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BFH-Urteil vom 15.2.1989 (II R 170/85) BStBl. 1989 II S. 401

Ein bewertbares Wirtschaftsgut bilden auch Forderungen, die sich daraus ergeben, daß ein Unternehmen wegen der zu erwartenden Beihilfen seiner Arbeitnehmer nach Art. 56 des Montanunionvertrages und den Richtlinien vom 12. Juli 1966 (Bundesanzeiger Nr. 132) in Vorlage getreten ist, vorausgesetzt, daß der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die Bundesanstalt für Arbeit am Bewertungsstichtag bereits ermächtigt hatte, Stillegungsbeihilfen zu zahlen, und die Beihilfetatbestände am Bewertungsstichtag bereits verwirklicht waren.

BewG § 95 Abs. 1, § 97 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1985, 592)

Sachverhalt

Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin der Hüttenwerke A AG (AG), die zum 31. Mai 1969 auf die Klägerin umgewandelt wurde. Wegen der ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung beschloß der Aufsichtsrat der AG am 15. Juli 1966, das Werk B, und am 24. Mai 1967, das Werk C stillzulegen. Die Stillegung selbst erfolgte im November 1966 (Werk B) und im September 1967 (Werk C).

Mit den Betriebsräten wurden Vereinbarungen über Sozialpläne geschlossen, aufgrund derer die AG in den Wirtschaftsjahren 1966/67 und 1967/68 Leistungen an die Arbeitnehmer dieser Werke erbrachte, die insoweit als Vorleistungen gedacht waren, als Beihilfen gemäß Art. 56 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (EGKSV) bzw. aufgrund der Richtlinien vom 12. Juli 1966 in der Fassung, in der sie zugunsten der Arbeitnehmer der Eisen- und Stahlindustrie angewendet wurden (vgl. Bundesanzeiger - BAnz - Nr. 132) in Aussicht standen. Im einzelnen handelte es sich im Wirtschaftsjahr 1966/67 um 635.744,98 DM für das Werk B und im Wirtschaftsjahr 1967/68 um 155.409 DM für das Werk B und um rund 364.000 DM für das Werk C.

Bereits am 30. September 1966 (Werk B) und am 19. Oktober 1967 (Werk C) hatte die AG aufgrund des § 18 der genannten Richtlinien beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) und dem Bundesminister für Wirtschaft (BMWi) Stillegungsbeihilfen für die betroffenen Arbeitnehmer beantragt. Der BMA ermächtigte die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Bundesanstalt) am 5. Januar 1967 (Werk B) bzw. am 16. Juni 1968 (Werk C) im Einvernehmen mit den Bundesministern für Wirtschaft und Finanzen (BMWF) aufgrund des § 19 der Richtlinien, Beihilfen für höchstens 813 Arbeitnehmer bis zu 500.000 DM (Werk B) bzw. für höchstens 667 Arbeitnehmer bis zu 700.000 DM (Werk C) nach den Richtlinien zu zahlen.

Die AG stellte beim zuständigen Arbeitsamt entsprechende Beihilfeanträge für ihre Arbeitnehmer. Das Arbeitsamt bewilligte für das Wirtschaftsjahr 1966/67 Beihilfen in Höhe von 170.606,58 DM und für das Wirtschaftsjahr 1967/68 Beihilfen in Höhe von 61.373,53 DM, und zwar jeweils nach Ablauf des Wirtschaftsjahres. Auch die entsprechenden Beihilfeanträge waren nach Ablauf des jeweiligen Wirtschaftsjahres gestellt worden.

In ihren Steuerbilanzen hatte die AG Beihilfeforderungen in Höhe von 500.293,70 DM (30. September 1967) bzw. 22.788,03 DM (30. September 1968) aktiviert. Diese Zahlen gingen zunächst auch in die vorläufig gesonderten Feststellungen der Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1968 bzw. den 1. Januar 1969 ein.

Während einer Betriebsprüfung wurde die Frage des Ansatzes der Beihilfeforderungen der AG, die ihr aufgrund ihrer Vorleistung gegenüber ihren Arbeitnehmern zustanden, aufgegriffen. Das beklagte Finanzamt (FA) vertrat, dem Betriebsprüfer folgend, die Auffassung, daß Beihilfeforderungen bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens anzusetzen seien, und zwar in Höhe der später tatsächlich geleisteten Zahlungen (170.606,58 DM bzw. 61.373,53 DM); entsprechend verfuhr es in dem Änderungsbescheid vom 14. September 1978.

Nach erfolglosem Einspruch hat die Klägerin Klage erhoben und zuletzt beantragt, das Betriebsvermögen um 170.607 DM (zum 1. Januar 1968) bzw. 61.374 DM (zum 1. Januar 1969) zu mindern.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 592).

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Änderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Die AG hatte an den beiden Bewertungsstichtagen bewertbare Ansprüche gegen die Arbeitsverwaltung. Diese Ansprüche hatten sich rechtlich soweit konkretisiert, daß sie als Wirtschaftsgüter im Sinne des § 95 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) anzusehen waren.

Entscheidend für die Annahme der ausreichenden rechtlichen Konkretisierung der Beihilfeansprüche ist dabei die Tatsache, daß die AG vor den jeweiligen Stichtagen die Bewilligung der Beihilfen gemäß § 18 der Richtlinien beim BMA und BMWi beantragt und der BMA (im Einvernehmen mit dem BMWi und dem Bundesminister der Finanzen - BMF -) die Bundesanstalt ermächtigt hatte, die Richtlinien anzuwenden und Beihilfen bis zu einer bestimmten Höhe für eine bestimmte Höchstzahl von Arbeitnehmern zu zahlen.

Auch wenn es danach noch konkreter Einzelanträge an das zuständige Arbeitsamt bedurfte, um Zahlungen zu erreichen, war das Ermessen des Arbeitsamtes durch die vorangehende Ermächtigung und den Hinweis auf die Richtlinien so weit eingeschränkt worden, daß eine Ablehnung der Anträge nicht mehr möglich war. Daß die Ermächtigungen in erster Linie Innenwirkungen hatten, ändert hieran nichts. Denn sie erzeugen dadurch Außenwirkung, daß die ermächtigte Bundesanstalt in ihrem weiteren Handeln durch die positiv verlaufene Globalprüfung der Beihilfeansprüche durch die zuständigen Bundesminister weitgehend gebunden wurde.

Daß die Ermächtigung so und nicht anders zu verstehen war, folgt auch daraus, daß der Entscheidungsrahmen in den Ermächtigungen genau festgelegt wurde. Für die zuständigen Bundesminister stand damit fest, daß durch die Ermächtigung entsprechende öffentliche Mittel für die AG und deren Arbeitnehmer gebunden wurden und nicht mehr anderweitig verfügbar waren. Die AG konnte sicher sein, daß sie Beihilfen insoweit ausgezahlt erhalten würde, als im Einzelfall die Voraussetzungen der Richtlinien erfüllt seien und die Höchstbeträge der Ermächtigungen nicht überschritten würden.

Auch die weitere Voraussetzung für eine ausreichende rechtliche Konkretisierung der Beihilfeansprüche der Klägerin, die Vorleistungen an die Arbeitnehmer, war nach den Feststellungen des FG-Urteils erfüllt. Denn dort ist (durch die Klägerin nicht beanstandet) ausgeführt worden, daß die AG ihren Arbeitnehmern auf die späteren Beihilfen Vorleistungen erbracht hat, was voraussetzt, daß die jeweiligen Beihilfetatbestände an den Stichtagen bereits verwirklicht worden sein mußten. Darüber hinaus hat das FG ausgeführt, daß die späteren Beihilfen für das Wirtschaftsjahr 1966/67 bzw. 1967/68 gezahlt worden seien, was ebenfalls voraussetzt, daß die Beihilfetatbestände durch die Arbeitnehmer in den entsprechenden Wirtschaftsjahren verwirklicht worden sein müssen. Von dem seitens des FG festgestellten Sachverhalt hat das Revisionsgericht mangels entsprechender Verfahrensrügen auszugehen (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Eine weitere Konkretisierung der Ansprüche durch die Stellung von Einzelanträgen und die Beihilfeentscheidung des Arbeitsamtes war für die Annahme des Vorliegens eines Wirtschaftsgutes im Sinne des § 95 Abs. 1 BewG nicht erforderlich.

Daß an den Stichtagen aus den rechtlich ausreichend konkretisierten Beihilfeansprüchen noch keine vollstreckbaren Zahlungsansprüche geworden waren, hinderte das Entstehen einer Forderung und damit eines Wirtschaftsgutes, ebensowenig wie ein noch nicht ergangener Steuerbescheid dem Entstehen eines Steueranspruchs entgegensteht.

Was die Bewertung der Beihilfeansprüche angeht, so bestehen keine Bedenken, dem FA darin zu folgen, daß es die Ansprüche so berechnet hat, wie schließlich Zahlungen des Arbeitsamtes geleistet worden sind. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß die Bewertung der Beihilfeansprüche zu hoch sein könnte, sind nicht erkennbar, zumal die AG selbst ihre Ansprüche in ihrer Steuerbilanz auf den 31. September 1967 höher bewertet hatte.