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BFH-Urteil vom 2.3.1989 (IV R 83/86) BStBl. 1989 II S. 506

1. Die Begriffsbestimmung des Krankenhauses in § 2 Nr. 1 KHG ist auch für die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen auf Wirtschaftsgüter privater Krankenanstalten heranzuziehen.

2. Zur Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen, wenn neben stationären Leistungen auch ambulante Leistungen erbracht werden.

EStDV § 75.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Der Kläger, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionskläger (Kläger) ist Facharzt für Chirurgie und als Durchgangsarzt für Berufsgenossenschaften tätig. Er praktiziert in der X-Klinik (Klinik), die insbesondere die Funktion einer Arbeitsunfallstation sowie einer Klinik für plastische, Wiederherstellungs- und Handchirurgie hat. Diese Funktion nennt auch der Bescheid des Regierungspräsidenten vom 16. März 1964, mit dem dem Kläger die Betriebserlaubnis nach § 30 der Gewerbeordnung (GewO) erteilt wurde. Die Klinik umfaßt außer den Behandlungs- und Verwaltungsräumen drei Doppelbettzimmer für die stationäre Betreuung von Patienten. Die überwiegende Mehrzahl der Patienten verläßt die Klinik bereits wieder am Tage der Aufnahme. Eine längere Verweildauer ergibt sich nur in verhältnismäßig wenigen Fällen. Die Einnahmen der Streitjahre wurden einheitlich ermittelt, d.h. eine Trennung der Vergütungen für die ärztliche Tätigkeit einerseits und für die Beherbergung und Verpflegung von Patienten in der Klinik andererseits wurde nicht vorgenommen.

Für die in den Streitjahren angeschafften Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (Geräte, Kraftfahrzeuge usw.) machte der Kläger Sonderabschreibungen nach § 75 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) i. d. F. vom 9. Februar 1971 (BGBl I, 126) und 4. September 1974 (BGBl I, 2277) geltend. Die Sonderabschreibungen wurden vom Beklagten, Revisionskläger und Anschlußrevisonsbeklagten (Finanzamt - FA -) zunächst auch anerkannt und in den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre unter dem Vorbehalt der Nachprüfung berücksichtigt. Nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1978 stellten sich der Prüfer und, ihm folgend, das FA auf den Standpunkt, der Kläger sei nicht befugt, Sonderabschreibungen nach § 75 EStDV in Anspruch zu nehmen. Die Gesamttätigkeit des Klägers sei als Ausübung eines freien Berufs i. S. des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen; die Krankenanstalt sei ein notwendiges Hilfsmittel für die ärztliche Tätigkeit. Ein besonderer Gewinn werde aus der Klinik nicht erstrebt. Folglich läge ein einheitliches freiberufliches Betriebsvermögen vor, so daß die Wirtschaftsgüter nicht, wie es § 75 EStDV voraussetze, zum Anlagevermögen einer Krankenanstalt gehörten. Die Steuerbescheide für die Streitjahre wurden unter Berücksichtigung weiterer Feststellungen des Betriebsprüfers entsprechend gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geändert. Die Einsprüche gegen die geänderten Bescheide wurden als unbegründet zurückgewiesen. Die Klage hatte im Streitpunkt Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) konnte der Kläger die Sonderabschreibungen nach § 75 EStDV in Anspruch nehmen, da der Kläger eine Krankenanstalt im Sinne der Vorschrift betreibe.

Mit der Revision macht das FA weiter geltend, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen nach § 75 EStDV lägen nicht vor. Die Wirtschaftsgüter, um deren Abschreibung es geht, hätten nicht i. S. des § 75 EStDV zum Anlagevermögen einer privaten Krankenanstalt, sondern zum Anlagevermögen des einheitlichen freiberuflichen Betriebs des Klägers gehört.

Das FA beantragt, das FG-Urteil hinsichtlich der Streitjahre 1972 bis 1974 aufzuheben und die Klage, soweit mit ihr Sonderabschreibungen nach § 75 EStDV begehrt werden, abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Sonderabschreibungen nach § 75 EStDV schließt sich der Kläger der Rechtsauffassung des FG an und macht ergänzend geltend, die Nichtanerkennung der Sonderabschreibungen verstoße gegen Treu und Glauben, nachdem das FA nach mehreren Betriebsprüfungen in der Vergangenheit bisher stets die Sonderabschreibungen anerkannt habe.

Der Kläger hatte zunächst Anschlußrevision eingelegt, mit der er Anerkennung der übrigen im Verfahren vor dem FG streitigen Ausgaben als Betriebsausgaben begehrte. Die Anschlußrevision wurde in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen, so daß nur noch über die Revision des FA zu entscheiden war.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. a) Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen nach § 75 EStDV ist u.a. die Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer privaten Krankenanstalt. Eine Begriffsbestimmung der privaten Krankenanstalt enthält § 75 EStDV nicht. Nach Auffassung des Senats ist daher auf die Begriffsbestimmung in § 2 Nr. 1 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze - Krankenhausfinanzierungsgesetz - (KHG) vom 29. Juni 1972 (BGBl I, 1.009) zurückzugreifen. Die Sonderabschreibungen nach § 75 EStDV (jetzt nach § 7f EStG) sollen die privaten Krankenhäuser in die Lage versetzen, notwendige Investitionen zur Erneuerung und Modernisierung vorzunehmen (vgl. Bundestags-Protokoll 2/2.761 vom 18. November 1954 und Sechster Subventionsbericht der Bundesregierung vom 17. November 1977, BTDrucks 8/1.195, 259). Diese Zielsetzung liegt im wesentlichen auch den Förderungsmaßnahmen nach dem KHG zugrunde. Nach § 1 KHG ist Zweck des Gesetzes die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser, um eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Krankenhäusern zu gewährleisten und zu sozial tragbaren Pflegesätzen beizutragen. Bei mindestens weitgehend gleichem Förderungszweck liegt es nahe, die Begriffsbestimmung des einen Förderungsgesetzes auch auf das andere Förderungsgesetz, das eine Begriffsbestimmung nicht enthält, anzuwenden. Davon geht mit Zustimmung des Bundesrats auch die Bundesregierung in Abschn. 82 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) aus.

b) Krankenhäuser sind nach § 2 Nr. 1 KHG Einrichtungen, in denen durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistungen vornehmlich Krankheiten, Leiden oder Körperschäden festgestellt, geheilt oder gelindert werden sollen oder Geburtshilfe geleistet wird und in denen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden können. Danach ist erforderlich, daß die ärztliche und die pflegerische Hilfeleistung und Betreuung in der Einrichtung gegenüber den zu versorgenden Personen planmäßig und regelmäßig erbracht werden. Auf diese Hilfeleistung und Betreuung muß die Einrichtung durch entsprechenden Einsatz personeller, sächlicher und organisatorischer Mittel, also durch jederzeit rufbereite Ärzte, qualifiziertes Pflegepersonal und die dazu notwendige medizinisch-technische Ausstattung eingerichtet sein (vgl. Harsdorf/Friedrich, Krankenhausfinanzierungsgesetz, 3. Aufl. 1983, § 2 Tz. 10). Eine ganztägige ärztliche und pflegerische Leistung ist jedoch nicht unbedingt erforderlich. Dies ergibt sich mittelbar aus § 2 Nr. 4 KHG (Harsdorf/Friedrich, a.a.O.). Denn dort werden als Pflegesätze auch die Entgelte der Benutzer oder ihrer Kostenträger für teilstationäre Leistungen des Krankenhauses bestimmt. In der Einrichtung müssen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden können. Einrichtungen, die ausschließlich der ambulanten Behandlung der Kranken dienen, sind danach nicht als Krankenhäuser anzusehen. Als Krankenhäuser können hingegen auch teilstationäre Einrichtungen, insbesondere in der Form von Tag- oder Nachtkliniken, anzusehen sein.

c) Andererseits wird die Annahme eines Krankenhauses nicht dadurch ausgeschlossen, daß in der Einrichtung auch eine ambulante Versorgung von Kranken oder Verletzten erbracht wird. In nahezu allen Krankenhäusern werden neben den stationären auch ambulante Leistungen erbracht. Dabei richtet sich (vgl. Harsdorf/Friedrich, a.a.O., § 2 Tz. 13) auch für Krankenhäuser die Teilnahme an der kassenärztlichen ambulanten Versorgung nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) - §§ 368 ff. RVO -. Dem Bereich der stationären Behandlung können dabei aber auch Leistungen gegenüber Personen zuzuordnen sein, die noch am Tage ihrer Aufnahme in die Einrichtung wieder aus ihr entlassen werden. Dies ergibt sich auch aus der aufgrund des § 16 KHG erlassenen Bundespflegesatzverordnung vom 25. April 1973 (BGBl I, 333), nach deren § 9 Nr. 1 der Aufnahme- und der Entlassungstag als je ein Tag, bei einer gesamten Verweildauer von weniger als 24 Stunden jedoch als ein Tag berechnet werden (vgl. hierzu auch Harsdorf/Friedrich, a.a.O., § 16, Tz. 178). Für die Zuordnung der Leistung zum stationären oder zum ambulanten Bereich wird in diesen Fällen regelmäßig darauf abgestellt werden können, ob mit den Krankenversicherungsträgern ein Pflegesatz für stationäre Unterbringung abgerechnet wird.

d) Bei Einrichtungen, in denen sowohl eine stationäre als auch eine ambulante ärztliche Versorgung erbracht wird, und die steuerrechtlich einen einheitlichen Betrieb darstellen (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. November 1964 IV 153/64 U, BFHE 81, 246, BStBl III 1965, 90), können Sonderabschreibungen nach § 75 EStDV hiernach jedenfalls dann nicht versagt werden, wenn auf die stationären Leistungen (einschließlich der teilstationären) ein wesentlicher Teil der Gesamtleistung des Unternehmens entfällt. Ist das der Fall, so ist eine Einteilung der Wirtschaftsgüter in nach § 75 EStDV begünstigte und nicht begünstigte Wirtschaftsgüter nicht erforderlich, wenn - was regelmäßig der Fall sein dürfte - im ambulanten und im stationären Bereich gleichartige Leiden behandelt werden und nur von der Schwere der Erkrankung oder Verletzung abhängt, ob ambulante oder stationäre (teilstationäre) Behandlung erforderlich ist und erfolgt.

e) Ob ein wesentlicher Teil der Unternehmensleistung auf den stationären Bereich entfällt, ist nach dem Verhältnis der Entgelte für die stationären Leistungen (einschließlich der teilstationären) einerseits zu den ambulanten Leistungen andererseits zu beurteilen. Dabei gehören zu den Entgelten für die stationären Leistungen auch die Entgelte für die ärztlichen Leistungen im stationären und teilstationären Bereich (Harsdorf/Friedrich, a.a.O., § 2, Tz. 26, 27).

2. Entgegen der Auffassung des FA dürfen die Sonderabschreibungen nach den Ausführungen unter 1. nicht mit der Begründung versagt werden, es liege ein einheitliches freiberufliches Betriebsvermögen vor. Die Sonderabschreibungen nach § 75 EStDV können auch in Anspruch genommen werden, wenn aus dem Betrieb freiberufliche Einkünfte i. S. des § 18 EStG erzielt werden (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl. 1988, § 7f Anm. 2). Die Sonderabschreibungen werden, wie dargelegt, auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß neben stationären auch ambulante Leistungen erbracht werden. Hiervon ist zutreffend auch das FG ausgegangen.

3. Die tatsächlichen Feststellungen des FG lassen jedoch eine abschließende Beurteilung, ob und in welchem Umfang dem Kläger die geltend gemachten Sonderabschreibungen zustehen, nicht zu. Das FG-Urteil mußte deshalb aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden.

Aus dem FG-Urteil ergibt sich weder, ob die Klinik unter Berücksichtigung der unter 1. dargelegten Kriterien eine Krankenanstalt i. S. des § 75 EStDV ist, noch in welchem Verhältnis die ambulanten und die stationären Leistungen zueinanderstehen. Das FG hat allerdings festgestellt, daß dem Kläger zum Betrieb der Klinik eine Konzession nach § 30 GewO erteilt worden ist. Der Genehmigungsvorbehalt des § 30 GewO soll die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, welche eine nicht ordnungsgemäße Führung, Einrichtung oder Unterhaltung einer Krankenanstalt für die Patienten mit sich bringt.

Die Vorschrift dient danach der gesundheitspolizeilichen Gefahrenabwehr, während das KHG und in Anlehnung an diese Vorschrift § 75 EStDV und § 7f EStG n. F. reine Förderungsvorschriften sind, die die für eine finanzielle Förderung in Betracht kommenden Einrichtungen umschreiben (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 18. Oktober 1984 1 C 36.83 - Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 451.20, § 30 GewO, Nr. 3 -). Angesichts der unterschiedlichen Zwecksetzungen beider Regelungen begründet die Erteilung einer Konzession nach § 30 GewO jedenfalls für den Streitzeitraum nur einen ersten Anschein dafür, daß die vom Konzessionsinhaber betriebene Einrichtung ein Krankenhaus i. S. des § 2 Nr. 1 KHG ist. Die tatsächliche Feststellung, daß die Voraussetzungen des § 2 Nr. 1 KHG erfüllt sind, wird dadurch nicht entbehrlich. Allerdings haben der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen mit Runderlaß vom 3. Januar 1989 (Ministerialblatt - MinBl - für das Land Nordrhein-Westfalen 1989, 68) die Auffassung vertreten, Privatkrankenanstalten i. S. des § 30 Abs. 1 GewO seien Krankenhäuser i. S. des § 2 Nr. 1 KHG. Dies hat zur Folge, daß die Konzessionsbedürftigkeit jedenfalls nach diesem Erlaß danach beurteilt wird, ob die Voraussetzungen des § 2 Nr. 1 KHG erfüllt sind. Für den Streitfall kann dies tatsächliche Feststellungen des FG aber schon deshalb nicht entbehrlich machen, weil die Konzession nach den tatsächlichen Feststellungen des FG bereits vor dem Inkrafttreten des KHG, nämlich im Jahr 1964 erteilt worden ist. Das FG wird ferner Feststellungen über das Verhältnis der stationären zu den ambulanten Leistungen treffen müssen, um feststellen zu können, ob die stationären Leistungen einen nicht unerheblichen Anteil an der Gesamtleistung des Unternehmens des Klägers haben. Dabei ist, wie dargelegt, vom Verhältnis der Entgelte auszugehen, wobei teilstationäre Leistungen und die auf stationäre und teilstationäre Leistungen entfallenden Vergütungen für die ärztlichen Leistungen dem stationären Bereich zuzurechnen sind.