein Vorsteuerabzug zu gewähren, soweit sie Eingangsleistungen für nichtsteuerbare Umsätze verwenden.

Der Senat verkennt nicht, daß nach der von ihm befürworteten Auslegung des § 15 Abs. 2 UStG die Verwendung von Eingangsleistungen für im Ausland getätigte Umsätze ganz oder teilweise abzugsschädlich sein könnte. Für den Streitfall (Streitjahr 1976) kann dahingestellt bleiben, ob § 15 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UStG 1980 mit dem Auslegungsergebnis des Senats vereinbar ist.

Der erkennende Senat braucht diese Fragen nicht abschließend zu klären. Denn der Senat gelangt für den Streitfall selbst dann zu einem Vorsteuerausschluß, wenn er mit dem V. Senat davon ausgeht, daß auch unentgeltliche Leistungen verwendungsbestimmend sein können. Die unentgeltliche Verteilung von Werbeartikeln unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt vom unentgeltlichen Überlassen einer Schwimmhalle an Geschäftsfreunde und Arbeitnehmer, über die der V. Senat zu befinden hatte. Der erkennende Senat geht - insoweit übereinstimmend mit dem V. Senat - davon aus, daß § 15 UStG von dem Prinzip der wirtschaftlichen Zuordnung der Leistungsbezüge und der mit ihrer Hilfe ausgeführten Umsätze beherrscht wird (BFH-Urteile vom 15. Dezember 1983 V R 169/75, BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388, und vom 1. August 1984 V R 12/78, BFHE 141, 362, BStBl II 1984, 728). Im Streitfall ist die Lieferung jedes einzelnen Werbeartikels schon nach dessen Beschaffenheit und den Umständen seiner Weitergabe an Dritte notwendigerweise mit den Umsätzen verknüpft, für die geworben wird. Im Falle des Überlassens einer Schwimmhalle zur Nutzung fehlt es an einer solchen notwendigen Verknüpfung. Diesem sachverhaltsbedingten Unterschied ist dadurch Rechnung zu tragen, daß angesichts des engen Zusammenhangs der Weitergabe der Werbeartikel mit den angestrebten Umsätzen diese auch die Qualität der maßgeblichen ersten Verwendung bestimmen. Erster Verwendungsumsatz ist in einem solchen Falle der mit der Weitergabe der Werbeartikel unmittelbar angestrebte steuerbare Verwendungsumsatz. Ist dieser steuerfrei gemäß § 4 Nr. 6 ff. UStG, entfällt der Steuerabzug. Ist dieser steuerpflichtig oder steuerfrei gemäß § 4 Nrn. 1 bis 5 UStG, ist der Vorsteuerabzug bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zu gewähren.

Für die Beurteilung im Streitfall ist damit nicht entscheidend, daß die Werbeartikel für Lieferungen verwendet worden sind, vielmehr ist maßgebend, daß diese Lieferungen in einem notwendigen Zweckzusammenhang mit den steuerfreien Bankumsätzen stehen, für die durch die Hingabe der Werbeartikel geworben wurde.