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BFH-Urteil vom 8.3.1989 (II R 211/83) BStBl. 1989 II S. 499

Pensionslasten sind bei der Einheitsbewertung eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft (landwirtschaftliche Nutzung) mit der Hälfte ihres Wertes zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 vom Vergleichswert der landwirtschaftlichen Nutzung abzuziehen.

BewG 1965 §§ 27, 41.

Vorinstanz: FG München (EFG 1983, 441)

Sachverhalt

Streitig ist, ob bei der Feststellung des Einheitswertes für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft (landwirtschaftliche Nutzung) für Pensionsverpflichtungen ein Abschlag am Vergleichswert in voller Höhe des Kapitalwerts dieser Verpflichtungen oder zur Hälfte vorzunehmen ist.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft "Regiegut A". Dieser Betrieb ist belastet mit Pensionsverpflichtungen in Höhe von 212.819 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) stellte auf den 1. Januar 1964 den Einheitswert für diesen Betrieb mit 330.900 DM fest. Dabei ging er von einem Vergleichswert für die landwirtschaftliche Nutzung von 437.365 DM aus. Davon machte das FA gemäß § 41 des Bewertungsgesetzes (BewG) einen Abschlag in Höhe von 106.409 DM für Pensionsverpflichtungen. Dieser Betrag entspricht der Hälfte der tatsächlichen Belastung.

Der Einspruch, mit dem der Kläger den Abzug der Pensionsverpflichtungen in vollem Umfang begehrte, blieb erfolglos. Das FA berief sich bei seiner Entscheidung auf die Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 23. November 1970 S 3284 - 4/5 - 52021 (veröffentlicht in der Bewertungskartei - Grundbesitz - der Oberfinanzdirektionen München und Nürnberg, Karte 5 zu § 55 BewG).

Die hiergegen erhobene Klage hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gewährte in seiner Entscheidung (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1983, 441) gemäß § 41 Abs. 1 BewG einen Abschlag in Höhe von 170.255 DM und stellte den Einheitswert auf 267.100 DM fest. Pensionslasten seien bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft im Vergleichswert der landwirtschaftlichen Nutzung nicht berücksichtigt, da nicht gegendüblich. Sie seien daher unter den Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Nr. 1 BewG anzusetzen. Danach sei für den Abschlag von einer Abweichung "um mehr als 20 v.H." - nämlich in vollem Umfang - auszugehen. Da es sich bei der 20 v.H.-Regelung um einen Freibetrag handle, sei der Abweichungsbetrag um diesen Vomhundertsatz zu kürzen und die Pensionslast mit 80 v.H. = 170.255 DM anzusetzen.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Das FA rügt Verletzung von § 36, 38 und 41 BewG, hilfsweise § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Unstreitig seien Pensionslasten bei der Ermittlung der Vergleichszahl für die landwirtschaftliche Nutzung nicht berücksichtigt. Gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 1 BewG sei unter den dort gegebenen Voraussetzungen ein Abschlag am Vergleichswert vorzunehmen, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von den wirtschaftlichen Ertragsbedingungen abwichen, die beim Vergleich nach § 38 Abs. 2 Nr. 2 BewG als regelmäßig gegeben angesehen und berücksichtigt worden seien, nicht jedoch dann, wenn Faktoren zusätzlich gegeben seien, die beim Vergleich nach § 38 Abs. 2 Nr. 2 BewG nicht berücksichtigt worden seien. Das FA habe entgegen dieser Rechtslage 50 v.H. der Pensionslasten berücksichtigt. Für den vom FG vorgenommenen weiteren Abschlag bestehe keine Veranlassung. Sollte jedoch entgegen dieser Auffassung die Berücksichtigung von Pensionslasten zulässig sein, so seien diese nur zur Hälfte anzusetzen, und zwar deswegen, weil die vom Bewertungsbeirat ermittelten Reinerträge (Ertragswerte) durch den Gesetzgeber halbiert worden seien. Davon gehe auch der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Entscheidung vom 23. November 1979 III R 86/76, BFHE 129, 192, BStBl II 1980, 90) aus.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, da das FG die Pensionsverbindlichkeiten insgesamt zum Abzug zugelassen habe, ohne zu prüfen, ob darin auch Lasten enthalten seien, die auf persönlichen Beziehungen zum Betriebsinhaber beruhten.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Einheitswert eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft mit landwirtschaftlicher Nutzung wird gemäß § 36 Abs. 1 BewG auf der Grundlage des Ertragswerts ermittelt. Dabei ist von der Ertragsfähigkeit auszugehen. Darunter ist der bei ordnungsmäßiger und schuldenfreier Bewirtschaftung mit entlohnten fremden Arbeitskräften gemeinhin und nachhaltig erzielbare Reinertrag zu verstehen (§ 36 Abs. 2 BewG). Der Ertragswert wird (grundsätzlich) durch ein vergleichendes Verfahren ermittelt (§ 37 Abs. 1 Satz 1 BewG). Die Unterschiede der Ertragsfähigkeit der gleichen Nutzung werden durch Vergleich der Ertragsbedingungen beurteilt (§ 38 Abs. 1 BewG). Dabei sind gemäß § 38 Abs. 2 Nr. 1 BewG für die natürlichen Ertragsbedingungen und im Gesetz einzeln aufgeführte wirtschaftliche Ertragsbedingungen die tatsächlichen Verhältnisse zugrunde zu legen. Für die in § 38 Abs. 2 Nr. 1 BewG nicht genannten wirtschaftlichen Ertragsbedingungen, insbesondere Preise und Löhne, Betriebsorganisation, Betriebsmittel, sind die in der Gegend als regelmäßig anzusehenden Verhältnisse maßgebend (§ 38 Abs. 2 Nr. 2 BewG). Zu diesen wirtschaftlichen Ertragsbedingungen gehören grundsätzlich auch die Pensionslasten. Weichen die tatsächlichen Verhältnisse bei einer Nutzung oder einem Nutzungsteil von den bei der Bewertung unterstellten regelmäßigen Verhältnissen der Gegend um mehr als 20 v.H. ab, so ist unter den weiteren Voraussetzungen des § 41 BewG (Mindestgrenzen) ein Abschlag oder ein Zuschlag am Vergleichwert zu machen.

Zu Recht führt das FG aus, daß in dem Vergleichswert der landwirtschaftlichen Nutzung eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft Pensionslasten nicht berücksichtigt sind, weil für diese Nutzungen solche Lasten nicht gegendüblich sind (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 8. Aufl., § 41 BewG Anm. 14, m.w.N.).

Abzulehnen ist die Meinung des FA in seiner Revision, deshalb könnten solche Lasten auch nicht über § 41 BewG berücksichtigt werden. Eine solche Ansicht findet im Gesetz keine Stütze. Sie würde in einem unvertretbaren Ausmaß tatsächliche Ertragsbedingungen vernachlässigen und die Reinertragsermittlung beeinträchtigen.

Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß die der Höhe nach unstreitigen Pensionslasten zur Hälfte ihres Wertes zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 vom Vergleichwert der landwirtschaftlichen Nutzung abzuziehen sind. Der Senat hält entgegen der Auffassung des FG die Halbierung der vom FA festgestellten Werte für gerechtfertigt. Die Werte des § 40 Abs. 2 BewG für je 100 Vergleichszahlen entsprechen nicht den tatsächlich festgestellten Reinerträgen nach den Verhältnissen vom Hauptfeststellungszeitpunkt 1964. Vielmehr wurden die tatsächlichen Reinerträge im Hinblick auf die Ungewißheit der Auswirkungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Lohnentwicklung in der Landwirtschaft nur mit rd. 50 v.H. angesetzt. Der Finanzausschuß sah in einer solchen Verminderung der Hektarwerte und damit der Einheitswerte für die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft eine sachdienliche Begünstigung (vgl. Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses des Bundestags - zu BTDrucks IV/3508, S. 3, 4, 9; Urteil in BFHE 129, 192, 196, BStBl II 1980, 90).

Der erkennende Senat sieht sich (insoweit mit dem FA) in seiner Auffassung bestärkt durch die Anweisung in Abschn. 1.18 Abs. 2 der Richtlinien für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (BewRL). Dort werden für das Einzelertragswertverfahren (§ 37 Abs. 2, § 42 Abs. 2, § 43 Abs. 2 BewG) die notwendigen bewertungsrechtlichen Folgerungen aus der o.a. Entscheidung des Gesetzgebers gezogen; denn es wird angeordnet, daß bei der Ermittlung des Einzelertragswerts die allgemeinen Bewertungsgrundsätze des § 36 BewG zu beachten sind und der ermittelte Ertragswert zu halbieren ist, damit der Einzelertragswert den Ertragswerten des § 40 Abs. 2 BewG entspricht (vgl. auch 193. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 25. Juni 1965 S. 9813).

Die Aufklärungsrüge des FA ist nicht begründet. Das FG hat den Sachverhalt ausreichend festgestellt (§ 76 FGO). Nach dem unstreitigen Vortrag der Beteiligten zu Grund und Höhe der Pensionslasten mußten sich dem FG keine Zweifel hinsichtlich der Betriebsbezogenheit dieser Lasten aufdrängen.

Die Sache ist spruchreif. Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.