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BFH-Urteil vom 13.9.1988 (V R 46/83) BStBl. 1988 II S. 1021

Die Überlassung von Räumen einer Pension an Saison-Arbeitnehmer (Kost und Logis) ist dann nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG 1967 steuerpflichtig, wenn diese Räume wahlweise zur vorübergehenden Beherbergung von Gästen oder zur Unterbringung des Saison-Personals bereitgehalten werden (Anschluß an BFH, Urteil vom 20. April 1988 X R 5/82, BFHE 153, 451, BStBl II 1988, 795).

UStG 1973 § 4 Nr. 12, § 15 Abs. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) errichtete im Streitjahr 1976 einen Anbau für ihre Pension auf einer Nordseeinsel. Zwei der darin enthaltenen Räume (jetzt mit Nr. 22 und 23 bezeichnet) überließ sie im Streitjahr dem während der Hauptsaison aushilfsweise beschäftigten Personal, das seinen ständigen Aufenthalt nicht auf der Insel hatte, vorübergehend für eine Dauer von 4 bis längstens 12 Wochen als Unterkunft. Ob und ggf. wann diese Räume schon im Streitjahr an Gäste vermietet wurden (wenn sie nicht zur Personalunterbringung benötigt wurden), war für das Finanzgericht (FG) nicht mehr feststellbar, weil die Klägerin auf den Rechnungen nicht die Zimmernummern vermerkt hatte.

In der Umsatzsteuererklärung 1976 machte die Klägerin den Vorsteuerabzug aus der Errichtung des gesamten Anbaus geltend. Auf die Herstellung der beiden Räume entfielen 3.547,22 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat die Auffassung, bei der Personalbeherbergung handle es sich um steuerfreie Umsätze gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973. Dementsprechend versagte das FA den Abzug der auf die beiden Räume entfallenden Vorsteuern, minderte aber zugleich die steuerpflichtigen Umsätze um den von der Klägerin für die Personalbeherbergung erklärten Betrag von 1.310 DM.

Nach erfolglosem Einspruch hob das FG die Umsatzsteuerfestsetzung auf und setzte antragsgemäß die Umsatzsteuer um 3.403,12 DM herab.

Das FG nahm eine nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG 1973 steuerpflichtige Personalbeherbergung an, weil sich die Arbeitnehmer der Klägerin als Saisonarbeiter nur vorübergehend in den Räumen aufgehalten hätten.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 4 Nr. 12a und 15 Abs. 2 UStG 1973. Es macht im wesentlichen geltend: Wohnraumüberlassung sei auch dann als Vermietungsleistung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1973 steuerfrei, wenn sie im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses (Gewährung von Unterkunft und Verpflegung als Barlohn) eine sog. Werkdienstwohnung i. S. des § 565b des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) betreffe. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG 1973 sei entgegen der Auffassung des FG nicht anwendbar. Das FG habe die Tatbestandsmerkmale "Fremde" und "zur vorübergehenden Beherbergung" verkannt. Nach der Entstehungsgeschichte betreffe die Voraussetzung "Fremde" nur Beherbergungsgäste. Arbeitnehmer eines Beherbergungsbetriebs seien jedoch keine Betriebsfremden. Hinsichtlich der Dauer des Aufenthalts komme es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entscheidend auf die Absicht des Unternehmers an, nicht aber auf die tatsächliche Dauer der Überlassung. Hier seien die Besonderheiten des Saisonbetriebs der Klägerin auf einer Nordseeinsel mit kurzer Hauptsaison (Mai/Juni bis Mitte September) zu beachten. Die Klägerin habe ihre Arbeitnehmer für die Dauer der Saison und damit gerade nicht vorübergehend bei sich aufgenommen. Folgte man der Auffassung des FG, ergäben sich für gleichliegende Fälle von Arbeitnehmerbeherbergung je nach Saisondauer unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Folgen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

Wie der Senat mehrfach entschieden hat, kann die arbeitsvertragliche Überlassung von Räumen an Arbeitnehmer (Gewährung von Unterkunft und Verpflegung als Barlohn) eine nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1973 steuerfreie Wohnungsvermietung sein - sog. Werkdienstwohnung - (vgl. BFH-Urteile vom 7. Oktober 1987 V R 2/79, BFHE 151, 228, BStBl II 1988, 88; und vom 30. Juli 1986 V R 99/76, BFHE 147, 284, BStBl II 1986, 877). Nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG 1973 ist von der Befreiung ausgenommen die Beherbergung in Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur vorübergehenden Beherbergung von Fremden bereithält. Wie der Senat im letztgenannten Urteil ausgeführt hat, kommt es nach dem Wortlaut dieser Vorschrift nicht auf die tatsächliche Dauer der Vermietung an; entscheidend ist vielmehr die aus äußeren Umständen ableitbare Absicht des Unternehmers, die Räume nur zur vorübergehenden Beherbergung bereitzuhalten. Im Urteil vom 20. April 1988 X R 5/82 (BFHE 153, 451, BStBl II 1988, 795) hat der BFH die Vorschrift des § 4 Nr. 12 UStG 1973 dahingehend ausgelegt, daß sie die unterschiedliche Behandlung verschiedener Räume in ein und demselben Gebäude zuläßt, und zwar je nachdem, ob bestimmte Räume zur vorübergehenden oder zur nicht nur vorübergehenden Beherbergung von Fremden bereitgehalten werden. Bietet ein Unternehmer sämtliche Räume eines Gebäudes wahlweise zur lang- oder kurzfristigen Vermietung an, so besteht Steuerpflicht hinsichtlich sämtlicher Umsätze; bietet er einige Räume nur zur längerfristigen Vermietung an, so handelt es sich insoweit um Räume, die nicht zur kurzfristigen Vermietung bereitgehalten werden.

Der Senat schließt sich dem vorbezeichneten Urteil des X. Senats an. Danach ist der Vorsteuerabzug zu gewähren, weil (auch) die Überlassung der Räume an das Personal der Klägerin steuerpflichtig gewesen ist.

Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin (anders als in den beiden Urteilsfällen in BFHE 151, 228, BStBl II 1988, 88, und in BFHE 147, 284, BStBl II 1986, 877) nicht Personalwohnungen als solche errichtet, die also grundsätzlich zur Überlassung an ihre Arbeitnehmer vorgesehen waren; vielmehr handelte es sich bei den hier maßgeblichen Räumen um zwei Zimmer des Pensions-Anbaus, die wahlweise von Anfang an entweder der Vermietung an Fremde oder der Unterbringung von Saisonarbeitnehmern dienen sollten. Dieser Umstand ist zwischen den Beteiligten unstreitig, unbeschadet dessen, daß die einzelnen Nutzungsfolgen der Räume im Streitjahr nicht mehr feststellbar waren. Für die Folgejahre ist eindeutig festgestellt, daß die Räume auch zur vorübergehenden Beherbergung an Gäste vermietet wurden. Dafür waren sie offensichtlich von vornherein "bereitgehalten".