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BFH-Urteil vom 5.8.1988 (X R 66/82) BStBl. 1988 II S. 1019

Händigt ein Nichtunternehmer (Verkäufer) dem Käufer eines PKW, einem Unternehmer, ein blanko unterschriebenes Papier zum Ausfüllen als Kaufvertrag aus, ohne ausdrücklich den gesonderten Steuerausweis zu untersagen, und weist der Käufer die Umsatzsteuer gesondert aus, so schuldet der Verkäufer diese Steuer gemäß § 14 Abs. 3 UStG.

UStG 1967/1973 § 14 Abs. 3.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1983, 45)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der als Angestellter bei einer Versicherung tätig war, veräußerte mit Kaufvertrag vom 3. Juni 1976 seinen PKW an Herrn A, den Inhaber eines Handelsunternehmens. In dem von A mit Schreibmaschine geschriebenen und von beiden Vertragsparteien unterschriebenen Kaufvertrag ist Umsatzsteuer in Höhe von 1.278,20 DM ausgewiesen. Nachdem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hiervon Kenntnis erlangt hatte, erließ er gegen den Kläger einen auf § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1973 (UStG) gestützten Umsatzsteuerbescheid 1976 über 1.278,20 DM.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Im finanzgerichtlichen Verfahren machte der Kläger geltend, er habe sich mit A über einen Kaufpreis von 12.900 DM ohne Umsatzsteuer geeinigt. Bei Übergabe des Fahrzeuges habe er A einen blanko unterschriebenen DIN-A 4 Bogen übergeben. A habe darum gebeten, um später auf diesem Bogen den entsprechenden Kaufvertragstext einsetzen zu können. Über die Umsatzsteuer sei dabei nicht gesprochen worden. A habe den Kaufpreis bar entrichtet. Er, der Kläger, habe ihm darüber eine Quittung ohne Umsatzsteuerausweis erteilt.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte 1983, 45 abgedruckten Begründung stattgegeben. Es war der Ansicht, der Kläger schulde die streitige Umsatzsteuer deshalb nicht, weil ihn nicht die Abrechnungslast (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. März 1982 V R 107/79, BFHE 135, 118, BStBl II 1982, 309, und vom 18. März 1982 V R 196/81, BFHE 135, 124, BStBl II 1982, 312) treffe. Die Verantwortlichkeit für die Preisberechnung in einem Individualvertrag sei grundsätzlich nach den gleichen Maßstäben wie beim Formularvertrag zu bestimmen. Auf diese Weise werde die Gefahr einer unzulässigen Analogie bei Anwendung des § 14 Abs. 3 UStG vermieden. Dementsprechend sei die Tatsache, daß der leistende Nicht- oder Kleinunternehmer das Vertragsformular zur Verfügung stelle, kein ausreichender rechtlicher Anknüpfungspunkt, ihm die vom Leistungsempfänger einseitig vorgenommene Preisberechnung unter gesondertem Steuerausweis als Aussteller zuzurechnen. Nach diesen Grundsätzen könne der Kläger nicht als Aussteller der in dem Kaufvertrag vom 3. Juni 1976 enthaltenen Abrechnung mit gesondertem Steuerausweis angesehen werden. Zwar sei auch nach der Beweisaufnahme noch unklar geblieben, ob der Kaufvertragstext in Gegenwart des Klägers geschrieben und danach von ihm unterschrieben worden sei, oder ob der Kläger (in seiner Wohnung) dem Zeugen A ein blanko unterschriebenes Blatt übergeben habe, damit dieser später den Kaufvertragstext einsetzen könne. Entscheidend sei, daß der Kläger den Zeugen A jedenfalls nicht ausdrücklich zum gesonderten Steuerausweis ermächtigt, sondern diesen allenfalls stillschweigend hingenommen habe. Dies reiche aber nicht aus, um den Kläger als Aussteller der Abrechnung anzusehen.

Mit der vom BFH (Az. V B 46/82) zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 14 Abs. 3 UStG.

Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

1. Gemäß § 14 Abs. 3 UStG schuldet u.a. derjenige, der in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er dazu nicht berechtigt ist, diesen Betrag, auch wenn er Nichtunternehmer ist (§ 14 Abs. 3 - 2. Alternative - UStG). Eine Rechnung ist i. S. des § 14 Abs. 3 - 2. Alternative - UStG (durch Nichtunternehmer) unberechtigt ausgestellt, wenn jemand ein Abrechnungspapier in den Verkehr gebracht hat, das nach seinem äußeren Erscheinungsbild die in § 14 Abs. 1 UStG beschriebenen Merkmale einer Abrechnung aufweist (BFH-Beschluß vom 13. September 1984 V B 53/83, BFHE 142, 63, BStBl II 1985, 20). Das FG hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Streitfall zu Unrecht verneint.

a) Der Kläger ist Nichtunternehmer i. S. von § 2 Abs. 2 UStG. Obwohl er somit nicht berechtigt war, eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis zu erstellen (§ 14 Abs. 1 UStG), ist in dem von ihm unterschriebenen Kaufvertrag, der insoweit als das maßgebliche Abrechnungspapier anzusehen ist (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, Rdnr. 47c zu § 14), ein Steuerbetrag von 1.278,20 DM ausgewiesen.

b) Der Kläger ist Aussteller der Rechnung.

Entgegen der Auffassung des FG berührt der Gesichtspunkt der Abrechnungslast (vgl. Urteile in BFHE 135, 118, BStBl II 1982, 309; in BFHE 135, 124, BStBl II 1982, 312) die Auslegung des § 14 Abs. 3 UStG nicht. Wie in dem BFH-Beschluß vom 13. September 1984 V B 53/83 (BFHE 142, 63, BStBl II 1985, 20) ausgeführt ist, kann der Nichtunternehmer, der die Abrechnung erteilt hat, die Besteuerungsfolge des § 14 Abs. 3 UStG nicht durch den Hinweis ausschließen, im zivilrechtlichen Verhältnis zu seinem Rechnungsadressaten nicht abrechnungsbefugt gewesen zu sein. Die Grundsätze der Abrechnungslast sind auf Abrechnungsverhältnisse zugeschnitten, bei denen der Leistende ein zum Steuerausweis berechtiger Unternehmer ist, § 14 Abs. 3 UStG mithin nicht eingreift. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Beschluß in BFHE 142, 63, BStBl II 1985, 20. § 14 Abs. 3 UStG stützt die Besteuerungsfolge allein auf die tatsächliche unberechtigte Begebung einer Rechnung mit den wesentlichen Merkmalen des § 14 Abs. 1 UStG.

Entgegen der Ansicht des FG kann es dahingestellt bleiben, ob der Kläger sein ausdrückliches Einverständnis zu dem gesonderten Steuerausweis erklärt hat. Er hat selbst dann das Abrechnungspapier in den Verkehr gebracht, wenn er dem Käufer A lediglich ein blanko unterschriebenes Blatt zum Einsetzen des Kaufvertragstextes übergeben haben sollte.

Zweck des § 14 Abs. 3 UStG ist es, Mißbräuchen in bezug auf den Vorsteuerabzug zu wehren. Dementsprechend ist die Vorschrift als Gefährdungstatbestand ausgestaltet. Derjenige, der mit einer Rechnung die Gefährdung bzw. Schädigung des Umsatzsteueraufkommens geschaffen hat, muß hierfür einstehen. Auf ein vorwerfbares Verhalten kommt es dabei nicht an (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere BFH-Urteil vom 7. Mai 1987 V R 63/78, BFHE 150, 83, BStBl II 1987, 581). Der gesetzliche Tatbestand erfordert weder die Kenntnis des Rechnungsausstellers darüber, daß der Rechnungsempfänger die Rechnung mißbräuchlich verwendet, noch ist eine dahingehende Absicht erforderlich (BFH-Urteil vom 21. Mai 1987 V R 129/78, BFHE 150, 90, BStBl II 1987, 652).

Eine in den Regelungsbereich des § 14 Abs. 3 UStG fallende Gefährdung liegt aber nicht nur dann vor, wenn ein ordnungsgemäßes Abrechnungspapier übergeben wird. Sie ist jedenfalls auch dann anzunehmen, wenn der Verkäufer eines PKW dem Käufer, einem Unternehmer, ohne ausdrücklich den gesonderten Steuerausweis zu untersagen, ein blanko unterschriebenes Papier zum Ausfüllen als Kaufvertrag aushändigt. Damit ermächtigt er den Leistungsempfänger, an seiner Stelle den schriftlichen Kaufvertrag zu fertigen und ermöglicht es damit dem Käufer auch, ein Abrechnungspapier i. S. des § 14 Abs. 1 UStG zu erstellen. Auf diese Weise wird der Käufer faktisch in die Lage versetzt, ein solches Papier gegenüber den Finanzbehörden für umsatzsteuerliche Zwecke zu verwenden. Das Handeln des Käufers muß sich der Verkäufer in einem solchen Fall zurechnen lassen. Auch insoweit ist nicht entscheidend, ob sein Verhalten vorwerfbar ist.

Nach den unangefochtenen und damit den Senat bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) Feststellungen des FG liegen die vorstehend aufgeführten Voraussetzungen vor. Daß er dem Käufer A ausdrücklich untersagt habe, die Umsatzsteuer gesondert auszuweisen, hat der Kläger selbst nicht behauptet. Nicht entscheident ist, ob er Veranlassung hatte, gegenüber dem Käufer mißtrauisch zu sein.

2. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war abzuweisen.