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BFH-Urteil vom 19.1.1989 (IV R 108/87) BStBl. 1989 II S. 451

Entgegen dem Wortlaut der Übergangsregelung in § 52 Abs. 2 Satz 2 EStG 1975 (§ 52 Abs. 5 Satz 2 EStG 1971) sind von der Besteuerung auch Bodengewinne aufgrund von Grundstücksentnahmen nach dem 30. Juni 1970 ausgenommen, wenn die Entnahme dazu dient, einen vor dem 1. Juli 1970 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag zu erfüllen.

EStG 1971 § 52 Abs. 5 und § 55 Abs. 5 und 7; EStG 1975 § 52 Abs. 2; BGB §§ 1416, 1424 und 1450.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Durch notarielle Verträge vom 15. Januar und 23. Januar 1968 übertrugen die Eltern des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) diesem ihren land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz (ca. 50 ha). Von der Übertragung ausgenommen waren die Fluren Gemarkung H Nr. 402 (1,329 ha) und Nr. 403 (0,2930 ha). Durch Ehevertrag vom 15. Januar 1968 vereinbarte der Kläger mit der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) den Güterstand der Gütergemeinschaft. Zum damaligen Zeitpunkt befand sich das übergebene landwirtschaftliche Anwesen im Flurbereinigungsverfahren. Die Endgrundstücke waren bereits eingewiesen. Es war bekannt, daß nach Durchführung der Flurbereinigung anstelle der Einlagegrundstücke die Ersatzgrundstücke treten sollten. Der Kläger trat anstelle der Übergeber in alle durch das Flurbereinigungsverfahren begründeten Rechte und Verpflichtungen ein. Im Nachtragsvertrag vom 23. Januar 1968 heißt es dazu weiter: "Nicht übergeben ist außer der bereits in der Vorurkunde zurückbehaltenen Flur-Nr. 402 das Grundstück der Gemarkung H Flur-Nr. 403 Rehfeld, Ackerland, zu 0,2930 ha. Aus diesem Grundstück, zusammen mit dem Grundstück Flur-Nr. 402, sollen sieben Bauplätze gebildet werden, welche die Übergeber an ihre weiteren Abkömmlinge mit gesonderten Urkunden überlassen werden. Der aus diesen beiden Flurnummern noch verbleibende Rest wird ebenfalls durch gesonderte Urkunde an den Übernehmer und seine Ehefrau zum Zwecke weiterer landwirtschaftlicher Bewirtschaftung überlassen werden."

Im Flurbereinigungsverfahren trat die neue Flur-Nr. 399 anstelle der früheren Flur-Nrn. 402 und 403. Nach Abschluß des Flurbereinigungsverfahrens verzichtete der Vater zugunsten des Klägers mit einer von beiden unterzeichneten schriftlichen Erklärung vom 28. Oktober 1969 gegenüber der Flurbereinigungsbehörde auf die Grundstücke Flur-Nrn. 402 und 403. Im Grundbuch sollte dafür eine Vormerkung zur Sicherung einer kostenlosen Überlassung eines 40 m breiten Streifens entlang der X-Straße aus Flur-Nr. 399 der Gemarkung H mit einer Fläche von ca. 6.000 qm eingetragen werden. Die beiden Kläger wurden am 21. November 1969 als Eigentümer aller Grundstücke eingetragen. Sie bewilligten am 24. November 1969 die Auflassungsvormerkung zugunsten der Eltern des Klägers an der erst noch zu vermessenden Teilfläche des Grundstücks Flur-Nr. 399 von etwa 6.000 qm. Die Vormerkung wurde am 23. Januar 1970 im Grundbuch eingetragen. Die Teilung des Grundstücks wurde am 20. März 1970 genehmigt.

"In Erfüllung einer Übergabeverpflichtung aus dem Übergabevertrag vom 15.01.1968 (Urkunde-Nr. 136)" übertrugen die Kläger den Brüdern des Klägers, A und B, durch notariell beurkundete Verträge vom 8. Juli 1975 je eine Grundstücksteilfläche von ca. 2.300 qm aus der Flur-Nr. 399. Besitz, Nutzen und Lasten sollten am selben Tage übergehen. Die Veräußerer sollten noch berechtigt sein, im selben Jahr abzuernten. Gleichzeitig bewilligten die Eltern des Klägers die Löschung der am 23. Januar 1970 eingetragenen Vormerkung. Messungsanerkennung und Auflassung sowie Grundbucheintragung erfolgten im Jahr 1977.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nahm an, der Kläger habe die den Brüdern überlassenen Flächen aus dem Betriebsvermögen entnommen. Dementsprechend änderte das FA den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid 1976. Im Einspruchsverfahren ging es von einer entnommenen Fläche von 5.192 qm aus und setzte den Entnahmewert auf 50 DM/qm an. Für das Wirtschaftsjahr 1975/76 errechnete es einen Entnahmegewinn in Höhe von 129.800 DM und ermittelte die gesamten auf das Streitjahr 1976 entfallenden Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft mit 84.451 DM. In der Einspruchsentscheidung setzte das FA die Einkommensteuer 1976 auf 20.792 DM fest. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob es auf.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Mit der vom erkennenden Senat durch Beschluß vom 14. Oktober 1987 wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer 1976 in der ursprünglichen Höhe festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1975 (§ 52 Abs. 5 Satz 2 EStG 1971) ist beim Grund und Boden, der zum Anlagevermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gehört, ein durch die Veräußerung oder Entnahme entstandener Gewinn erstmals zu berücksichtigen, wenn das betreffende Grundstück nach dem 30. Juli 1970 veräußert oder entnommen worden ist, es sei denn, daß bei einer Veräußerung nach dem 30. Juni 1970 die Veräußerung auf einem vor dem 1. Juli 1970 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder einem gleichstehenden Rechtsakt beruht.

Dem Wortlaut nach ergeben sich also aus § 52 Abs. 2 Satz 2 EStG 1975 bei den Bodengewinnen zwei steuerfreie Tatbestände: Die Bodengewinne durch Veräußerung oder Entnahme von Grund und Boden vor dem 1. Juli 1970 (1. Alternative) und Bodengewinne, wenn bei Veräußerungen nach dem 30. Juni 1970 die Veräußerung auf einem vor dem 1. Juli 1970 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder einem gleichstehenden Rechtsakt beruht (2. Alternative). Bei der 2. Alternative fehlt also der Fall der Entnahme. Nach Auffassung des Senats begegnet es jedoch keinen Bedenken, unter die 2. Alternative auch solche Bodengewinne fallen zu lassen, die durch Entnahmen aufgrund einer unentgeltlichen Übertragung ausgelöst worden sind, wenn die Übertragung auf einer vor dem 1. Juli 1970 bereits rechtswirksam eingegangenen Verpflichtung oder einem gleichstehenden Rechtsakt beruht. Der Gesetzgeber hat bei dieser Ausnahmeregelung offensichtlich die hier gegebene Fallgestaltung bei Entnahmen übersehen. Die Gleichstellung von Entnahmen und Veräußerungen nach dem 30. Juni 1970, die auf obligatorischen Verträgen vor dem 1. Juli 1970 beruhen, folgt aus dem vom Gesetzgeber beabsichtigten weitgehenden Schutz des Vertrauens der Steuerpflichtigen, der für beide Fälle in gleicher Weise gelten muß. Bestand bereits vor dem 1. Juli 1970 eine bindende Verpflichtung zur Übertragung eines Grundstücks, dann muß es gleichgültig sein, ob die nach dem 30. Juni 1970 eintretende Gewinnrealisierung auf einer Veräußerung oder einer Entnahme des betreffenden Grundstücks beruht, weil sich der Steuerpflichtige dieser Verpflichtung in beiden Fällen nicht entziehen kann.

2. Geht man von dieser Auslegung des § 52 Abs. 2 Satz 2 EStG 1975 aus, dann kann entgegen der Auffassung des FA ein steuerpflichtiger Entnahmegewinn für die beiden, den Brüdern des Klägers übertragenen Bauplätze nicht angesetzt werden. Denn die Kläger machen zu Recht geltend, daß diese Übertragungen durch die Verträge vom 8. Juli 1975 und der zugehörige Eigentumsübergang im Jahre 1977 auf vor dem 1. Juli 1970 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Verträgen i.S. des § 52 Abs. 2 Satz 2 EStG 1975 beruhen.

Die Eltern des Klägers haben bei der Hofübergabe im Jahre 1968 die Grundstücke Nr. 402 und 403 für sich zurückbehalten, um mit ihnen die Geschwister des Klägers abfinden zu können. Da die Eltern 1969 im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens aber auf die dabei miterfaßten Grundstücke Nr. 402 und 403 zugunsten des Klägers und seiner Ehefrau verzichten mußten und infolgedessen das an die Stelle dieser Grundstücke tretende Ersatzgrundstück Nr. 399 unmittelbar auf die Kläger übertragen wurde, wurde den Eltern als Ersatz für die ursprünglich von ihnen zurückbehaltenen Grundstücke Nr. 402 und 403 zur Erfüllung ihrer Abfindungsverpflichtungen auf dem Surrogatgrundstück Nr. 399 im Januar 1970 ein Rückübertragungsanspruch hinsichtlich eines 40 m breiten Streifens entlang der X-Straße von ca. 6.000 qm eingeräumt, der durch eine Auflassungsvormerkung gesichert wurde. Beide Kläger waren also durch die Übereignung des Surrogatgrundstücks Nr. 399 vor dem 1. Juli 1970 verpflichtet worden, einen Teil davon an die Eltern zurückzuübertragen, damit diese die Geschwister des Klägers abfinden konnten. Wenn nun die Kläger zur Erfüllung dieser Verpflichtung gegenüber den Eltern die betreffenden Grundstücke nicht an die Eltern selbst, sondern "in Erfüllung einer Übergabeverpflichtung aus dem Übergabevertrag vom 15. Januar 1968" den Brüdern des Klägers, A und B, durch notarielle Verträge vom 8. Juli 1975 je eine Grundstücksfläche von ca. 2.300 qm aus der Flurstücks-Nr. 399 unmittelbar selbst übereigneten und dafür die Eltern die Löschung der obigen Auflassungsvormerkung bewilligten, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Kläger mit der Übertragung bzw. Übereignung dieser Grundstücke an die Brüder des Klägers im Jahre 1975 bzw. 1977 eine Verpflichtung aus der Zeit vor dem 1. Juli 1970 erfüllten. Damit beruhen die betreffenden Grundstücksentnahmen auf einem vor dem 1. Juli 1970 abgeschlossenen obligatorischen Vertrag i.S. des § 52 Abs. 2 Satz 2 EStG 1975.

3. Daß das FA antragsgemäß für die strittigen Grundstücke nach § 55 Abs. 5 EStG den höheren Teilwert festgestellt hat, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12. Juli 1979 IV R 55/74 (BFHE 128, 527, BStBl II 1980, 5), nach dem in dem Verfahren zur Feststellung des höheren Teilwerts auch darüber zu entscheiden ist, ob der betreffende Grund und Boden zum betrieblichen Anlagevermögen gehört. Der Senat teilt insoweit die Auffassung der Vorinstanz, daß wegen der Bewirtschaftung des Grundstücks Flur- Nr. 399 durch die Kläger nicht daran gezweifelt werden kann, daß dieses bis zu seiner Entnahme zum landwirtschaftlichen Anlagevermögen der Kläger gehört hat. Hier geht es jedoch darum, daß gemäß § 52 Abs. 2 EStG 1975 ein Entnahme- oder Veräußerungsgewinn trotz der Betriebsvermögenseigenschaft nicht zu versteuern ist.

Für das Streitjahr ergibt sich danach kein zu versteuerndes Einkommen mehr; die Einkommensteuer war auf 0 DM festzusetzen.